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Durch den auf alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union bezogenen Verweis in § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. – entsprechend dem heute gleichfalls unbeschränkten Verweis in § 20 Abs. 4 BauKaG NRW, der auch durch seine systematische Stellung nicht einmal mehr im unmittelbaren Kontext mit der Regelung über die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse in § 20 Abs. 3 BauKaG NRW steht – auf Art. 49 der Richtlinie 2005/36/EG einschließlich des umfassend formulierten Absatzes 3 ist der dort bezeichnete frühere deutsche Fachhochschulabschluss im Studiengang Architektur, verbunden mit einer vierjährigen Berufserfahrung, für auch in Nordrhein-Westfalen gleichwertig erklärt worden.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber habe Absolventen eines früheren deutschen Architektur-Fachhochschul-Diplomstudiengangs in Nordrhein-Westfalen schlechter stellen wollen als in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber, der selbst nicht von einer geringeren Qualifikation von Absolventen des früheren Diplomstudiengangs ausgegangen war, war nur wegen des Verweises in § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. auch auf § 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG berechtigt, auf eine Übergangsregelung zu verzichten, die ansonsten verfassungsrechtlich erforderlich gewesen wäre. Ein verfassungsrechtlich schutzwürdiger Vertrauensschutz und Besitzstand wurde nicht erst durch die Eintragung in die Architektenliste geschaffen, sondern bereits durch die Berufsausbildung und die Berufspraxis, die Voraussetzung für die Eintragung und die daraus folgende Berechtigung waren und sind.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 2.12.2021 geändert.
Unter Aufhebung des Beschlusses des Eintragungsausschusses der Beklagten vom 23.6.2021 wird die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Eintragung in die Architektenliste unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der 1961 geborene Kläger begehrt die erneute Eintragung in die Architektenliste.
3Der Kläger war von September 1984 bis Februar 1990 an der Fachhochschule Z. im Studiengang Architektur in der Studienrichtung Architektur (Hochbau) immatrikuliert. Am 15.11.1989 wurde dem Kläger, nachdem er seine Abschlussprüfung mit der Gesamtnote „sehr gut“ abgeschlossen hatte, der Diplomgrad „Diplom-Ingenieur (Dipl.-Ing.)“ verliehen.
4Nach zweijähriger Berufspraxis wurde der Kläger im September 1995 erstmals in die Architektenliste der Beklagten eingetragen. Eine Löschung dieser Eintragung erfolgte auf seinen Antrag im Mai 1998. Im Juni 2004 wurde der Kläger erneut in die Architektenliste eingetragen. Diese Eintragung wurde wiederum auf seinen Antrag mit Wirkung zum 31.12.2017 gelöscht.
5Im Mai 2021 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Eintragung in die Architektenliste. Bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen sei von der Beklagten zu berücksichtigen, dass im Jahr 1989 die Regelstudienzeit formal sechs Semester ohne notwendige Praktika betragen habe; er habe insgesamt elf Semester benötigt. Erst nach zweijähriger Berufspraxis mit Kontakt zu allen Leistungsphasen sei eine Eintragung in die Architektenliste möglich gewesen. Seit 2004 arbeite er im Aufgabenbereich Licht und Architektur für ein Industrieunternehmen als angestellter Architekt. Die Löschung aus der Architektenliste Ende 2017 habe berufliche Gründe gehabt. Ihm sei aber mitgeteilt worden, es würde die Möglichkeit bestehen, binnen eines Zeitraums von fünf Jahren ohne weitere Prüfungen zur Wiederaufnahme zu gelangen.
6Mit Beschluss vom 23.6.2021 lehnte der Eintragungsausschuss der Beklagten die Eintragung des Klägers in die Architektenliste ab. Eine Neuaufnahme des Klägers komme nicht in Betracht, weil anders als früher die Eintragung in die Architektenliste nunmehr nach § 4 BauKaG NRW in der Fassung vom 16.12.2003 (GV. NRW. S. 786), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.12.2014 (GV. NRW. S. 876) – BauKaG NRW a. F. – einen Abschluss in der Fachrichtung Architektur mit einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit voraussetze, über den der Kläger nicht verfüge.
7Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, die Eintragung in die Architektenliste sei keine Zulassung zum Beruf des Architekten, sondern als Qualitätskennzeichen nur ein Titelschutz, der allen Mitbewerbern in gleicher Weise zu gewähren sei, die die erforderliche berufliche Qualifikation und Fachkunde aufwiesen. Die Dauer der Regelstudienzeit sei ein völlig ungeeignetes, willkürliches Kriterium zur Überprüfung und Feststellung der fachlichen Eignung. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG könne es für die Eintragungsentscheidung – bei verfassungskonformer Auslegung des § 4 BauKaG NRW a. F. – nur darauf ankommen, ob der Antragsteller einen geeigneten Studienabschluss vorweisen könne. Dass dies bei ihm – dem Kläger – der Fall sei, könne nicht ernsthaft fraglich sein. In der nachträglichen Änderung der Eintragungsvoraussetzungen liege ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, weil der in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalt eines berufsqualifizierenden Studienabschlusses im Nachhinein einer abweichenden Regelung unterzogen werde. Die Regelung führe zu einer nachhaltigen Entwertung des von ihm erworbenen Studienabschlusses. Der Gesetzgeber habe es versäumt, eine sachgerechte Übergangsregelung für ältere Studienabschlüsse zu treffen.
8Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Beschlusses des Eintragungsausschusses der Beklagten vom 23.6.2021 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Eintragung in die Architektenliste unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Maßgeblich sei allein die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Eintragungsausschuss. Jede sich um die Eintragung bewerbende Person habe sämtliche zu diesem Zeitpunkt geltenden Eintragungsvoraussetzungen zu erfüllen; auf eine abweichende Rechtslage komme es nicht an. Schon seit der Gesetzesänderung im Jahr 2003 sei für die Eintragung in die Architektenliste der Nachweis des erfolgreichen Abschlusses eines Studiums mit einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit unerlässlich. Die Regelstudienzeit bilde ein sachgerechtes Kriterium. Infolge des sogenannten Bologna-Prozesses habe nicht mehr auf die Benennung eines bestimmten Studiengangs abgehoben werden können. Der Gesetzgeber habe sich daher dafür entschieden, das hohe fachliche Qualifikationsniveau der eingetragenen Personen durch ein Abstellen auf eine mindestens vierjährige Regelstudienzeit sicherzustellen. Damit sei zugleich der Tatsache Rechnung getragen worden, dass auf europäischer Ebene ebenfalls durchweg eine Hochschulausbildung in diesem Umfang gefordert werde. Die Regelung könne auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass jedwedes Studium unabhängig von seiner Dauer ausreiche. Mit einer solchen Lesart würden die Grenzen der zulässigen Gesetzesauslegung überschritten und damit das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt. Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW a. F. sowie der gesetzgeberische Wille seien absolut unmissverständlich. Im Übrigen bestehe auch kein Anlass für eine verfassungskonforme Auslegung. Der Grundrechtseingriff sei von nur sehr begrenzter Intensität, weil das Baukammerngesetz NRW keine Vorbehaltsaufgabe statuiere. Auch tangiere die Änderung der gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen nicht das Rückwirkungsverbot. Die Änderung bewirke nicht die Entwertung zuvor erworbener Studienabschlüsse und akademischer Grade, sondern betreffe allein deren Kammerfähigkeit. Nicht eingetragenen Personen bleibe es unbenommen, sich auf dem Gebiet des Planens und Bauens beruflich zu betätigen; lediglich die Bauvorlageberechtigung und die Befugnis zum Führen der geschützten Berufsbezeichnung kämen ihnen nicht zu. Daher habe es auch keiner Übergangsregelung für Personen bedurft, die auf diesem Gebiet bereits tätig seien, die neu geschaffenen Voraussetzungen aber nicht erfüllten. Der Kläger sei ferner schon deshalb nicht schutzwürdig, weil er seine bestandgeschützte Rechtsposition, die er dank seiner vormaligen Eintragung in die Architektenliste innegehabt habe, aufgegeben habe, obgleich ihm bekannt gewesen sei oder ohne weiteres hätte bekannt sein können, dass er die nunmehr geltenden Eintragungsvoraussetzungen nicht erfülle und daher eine Wiedereintragung nicht würde erlangen können.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Eintragung in die Architektenliste nach dem maßgeblichen § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW a. F. lägen nicht vor. Der Kläger habe seinem Antrag keine Unterlagen beigefügt, aus denen sich ergebe, dass er ein Studium mit einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit für die in § 1 Abs. 1 BauKaG NRW a. F. genannte Berufsaufgabe der Architekten an einer deutschen Hochschule abgeschlossen habe. Es bestünden keine Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber für Architekten in § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW a. F. bereits ab dem 31.12.2003 auf ein Studium mit einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit abstelle. Nach den nachvollziehbaren Erwägungen des Gesetzgebers sei das Abstellen allein auf einen Hochschulabschluss mit Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge nicht mehr ohne weiteres möglich. Der Bachelor könne als eine Vorstufe zum Master entweder nach vier oder nach drei Jahren erworben werden, und es bestehe deshalb die Gefahr, dass die gleiche Berufsbezeichnung von Personen geführt werde, die bereits bei den Ausbildungsvoraussetzungen große Unterschiede aufwiesen. Das Erfordernis einer vierjährigen Regelstudienzeit für Architekten stehe im Einklang mit Art. 46 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/36/EG, wonach die Gesamtdauer der Ausbildung des Architekten auf Vollzeitbasis mindestens vier Studienjahre umfasse, und sei auch mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Der Schutz des Vertrauens des Publikums, das Architektenleistungen in Anspruch nehmen wolle, rechtfertige den Eingriff in die Berufsfreiheit. Es bleibe den nicht in die Architektenliste eingetragenen Personen unbenommen, sich freischaffend oder im Angestelltenverhältnis mit der gestaltenden, technischen, energetischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Planung von Bauwerken beruflich zu betätigen. Eine Entwertung des vom Kläger erworbenen Studienabschlusses sei danach nicht erfolgt. Nach alledem und angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW a. F. scheide auch eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend aus, dass es nur darauf ankomme, ob der Kläger einen geeigneten Studienabschluss an einer deutschen Hochschule vorweisen könne. Im Übrigen würden bereits in die Architektenliste eingetragene Personen von der für Architekten ab dem 31.12.2003 geltenden Neuregelung nicht berührt. Wer zum Zeitpunkt der Änderungen des Baukammerngesetzes in die Architektenliste eingetragen gewesen sei, bliebe auch weiter eingetragen. Wer – wie der Kläger – seine Mitgliedschaft in der Architektenkammer nach der Gesetzesänderung gekündigt und die Eintragung in die Architektenliste damit aufgegeben habe, könne sich später nicht mehr auf einen bestehenden Besitzstand berufen.
14Mit Beschluss vom 13.12.2022 hat der Senat die Beklagte unter Hinweis auf seine vorläufige rechtliche Bewertung um Prüfung gebeten, ob eine Eintragung des Klägers in die Architektenliste und damit eine unstreitige Beilegung des Rechtsstreits in Betracht komme. Nachdem sich der Beklagte unter Hinweis auf die Grenzen zulässiger Rechtsauslegung und wegen einer rechtsaufsichtlichen Weisung des zuständigen Ministeriums gehindert sah, den Kläger erneut in die Architektenliste einzutragen, hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zugelassen.
15Zur Begründung seiner Berufung macht sich der Kläger die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 13.12.2022 zu Eigen. Er verfüge mit seinem Fachhochschul-Diplomstudienabschluss und seiner Berufserfahrung über einen ausreichenden Studiennachweis für die begehrte erneute Eintragung in die Architektenliste. Dies ergebe sich aus dem nach § 44 Satz 2 BauKaG NRW weiterhin maßgeblichen § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. Danach gälten bei Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union unter anderem Nachweise nach Art. 49 der Richtlinie 2005/36/EG in Verbindung mit deren Anhang VI als gleichwertige Nachweise in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur. Bei seinem Diplomstudienabschluss in Verbindung mit seiner Berufserfahrung handele es sich um einen solchen Nachweis, was sich aus Art. 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU vom 20.11.2013 ergebe. Er habe bereits seit 1995 Versorgungsansprüche im Versorgungswerk der Architektenkammer NRW erworben, deren weitere (zukünftige) Ausgestaltung eine Wiedereintragung in die Architektenliste voraussetze. Überdies sei er nach wie vor als „Architekt“ angestellt. Der endgültige Verlust der Architekteneigenschaft könne zu einer Auflösung des Angestelltenverhältnisses führen.
16Der Kläger beantragt sinngemäß,
17das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 2.12.2021 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Beschlusses ihres Eintragungsausschusses vom 23.6.2021 zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Eintragung in die Architektenliste unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. sei hier nicht einschlägig. Sie regele die Gleichwertigkeit von in den Anhängen der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG aufgeführten Abschlüssen. Die Definition der Gleichwertigkeit erfolge allein zur Konkretisierung des im vorangehenden Satz 1 eingeführten Rechtsbegriffs des „gleichwertigen ausländischen Studienabschlusses“. Gleichwertig zu den in § 4 Abs. 1 Satz 1 BauKaG NRW a. F. statuierten Studienanforderungen im Sinne der Norm könne niemals ein inländischer Studienabschluss sein. Nur über einen solchen aber verfüge der Kläger. Die damit möglicherweise einhergehende Inländerdiskriminierung könne zwar verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. Diese könnten aber jedenfalls nicht im Wege einer verfassungskonformen Gesetzesauslegung überwunden werden. Eine solche komme einer Auslegung contra legem gleich. Die Gesetzesmaterialien deuteten an keiner Stelle an, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber, dem die Thematik von Übergangsregelungen präsent gewesen sei, die Absicht gehabt haben könnte, mit § 4 Abs. 3 BauKaG NRW a. F. eine auch auf inländische Studienabschlüsse zielende Regelung zu schaffen oder diese in einem solchen Sinne verstanden wissen zu wollen, um damit anderweitige Übergangsregelungen obsolet zu machen. Vielmehr habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, für die Eintragung in die Architektenliste ein unabhängig von der Art des Studienabschlusses gleichmäßig hohes Qualifikationsniveau über das Erfordernis der durchweg nachzuweisenden vierjährigen Regelstudienzeit gewährleisten zu wollen. Der Gesetzgeber habe über sämtliche Gesetzesänderungen seither und bis hin zum neuen Baukammerngesetz daran festgehalten, keine Übergangsregelung für alte Fachhochschul-Abschlüsse mit kürzerer Regelstudienzeit zu schaffen, obgleich die daraus resultierende Problematik bekannt gewesen sei. Wortlaut und systematischer Zusammenhang des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. seien eindeutig und unmissverständlich. Sie bildeten damit zugleich die Grenze der Auslegung.
21Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (je eine elektronische Gerichtsakte für jede Instanz) und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (ein Band) Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
25Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.
26Die Ablehnung der Eintragung des Klägers in die Architektenliste durch Beschluss des Eintragungsausschusses der Beklagten vom 23.6.2021 war rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er kann seinen Anspruch auf Eintragung in die Architektenliste auf den nach § 44 Satz 2 BauKaG NRW weiterhin maßgeblichen § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a i. V. m. Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW vom 16.12.2003 (GV. NRW. S. 786), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.12.2014 (GV. NRW. S. 876) – BauKaG NRW a. F. –, stützen, der hinsichtlich seines hier wesentlichen Inhalts dem heutigen § 20 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 BauKaG NRW entspricht. Der ausgesprochene Bescheidungstenor (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) bleibt nur deshalb dahinter zurück, weil der Kläger sein Klagebegehren auf den Erlass eines Bescheidungsurteils beschränkt hat (§ 88 VwGO).
27Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Klagen auf Verpflichtung zur Eintragung in die Architektenliste grundsätzlich derjenige der letzten mündlichen Verhandlung bzw., falls diese fehlt, derjenige der gerichtlichen Entscheidung.
28Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 14.11.2017 – 7 A 324/17 –, juris, Rn. 29; OVG Bremen, Urteil vom 17.11.2015 – 2 A 320/13 –, juris, Rn. 23; Bay. VGH, Beschluss vom 13.12.2012 – 22 ZB 12.922 –, juris, Rn. 15.
29Soweit in vereinzelten Entscheidungen auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abgestellt wurde,
30vgl. etwa OVG Hamburg, Urteil vom 13.10.1999 – 5 Bf 23/96 –, juris, Rn. 37; Saarl. OVG, Urteil vom 15.2.1994 – 8 R 54/92 –, juris, Rn. 36,
31lag dies an einem in den jeweiligen Fällen zu berücksichtigenden gesetzlich begründeten Beurteilungsspielraum des Eintragungsausschusses. Ein solcher Spielraum besteht nach den hier einschlägigen Vorschriften nicht.
32Danach ist hier zwar das Baukammerngesetz NRW vom 1.12.2021 – BauKaG NRW – (GV. NRW. S. 1385) anwendbar. Gemäß dessen § 44 Satz 2 aber sind bei Inkrafttreten des Gesetzes (25.3.2022, vgl. § 45 Abs. 1 BauKaG NRW) begonnene Verfahren vor den Eintragungsausschüssen sowie anhängige berufsgerichtliche Verfahren nach den Vorschriften des Baukammerngesetzes NRW vom 16.12.2003 (GV. NRW. S. 786), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.12.2014 (GV. NRW. S. 876), abzuschließen. Nach dem danach hier maßgeblichen § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW a. F. wird in die Liste ihrer Fachrichtung die Person eingetragen, die – wie der Kläger – ihre Hauptwohnung, ihre Niederlassung oder ihren Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen hat und ein Studium mit einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit für eine der in § 1 Abs. 1 bis 4 BauKaG NRW a. F. genannten Berufsaufgaben an einer deutschen Hochschule mit Erfolg abgeschlossen und danach in ihrer Fachrichtung eine praktische Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 6 BauKaG NRW a. F. ausgeübt hat. In Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur erfüllt nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BauKaG NRW a. F. diese Voraussetzungen auch, wer einen gleichwertigen ausländischen Studienabschluss nachweisen kann. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F., dessen Wortlaut sich nicht ausdrücklich auf ausländische Studienabschlüsse beschränkt, gelten (in Umsetzung verbindlichen Richtlinienrechts) unter anderem bei Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union – zu denen auch Deutschland selbst zählt – ebenso wie nunmehr nach § 20 Abs. 4 BauKaG NRW, als gleichwertig unter anderem die Nachweise nach Art. 49 der Richtlinie 2005/36/EG i. V. m. deren Anhang VI Nr. 6, nach Berichtigung (ABl. L 93 vom 4.4.2008, S. 28) nur noch Anhang VI.
33Art. 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU vom 20.11.2013 lautet:
34Jeder Mitgliedstaat erkennt in seinem Hoheitsgebiet folgenden Nachweis als gleichwertig mit den Ausbildungsnachweisen an, die er selbst im Hinblick auf die Aufnahme und die Ausübung der beruflichen Tätigkeiten eines Architekten ausstellt: Nachweis darüber, dass die am 5.8.1985 bestehende dreijährige Ausbildung an den Fachhochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, die den Anforderungen des Artikels 46 Absatz 2 entspricht und die Aufnahme der in Artikel 48 genannten Tätigkeiten in diesem Mitgliedstaat unter der Berufsbezeichnung „Architekt“ ermöglicht, abgeschlossen und spätestens am 17.1.2014 begonnen wurde, sofern die Ausbildung durch eine vierjährige Berufserfahrung in der Bundesrepublik Deutschland ergänzt wurde; diese Berufserfahrung muss durch eine Bescheinigung bestätigt werden, welche von der Architektenkammer ausgestellt wird, in deren Architektenliste der Architekt eingetragen ist, der die Vorschriften dieser Richtlinie in Anspruch nehmen möchte.
35Art. 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG geht zurück auf Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 10 i. V. m. Art. 11 Buchst. a Spiegelstrich 3 der Richtlinie 85/384/EWG. Seit dieser Richtlinie ist der deutsche Fachhochschul-Diplomstudienabschluss im Zusammenwirken mit vierjähriger Berufserfahrung unionsweit anerkannt, obwohl bereits damals grundsätzlich ein Studium mit mindestens vier Jahren Regelstudienzeit gefordert wurde (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 85/384/EWG).
36Durch den abweichend von § 4 Abs. 3 Satz 1 BauKaG NRW a. F. auf alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union bezogenen Verweis in § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. – entsprechend dem heute gleichfalls unbeschränkten Verweis in § 20 Abs. 4 BauKaG NRW, der auch durch seine systematische Stellung nicht einmal mehr im unmittelbaren Kontext mit der Regelung über die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse in § 20 Abs. 3 BauKaG NRW steht – auf Art. 49 der Richtlinie 2005/36/EG einschließlich des umfassend formulierten Absatzes 3 ist der dort bezeichnete deutsche Fachhochschulabschluss, verbunden mit einer vierjährigen Berufserfahrung, in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur für auch in Nordrhein-Westfalen gleichwertig erklärt worden (hierzu unter 1.). Der Kläger hat danach in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur einen ausreichenden Nachweis im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. erbracht (hierzu unter 2.).
371. Der Nachweis über den erfolgreichen Abschluss einer am 5.8.1985 bestehenden, spätestens am 17.1.2014 begonnenen dreijährigen Ausbildung an einer Fachhochschule in der Bundesrepublik Deutschland, die den Anforderungen des Art. 46 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG entspricht und die Aufnahme der in Art. 48 der Richtlinie 2005/36/EG genannten Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland unter der Berufsbezeichnung „Architekt“ ermöglicht, ergänzt um den Nachweis einer vierjährige Berufserfahrung, stellt in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur einen den Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW a. F. gleichwertigen Nachweis dar. Der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. und die Normsystematik stehen einem solchen Normverständnis nicht entgegen [hierzu unter a)]. Auch die Normhistorie spricht nicht für eine Beschränkung auf ausschließlich in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erworbene Ausbildungsnachweise [hierzu unter b)]. Schließlich ist für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf ausschließlich grenzüberschreitende Sachverhalte unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben kein Raum [hierzu unter c)].
38a) Der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. steht einer Anwendung auch auf einen ausschließlich inländischen Sachverhalt nicht entgegen. Die Regelung enthält einen uneingeschränkten Verweis auf Art. 49 der Richtlinie 2005/36/EG, einschließlich des hier relevanten Art. 49 Abs. 3. Bei allen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union – hierzu zählen auch deutsche Staatsangehörige – gelten die Nachweise nach Art. 49 der Richtlinie 2005/36/EG als gleichwertig zu den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW a. F. geforderten Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur. Anders als noch § 4 Abs. 3 BauKaG NRW in der Fassung vom 15.12.1992 (GV. NRW. S. 534) – BauKaG NRW 1992 –, der ausdrücklich nur „Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften“ in den Blick genommen hat, knüpft § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. jedenfalls seit der Neufassung von § 4 BauKaG NRW durch Änderungsgesetz vom 9.12.2008 (GV. NRW. S. 774) gerade nicht (mehr) an einen grenzüberschreitenden Sachverhalt an, sondern schließt deutsche Staatsangehörige ein.
39Ein zwingend grenzüberschreitender Bezug ergibt sich auch nicht aus normsystematischen Erwägungen. Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW a. F. zunächst grundsätzlich die Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste einer Fachrichtung bestimmt und diese vom Abschluss eines Studiums mit einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit an einer deutschen Hochschule abhängig gemacht. Die Regelung ist jedoch nicht abschließend, sondern wird in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur durch § 4 Abs. 3 und 4 BauKaG NRW a. F. ergänzt. Dabei verhält sich § 4 Abs. 3 BauKaG NRW a. F. zur etwaigen Gleichwertigkeit anderer Berufsqualifikationen. In Satz 1 des Absatzes 3 nimmt der Gesetzgeber zunächst ausländische Studienabschlüsse in den Blick und eröffnet die Möglichkeit, dass eine Person bei Nachweis eines gleichwertigen ausländischen Studiennachweises ebenfalls in die Architektenliste eingetragen werden kann. Satz 2 wiederum dient der Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG, auch wenn der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang in erster Linie die „von anderen Mitgliedstaaten [verliehenen] Ausbildungsnachweise“ im Blick gehabt haben mag.
40Vgl. LT-Drs. 14/6886, S. 49; Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2013/55/EU.
41Der Richtliniengeber setzt für die von ihm vorgegebene gegenseitige Anerkennung von Ausbildungsnachweisen allerdings notwendigerweise voraus, dass diese auch im ausstellenden Staat die Aufnahme und Ausübung bestimmter Tätigkeiten ermöglichen.
42So bezogen auf die Befähigungsnachweise für die Berufsbezeichnung „Architekt“ ausdrücklich schon die Erwägungsgründe in der Richtlinie 85/384/EWG.
43Demgemäß sieht Art. 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG vor, dass jeder Mitgliedstaat – also auch die Bundesrepublik Deutschland – den Nachweis über den erfolgreichen Abschluss einer am 5.8.1985 bestehenden dreijährigen Ausbildung an einer deutschen Fachhochschule, mit der spätestens am 17.1.2014 begonnen wurde, ergänzt um eine vierjährige Berufserfahrung, als gleichwertig anerkennt. Ferner setzt die Regelung ausdrücklich voraus, dass die Ausbildung die Aufnahme der in Art. 48 genannten Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland unter der Berufsbezeichnung „Architekt“ ermöglicht. Der Richtliniengeber ist danach bei Ergänzung des Artikels 49 um Absatz 3 im Jahr 2013 davon ausgegangen, dass der von allen Mitgliedstaaten anzuerkennende Ausbildungsnachweis auch und gerade in Deutschland genügt, um unter der Berufsbezeichnung „Architekt“ tätig zu werden. Nach dem hierfür maßgeblichen innerstaatlichen Recht ist dies bereits dann möglich, wenn das Recht einzelner Bundesländer dies zulässt, wie dies etwa in Hessen nach § 21 Abs. 2 und 5 HASG zweifelsfrei weiterhin der Fall ist. Den hieraus folgenden unionsrechtlichen Anforderungen genügt aber auch der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber, indem er in § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. bei allen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union – also auch bei Deutschen – die Nachweise unter anderem nach Art. 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 für gleichwertig erklärt.
44b) Auch die Normhistorie spricht nicht für eine zwingende Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. auf ausschließlich in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erworbene Ausbildungsnachweise.
45Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW 1992 war Voraussetzung für die Eintragung in die Architektenliste der erfolgreiche Abschluss einer Ausbildung an einer deutschen Hochschule und die anschließende Ausübung einer mindestens zweijährigen praktischen Tätigkeit in der Fachrichtung Architektur. Die Regelung orientierte sich an den damals in Deutschland ausschließlich vorhandenen Diplom-Studiengängen.
46Vgl. LT-Drs. 13/3532, S. 2.
47Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften wurden nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a BauKaG NRW 1992 auf Antrag in die Architektenliste aufgenommen, wenn ein Diplom, Prüfungszeugnis oder ein sonstiger Befähigungsnachweis nach Art. 7, 11 oder 12 der Richtlinie 85/384/EWG vorgelegt und nach der Ausbildung eine praktische Tätigkeit in den wesentlichen Berufsaufgaben der entsprechenden Fachrichtung von mindestens zwei Jahren nachgewiesen wurde.
48Mit der Neufassung des Baukammerngesetzes NRW durch das Gesetz über den Schutz der Berufsbezeichnungen „Architekt“, „Architektin“, „Stadtplaner“ und „Stadtplanerin“ sowie über die Architektenkammer, über den Schutz der Berufsbezeichnung „Beratender Ingenieur“ und „Beratende Ingenieurin“ sowie über die Ingenieurkammer-Bau vom 16.12.2003 (GV. NRW. S. 786) wurden die Eintragungsvoraussetzungen neu gefasst. Seither setzt die Eintragung in die Architektenliste nach § 4 Abs. 1 Buchst. a BauKaG NRW unter anderem ein Studium mit einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit voraus. Die Änderung war aus Sicht des Gesetzgebers erforderlich, weil die Einheitlichkeit der Studienabschlüsse aufgegeben und Master- und Bachelor-Studiengänge eingeführt worden waren. Die Gesetzesbegründung zeigt, dass der Gesetzgeber nicht eine etwaige unzureichende Qualität des Diplomstudiengangs zum Regelungsanlass nahm, sondern ausschließlich die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge und die damit einhergehende fehlende Vergleichbarkeit der verschiedenen Bachelorabschlüsse. Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, den Absolventen eines herkömmlichen Fachhochschul-Diplomstudiengangs mit mehr als vierjähriger Berufserfahrung die Eintragung in die Architektenliste zu versagen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, die früheren Diplomstudiengänge hätten auch ohne zwingende Vorgaben zur Regelstudienzeit im Wesentlichen die erforderlichen Inhalte vermittelt. Lediglich nach neuem Recht könne dies nur für Masterabschlüsse, nicht aber für alle Bachelorstudiengänge gelten.
49Vgl. LT-Drs. 13/3532, S. 2, 78, 83.
50Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, der Landesgesetzgeber habe Absolventen eines früheren deutschen Fachhochschul-Diplomstudiengangs in Nordrhein-Westfalen schlechter stellen wollen als in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Mit Blick auf bereits erworbene Berufsqualifikationen fand sich schon in Art. 10 i. V. m. Art. 11 Buchst. a dritter Spiegelstrich der Richtlinie 85/384/EWG die Regelung, dass jeder Mitgliedstaat unter anderem von Fachhochschulen in Deutschland in den Studiengängen für Architektur an Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten ausgestellte Prüfungszeugnisse anerkennt, selbst wenn sie den Mindestanforderungen der in Kapitel II der Richtlinie genannten Ausbildungsnachweise nicht genügten; soweit die Studiendauer weniger als vier Jahre, mindestens jedoch drei Jahre betrug, zusammen mit einer Bescheinigung über eine vierjährige Berufserfahrung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine entsprechende Regelung zu erworbenen Rechten der Architekten findet sich nunmehr in Art. 49 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG i. V. m. Anhang VI. Danach müssen andere EU-Mitgliedstaaten die in den Studiengängen von Fachhochschulen ausgestellten Diplome bei einer spätestens im akademischen Jahr 1987/88 begonnenen Ausbildung selbst dann anerkennen, wenn die Ausbildung den Mindestanforderungen von Art. 46 der Richtlinie 2005/36/EG nicht genügt; soweit die Studiendauer weniger als vier Jahre, mindestens jedoch drei Jahre beträgt, ist für die unionsweite Anerkennung nach Anhang VI zusätzlich eine Bescheinigung über eine vierjährige Berufserfahrung in Deutschland erforderlich. Mit Art. 1 Nr. 37 der Richtlinie 2013/55/EU wurde Art. 49 der Richtlinie 2005/36/EG um den Absatz 3 ergänzt und – unter bestimmten Voraussetzungen – die gegenseitige Anerkennungspflicht von Fachhochschul-Diplomabschlüssen im Bereich Architektur insofern noch zeitlich ausgeweitet, als dass die den Anforderungen des Art. 46 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG entsprechende, am 5.8.1985 bestehende Ausbildung spätestens am 17.1.2014 begonnen worden sein muss.
51Danach hatte das unionsrechtliche System der gegenseitigen Anerkennung, das (auch) durch das nordrhein-westfälische Baukammerngesetz umgesetzt worden ist, von Anfang an im Blick, für die europaweit durchgängige Anerkennung von bereits erworbenen Berufsqualifikationen, einschließlich der deutschen Fachhochschul-Diplomabschlüsse im Bereich Architektur, Sorge zu tragen und die Verfahren zur Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit im Interesse der Betroffenen zu erleichtern und zu beschleunigen.
52Vgl. LT-Drs. 13/3532, S. 78, 83 f., zu § 4 Abs. 1 bis 3; entsprechend nunmehr LT-Drs. 17/13799, S. 1 f., 43, 73 f.
53Dementsprechend ging – wie bereits erwähnt – beispielsweise der hessische Landesgesetzgeber seinerzeit hinsichtlich seines Verweises auf die Richtlinie 2005/36/EG davon aus, dass frühere deutsche Fachhochschulabschlüsse auf dem Gebiet der Architektur (Hochbau) mit einer Mindeststudienzeit von drei Jahren auf EU-Ebene prinzipiell als gleichwertig anerkannt seien und im Rahmen des Besitzstandes alte Fachhochschul-Ausbildungsnachweise auch national weiterhin gleichberechtigt zu Eintragung qualifizieren würden, so dass die dort geschaffene Übergangsregelung in § 21 Abs. 3 HASG a. F. (bzw. nunmehr § 21 Abs. 2 HASG) lediglich deklaratorisch sei.
54Vgl. Hess. LT-Drs. 15/3636, S. 35.
55c) Schließlich ist für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. auf ausschließlich grenzüberschreitende Sachverhalte unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben kein Raum. Vielmehr war der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber, der ebenfalls selbst nicht von einer geringeren Qualifikation von Absolventen des früheren Fachhochschul-Diplomstudiengangs ausgegangen war, nur wegen des Verweises in § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. auch auf § 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG berechtigt, auf eine Übergangsregelung zu verzichten, die ansonsten verfassungsrechtlich erforderlich gewesen wäre. Denn der landesgesetzliche Eintragungsvorbehalt für die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Architekt“ stellt sich als Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG dar, zu dessen Rechtfertigung allein der Schutz des Vertrauens des Publikums in Betracht kommt, das Architekturleistungen in Anspruch nehmen will.
56Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.5.1996 – 1 BvR 1691/91 –, juris, Rn. 5, m. w. N.
57Der Gesetzgeber ist zwar grundsätzlich befugt, im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG Berufsbilder gesetzlich zu fixieren. Ebenso darf der Gesetzgeber Zulassungsvoraussetzungen aufstellen, welche einerseits Personen, die sie nicht erfüllen, von den so monopolisierten und typisierten Tätigkeiten ausschließen und andererseits die Berufsbewerber zwingen, den Beruf in der rechtlichen Ausgestaltung zu wählen, die er im Gesetz erhalten hat. Der Gesetzgeber hat dabei jedoch zu beachten, dass die Fixierung von Berufsbildern und das Aufstellen von Zulassungsvoraussetzungen einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit bedeuten und dass deshalb seine Regelungen verhältnismäßig, d. h. geeignet und erforderlich sein müssen, um überragende Gemeinwohlinteressen zu sichern, und dass sie keine übermäßige, unzumutbare Belastung enthalten dürfen; außerdem gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Vertrauensschutz für die bereits im Beruf Tätigen. Danach muss Personen die Berufsausübung entsprechend ihrer bisherigen Berechtigung weiter ermöglicht werden, wenn sie erstens den fehlenden neu eingeführten Befähigungsnachweis durch berufliche Erfahrung und Bewährung wettmachen und zweitens sich durch ihre bisherige Berufstätigkeit einen Besitzstand geschaffen haben, deren Erhalt für sie von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist.
58Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.4.2000 – 1 BvR 1538/98 –, juris, Rn. 35, m. w. N.
59Hat der Gesetzgeber danach Vertrauensschutz bezogen auf die bisherige Berechtigung zu einer beruflichen Betätigung und einen geschaffenen Besitzstand zu berücksichtigen, liegt es regelmäßig nicht in seinem Ermessen, ob er sich zu Übergangsregelungen entschließt; sofern das Gesetz nicht akute Missstände in der Berufswelt unterbinden soll, steht dem Gesetzgeber lediglich die Ausgestaltung der Übergangsregelung frei.
60Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998 – 1 BvR 2306/96 u.a. –, BVerfGE 98, 265 = juris, Rn. 188, und Beschluss vom 21.6.2006 – 1 BvR 1319/04 –, juris, Rn. 9, jeweils m. w. N.
61Gemessen daran ist das Fehlen einer Übergangsregelung für Personen mit Fachhochschul-Diplomstudienabschluss im Bereich Architektur im hier noch maßgeblichen Baukammerngesetz NRW a. F. vorliegend nur deshalb verfassungsrechtlich unschädlich, weil den verfassungsrechtlich schutzwürdigen Bestandsinteressen nunmehr durch § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. – entsprechend § 20 Abs. 4 BauKaG NRW – Rechnung getragen worden ist. Es bestand nach eigener, insoweit maßgeblicher Einschätzung des Landesgesetzgebers weder ein den zusätzlichen Grundrechtseingriff rechtfertigender Grund noch erst recht ein Missstand durch die Tätigkeit früherer Fachhochschul-Diplomabsolventen unter der Berufsbezeichnung „Architekt“, der mit der Neuregelung des Eintragungsvorbehalts in Form der Festlegung einer Mindestregelstudiendauer von vier Jahren hätte beseitigt werden müssen. Im Gegenteil ging der Gesetzgeber bezogen auf Inhaber des früheren Fachhochschul-Diploms im Bereich Architektur bei mindestens vierjähriger Studienzeit bzw. entsprechend langer Berufserfahrung nicht einmal selbst davon aus, er müsse – anders als Bachelor-Absolventen nach dreijähriger Studiendauer – auch ihnen zum Schutz des Vertrauens des Publikums, das Architekturleistungen in Anspruch nehmen will, das Führen der Berufsbezeichnung „Architekt“ verweigern. Unerheblich ist, ob dem Landesgesetzgeber bei der Schaffung des Verweises auf die Vorschriften des Unionsrechts bewusst war, dass er hierdurch zugleich die Möglichkeit eines verfassungskonformen Umgangs mit Altfällen geschaffen hat. Ein verfassungsrechtlich schutzwürdiger Vertrauensschutz und Besitzstand wurde nicht erst durch die Eintragung in die Architektenliste geschaffen, sondern bereits durch die Berufsausbildung und Berufspraxis, die Voraussetzung für die Eintragung und die daraus folgende Berechtigung waren und sind. Da der Gesetzgeber bis heute keinen Bedarf für verschärfte Anforderungen an frühere Fachhochschul-Diplomabsolventen hat erkennen lassen, fehlt jede verfassungsrechtlich tragfähige Grundlage dafür, einer Person mit einem alten Fachhochschul-Diplomstudienabschluss – wie hier dem Kläger – die erneute Eintragung in die Architektenliste zu versagen, nur weil sie zwischenzeitlich auf eigenen Antrag gelöscht worden war.
62Auf eine Betätigung im Angestelltenverhältnis mögen unzuverlässige Architekten verwiesen werden können.
63Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.6.2020 – 4 B 673/19 –, juris, Rn. 14 f., m. w. N.
64Verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbar erscheint dies aber mit Blick auf die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Eintragung in die Architektenliste für zuverlässige Architekten mit einer Qualifikation, die unionsweit kraft Richtlinienrechts anzuerkennen ist und die auch der Landesgesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung von Anfang an als mit dem aktuell grundsätzlich zu fordernden vierjährigen Studiengang gleichwertig angesehen hat.
652. Nach alledem sind die Voraussetzungen für die Eintragung in die Architektenliste nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BauKaG NRW a. F. hier auch in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur erfüllt. Der Kläger hat einen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG NRW a. F. gleichwertigen Nachweis nach Art. 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG erbracht. Er hat das im September 1984 begonnene Studium im Studiengang Architektur in der Studienrichtung Architektur (Hochbau) an der Fachhochschule Z. im November 1989 mit der Gesamtnote „sehr gut“ abgeschlossen; der Diplomgrad „Diplom-Ingenieur (Dipl.-Ing.)“ wurde ihm abschließend verliehen. Das Studium war hauptsächlich auf Architektur ausgerichtet und entsprach den Anforderungen des Art. 46 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG. Die Ausbildung des Klägers ermöglicht zudem die Aufnahme der in Art. 48 der Richtlinie 2005/26/EG genannten Tätigkeiten in Deutschland unter der Berufsbezeichnung „Architekt“. Unabhängig davon, dass hierüber zwischen den Beteiligten bezogen auf Nordrhein-Westfalen Streit besteht, beruht das unionsrechtliche Richtlinienrecht auf der offensichtlich von Deutschland vermittelten Annahme, die einschlägigen alten Diplomstudiengänge, zu denen derjenige des Klägers zählt, ermöglichten auch weiterhin die Aufnahme der in Art. 48 der Richtlinie 2005/26/EG genannten Tätigkeiten in Deutschland unter der Berufsbezeichnung „Architekt“. Dies trifft unzweifelhaft weiterhin beispielsweise in Hessen zu, wo eine ausdrückliche Übergangsvorschrift dies klarstellt. Schon damit ermöglicht die Ausbildung zweifelsfrei in Deutschland, nämlich jedenfalls in einem anderen Bundesland, im Sinne von Art. 49 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG die Aufnahme der Berufstätigkeit unter der Berufsbezeichnung „Architekt“. Der von September 1995 bis Mai 1998 sowie von Juni 2004 bis Dezember 2017 in der Architektenliste eingetragene und in dieser Zeit einschlägig berufstätige Kläger, der schon vor seiner ersten Eintragung in die Architektenliste eine zweijährige Berufspraxis nachweisen musste, verfügt auch über die erforderliche vierjährige Berufserfahrung (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2005/36/EG).
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
67Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
68Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen und es vorliegend allein um die Anwendung nicht revisiblen Landesrechts geht.