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Erfolglose Beschwerde eines Bewerbers, der im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners zu seiner Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst bzw. Fortführung des Bewerbungsverfahrens begehrt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 9.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss aufzuheben oder zu ändern.
4Das Verwaltungsgericht hat die Anträge,
5den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) vom 6.3.2023 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller zum 1.9.2023 als Beamten auf Widerruf in den Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen, Laufbahngruppe 2.1, einzustellen,
6hilfsweise, den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides des LAFP NRW vom 6.3.2023 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das den Antragsteller betreffende Bewerbungsverfahren gerichtet auf seine Einstellung in den Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen zum 1.9.2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen,
7im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen abgelehnt: Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung seien weder für den Haupt- noch für den Hilfsantrag gegeben. Der Antragsteller habe die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Die Entscheidung des Antragsgegners, die Bewerbung des Antragstellers um Einstellung in den Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen, Laufbahngruppe 2.1, zum 1.9.2023 abzulehnen, verletze den Antragsteller nach summarischer Prüfung nicht in seinem aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung. Die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst setze gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBG NRW i. V. m. §§ 11 (gemeint: § 12) Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3 LVOPol die gesundheitliche Eignung in Form der Polizeidiensttauglichkeit voraus. Diese Voraussetzung erfülle der Antragsteller in Anbetracht seiner dokumentierten Veranlagung zur Harnsteinbildung und der zur Vorbeugung eines Rezidivs notwendigen Harnsteinmetaphylaxe zum Einstellungstermin 1.9.2023 nicht. Zur Begründung werde auf die zutreffenden Ausführungen des Antragsgegners verwiesen, der seinerseits auf die nicht zu beanstandende Stellungnahme des Polizeiarztes Dr. Q. vom 11.5.2023 Bezug nehme. Die Einwendungen des Antragstellers rechtfertigten keine abweichende Bewertung. Eine Anwendung der Grundsätze aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.7.2013 - 2 C 12.11 -, NVwZ 2014, 300 = juris Ls. 2 und Rn. 16, setze eine zunächst vorhandene bzw. aktuelle gesundheitliche Eignung voraus; hier lägen allerdings die aktuelle körperliche Eignung des Antragstellers bezogen auf den Polizeivollzugsdienst in erheblicher Weise einschränkende gesundheitliche Beeinträchtigungen vor. Ob der Antragsteller aktuell an gesundheitlichen Beschwerden leide, sei unerheblich. Der Antragsteller stelle auch die Richtigkeit der polizeiärztlichen Stellungnahme nicht durchgreifend in Frage. Das Tragen einer Körperschutzausstattung (KSA) mit einem Gewicht von ca. 20 kg stelle keinen Ausnahmetatbestand, sondern bei Einsätzen der Bereitschaftspolizei eher den Regelfall dar. Bei hohen Temperaturen sei schon unter normalen Bedingungen zur allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe eine Trinkmenge von 2,5 bis 3 Litern erforderlich; die Metaphylaxe bei Angehörigen einer Hochrisikogruppe - wie dem Antragsteller - gehe darüber (noch) hinaus.
8Diesen weiter begründeten Erwägungen setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen.
91. Der Antragsteller zeigt mit dem Beschwerdevorbringen nicht auf, dass die polizeiärztliche Stellungnahme vom 11.5.2023, deren Inhalt im Schriftsatz des Antragsgegners vom 25.5.2023 wiedergegeben ist und den das Verwaltungsgericht sich durch Bezugnahme zu eigen gemacht hat, nicht schlüssig sei.
10a) Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf ein Attest des Facharztes für Urologie und Kinderurologie G. C. vom 21.2.2023, wonach sich bei einer Kontrolluntersuchung am selben Tag keine Auffälligkeiten gezeigt haben. Denn anders als der Antragsteller es darstellt, hat das Verwaltungsgericht nicht darauf abgestellt, dass er unter einer akuten Erkrankung (insbesondere einer Urolithiasis) und/oder einer chronischen Erkrankung leidet. Das Verwaltungsgericht hat die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers vielmehr auf dessen Veranlagung zur Harnsteinbildung und die zur Vorbeugung eines Rezidivs notwendige Harnsteinmetaphylaxe zurückgeführt (vgl. Seite 4 des Entscheidungsabdrucks). Diese Veranlagung stellt auch der Antragsteller nicht in Abrede. Er bestätigt im Gegenteil, dass es bei ihm im September 2021 (einmalig) zu einer Harnsteinbildung gekommen ist und er seitdem den Empfehlungen zur Metaphylaxe folgt. Ob der Antragsteller gegenwärtig unter einer Urolithiasis leidet, ist danach - wie das Verwaltungsgericht klargestellt hat - für die Frage nach seiner Polizeidiensttauglichkeit nicht maßgeblich.
11b) Zu kurz greift der Einwand des Antragstellers, in der polizeiärztlichen Stellungnahme sei das Risiko eines Rezidivs für eine Harnsteinneubildung („undifferenziert“) mit 50 v. H. angegeben, obwohl das Risiko durch eine - vom Antragsteller befolgte - Metaphylaxe auf zehn bis 15 v. H. gesenkt werden könne.
12Es trifft bereits nicht zu, dass der Polizeiarzt das Risiko eines Rezidivs ohne weitere Unterscheidung mit 50 v. H. angegeben hat (nach dem vom Antragsteller vorgelegten Beitrag „Urolithiasis - interdisziplinäre Herausforderung in Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe“ im Deutschen Ärzteblatt 6/2015, Seiten 83 ff., liegt das Risiko sogar bei 50 bis 80 v. H.). Vielmehr hat der Polizeiarzt in seiner Stellungnahme unter Bezugnahme auf die „S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis“ (im Folgenden: S2k-Leitlinie) der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. weiter ausgeführt, bei Durchführung einer Steinmetaphylaxe (reichliche Flüssigkeitszufuhr sowie Reduzierung von Milch bzw. Milchprodukten und Schwarztee) sei davon auszugehen, dass ein Steinrezidiv „vermieden“ werden könne. Bei entsprechender Metaphylaxe schätzt der Polizeiarzt das Risiko eines Rezidivs damit sogar geringer ein als der Antragsteller.
13Im Übrigen lässt der Antragsteller außer Acht, dass auch (und gerade) die zur Vorbeugung eines Rezidivs bzw. Senkung der Wahrscheinlichkeit notwendige Harnsteinmetaphylaxe seiner Polizeidiensttauglichkeit im Wege steht. Der Polizeiarzt führt in seiner Stellungnahme aus, dass das Einhalten einer ausreichenden, gleichmäßig über den Tag verteilten Trinkmenge zu den vorbeugenden Maßnahmen zähle. Um eine ausreichende Urinproduktion von mehr als zwei Litern täglich sicherzustellen, sei es schon bei normaler körperlicher Belastung erforderlich, deutlich mehr als zwei Liter am Tag zu trinken. Diese Ausführungen finden sich in Übereinstimmung mit dem Inhalt der S2k-Leitlinie. Darin heißt es zu den Empfehlungen einer - für alle Harnsteinpatienten geltenden - sog. allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe: „Eine ausreichende Harndilution ist die wichtigste rezidivprophylaktische Maßnahme. Eine Steigerung der Trinkmenge verbessert die Dilution und senkt so die Konzentration lithogener Substanzen im Urin. Um ein Harnvolumen von mindestens zwei bis 2,5 Litern pro Tag zu erreichen, ist eine Trinkmenge von mindestens 2,5 bis drei Litern pro Tag erforderlich. […] Die Flüssigkeitszufuhr sollte hierbei gleichmäßig über 24 Stunden verteilt werden“. Dass - wie der Polizeiarzt annimmt - bei einer gesteigerten körperlichen Belastung und/oder höheren Außentemperaturen die erforderliche Trinkmenge entsprechend größer ist, liegt auf der Hand. Der Polizeiarzt legt im Weiteren zugrunde, dass der Polizeiberuf wegen der nicht immer vorhersehbaren Belastungen, z. B. durch akute oder langdauernde Einsätze im Wach- und Wechseldienst, nicht die Gewähr für eine regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr biete. Wegen der besonderen körperlichen Belastung bestehe ein höherer Flüssigkeitsbedarf; insbesondere bei Einsätzen der Bereitschaftspolizei, bei denen regelmäßig auch über längere Zeit die KSA getragen werden müsse, sei der Flüssigkeitsbedarf bei normalen und erst recht bei höheren Temperaturen sogar drastisch erhöht. Auf dieser Grundlage kommt der Polizeiarzt zu der Feststellung, in den o. g. Situationen, also bei Einsätzen der Bereitschaftspolizei unter Tragen einer KSA und bei akuten oder langdauernden Einsätze im Wach- und Wechseldienst, könne eine kontinuierliche, den Empfehlungen zur (allgemeinen) Harnsteinmetaphylaxe entsprechende Flüssigkeitszufuhr zur Harndilution nicht sichergestellt werden. Diese Argumentation ist ohne weiteres nachvollziehbar.
14c) Der Antragsteller zeigt nicht auf, dass die Stellungnahme insoweit auf einer unzutreffenden Grundlage beruht, als der Polizeiarzt annimmt, das Tragen der KSA stelle keinen Ausnahmetatbestand, sondern bei Einsätzen der Bereitschaftspolizei eher den Regelfall dar. Seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren aufgestellte Behauptung, eine Harnsteinmetaphylaxe könne (nur) „punktuell“ bzw. an vereinzelten Tagen nicht eingehalten werden, vermag der Antragsteller auch mit dem Beschwerdevorbringen nicht zu untermauern. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, woher der Antragsteller als Einstellungsbewerber verlässliche Kenntnisse zu der Häufigkeit von Einsätzen der Polizeivollzugsbeamten als Teil der Bereitschaftspolizei und den Einsatzbedingungen haben soll. Auch sonst besteht kein Grund zu Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben des Polizeiarztes. Bei seiner Einschätzung, das Szenario „eines regelmäßig auftretenden Einsatzes der Beamten unter KSA einhergehend mit einer unzureichenden Versorgung der Beamten mit Flüssigkeit [sei] unglaubhaft“, fasst der Antragsteller den Inhalt der polizeiärztlichen Stellungnahme unzutreffend zusammen. Darin beschreibt der Polizeiarzt zwar unter Heranziehung einer Studie der Deutschen Sporthochschule Köln einen drastisch erhöhten Flüssigkeitsbedarf bei Einsätzen der Bereitschaftspolizei, bei denen die KSA getragen wird. Seine Feststellung, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr könne u. a. in dieser Situation nicht sichergestellt werden, bezieht sich aber (nur) auf den erhöhten Bedarf gemäß den Empfehlungen zur Harnsteinmetaphylaxe. Danach liegt der allgemein gehaltene Hinweis des Antragstellers auf eine Verpflichtung des Antragsgegners aufgrund dessen Fürsorgepflicht, die eingesetzten Polizeivollzugsbeamten mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen, weil andernfalls die Gefahr eines Kreislaufzusammenbruchs bestehe, neben der Sache. Damit, dass - nach der polizeiärztlichen Stellungnahme - auch bei akuten oder langdauernden Einsätzen im Wach- und Wechseldienst eine regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr nicht gewährleistet ist und auch im Posten- und Streifendienst regelmäßig Schutzausstattung getragen wird, die ebenfalls zu einem erhöhten Flüssigkeitsbedarf führt, setzt sich das Beschwerdevorbringen bereits nicht auseinander.
15d) Weil bereits eine den Empfehlungen zur allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe entsprechende Flüssigkeitszufuhr nicht durchgängig sichergestellt ist, kann dahinstehen, ob der Antragsteller - wovon der Polizeiarzt ausgeht - wegen des (frühen) Auftretens der Urolithiasis im Alter von 17 Jahren zur Gruppe der Hochrisikopatienten zählt, für die die S2k-Leitlinie eine darüber hinaus gehende metabolische Diagnostik und Rezidivprophylaxe empfiehlt.
162. Der Hinweis, dass nach dem o.g. Bericht im Deutschen Ärzteblatt selbst im (unwahrscheinlichen) Fall eines Rezidivs eine Urolithiasis in 75 v. H. der Fälle unkompliziert verlaufe, ändert nichts daran, dass der Antragsgegner als Dienstherrn aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten wäre, den Antragsteller vor dem vermeidbaren Risiko eines Rezidivs (und eines komplizierten Verlaufs der Urolithiasis) zu schützen, indem er ihn zu Einsätzen, bei denen eine Metaphylaxe nicht gewährleistet werden kann, möglichst nicht heranzieht.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.11.2017 - 6 A 2111/14 -, juris Ls. 3 und Rn. 103 ff. zur Polizeidienstunfähig, wenn die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes wegen der individuellen Konstitution eines Polizeivollzugsbeamten mit einem deutlich erhöhten Verletzungs- oder sonstigen Gesundheitsrisiko einherginge.
183. Hält nach alledem die Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle dem Antragsteller an der Polizeidiensttauglichkeit, weil er im Zeitpunkt der beabsichtigten Einstellung polizeidienstunfähig sei, vor dem Beschwerdevorbringen Stand, kommt es auf die vom Antragsteller geforderte prognostische Beurteilung, ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer (Polizei-)Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist, nicht an. Ohne Erfolg verweist die Beschwerde auf die höchstrichterliche Rechtsprechung,
19vgl. BVerwG, Urteile vom 25.7.2013 - 2 C 12.11 -, a. a. O.,
20wonach einem dienstfähigen Bewerber die gesundheitliche Eignung nur dann abgesprochen werden dürfe, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten werde oder der Bewerber bis zur Pensionierung über Jahre hinweg krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen werde, als vom Gesetzgeber erwartet werde. Die vom Bundesverwaltungsgericht im o. g. Urteil geforderte überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze bezieht sich auf Bewerber, deren gesundheitliche Eignung im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung vorhanden ist, und trägt den Schwierigkeiten prognostischer Einschätzungen künftiger Entwicklungen Rechnung. Auch diese Fallkonstellation setzt damit eine zunächst vorhandene bzw. aktuelle gesundheitliche Eignung des Bewerbers gerade voraus.
21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.4.2017 - 2 VR 2.17 -, Buchholz 232.0 § 9 BBG 2009 Nr. 7 = juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 14.7.2020 - 6 B 602/20 -, ZBR 2023, 62 = juris Rn. 42.
224. Diesem letztgenannten Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht Aachen in seinem vom Antragsteller angeführten Beschluss vom 16.6.2016 - 1 L 344/16 - nicht Rechnung getragen. Der Beschluss rechtfertigt deshalb keine andere Sicht der Dinge.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
24Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und 3 GKG.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).