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Als konstitutiv einzustufen sind diejenigen Merkmale des Eignungs- und Befähigungsprofils der - hier mittels Ausschreibung - angesprochenen Bewerber, welche zum einen zwingend vorgegeben und zum anderen anhand objektiv überprüfbarer Kriterien eindeutig festzustellen sind.
Das Merkmal „gute Kenntnisse in der Personalführung“ ist nicht als konstitutiv zu verstehen.
Nicht geeignet für ein Beförderungsamt ist ein Beamter, für den bereits feststeht, dass er für die in diesem Amt zu erbringende Leistung überhaupt nicht oder nicht mehr in nennenswertem Umfang zur Verfügung steht.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 13.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nr. 15 vom 1.8.2022 ausgeschriebene Stelle der Bereichsleitung A-Flügel im allgemeinen Vollzugsdienst bei der Justizvollzugsanstalt Willich I mit Amtszulage gemäß Fn. 1 zur Besoldungsgruppe A 9 LBesO NRW mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Es bestehe ein Anordnungsgrund und der Antragsteller habe auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Bezogen auf den Anordnungsanspruch hat das Verwaltungsgericht - soweit mit Blick auf das Beschwerdevorbringen von Relevanz - angenommen, der Antragsteller habe zunächst nicht wegen Nichterfüllung des Anforderungsprofils vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden dürfen. Das Anforderungsmerkmal „hat gute Kenntnisse in Personalführung“ stelle kein zulässiges konstitutives Anforderungsmerkmal dar, weil die Erfüllung dieses Merkmals nicht vollständig anhand objektiv überprüfbarer Kriterien eindeutig und unschwer festgestellt werden könne. Die Frage, ob bei einem Bewerber vorhandene Kenntnisse in der Personalführung „gut“ seien, könne nicht ohne eine bewertende Betrachtung des Dienstherrn entschieden werden. Auch wenn das Anforderungsmerkmal als partiell konstitutiv verstanden werde, nämlich dahingehend, dass der Bewerber überhaupt über nennenswerte Kenntnisse in der Personalführung verfügen müsse, also ein „Grundbestand“ solcher Kenntnisse erforderlich sei, dürfe der Antragsteller nicht aus dem Bewerberkreis ausgeschieden werden. Denn mindestens ein solcher „Grundbestand“ an Kenntnissen sei bei ihm gegeben. Er habe in der Zweigstelle I. mehrere Jahre lang Tätigkeiten als Schichtleiter bzw. Schichtführer ausgeübt; diese Tätigkeiten habe der Antragsgegner nicht in den Blick genommen. Darüber hinaus sei in der Regelbeurteilung des Antragstellers für den Zeitraum 3/2011 bis 2/2014 die „erfolgreiche Teilnahme an der Erprobung für Führungskräfte“ erwähnt. In der in der Personalakte befindlichen „Auswertung E.“ sei unter „Erprobung“ aufgeführt: „29.04.2013 – 31.05.2013 / als BLS Hauptanstalt“ und „03.06.2013 – 26.07.2013 / als Schichtleiter MG“. Zudem sei der Antragsteller ab dem 28.6.2021 an die JVA P. zur probeweisen Wahrnehmung der Aufgaben eines verantwortlichen Schichtleiters abgeordnet worden. Dieser Einsatz sei zwar auf Wunsch des Antragstellers vorzeitig beendet worden, habe aber immerhin gut zwei Monate gedauert. Es sei bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der Antragsteller im Rahmen dieser Tätigkeiten auch (mindestens) einen Grundbestand an Kenntnissen in der Personalführung erworben habe. Die Bewerbung des Antragstellers habe schließlich auch nicht wegen der 2024 bevorstehenden Pensionierung unberücksichtigt gelassen werden dürfen. Selbst wenn man zugrunde lege, dass wegen angesparter Überstunden und dem Antragsteller zustehenden Erholungsurlaubs bereits der 7.5.2024 der letzte Arbeitstag des Antragstellers sei, blieben noch neun Monate, die der Antragsteller für die im Beförderungsamt zu erbringende Leistung zur Verfügung stünde.
4Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, bietet keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller zu Unrecht vom Auswahlverfahren ausgeschlossen und nicht in den Leistungsvergleich einbezogen worden sei, wird hierdurch nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.
51. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Anforderungsmerkmal „hat gute Kenntnisse in Personalführung“ nicht in Gänze als konstitutiv zu verstehen ist.
6Nur soweit ein konstitutives Anforderungsmerkmal gegeben ist, ist es möglich (und geboten), einen Bewerber, der es nicht erfüllt, von vornherein vom Qualifikationsvergleich auszuscheiden. Als konstitutiv einzustufen sind diejenigen Merkmale des Eignungs- und Befähigungsprofils der ‑ hier mittels Ausschreibung ‑ angesprochenen Bewerber, welche zum einen zwingend vorgegeben und zum anderen anhand objektiv überprüfbarer Kriterien eindeutig festzustellen sind. Demgegenüber kennzeichnet ein nicht konstitutives (oder auch fakultatives, deklaratorisches oder beschreibendes) Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen (weil sie beispielsweise nur „erwünscht“ sind) oder die schon von ihrer Art her nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten ‑ bejahend oder verneinend ‑ festgestellt werden können. Allein die Nichterfüllung eines (rechtmäßigen) konstitutiven Anforderungsprofils führt notwendig zum unmittelbaren Ausschluss des betroffenen Bewerbers aus dem auf die Auswahlentscheidung gerichteten Verfahren.
7Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2014 - 1 B 195/14 -, juris Rn. 7 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 17.7.2023 ‑ 5 ME 32/23 ‑, juris Rn. 27, jeweils m. w. N.
8Dies zugrunde gelegt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass das Merkmal „gute Kenntnisse in der Personalführung“ nicht als konstitutiv aufzufassen ist. Dass die Frage, ob ein Bewerber nicht nur überhaupt über Kenntnisse in der Personalführung verfügt, sondern diese Kenntnisse darüber hinaus als „gut“ zu qualifizieren sind, nicht ohne Wertung zu beantworten ist, liegt auf der Hand und gesteht auch der Antragsgegner zu. Das entsprechende Anforderungsmerkmal kann insoweit nicht als konstitutiv verstanden und seine - nach Ansicht des Antragsgegners gegebene - mangelnde Erfüllung kann demnach nicht herangezogen werden, um den Antragsteller von vornherein aus der Bewerberkonkurrenz auszuscheiden; es kann allenfalls im (weiteren) Qualifikationsvergleich der Bewerber Bedeutung erlangen, bei dem aber die dienstlichen Beurteilungen nicht außer Betracht bleiben dürfen.
9Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19.12.2014 - 2 VR 1.14 -, IÖD 2015, 38 = juris Rn. 37, und vom 20.6.2013 - 2 VR 1.13 -, BVerwGE 147, 20 = juris Rn. 48 f.
10Die Frage, ob ein in anderer Weise gefasstes Anforderungsprofil, in dem eine bestimmte Qualität von Kenntnissen bzw. Erfahrungen in der Personalführung wertungsfrei erfasst wird (etwa: durch einen erfolgreichen Lehrgangsabschluss belegte Kenntnisse oder über eine bestimmte Zeitdauer erworbene Erfahrungen), den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts für dienstpostenbezogene Anforderungsprofile in den zitierten Entscheidungen genügt, stellt sich im Streitfall nicht.
112. Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, das Verwaltungsgericht habe das vom Dienstherrn im Rahmen seines organisatorischen Ermessens festgelegte Anforderungsprofil inhaltlich verändert und die Anforderungen, die potentielle Bewerber erfüllen müssten, herabgesetzt, indem es angenommen habe, erforderlich sei lediglich ein „Grundbestand an Kenntnissen in der Personalführung“.
12Ob und in welchem Umfang ein Anforderungsprofil Bindungswirkung entfaltet, muss durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung ermittelt werden.
13Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.6.2013 - 2 VR 1.13 -, BVerwGE 147, 20 = juris Rn. 32, und vom 19.12.2014 - 2 VR 1.14 -, IÖD 2015, 38 = juris Rn. 27.
14Hiervon ausgehend ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das Merkmal „gute Kenntnisse in der Personalführung“ dahingehend verstanden hat, dass es allenfalls insoweit eine konstitutive Anforderung enthalte, als der jeweilige Bewerber überhaupt über Kenntnisse in der Personalführung verfügen müsse.
15Zu einem ähnlichen Fall vgl. nochmals OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2014 - 1 B 195/14 -, juris Rn. 13 ff. (Anforderungsmerkmale „Kenntnisse der Aufgaben und Organisation der Zollverwaltung“ und „Gute Kenntnisse der englischen Sprache“).
16Dass „Kenntnisse in der Personalführung“ zwingend erforderlich seien, führt der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren zudem selbst aus. Die Formulierung, dass ein „Grundbestand“ solcher Kenntnisse erforderlich sei, hat das Verwaltungsgericht ersichtlich („d.h.“) nur als Konkretisierung dessen verwendet, was es heißt, „überhaupt“ über Kenntnisse in der Personalführung zu verfügen. Weder hat das Verwaltungsgericht damit eine „Veränderung“ des Anforderungsprofils vorgenommen noch das in Rede stehende Anforderungsmerkmal fehlerhaft ausgelegt.
173. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich weiter nicht, dass der Antragsteller entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts über die - allenfalls - konstitutiv geforderten Kenntnisse in der Personalführung nicht verfügt. Der Antragsgegner verweist insoweit pauschal auf den „äußerst geringen Umfang“, in dem der Antragsteller als Schichtleiter oder Diensthabender eingesetzt gewesen sei, und rügt zudem, die Tätigkeit des Antragstellers während der zweimonatigen Abordnung an die JVA P. dürfe nicht berücksichtigt werden, weil diese Erprobung nicht beendet worden sei. Das Verwaltungsgericht hat allerdings angenommen, dass der Antragsteller Kenntnisse in der Personalführung vor allem auch während seiner - vom Antragsgegner nicht in den Blick genommenen - Tätigkeit in der Zweigstelle I. erworben habe, wo er ausweislich der entsprechenden Beurteilungen „inzwischen überwiegend“ bzw. „inzwischen nahezu ausschließlich“ als Schichtleiter eingesetzt gewesen sei. Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht. Sie verhält sich auch nicht zu der vom Verwaltungsgericht weiter angesprochenen, in der Regelbeurteilung des Antragstellers für den Zeitraum 3/2011 bis 2/2014 erwähnten erfolgreichen Teilnahme an der Erprobung für Führungskräfte sowie zu den auf Bl. 301 der Personalakte unter „Erprobung“ aufgeführten Tätigkeiten. Im Hinblick auf die etwa zweimonatige Tätigkeit des Antragstellers in der JVA P. hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur eine der Tätigkeiten sei, die dem Antragsteller Kenntnisse in der Personalführung verschaffen konnten, und dass der Antragsgegner nicht weiter dargelegt habe, warum die Tätigkeiten in der Zweigstelle I. sowie die dem Antragsteller attestierte „erfolgreiche Teilnahme an der Erprobung für Führungskräfte“ nicht ins Gewicht fallen sollten. Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.
184. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Antragsteller könne nicht entgegengehalten werden, dass er die Stelle nur noch für relativ kurze Zeit ausfüllen könnte, wird mit dem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Der hiergegen gerichtete Einwand der Beschwerde, die mögliche Einarbeitungszeit in das Beförderungsamt werde sich mit Blick auf die vom Antragsteller angesparten Überstunden und den Jahresurlaub erheblich verkürzen und möglicherweise dazu führen, dass der Antragsteller die erwarteten Anforderungen während seiner aktiven Dienstzeit nicht erfülle, dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass der Antragsgegner meint, der Antragsteller sei jedenfalls mit Rücksicht auf seine restliche (aktive) Dienstzeit nicht (mehr) für die ausgeschriebene Stelle geeignet. Von einem solchen Eignungsmangel ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedoch nicht auszugehen. Zutreffend ist zwar, dass zur Eignung für ein Beförderungsamt grundsätzlich gehört, dass der Beamte im neuen Amt noch für angemessene Zeit tätig sein wird. Gegenstand eines Eignungsurteils ist die Prognose darüber, ob und wie der Beamte die Dienstaufgaben des Beförderungsamts in Würdigung seiner bisher erbrachten Leistung und der Eigenschaften, die seine Befähigung ausmachen, voraussichtlich erfüllen wird. Nicht geeignet ist danach eo ipso aber nur der Beamte, für den bereits feststeht, dass er für die im Beförderungsamt zu erbringende Leistung überhaupt nicht zur Verfügung steht, weil er bereits keine Dienstleistung mehr erbringt oder sie nicht mehr in nennenswertem zeitlichem Umfang erbringen wird.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.5.2020 - 1 B 1321/19 -, juris Rn. 20; OVG S.-A., Beschluss vom 3.7.2023 - 1 M 37/23 -, juris Rn. 8 ff.
20Das trifft derzeit aber auf den Antragsteller nicht zu. Auch unter Berücksichtigung der von diesem nicht bestrittenen Angaben des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren, dass der Antragsteller ab/um den 7.5.2024 nicht mehr zur Verfügung stehen wird, ist ein Eignungsmangel mit Blick auf die restliche Dienstzeit des Antragstellers nicht hinreichend dargelegt. Es ist gleichwohl (noch) zu erwarten, dass der Antragsteller, sollte er ausgewählt werden, eine nennenswerte Dienstleistung wird erbringen können. Maßgeblich ist insoweit die zu erwartende Dienstzeit nach Übernahme des Dienstpostens.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3.2.2023 - 6 B 1133/22 -, IÖD 2023, 104 = juris Rn. 10.
22Danach dürfte dem Antragsteller - Stand jetzt - noch eine Dienstzeit von mehreren Monaten in dem neuen Amt verbleiben. Dass der zu übernehmende Dienstposten besonders komplexe Aufgaben stellt und insoweit von einer außergewöhnlich langen Einarbeitungsphase auszugehen ist, macht der Antragsgegner nicht geltend. Sollte er mit der Vermutung, der Antragsteller werde möglicherweise „die erwarteten Anforderungen während seiner aktiven Dienstzeit“ nicht erfüllen, geltend machen wollen, der Antragsteller werde voraussichtlich die dreimonatige Erprobungszeit nicht mehr vollständig durchlaufen, ist dies jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erwarten.
23Ist ein Eignungsmangel mit Blick auf die restliche Dienstzeit des Antragstellers danach derzeit nicht anzunehmen, bestehen im Übrigen auch keine Bedenken gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es erscheine mindestens möglich, dass der Antragsteller in einem rechtmäßigen Auswahlverfahren für die Stelle auszuwählen wäre.
24Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).