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§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG erfasst nicht den Fall, dass keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wurde.
§ 22 UVPG findet auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen keine Anwendung. Er wird durch die Regelungen der 9. BImSchV – in auch unionsrechtlich unbedenklicher Weise – verdrängt.
Allein die Verfahrensdauer ist kein Grund, eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen zu müssen. Ein Verfallsdatum kennt das geltende Recht nicht.
Für im Außenbereich gelegene Grundstücke betragen die Lärmrichtwerte aufgrund einer generalisierenden Betrachtung in Anlehnung an die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Buchst. d TA Lärm geltenden Richtwerte 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts. Eine Heranziehung der Immissionsrichtwerte für solche Baugebietstypen (hier geltend gemacht Kleinsiedlungsgebiet), die von einer „ruhigen Wohnnutzung“ geprägt werden, verbietet sich mangels einer vergleichbaren Ausgangssituation von vornherein. Selbst eine Lage im Landschaftsschutzgebiet oder am Rande eines FFH-Gebietes würde hieran nichts ändern.
Eine zur Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs zwingend erforderlich Signalkennzeichnung von Windenergieanlagen, die den technischen Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen folgt, kann regelmäßig - von extremen Ausnahmen abgesehen - nicht als rücksichtslos qualifiziert werden.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Kläger zu 2. und 3. bewohnen das Wohnhaus C.-straße 1 in D.-E.. Auf dem Gelände befindet sich zudem das Gebäude mit der postalischen Anschrift C.-straße 3, in dem die Klägerin zu 1., ein Musikproduktionsunternehmen, dessen Geschäftsführer der Kläger zu 3. ist, ein von Musikern regelmäßig für die Aufnahme von Musikstücken genutztes Tonstudio betreibt und das nach eigenen Angaben in ihrem Eigentum steht. Das Grundstück liegt im Außenbereich der Stadt D., mehr als 600 m von den Siedlungsrändern der Ortschaften E. und Lendringsen entfernt. Weitere Gebäude mit Hauptnutzung finden sich in diesem Umkreis mit einer Ausnahme nicht.
3Die Kläger wenden sich gegen zwei der Beigeladenen von dem Beklagten erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb je einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-138 EP3 E3 mit einer Gesamthöhe von 199,76 m und einer Nennleistung von 4.260 kW. Die Anlagenstandorte liegen etwa 695 (WEA 1) und 669 (WEA 2) Meter mom Grundstück der Kläger entfernt.
4Unter dem 6. August 2019 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten je eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb je einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-138 EP3 E2 mit einer Gesamthöhe von 230 m auf den Grundstücken G01 bzw. G02 im Wege des Repowering für insgesamt vier derzeit vorhandene Windenergieanlagen des Typs Enercon E-66 mit einer Gesamthöhe von jeweils knapp unter 100 m. Die Vorhabengrundstücke liegen innerhalb einer im Flächennutzungsplan der Stadt D. dargestellten Windvorrangzone.
5Bestandteil der ursprünglichen Antragsunterlagen war u. a. eine „Darstellung und Beurteilung der optischen Wirkung von zwei Windenergieanlagen am Standort D.-E.“ der U. GmbH vom 26. Juli 2019, die zu dem Ergebnis kommt, eine bedrängende Wirkung der beiden etwa 230 m hohen Anlagen auf die konkret betrachteten Gebäude auf dem Grundstück der Kläger sei nicht zu befürchten, und eine Schallimmissionsprognose der K. GmbH & Co. KG (Revision 3), die die Einhaltung der Immissionsrichtwerte an allen Immissionsorten nach der TA Lärm - u. a. dem Wohnhaus der Kläger zu 2. und 3. - bei Betrieb der beiden ursprünglich beantragten Windenergieanlagen bescheinigt. Zudem legte die Beigeladene eine Schattenwurfberechnung des gleichen Gutachterbüros vor, nach der u. a. an den Gebäuden C.-straße 1 und 3 mit einer astronomisch möglichen Zusatz- bzw. Gesamtbeschattungsdauer von ca. 104 Stunden im Jahr und 48 bzw. 47 Minuten am Tag zu rechnen sei. Mittels einer geeigneten Abschaltvorrichtung sei zu gewährleisten, dass eine Gesamtbeschattungsdauer von 8 Stunden im Jahr und 30 Minuten am Tag unter anderem an diesen Gebäuden nicht überschritten werde.
6Auf Antrag der Beigeladenen wurde von einer Vorprüfung zur Feststellung der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung abgesehen und eine solche durchgeführt. Der Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung von September 2019 kommt zu dem Ergebnis, dass die Umweltverträglichkeit für die geplante Errichtung und den Betrieb der beiden streitgegenständlichen Windenergieanlagen auch unter Berücksichtigung bestehender und geplanter Anlagen im Untersuchungsbereich gegeben sei. Erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das angrenzende Vogelschutzgebiet „Hellwegbörden“ sind nach der durchgeführten FFH-Vorprüfung, die auf verschiedenen Einzelfallbetrachtungen des Gutachterbüros N. + M. beruht, nicht zu besorgen.
7Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung, die im Zeitraum vom 11. Oktober bis 18. November 2019 stattfand, machten u. a. die Kläger über ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten Einwendungen vor allem hinsichtlich des von den geplanten Windenergieanlagen ausgehenden Schattenwurfs und Infraschalls, Mängel der Schallimmissionsprognose, einer optisch bedrängenden Wirkung der Anlagen, auch aufgrund der zu erwartenden Nachtkennzeichnung mittels roter Befeuerungsleuchten, und den erheblichen Wertverlust ihrer Immobilien geltend.
8Mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 verweigerte die Stadt D. ihr gemeindliches Einvernehmen unter Hinweis auf die Überschreitung der für die einschlägige Windkonzentrationszone im Flächennutzungsplan festgelegte Höhenbegrenzung. Zudem beantragte sie unter dem 3. Januar 2020 die Zurückstellung der Genehmigungsanträge mit Blick auf eine laufende Flächennutzungsplanung, die der Beklagte indes in der Folge ablehnte. Nachdem der Beklagte die Stadt D. zur beabsichtigten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens angehört hatte, beschloss der Rat der Stadt die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 5 „Windenergie E.“ und zur Sicherung dieser Planung eine Veränderungssperre. Deren Rechtmäßigkeit wurde vom erkennenden Gericht mit Urteil vom 13. September 2021 - 2 D 134/20.NE - bestätigt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2022 - 4 BN 53.21 - wies das Bundesverwaltungsgericht die von der dortigen Klägerin, der hier Beigeladenen, eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurück.
9Mit Bescheiden vom 12. November 2021 lehnte der Beklagte die Genehmigungsanträge der Beigeladenen unter Hinweis auf die geltende Veränderungssperre ab. In den hiergegen anhängig gemachten Klageverfahren (Az. 22 D 415/21.AK und 22 D 416/21.AK) schlossen die Beigeladene (als dortige Klägerin) und der Beklagte unter Beteiligung der in diesen Verfahren beigeladenen Stadt D. einen gerichtlichen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Beklagte, seine Ablehnungsbescheide vom 12. November 2021 aufzuheben und die Genehmigungsverfahren fortzuführen. Die Beigeladene verpflichtete sich, binnen zwei Wochen einen Änderungsantrag zu den Genehmigungsanträgen vom 7. August 2019 einzureichen, wonach statt der bisher beantragten Anlagen des Typs Enercon E-138 EP3 E2 mit einer Gesamthöhe von 230 m unter Beibehaltung der vorgesehenen Standorte Anlagen desselben Typs mit einer maximalen Gesamthöhe von 200 m und einem Abstand von mindestens 60 m zwischen Rotorunterkante und Geländeoberfläche zur Genehmigung gestellt werden. Gegenstand des Änderungsantrages sollte zudem sein, dass die Anlagen mit einer automatischen Schattenabschaltung versehen werden, die ausschließt, dass die umliegenden Wohnnutzungen mit von den Windenergieanlagen verursachtem Schlagschatten beaufschlagt werden. Die beigeladene Stadt D. sicherte zu, binnen eines Monats nach Stellung der Änderungsanträge das gemeindliche Einvernehmen zu diesen geänderten Vorhaben zu erteilen. Der Beklagte sagte eine Entscheidung binnen zwei Monaten nach Eingang der vollständigen Unterlagen zum Änderungsantrag zu.
10Unter dem 24. Januar 2023 reichte die Beigeladene die absprachegemäß angepassten Antragsunterlagen bei dem Beklagten ein. Hierzu gehörte insbesondere eine auf den nunmehr beantragten Anlagentyp bezogene überarbeitete Fassung der schalltechnischen Untersuchung (Revision 5), nach der am Wohnhaus der Kläger zu 2. und 3. mit einer Gesamtbelastung von 44,0 dB(A) (Zusatzbelastung 43,9 dB(A), Vorbelastung 26,4 dB(A)) beim Betrieb beider Windenergieanlagen zu rechnen ist. Wie bereits in den vorigen Fassungen enthält der Bericht vom 1. November 2022 eine individuelle Untersuchung möglicher Schallreflexionen auf dem Anwesen (Gutachten S. 38-40, BA 14 S. 11.103 ff.) und kommt zu dem Ergebnis, dass sie aufgrund der örtlichen Verhältnisse nicht auftreten werden. Eine gesonderte Betrachtung des Gebäudes C.-straße 3 als eigener Immissionsort erfolgte (weiterhin) nicht. Nach der 2. Revision der Berechnung der Schattenwurfdauer ist an dem Gebäude C.-straße 1 nunmehr „an sich“ eine jährliche Beschattungsdauer von etwa 108 Stunden astronomisch möglich. Das Gutachten hält daher weiterhin den Einbau einer Abschaltautomatik für erforderlich. Ein „Vermerk zur Ausführungsänderung (Anlagehöhe) Repowering des Windparks E.“ des Büros N. + G. vom 18. Januar 2023 sieht unter habitat- und artenschutzrechtlichen Aspekten geringere Auswirkungen der nunmehr vorgesehenen Anlagenstruktur auf Natur und Umwelt. Ein Turbulenzgutachten wurde am 10. Februar 2023 nachgereicht.
11Mit Bescheiden vom 29. März 2023 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die beantragten Genehmigungen, denen zahlreiche Nebenbestimmungen beigefügt waren. Nach der Nebenbestimmung 3.9.2. dürfen durch den Betrieb der genehmigten Anlagen und unter Berücksichtigung der Vorbelastung am Wohnhaus der Kläger zu 2. und 3. (C.-straße 1) die Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts nicht überschritten werden. Nach Nr. 3.9.4. der jeweiligen Genehmigungsbescheide dürfen die Anlagen nicht tonhaltig sein. Sie sind nach Nr. 3.9.5. im genehmigten Betriebsmodus Mode 0 zu betreiben; nach der Nebenbestimmung 3.9.6. darf der Nachtbetrieb erst aufgenommen werden, wenn das Schallverhalten des Windanlagentyps durch eine FGW-konforme Vermessung an einer der beantragten Windenergieanlagen selbst oder einer anderen Windenergieanlage gleichen Typs belegt wird. Gemäß der Regelung in Nr. 3.9.10. muss eine von der Beigeladenen jeweils ausdrücklich beantragte Nullbeschattung durch die Windenergieanlagen an allen zuvor im Einzelnen aufgeführten Immissionsorten, zu denen auch die Gebäude der Kläger zählen, durch eine automatisch wirksame Abschaltautomatik sichergestellt werden. Die Windenergieanlagen sind zu diesem Zweck an eine gemeinsame Schattenwurfabschaltung anzuschließen, die die Abschaltung jeder Windenergieanlage vernetzt steuert. Unter Nr. 3.14.1.-19. werden umfangreiche Vorgaben zur Gewährleistung der Flugsicherheit getroffen, die die von der als Luftverkehrsbehörde beteiligten Bezirksregierung Münster nach §§ 14, 12 LuftVG vorgegebenen Auflagen in die Genehmigung übernehmen. Darin ist tagsüber alternativ eine Kennzeichnung mit Signalfarben oder einem Tagfeuer vorgesehen, die obligatorische nächtliche Befeuerung kann mit Zustimmung der Luftverkehrsbehörde bedarfsgesteuert erfolgen (3.14.7.). Den Klägern wurden die Genehmigungsbescheide über ihre Prozessbevollmächtigten am 12. April 2023 zugestellt.
12Ihre am 3. Mai 2023 erhobene Klage gegen die Genehmigungsbescheide vom 29. März 2023 begründen die Kläger neben einem Verweis auf ihre im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwände im Wesentlichen damit, der Beklagte habe die Lärmimmissionen unzureichend ermittelt und bewertet sowie verkannt, dass sie durch die Hindernisbefeuerung unzumutbaren Belastungen ausgesetzt seien. Zudem hätten die Genehmigungen angesichts des bis zu ihrer Erteilung verstrichenen Zeitraums und des Wechsels des Anlagentyps nicht ohne erneute Öffentlichkeitsbeteiligung ergehen dürfen. Das schalltechnische Gutachten überzeuge auch in seiner 5. Revision nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Betrachtung der geplanten Windenergieanlagen, wie auf Seite 10 des Gutachtens dargelegt, lediglich für einen Schallleistungspegel von 500-Hz-Mittenpegel und nicht für ein repräsentatives Frequenzspektrum erfolge. Dadurch sei zu befürchten, dass zu ihren Lasten zu niedrige Immissionswerte ermittelt worden seien. Das Gutachten komme ferner zu dem Ergebnis, dass an keinem Immissionsort im Einwirkungsbereich der Windenergieanlagen eine relevante Pegelerhöhung aufgrund von Reflexionen an anderen Gebäuden oder Wänden zu erwarten sei. Die Reserve zum Höchstwert sei jedoch minimal, zudem werde ihr Wohnhaus C.-straße 1 unter allen betrachteten Immissionsorten mit 43,9 dB(A) am stärksten belastet. Zu Unrecht gingen Gutachten und Genehmigungen davon aus, dass sie Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts hinzunehmen hätten. Ihr Grundstück liege im Außenbereich, für den nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der in der TA Lärm nicht festgelegte Immissionsrichtwert abhängig von einer Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme zu bestimmen sei. Die schematische Anwendung der für Misch- oder Dorfgebiete anzusetzenden Richtwerte sei hier nicht angemessen. Weder seien misch- noch dorfgebietstypische Nutzungen in der näheren Umgebung vorhanden, im Gegenteil sei das Grundstück auf mehrere 100 m von grünen Freiflächen umgeben. Diese Umgebung ähnele damit eher einem Kleinsiedlungsgebiet nach § 2 BauNVO, weil die für Dorf- oder Mischgebiete typischen Nutzungen fehlten. Eine Begründung, warum gleichwohl in dieser Situation die angesetzten Richtwerte für solche Gebiete sachgerecht sein könnten, fehle in dem Gutachten und in den Bescheiden vollständig. Insgesamt sei so nicht einmal sichergestellt, dass die situationsangemessenen Tagesrichtwerte eingehalten würden. Das Vorhaben erweise sich zudem aufgrund der in den Genehmigungen vorgesehenen Befeuerung als rücksichtslos. Hinsichtlich des Tagesfeuers seien sie bereits zu unbestimmt, nachdem hier alternativ auch die Verwendung von Signalfarben zugelassen werde. Sie könnten damit nicht hinreichend eindeutig feststellen, worauf sie sich in Zukunft einzustellen hätten. In jedem Fall überstiege ein Tagesfeuer das rechtlich zulässige Maß an Beeinträchtigung. Ihnen sei ein „Flughafengefühl“ an ihrem Wohnort nicht zuzumuten. Aus dem gleichen Grund stelle auch die Nachtkennzeichnungspflicht nach der Auflage Nr. 3.14.5 eine ihnen unzumutbare Beeinträchtigung dar. Unabhängig davon litten die Genehmigungen an einem durchgreifenden Verfahrensmangel. Sie hätten nicht ohne eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt werden dürfen, nachdem die einzige im Verfahren durchgeführte Öffentlichkeitsbeteiligung bereits spätestens mit dem Erörterungstermin am 11. Februar 2020 abgeschlossen gewesen und ca. drei Jahre später im Anschluss an einen gerichtlichen Vergleich der beantragte Anlagentyp geändert worden seien. Nach § 22 Abs. 1 UVPG sei eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich, wenn der Vorhabenträger eine auslegungspflichtige Unterlage nachträglich ändere. Eine Ausnahme nach § 22 Abs. 2 Satz 1 UVPG, weil zusätzliche erhebliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen nicht zu besorgen sein könnten, liege hier nicht vor. Anders als der Beklagte meine, komme es nicht darauf an, ob solche Auswirkungen negativer Art seien. Zusätzliche erhebliche Umweltauswirkungen könnten auch dann vorliegen, wenn für die Umwelt günstige Änderungen für die zusammenfassende Darstellung nach § 24 UVPG und die Bewertung nach § 25 Abs. 1 UVPG von Bedeutung seien. Nach diesen rechtlichen Maßstäben habe der Beklagte im Nachgang zum Änderungsantrag vom 23. Januar 2023 nicht auf eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit verzichten dürfen. Zudem sei unionsrechtlich zu berücksichtigen, dass in jedem Fall eine hinreichende Anstoßwirkung gewahrt bleiben müsse. Daher sei schon aufgrund des im Anschluss an den Erörterungstermin vom 11. Februar 2020 verstrichenen „massiven Zeitablaufs“ eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit inklusive erneutem Erörterungstermin nötig gewesen, weil der Beklagte „keinesfalls“ habe davon ausgehen dürfen, dass nach Verstreichen von drei Jahren die Einwendungsstandpunkte aus den Reihen der betroffenen Öffentlichkeit gleichgeblieben seien.
13Die Kläger beantragen,
141. den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 29. März 2023, Az. N01, aufzuheben;
2. den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 29. März 2023, Az. N02, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Zur Begründung verweist er auf die angefochtenen Genehmigungen. Entgegen der Annahme der Kläger sei das zu deren Bestandteil erklärte immissionsschutzrechtliche Gutachten der K. GmbH vom 1. November 2022 methodisch fehlerfrei und belastbar. Dies gelte insbesondere für die Auswahl des Frequenzspektrums. Die von den Klägern bemängelte Passage beziehe sich auf das sog. alternative Verfahren, das hier gerade nicht zum Einsatz gekommen sei. Dem Gutachten lasse sich hinreichend deutlich entnehmen, dass der Beurteilung selbst das breitere Frequenzspektrum zugrunde gelegt worden sei. Dies komme auch darin zum Ausdruck, dass letztlich Oktavschallleistungspegel definiert und vorgeschrieben worden seien. Die Gebietseinstufung und der dort anzusetzende Richtwert begegneten ebenfalls keinen Bedenken. Dass das Grundstück der Kläger im Außenbereich liege, sei nicht ernstlich zweifelhaft. In der Rechtsprechung des OVG NRW sei indes seit langem geklärt, dass im Außenbereich die Richtwerte der TA Lärm für Dorf- und Mischgebiete heranzuziehen seien. Unschädlich sei, dass für das Gebäude C.-straße 3 kein eigener Immissionsort festgelegt worden sei. Die Gebäudeteile C.-straße 3 und C.-straße 1, der als Immissionsort IO 9 untersucht worden sei, bildeten eine Einheit. Zudem liege das Gebäude C.-straße 1 näher an den Windenergieanlagen. Reflexionen habe das Gutachten im Rahmen einer Einzelbetrachtung ohne weiteres nachvollziehbar ausgeschlossen, sodass es keinen Bedenken begegne, dass der Immissionsrichtwert „nur“ um 1 dB(A) unterschritten werde. Ton- und Impulshaltigkeit seien ausgeschlossen und deshalb in der Lärmbegutachtung nicht zu berücksichtigen gewesen. Eine relevante Beeinträchtigung durch Infraschall sei hier aufgrund der Entfernung zu den Anlagen auszuschließen, eine unzumutbare Lichtimmission nicht zu erwarten. Die angeordneten Kennzeichnungen seien aus Gründen der Flugsicherheit unabdingbar und entsprächen den technischen Vorgaben. Eine Rücksichtslosigkeit gegenüber den Klägern ergebe sich hieraus nicht. Dies folge schon aus der Entfernung der Anlagen zu dem Wohnhaus der Kläger zu 2. und 3., die deutlich mehr als das Dreifache der Anlagenhöhe betrage. Angesichts dessen scheide auch eine optisch bedrängende Wirkung aus. Schattenwurfimmissionen seien durch die Nebenbestimmungen 3.9.9 und 3.9.10 vollständig ausgeschlossen, sodass eine Belastung der Kläger von vornherein und überhaupt nicht eintreten könne. Eine vermeintliche Wertminderung ihres Grundstückes sei angesichts der Legalität der hier in Rede stehenden Nutzung im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens nicht gesondert berücksichtigungsfähig. Schließlich sei die Entscheidung auch nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung sei hier nach der einschlägigen Regelung des § 8 Abs. 2 der 9. BImSchV nicht erforderlich gewesen, weil durch die Modifizierung nachteilige Auswirkungen auf die einschlägigen Schutzgüter nicht zu besorgen gewesen seien. Sowohl die Reduzierung der Anlagenhöhe als auch die Vorgabe einer „Null-Verschattung“ seien insofern lediglich vorteilhaft.
21Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
22die Klage abzuweisen.
23Die Einwände der Kläger stellten die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigungsbescheide nicht in Frage. Die Vorgehensweise des Gutachtens hinsichtlich der Berücksichtigung eines Dämpfungswerts in Form des 500 Hz-Mittenpegels entspreche, wie es der Gutachter ausgeführt habe, der einschlägigen DIN ISO 9613-2 und sei deshalb auch von der Genehmigungsbehörde zutreffend nicht beanstandet worden. Schallreflexionen könnten nach der Einzelfalluntersuchung des Gutachters an den maßgeblichen Gebäuden der Kläger nicht auftreten und seien deshalb auch nicht zu berücksichtigen gewesen. Deren Annahmen hinsichtlich eines Puffers seien damit irrelevant. Ebenso wenig seien die angesetzten Immissionsrichtwerte zu beanstanden. Sie entsprächen der seit Jahrzehnten gefestigten Rechtsprechung des OVG NRW, die das Bundesverwaltungsgericht in der von den Klägern zitierten Entscheidung gerade nicht beanstandet habe. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, dass es außer dem Wohnhaus der Kläger weitere berücksichtigungsfähige Wohnnutzungen gäbe, insbesondere liege ersichtlich kein Kleinsiedlungsgebiet vor. Im Gegenteil finde sich in der näheren Umgebung eine Vielzahl von Tierhaltungsanlagen, sodass auch faktisch von einer mit einem Dorfgebiet vergleichbaren Lage auszugehen wäre, forderte man mit den Klägern eine Einzelfallbetrachtung. Sie könnten sich auch nicht auf schädliche Umwelteinwirkungen durch eine Befeuerung der Anlagen zum Schutz der Flugsicherheit berufen. Die einschlägigen Nebenbestimmungen unter Nr. 3.14 seien nicht zu beanstanden. Es fehle ihnen nicht an der Bestimmtheit, weil die für die Tagkennzeichnung alternativ zulässigen Maßnahmen jeweils präzise bestimmt seien. Die eingeräumte Wahlmöglichkeit ändere hieran nichts. Anzahl und Position der Feuer sowie die Lichtintensität und Farbe, Blink- und Blitzfrequenzen und Abstrahlwinkel seien durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen vom 24. April 2020 auf Basis der internationalen Richtlinien der International Civil Aviation Organisation vorgegeben. Die Genehmigungsbescheide zeichneten dies lediglich nach und seien schon deshalb nicht zu beanstanden. Eine störende Aufhellung trete im Übrigen nur in unmittelbarer Nähe der Lichtquellen auf und könne daher wegen der großen Abstände der Windenergieanlagen zu den nächsten Wohnhäusern dort ausgeschlossen werden. Zudem werde eine Tagbefeuerung nicht eingesetzt werden und es zur Nachtzeit mit Sicherheit eine bedarfsabhängige Nachtbefeuerung geben, d. h. nur dann, wenn tatsächlich Flugbetrieb in der Nacht im Umkreis der Anlagen stattfinde und entsprechend von einem Luftfahrzeug automatisiert angefordert werde. Das werde erwartbar nur selten vorkommen. Die Kläger rügten schließlich zu Unrecht, dass nach Änderung des Anlagentyps keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Insofern seien nachteilige Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt möglicher Immissionen (Schall, Schattenwurf und Lichtimmissionen) ausgeschlossen. Der von den Klägern herangezogene § 22 Abs. 1 UVPG komme schon deshalb nicht zum Tragen, weil hier nach § 4 Abs. 1 BImSchG ausschließlich das Verfahren nach der 9. BImSchV durchzuführen sei. Mit Blick auf eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung enthalte jedoch deren § 8 Abs. 2 Satz 1 eine abweichende Regelung, nach der allein nachteilige Auswirkungen eine Pflicht zur erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung auslösen könnten. Solche seien hier indes nicht ersichtlich und würden von den Klägern auch nicht aufgezeigt. Im Übrigen verkenne deren Auffassung, wonach auch bei erheblichen günstigen Änderungen des Vorhabens eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen sei, die Tatsache, dass bei einem Repowering-Vorhaben wie hier nach § 16b BImSchG im Rahmen des Änderungsgenehmigungsverfahrens materiell nur Anforderungen geprüft würden, soweit durch das Repowering im Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand unter Berücksichtigung der auszutauschenden Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen würden. Es entbehrte aber jeder Logik, eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung wegen Änderungen durchzuführen, die im Verfahren gar nicht zu prüfen seien. Demgegenüber verpflichte allein die Verfahrensdauer unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Kläger enthielten sich insoweit auch jeglicher Begründung. Der mit der Klagebegründung erfolgte pauschale Verweis auf die im Genehmigungsverfahren erhobenen weiteren Einwendungen verfehle schließlich die Anforderungen des § 6 UmwRG und sei damit unbeachtlich.
24Der Vorsitzende hat als Berichterstatter die Örtlichkeit besichtigt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Terminsprotokoll vom 28. September 2023. Im Anschluss daran haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 22 D 61/23.AK sowie der in diesen Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten 1-17) Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Der Vorsitzende entscheidet den Rechtsstreit als Einzelrichter, nachdem der Senat am 6. November 2023 nach Anhörung der Beteiligten im Orts- und Erörterungstermin vom 28. September 2023 einen Beschluss nach § 9 Abs. 4 VwGO gefasst hat.
28Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, weil die Beteiligten im Anschluss an den Orts- und Erörterungstermin auf ihre Durchführung verzichtet haben.
29Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
301. Die Klage ist zulässig, insbesondere sind die Kläger zu 2. und 3. im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil sie u. a. geltend machen und geltend machen können, durch die Genehmigungsbescheide vom 29. März 2023 in ihren aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG folgenden Abwehrrechten verletzt zu sein. Sie gehören zu der geschützten Nachbarschaft, weil sie als Bewohner und möglicherweise Eigentümer eines Wohnhauses, das sich in einem Abstand von weniger als 700 m zu den Standorten der beiden genehmigten Windenergieanlagen und damit in deren Einwirkungsbereich befindet, qualifiziert betroffen sind. Eine Rechtsverletzung scheidet angesichts dessen namentlich mit Blick auf die geltend gemachten Schallimmissionen jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise aus. Für die Klägerin zu 1. - eine juristische Person und Unternehmerin - liegt das mit Blick auf die unklare Darlegung der Eigentumsverhältnisse - im gerichtlichen Verfahren wird sie als Gesamteigentümerin des Anwesens bezeichnet, im Verwaltungsverfahren wird hingegen hervorgehoben, das Wohnhaus C.-straße 1 befinde sich „in unmittelbarer Nähe“ ihres Grundstücks - liegt dies zwar nicht gleichermaßen nahe, mag hier indes zu ihren Gunsten als Nutzerin und wohl Eigentümerin des Gebäudes C.-straße 3 unterstellt werden. Ob sämtliche Rechtsnormen, deren Verletzung im Übrigen gerügt wird, drittschützend sind, kann an dieser Stelle ebenfalls dahinstehen.
312. Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Aufhebung der der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Beklagten vom 29. März 2023. Diese verletzen die Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
32Dabei ist im Rahmen einer Drittanfechtungsklage nicht maßgeblich, ob diese Genehmigungen objektiv in jeder Hinsicht rechtmäßig sind. Zu ihrer Aufhebung kann die Anfechtungsklage der Kläger nur dann führen, wenn sie gerade aufgrund der Verletzung von Normen rechtswidrig sind, die ein subjektiv-öffentliches Recht der Kläger begründen, also drittschützend sind. Eine Ausnahme hiervon bilden absolute Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG. Aufgrund der Formulierung dieser Vorschrift, wonach die Aufhebung einer Entscheidung „verlangt werden“ kann, führen die dort genannten Verfahrensmängel ohne Rücksicht auf eine subjektive Rechtsverletzung zu einem Aufhebungsanspruch.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 -, NVwZ 2011, 613 = juris Rn. 21, 32; OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2018 - 8 B 1291/17 -, juris Rn. 44; Urteile vom 23. September 2020 - 8 A 1161/18 -, juris Rn. 73, und vom 27. Juli 2023 - 22 D 100/22.AK -, juris Rn. 23; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 3. April 2012 - 1 B 10136/12 -, BauR 2012, 1362 = juris Rn. 7.
34Im Umfang ihrer Überprüfbarkeit im vorliegenden Verfahren erweisen sich die angegriffenen Genehmigungen als rechtmäßig. Absolute Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen nicht. Relative Verfahrensfehler können die Kläger nicht geltend machen (nachfolgend a). Im Übrigen verletzen die Genehmigungsbescheide vom 29. März 2023 die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie werden durch den Betrieb der Windenergieanlagen nicht in aus § 5 Abs. 1 BImSchG folgenden eigenen Rechten rechtserheblich betroffen (nachfolgend b). Das (baurechtliche) Gebot der Rücksichtnahme ist nicht wegen einer unzumutbaren (nächtlichen) Lichtbelastung verletzt (nachfolgend c). Etwaige weitergehende Einwände der Kläger sind jedenfalls nicht entscheidungserheblich (dazu d).
35a) Absolute Verfahrensfehler im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung sind nicht ersichtlich, sie folgen namentlich nicht daraus, dass vor Erteilung der Genehmigungen eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich gewesen wäre.
36aa) Ein absoluter Verfahrensfehler ergibt sich weder nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG (dazu (1)) noch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG (dazu (2)) oder nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG (dazu (3)).
37(1) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG u. a. verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist.
38Ein solcher Verfahrensfehler scheidet hier schon deshalb aus, weil die Beigeladene eine für ihr Vorhaben an sich nach den Vorgaben des UVPG nicht erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung freiwillig beantragt und der Beklagte diese auch tatsächlich durchgeführt hat.
39(2) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG verlangt werden, wenn eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 UVPG oder im Sinne von § 10 BImSchG weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist.
40Ohne Erfolg machen die Kläger in diesem Zusammenhang geltend, vor Erlass des Abhilfe- bzw. Genehmigungsbescheids vom 29. März 2023 hätte nicht auf eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung verzichtet werden dürfen. Denn zum einen erfasst § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG schon nicht den Fall, dass keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wurde.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, BVerwGE 155, 91 = juris Rn. 37; OVG NRW, Urteil vom 29. November 2022 - 22 A 1184/18 -, ZNER 2023, 53 = juris Rn. 77; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: April 2022, § 4 UmwRG Rn. 33.
42Zum anderen sind von der Änderung des Anlagentyps in Verbindung mit der Erweiterung des Schutzkonzepts – insbesondere die erheblich über die rechtlichen Anforderungen hinausgehende Vorgabe einer Nullverschattung an allen potenziellen Immissionsorten – keine im Sinne des § 8 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der 9. BImSchV nachteiligen Auswirkungen für Dritte wie die Kläger zu besorgen. Nur in einem solchen Fall könnte indes eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 8 Abs. 1 der 9. BImSchV verfahrensrechtlich geboten sein. Solche Nachteile machen jedoch auch die Kläger nicht geltend.
43Demgegenüber findet der von den Klägern angeführte § 22 UVPG auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen keine Anwendung. Er wird durch die Regelungen der 9. BImSchV – in auch unionsrechtlich unbedenklicher Weise – verdrängt.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 2016 - 7 C 1.15 -, NuR 2017, 397 = juris Rn. 14 f.; VG Frankfurt/M., Beschluss vom 7. Januar 2019 - 8 L 3176/18.F -, juris Rn. 18, m. w. N.; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Februar 2019, § 1 der 9. BImSchV Rn. 9 ff., 10.
45Vor diesem Hintergrund mag dahinstehen, ob die von den Klägern vertretene Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 22 Abs. 2 UVPG überzeugen kann. Jedenfalls für die hier in Rede stehende Konstellation erscheint dies indes fernliegend. Schon die Beigeladene hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das von § 16b BImSchG vorgegebene Prüfprogramm in einem solchen Verständnis zu einem sinnwidrigen Ergebnis führte, nachdem eine Pflicht zur erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung auf Auswirkungen beruhte, die hier im Genehmigungsverfahren überhaupt nicht zu prüfen sind.
46Demgegenüber ist allein die Verfahrensdauer kein Grund, eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen zu müssen. Ein Verfallsdatum kennt das geltende Recht nicht, eine rechtliche Begründung für ihre gegenteilige Auffassung leisten die Kläger auch nicht.
47(3) Ebenso wenig tragen sie einen anderen Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG vor, der der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hätte, zumal nach § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG der Verfahrensfehler gerade ihnen, den Klägern, die Möglichkeit der Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen haben müsste, wofür erst recht nichts ersichtlich ist. Ihre Einwendungen konnten sie im Genehmigungsverfahren erheben und haben dies auch getan. Wie ihre Verweise auf diesen früheren Vortrag noch in der Klageschrift vom 3. Mai 2023 und in der Klagebegründung vom 12. Juli 2023 – nach umfassender Akteneinsicht – zeigen, hat sich an ihren Einwänden selbst nach Erlass der Genehmigungsbescheide nichts geändert, obwohl diese jedenfalls in Teilen (z. B. hinsichtlich der Nullbeschattung oder des Aufschubs eines Nachtbetriebes) ihren Bedenken tatsächlich Rechnung getragen hatten. Jedenfalls für sie trifft die Spekulation, die Einwendungsstandpunkte aus den Reihen der betroffenen Öffentlichkeit könnten sich über die Jahre geändert haben, damit offensichtlich nicht zu.
48bb) Schließlich können die Kläger auch keine relativen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG geltend machen. Die erfolgreiche Rüge eines solchen Verfahrensfehlers setzt bei einer natürlichen Person eine subjektive Rechtsverletzung voraus.
49Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juli 2023 - 22 D 100/22 -, juris Rn. 30, Beschlüsse vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 -, NuR 2018 = juris Rn. 38 ff., und vom 26. März 2018 - 8 B 1291/17 -, juris Rn. 43 ff.
50Jedenfalls eine solche Rechtsverletzung der Kläger liegt in Bezug auf den gerügten und hier einmal unterstellten Verfahrensfehler aber nicht vor. Außer dem Verweis auf die fehlerhaft unterbliebene Öffentlichkeitsbeteiligung, die als solche keine subjektiven Rechte berührt, machen sie selbst keine subjektiven verfahrensrechtlich abzusichernde Rechtspositionen als verletzt geltend.
51b) Die Kläger werden durch den Betrieb der Windenergieanlagen nicht in aus § 5 Abs. 1 BImSchG folgenden eigenen Rechten rechtserheblich betroffen, namentlich haben sie keine unzumutbaren Lärmbelastungen zu erwarten.
52Der Immissionsrichtwert für das Grundstück der Kläger mit der Anschrift C.-straße 1 und 3 beträgt - soweit hier von Relevanz - nicht weniger als 45 dB(A) nachts.
53Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, bestimmt sich maßgeblich nach Nr. 6.1 TA Lärm.
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 ‑ 8 A 894/17 -, ZNER 2020, 558 = juris Rn. 155 f., m. w. N., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 8. November 2021 - 7 B 3.21 -, juris.
55Für das im Außenbereich gelegene Grundstück der Kläger betragen die Lärmrichtwerte in Anlehnung an die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Buchst. d TA Lärm geltenden Richtwerte 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts.
56Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 18. November 2002 - 7 A 2127/00 -, BauR 2003, 55 = juris Rn. 32 ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Rechtsprechung anderer Obergerichte, vom 4. Mai 2022 - 8 D 297/21.AK -, ZNER 2022, 424 = juris Rn. 77 f., m. w. N., und vom 27. Oktober 2022 - 22 D 363/21.AK -, BauR 2023, 614 = juris Rn. 51 ff.; Beschlüsse vom 14. Juni 2012 - 2 B 379/12.NE -, juris Rn. 25, und vom 11. März 2005 - 10 B 2462/04 -, BRS 69 Nr. 106 = juris Rn. 8 ff.
57Entgegen der Ansicht der Kläger sind nicht deshalb die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein Kleinsiedlungsgebiet anwendbar, weil der maßgebliche Immissionsrichtwert für eine Lage im Außenbereich jeweils im Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu bestimmen sei und hier die maßgebliche nähere Umgebung einem Kleinsiedlungsgebiet entspräche. Vielmehr hat der Beklagte zu Recht die seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung soweit ersichtlich aller deutschen Obergerichte,
58vgl. dazu auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Okt. 2019, § 35 Rn. 187; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, Vorb. §§ 29-38 Rn. 72,
59zugrunde gelegt und daher die vorgenannten Immissionsrichtwerte für Dorf- und Mischgebiete aufgrund einer generalisierenden Betrachtung nach Nr. 6.1 Buchst. d TA Lärm zutreffend als maßgeblich erachtet. Denn der Außenbereich dient gerade nicht dem (freien) Wohnen. Vielmehr soll er vorrangig von baulichen Nutzungen insgesamt freigehalten werden, jedenfalls soweit es sich nicht um dort privilegierte handelt. Zu diesen im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben zählen indes gerade auch lärmintensive Nutzungen. So sind dort namentlich Windenergieanlagen, wie sie die Beigeladene plant, privilegiert zulässig, nicht aber reine Wohnnutzungen wie die der Kläger zu 2. und 3. Eine Heranziehung der Immissionsrichtwerte für solche Baugebietstypen, die von einer „ruhigen Wohnnutzung“ geprägt werden, verbietet sich mangels einer vergleichbaren Ausgangssituation deshalb von vornherein. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht die auf dieser tatsächlichen Wertung beruhende ständige Rechtsprechung aller mit Bau- und Immissionsschutzrecht befassten Senate des OVG NRW in seinem von den Klägern herangezogenen Beschluss vom 14. September 2017 - 4 B 26.17 -, juris Rn. 6, ausdrücklich nicht beanstandet,
60in diesem Sinne auch Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15 Aufl. 2022, Vorb. §§ 29-38 Rn. 72; zur entsprechenden Festlegung vgl. das zugrundeliegende Urteil des 7. Senats des erkennenden Gerichts vom 22. Februar 2017 - 7 A 2288/15 -, BauR 2018, 71 = juris Rn. 38,
61und die zutreffende Bestimmung des Schutzniveaus lediglich als Tatsachenfrage, die sich einer revisionsrechtlichen Klärung entzieht, charakterisiert.
62Warum im Falle des in Alleinlage liegenden Grundstücks der Kläger etwas anderes gelten sollte, erschließt sich nicht, zumal selbst eine Lage im Landschaftsschutzgebiet oder am Rande eines FFH-Gebietes an den maßgeblichen Immissionsrichtwerten nichts ändern würde.
63Eingehend dazu OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 2022 - 22 D 363/21.AK -, BauR 2023, 614 = juris Rn. 51 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 8. November 2021 - 7 B 2.21 u. a. -, juris Rn. 6; OVG NRW, Urteile vom 4. Mai 2022 ‑ 8 D 297/21.AK -, ZNER 2022, 424 = juris Rn. 77 ff., und vom 5. Oktober 2020 ‑ 8 A 894/17 -, ZNER 2020, 558 = juris Rn. 157 ff.; Beschlüsse vom 21. Februar 2020 ‑ 8 A 3269/18 -, juris Rn. 40 f., und vom 26. März 2018 - 8 B 1291/17 -, juris Rn. 69 f., 72 f., m. w. N.; zum FFH-Gebiet Beschlüsse vom 23. Juli 2018 - 2 B 565/18 -, juris Rn. 33 ff., und vom 10. Mai 2017 - 8 B 1081/16 -, juris Rn. 27.
64Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass es selbst unter Zugrundelegung der Auffassung der Kläger hier bei einem nächtlichen Immissionsrichtwert von 45 dB(A) bliebe. Denn die auf dem Grundstück und in der näheren Umgebung vorhandenen baulichen Nutzungen – ein Wohnhaus und ein Gebäude mit gewerblicher Nutzung – stellen geradezu exemplarisch die Verhältnisse eines Mischgebietes dar. Dagegen fehlt jegliche bauliche Nutzung in der näheren Umgebung, die für ein Kleinsiedlungsgebiet nach § 2 BauNVO charakteristisch wäre.
65Vgl. dazu allgemein nur Stock, in: König/Roeser/ Stock, BauNVO - Kommentar, 5. Aufl. 2022, § 2 Rn.3 f., 8 ff.; Vietmeier, in: Bönker/Bischpink, BauNVO - Kommentar, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 1 ff., 10 ff.
66Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass diese Werte nicht eingehalten würden, sind nicht zu erkennen. Der Beklagte durfte sich insoweit zu Recht auf die 5. Revision der Lärmimmissionsprognose der K. GmbH & Co. KG vom 1. November 2022 stützen, gegen die die Kläger keine substanziierten Bedenken erhoben haben; solche sind für den Senat auch im Übrigen nicht ersichtlich.
67Insbesondere geht der Einwand der Kläger fehl, es sei nicht ersichtlich, warum die Betrachtung der geplanten Windenergieanlagen, wie auf Seite 10 des Gutachtens dargelegt, lediglich für einen Schallleistungspegel von 500-Hz-Mittenpegel und nicht für ein repräsentatives Frequenzspektrum erfolge. Denn diese Passage bezieht sich nach dem Kontext der Ausführungen des Gutachtens eindeutig auf die Berechnungsgrundlagen des sogenannten alternativen Verfahrens, das hier indes nicht zur Anwendung gekommen ist. Vielmehr beruht die Begutachtung auf dem sogenannten Interimsverfahren (vgl. S. 14 ff.), dessen Einsatz unter dem Aspekt des Nachbarschutzes hier keinen Bedenken begegnet.
68Vgl. dazu allgemein OVG NRW, Urteil vom 20. April 2022 - 8 A 1575/19 -, BauR 2023, 197 = juris Rn. 111 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 2022 - 7 B 15.22 -, ZNER 2023, 38 = juris Rn. 5 ff.
69Dass dieses mathematisch korrekt angewandt wurde, hat der Beklagte in seiner Klageerwiderung noch einmal im Detail zutreffend herausgestellt. Hierauf wird Bezug genommen; Einwände haben auch die Kläger im Anschluss nicht vorgebracht.
70Soweit sie mit ihrem rechtlich nicht weiter verorteten Hinweis auf die Reflexionsbetrachtung des Gutachtens der K. GmbH & Co. KG vom 1. November 2022 möglicherweise andeuten wollen, der berechnete Immissionspegel an ihrem Wohnhaus unterschätze die tatsächliche Lärmbelastung, bleibt diese Hypothese ohne Begründung; mit der detaillierten Einzelbetrachtung ihres Anwesens auf den Seiten 38 – 40 des Gutachtens setzen sie sich nicht einmal ansatzweise auseinander. Namentlich zeigen sie nicht auf, warum es entgegen der gutachterlichen Feststellungen zu immissionsrelevanten Schallreflexionen kommen könnte. Hierfür haben sich auch im Ortstermin angesichts der den Windenergieanlagen zugewandten geraden und durchgehenden Außenfassende der Gebäudeteile C.-straße 1 und 3 keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Zugleich bestätigt diese Gebäudekonfiguration, dass es eines (zusätzlichen) Immissionsaufpunktes am Gebäude C.-straße 3 nicht bedurfte, weil dieser - nach den Angaben des Klägers zu 3. im Orts- und Erörterungstermin vom 28. September 2023 ohnehin ausschließlich gewerblich genutzte - Gebäudeteil (etwas) weiter von den Anlagen entfernt ist und nichts auf eine trotzdem höhere Belastung hindeutet.
71Vor diesem Hintergrund führt schließlich auch der in den Raum gestellte Hinweis darauf, der zulässige Immissionsrichtwert werde „nur knapp“ eingehalten, für sich genommen gerade nicht auf dessen Überschreitung und damit auf eine möglicherweise unzumutbare Belastung der Kläger. Im Übrigen wird dieser Wert auch nicht knapp, sondern um 1 dB(A) unterschritten, mithin jedenfalls hinreichend sicher gewahrt, zumal der Nachtbetrieb der Anlagen ohnehin erst dann aufgenommen werden darf, wenn diese ausreichend vermessen sind.
72c) Das Vorhaben der Beigeladenen ist den Klägern gegenüber auch nicht wegen der nach den Nebenbestimmungen 3.14.1-19 erforderlichen Hinderniskennzeichnung und Signalbefeuerung der genehmigten Anlagen rücksichtslos. Es führt nicht zu ihnen unzumutbaren Lichtimmissionen.
73Die zur Flugsicherung notwendige Befeuerung von Windenergieanlagen in Form von weißem und rotem Blitz- bzw. Blinklicht ist zwar als Lichtimmission zu werten. Die rechtlich allerdings nicht verbindliche Licht-Richtlinie („Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom 13. September 2012, vgl. Gemeinsamer Runderlass „Lichtimmissionen, Messung, Beurteilung und Verminderung“ des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz vom 11. Dezember 2014 (MBl. NRW. 2015 Seite 26.), geändert durch Runderlass vom 20. Juni 2018 (MBl. NRW. 2018 Seite 390)) kennt die Effekte der Aufhellung und der psychologischen Blendung. Aufhellung tritt nur in der unmittelbaren Nähe von Lichtquellen auf und kann daher wegen der großen Abstände von Windenergieanlagen zu den nächstgelegenen Wohnhäusern ausgeschlossen werden (meist <1% des Richtwertes der Licht-Richtlinie). Aufgrund der vergleichsweise geringen Lichtstärke und geringen Leuchtfläche der Nachtbefeuerung sowie der großen Horizontal- und Vertikalabstände zu den Immissionsaufpunkten ist die Blendwirkung ebenfalls als unerheblich einzustufen.
74Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 2022 ‑ 22 D 64/21.AK -, juris Rn. 62; Agatz, Windenergie-Handbuch, 19. Ausg. 2023, S. 188 ff.
75Zudem hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass eine solche Kennzeichnung zur Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs zwingend erforderlich ist und die hier verfügten Auflagen den technischen Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen (AVV -, BAnz AT 30.04.2020 B4) ohne Abweichungen folgen und sowohl die Ausrüstung der WEA mit einer Befeuerung als auch die konkrete Ausführung (Anordnung, Farbe, Helligkeit, Blinkfrequenzen) luftverkehrsrechtlich weitgehend vorgeschrieben ist und schon deshalb von extremen, hier nicht ersichtlichen Ausnahmen abgesehen nicht als rücksichtslos qualifiziert werden kann.
76Eine Begründung für ihre gegenteilige Annahme haben die Kläger auch nicht gegeben, sie beschränken sich vielmehr auf die schlichte Behauptung einer Unzumutbarkeit. Das genügt nicht ansatzweise den Darlegungsanforderungen, zumal die Beigeladene im Ortstermin vom 28. September 2023 erklärt hat, auf eine Tagbefeuerung gänzlich zu verzichten und das Nachtfeuer bedarfsgesteuert einzurichten, sobald dies (luftsicherheits)rechtlich zulässig sein wird. Dass letzteres erfolgen wird, ist im Übrigen schon deshalb sicher zu erwarten, weil andernfalls die gesetzliche garantierte Einspeisevergütung entfiele. Auch hierauf haben die Kläger nicht reagiert, obwohl es sich dann absehbar sogar nur noch um seltene und punktuelle Ereignisse handeln wird.
77Soweit sie daneben meinen, die Regelungen zur Tagkennzeichnung seien unbestimmt, weil die Beigeladene die Wahl zwischen einem Tagfeuer und einer Signalkennzeichnung habe, geht das an der Tatsache vorbei, dass beide Alternativen in den Nebenbestimmungen unter 3.14 eindeutig beschrieben – und wie ausgeführt den Klägern auch jeweils zumutbar – sind. Mehr verlangt das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot in der vorliegenden Konstellation nicht.
78d) Soweit die Kläger in der Klageschrift vom 3. Mai 2023 zur Begründung ihrer Klage pauschal weiter auf mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. Dezember 2019 im Verwaltungsverfahren erhobene Einwände – etwa hinsichtlich eines Schattenwurfs, einer optisch bedrängenden Wirkung oder Infraschalls – Bezug genommen haben, genügt dies nicht den Anforderungen des § 6 UmwRG, so dass sie insoweit mit ihrem Vortrag präkludiert sind.
79Nach § 6 Satz 1 UmwRG hat eine Person (vgl. § 61 Nr. 1 VwGO) oder eine Vereinigung im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder gegen deren Unterlassen dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn die Voraussetzung nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO erfüllt ist; § 87b Abs. 3 Satz 2 und 3 VwGO gilt entsprechend, vgl. § 6 Satz 2 und 3 UmwRG.
80Geregelt ist in § 6 UmwRG ein Fall der innerprozessualen, formellen Präklusion. Ihr Zweck besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten wird und zeitnah Klarheit darüber besteht, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird. Schon innerhalb der Begründungsfrist hat der Kläger grundsätzlich den Prozessstoff festzulegen und Beweismittel für einen späteren förmlichen Beweisantrag bereits anzugeben, was späteren lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht ausschließt. Es soll verhindert werden, dass in einem späten Stadium des gerichtlichen Verfahrens neuer Tatsachenvortrag erfolgt, auf den die übrigen Beteiligten und das Gericht nicht mehr angemessen reagieren können.
81Vgl. aktuell etwa BVerwG, Beschlüsse vom 5. Juli 2023 - 9 B 7.23 -, juris Rn. 7, vom 14. Juni 2023 ‑ 10 B 3.23 -, juris Rn. 5, und vom 17. August 2022 ‑ 9 B 7.22 -, NVwZ-RR 2022, 903 = juris Rn. 11, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2023 ‑ 8 B 1049/23.AK -, juris Rn. 68 f., m. w. N.
82Der erforderliche Tatsachenvortrag muss dabei zwar nicht erschöpfend sein, der Kläger muss jedoch die maßgeblichen Tatsachen mit einem Mindestmaß an Schlüssigkeit und Substanz vortragen. Der Vortrag muss geeignet sein, dem Gericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten einen hinreichenden Eindruck von dem jeweiligen Tatsachenkomplex zu verschaffen und es ihnen ermöglichen, verbleibenden Unsicherheiten gezielt nachzugehen.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2021 ‑ 4 A 2.20 -, NVwZ-RR 2022, 317 = juris Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 10. Juni 2022 ‑ 20 D 212/20.AK -, juris Rn. 36 f., m. w. N., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2023 - 10 B 3.23 -, juris, Beschlüsse vom 3. November 2023 - 8 B 1049/23.AK -, juris Rn. 70, und vom 7. September 2023 - 8 A 1424/22 -, juris Rn. 9; OVG Saarl., Urteil vom 20. Juni 2023 ‑ 2 C 220/21 -, juris Rn. 82; Bay. VGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - 8 A 21.40034 -, juris Rn. 34, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2023 - 9 B 8.23 -, juris.
84Dabei darf sich die vom Kläger nach § 6 Satz 1 UmwRG geforderte Klagebegründung nicht auf die pauschale Bezugnahme auf die im Verwaltungsverfahren im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung erhobenen Einwände oder deren wörtliche Wiederholung beschränken, sondern muss sich mit dem Inhalt des Genehmigungsbescheides und seiner Begründung auseinandersetzen.
85Vgl. aktuell etwa BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2023 - 9 B 7.23 -, juris Rn. 17, unter Verweis auf BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 -, DVBl. 2017, 1039 = juris Rn. 37, und vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 17, Urteil vom 7. Juli 2022 - 9 A 1.21 -, BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 26. Januar 2022 - 20 D 73/18.AK -, juris Rn. 89, Beschluss vom 7. September 2023 - 8 A 1424/22 -, juris Rn. 11; Bay. VGH, Gerichtsbescheid vom 12. April 2021 - 8 A 19.40009 -, juris Rn. 17, und Beschluss vom 16. März 2021 ‑ 8 ZB 20.1873 -, juris Rn. 13; tendenziell auch OVG NRW, Urteil vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 95 ff.
86Diesen Anforderungen genügt der Verweis auf bisheriges Vorbringen in der Klageschrift nicht. Es fehlt insoweit insbesondere an jeglicher Auseinandersetzung mit der von dem Beklagten getroffenen und begründeten Entscheidung. Dies wäre hier zudem deshalb unabdingbar gewesen, weil die Genehmigung einen anderen Anlagentyp mit einer geringeren Gesamthöhe betrifft, als er Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung war, und der Beklagte das damals verfolgte Schutzregime zugunsten der Nachbarschaft in der Genehmigung erheblich ausgeweitet hat. Von daher wäre es Aufgabe der Kläger gewesen zu konkretisieren, an welchen früheren Einwendungen sie aus welchen Gründen trotzdem festhalten wollten. All dies leistet der Schriftsatz vom 3. Mai 2023 nicht.
87Unbeschadet dessen liegen die Einwände aber auch inhaltlich neben der Sache. Eine Tonhaltigkeit war im Schallgutachten nicht zu berücksichtigen, nachdem diese durch die Nebenbestimmungen Nr. 3.9.4 ausgeschlossen ist.
88Vgl. dazu nur OVG NRW, Urteil vom 27. Juli 2023 - 22 D 100/22 -, juris Rn. 41, m. w. N.
89Eine optisch bedrängende Wirkung der mehr als das Dreifache ihrer Gesamthöhe von den Gebäuden der Kläger entfernt liegenden Windenergieanlagen scheidet nach § 249 Abs. 10 BauGB ersichtlich aus.
90Vgl. dazu nur OVG NRW, Urteile vom 27. Juli 2023 - 22 D 100/22 -, juris Rn. 75 ff., vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 230 ff., und vom 24. Februar 2023 - 7 D 316/21.AK -, BauR 2023, 1093 = juris Rn. 154 ff.; allgemein schon Urteil vom 27. Oktober 2022 - 22 D 363/21.AK -, juris Rn. 117 ff.
91Eine vermeintliche Infraschallbelastung führt jedenfalls nicht auf eine Rechtsverletzung der Kläger.
92Vgl. dazu nur OVG NRW, Urteil vom 27. Juli 2023 - 22 D 100/22 -, juris Rn. 49 ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
93Dass der pauschal einbezogene und damit als aufrechterhalten zu wertende umfangreiche Vortrag zu einer unzumutbaren Belastung durch den Schattenwurf der Windenergieanlagen angesichts der von der Beigeladenen weit überobligatorisch akzeptierten Auflage einer Nullbeschattung jedweden rechtlichen Fundaments entbehrt, bedarf schließlich keiner weiteren Ausführungen.
94Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn sie hat sich mit ihrem Klageabweisungsantrag einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt, § 154 Abs. 3 VwGO.
95Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
96Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 VwGO; Zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.