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Oberverwaltungsgericht NRW, 22 A 793/22

Datum:
24.08.2023
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
22. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 A 793/22
ECLI:
ECLI:DE:OVGNRW:2023:0824.22A793.22.00
 
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 K 1237/20
Schlagworte:
Rotmilan Uhu Windenergieanlage Drittanfechtung Entbehrlichkeit des Vorverfahrens Klagebefugnis Naturschutzverband Tötungsverbot Kollisionsrisiko Mahd Ernte Bewirtschaftungsereignis Schlafplatzgeschehen Brut Horst Klageänderung Rotorunterkante Signifikanzschwelle Nahbereich Zentraler Prüfbereich Vermeidungsmaßnahme
Normen:
BImSchG § 10 Abs. 8; 9. BImSchV § 21a Abs. 1; BNatSchG § 44 Abs. 1 Nr. 1; BNatSchG § 45b; BNatSchG § 74 Abs. 4; BNatSchG § 74 Abs. 4; BNatSchG § 5, Anlage 1
Leitsätze:

Zur Zulässigkeit einer Klageänderung im Berufungsverfahren nach § 125 Abs. 1 i. V. m. § 91 Abs. 1 VwGO (hier bejaht).

Die den Betrieb von Windenergieanlagen an Land betreffende Sondervorschrift des § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG findet im Rahmen der artenschutzrechtlichen Prüfung auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (erstmalig) Anwendung, wenn der Vorhabenträger dies nach § 74 Abs. 5 BNatSchG verlangt. Dem steht insbesondere der Wortlaut von § 74 Abs. 4 und 5 BNatSchG nicht entgegen; dieser ist vielmehr auslegungsoffen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).

Die beispielhafte Aufzählung von Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 2 der Anlage 1 zu § 45b Abs. 1 bis 5 BNatSchG zur Vermeidung der Tötung oder Verletzung von Exemplaren europäischer Vogelarten nach dem dortigen Abschnitt 1 durch Windenergieanlagen kann nicht als abschließende Konkretisierung einzelner Standardmaßnahmen bzw. eines Mindeststandards verstanden werden, von der in ihrem Anwendungsbereich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt abgewichen werden darf. Ebenso fehlt jeder normative Ansatz für die Annahme, die gesetzgeberische Vorgabe des § 45b Abs. 3 Nr. 2, 2. HS BNatSchG könne nur zum Tragen kommen, wenn die in Abschnitt 2 beschriebenen fachlich anerkannten Maßnahmen buchstabengetreu übernommen würden.

Die naturschutzfachlichen Erkenntnisse und Wertungen zum Brutgeschehen des Rotmilans, die der Vorschrift des § 45b Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG zugrunde liegen, können auf das Schlafplatzgeschehen dieser Art übertragen werden. Dies rechtfertigt es im Regelfall, die Abschaltung bei landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsereignissen als hinreichende Vermeidungsmaßnahme während des Schlafplatzgeschehens an einem traditionellen Schlafplatz des Rotmilans - jedenfalls außerhalb des Nahbereichs einer Windenergieanlage - anzusehen.

Ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko besteht für den Uhu regelmäßig nicht, wenn der Abstand zwischen der Rotorunterkante einer Windenergieanlage und dem Erdboden mehr als 90 m beträgt; mögliche Ansitzwarten in Bäumen ändern hieran nichts.

 
Tenor:

Das auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2022 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg wird teilweise geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn der jeweilige Vollstreckungsgläubiger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 
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