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Als Ausdruck der besonders geschützten Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG kann nur ein solches Verhalten angesehen werden, das nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
2Die Prozesskostenhilfebeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin für das erstinstanzliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht mit der Begründung abgelehnt, ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung habe keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen umfassend Bezug nimmt, hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Antragstellerin voraussichtlich nicht beanspruchen könne, dass ihr ein Personalausweis mit einem Lichtbild ausgestellt wird, das sie mit einer Kopfbedeckung zeigt. Ihr Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
3Entgegen dem ersten Einwand der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht überspannt. Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffes einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe zu versagen ist, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance indes nur eine entfernte ist. Prozesskostenhilfe darf von Verfassungs wegen dann nicht versagt werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde. Zugleich dürfen schwierige oder ungeklärte Rechtsfragen nicht schon im Verfahren der Bewilligung von Prozesskostenhilfe „durchentschieden“ werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen soll.
4BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 22. März 2021 ‑ 2 BvR 353/21 ‑, Asylmagazin 2021, 439, juris, Rn. 5, vom 13. Juli 2020 ‑ 1 BvR 631/19 ‑, FamRZ 2020, 1559, juris, Rn. 18, vom 28. Oktober 2019 ‑ 2 BvR 1813/18 ‑, NJW 2020, 534, juris, Rn. 27, und vom 22. August 2018 ‑ 2 BvR 2647/17 ‑, NVwZ-RR 2018, 873, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Dezember 2022 ‑ 19 A 2358/22.A ‑, juris, Rn. 11, vom 5. September 2022 ‑ 19 E 322/22 ‑, juris, Rn. 5, vom 15. Januar 2021 ‑ 19 E 815/20 ‑, juris, Rn. 7, und vom 15. Dezember 2020 ‑ 19 E 85/20 -, juris, Rn. 4.
5Das Verwaltungsgericht hat keine schwierigen oder ungeklärten Rechtsfragen durchentschieden, sondern seiner Prüfung die Maßstäbe aus der von ihm zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde gelegt, nach denen nicht jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der besonders geschützten Glaubensfreiheit angesehen werden kann, sondern nur ein solches Verhalten, das nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. Diese Voraussetzung dürfen die staatlichen Organe prüfen. Ihnen gegenüber trifft denjenigen, der unter Berufung auf sein Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die Befreiung von einer vom Staat durch Gesetz allen auferlegten Pflicht begehrt, die Darlegungslast dafür, dass er durch verbindliche Ge- oder Verbote seines Glaubens gehindert ist, der gesetzlichen Pflicht zu genügen, und dass er in einen Gewissenskonflikt gestürzt würde, wenn er entgegen den Ge- oder Verboten seines Glaubens die gesetzliche Pflicht erfüllen müsste.
6Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 ‑ 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282, juris, Rn. 40; Beschluss vom 27. Januar 2015 ‑ 1 BvR 471/10 ‑, BVerfGE 138, 296, juris, Rn. 86 ff.; BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2019 ‑ 3 C 24.17 ‑, BVerwGE 166, 125, juris, Rn. 13, und vom 25. August 1993 ‑ 6 C 8.91 ‑, BVerwGE 94, 82, juris, Rn. 20; siehe auch VG Köln, Beschluss vom 6. Mai 2013 ‑ 13 L 414/13 -, juris, Rn. 10 ff.
7Solange sich die Antragstellerin nur pauschal darauf beruft, dass sie muslimischen Glaubens sei, ohne nähere Angaben zu ihrer Religionsausübung und ihren Glaubensüberzeugungen zu machen, besteht daher auch kein Anlass für eine diesbezügliche Beweisaufnahme oder sonstige Nachforschungen von Amts wegen.
8Soweit die Antragstellerin weiter rügt, dass die Mitarbeiter der Antragsgegnerin gar nicht erfragt hätten, ob „für sie die Nutzung eines Lichtbildes ohne Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit […] infrage käme“, und außerdem kein angemessenes Umfeld dafür geschaffen hätten, sich über die eigene Religiosität und die Bedeutung religiöser Gebote für das eigene Leben zu äußern, verkennt sie zum einen die ihr nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung obliegende Darlegungslast und begründet dies zum anderen unabhängig davon keine hinreichenden Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil die Antragstellerin auch im gerichtlichen Verfahren nicht glaubhaft dargelegt hat, dass es ihrer religiösen Überzeugung zuwiderlaufen würde, auf dem Lichtbild in ihrem Personalausweis ohne Kopfbedeckung abgebildet zu sein.
9Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
10Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).