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Im Einbürgerungsverfahren müssen die Voraussetzungen für die Klärung der Identität so ausgestaltet sein, dass es bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit mitwirkenden Einbürgerungsbewerbern auch dann möglich bleibt, ihre Identität nachzuweisen, wenn sie sich in einer Beweisnot befinden (wie BVerwG, Urteil vom 23. September 2020 ‑ 1 C 36.19 ‑, BVerwGE 169, 269, juris, Rn. 15 ff.).
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Berufungszulassung durch die Berichterstatterin, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3, § 125 Abs. 1 VwGO).
3Der Berufungszulassungsantrag ist unbegründet.
4Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen, wenn einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt wird und vorliegt. Der Kläger stützt seinen Antrag auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sowie sinngemäß auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Keiner dieser Gründe liegt vor. Die Berufung ist weder nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (I.) noch nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen des gerügten Verfahrensmangels unterlassener Sachverhaltsaufklärung (II.) zuzulassen. Soweit sich dem Vorbringen sinngemäß auch die Rüge ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entnehmen lässt, führt diese ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung (III.).
5I. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
6Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen bedarf es neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- oder Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
7Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. April 2020 ‑ 1 BvR 2705/16 -, NVwZ-RR 2020, 905, juris, Rn. 23, und Beschluss vom 18. Juni 2019 - 1 BvR 587/17 -, BVerfGE 151, 173, juris, Rn. 33, jeweils m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 28. März 2022 ‑ 1 B 9.22 ‑, juris, Rn. 21 ff. (zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); OVG NRW, Beschlüsse vom 17. August 2022 ‑ 19 A 1090/22.A ‑, juris, Rn. 6, vom 14. Juni 2022 ‑ 19 A 657/22.A ‑, AuAS 2022, 150, juris, Rn. 3, und vom 23. März 2022 ‑ 19 A 1035/21 -, juris, Rn. 19, jeweils m. w. N.
8Die als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
9„ob, nachdem vom Kläger vorgelegt wurden
101. eine somalische Geburtsurkunde
112. ein somalischer Ausweis und
123. eine Scheidungsurkunde aus Somalia vom Amtsgericht Mogadishu, dass der Kläger dieses Verfahrens ordnungsgemäß und rechtmäßig am 31.12.2012 geschieden wurde und im übrigen am 22.02.1973 in Mogadishu geboren ist
134. die Bestätigung der somalischen Botschaft vom 04.11.2021, dass man binnen 70-75 Tagen einen Pass ausstellen wird,
14ob obige somalische Dokumente, ausreichend sind um die Identität des Einbürgerungsbewerbers nachzuweisen“,
15ist einzelfallbezogen und in dieser Fassung keiner grundsätzlichen, über den Einzelfall hinausgehenden Klärung zugänglich. Sie knüpft mit der Aufzählung der vom Kläger eingereichten Dokumente und der Frage, ob diese Dokumente ausreichend zum Identitätsnachweis seien, an die individuellen Gegebenheiten im Fall des Klägers an. Damit lässt sie sich nicht in alleingemeingültiger und für eine unbestimmte Vielzahl von Verfahren relevanter Weise beantworten. Das weitere Zulassungsvorbringen ist ebenfalls auf den konkreten Einzelfall des Klägers bezogen ‑ er macht u. a. Ausführungen zur Echtheit der vorgelegten Dokumente und dazu, wie er an diese gelangt ist ‑ und enthält keine substantiierten Darlegungen zu einer fallübergreifenden Grundsatzfrage und deren Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit.
16Grundsätzlich klärungsbedürftig ist auch nicht die vom Kläger benannte Frage,
17„wieso angesichts der Argumentation des Verwaltungsgerichts ein somalischer Staatsangehöriger überhaupt noch seine Identität bestätigen lassen bzw. seine Identität nachweisen kann“.
18Denn diese Frage ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in allgemeiner, herkunftslandübergreifender Form in bejahendem Sinn geklärt. Danach müssen die Voraussetzungen für die Klärung der Identität so ausgestaltet sein, dass es bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit mitwirkenden Einbürgerungsbewerbern auch dann möglich bleibt, ihre Identität nachzuweisen, wenn sie sich in einer Beweisnot befinden, etwa weil deren Herkunftsländer nicht über ein funktionierendes Personenstandswesen verfügen oder ihre Mitwirkung aus Gründen versagen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder weil diese als schutzberechtigte Flüchtlinge besorgen müssen, dass eine auch nur gleichsam technische Kontaktaufnahme mit Behörden des Herkunftslandes Repressalien für Dritte zur Folge hätte. Ist dem Einbürgerungsbewerber aus diesen Gründen ein Identitätsnachweis durch amtliche Identitätsdokumente (Stufe 1) objektiv unmöglich oder subjektiv unzumutbar, kann er sich anderer Beweismittel bedienen (Stufen 2 und 3) und kann seine Identität ausnahmsweise auch allein auf der Grundlage seines Vorbringens als nachgewiesen anzusehen sein (Stufe 4), sofern die auf den verschiedenen Stufen zu berücksichtigenden Beweismittel jeweils in sich stimmig sind und seine Angaben zur Person auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls und auch bei einer Gesamtbetrachtung jeweils im Einklang mit seinem übrigen Vorbringen stehen.
19BVerwG, Urteil vom 23. September 2020 ‑ 1 C 36.19 ‑, BVerwGE 169, 269, juris, Rn. 15 ff.
20Diese Grundsätze aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung gelten, ohne dass dies grundsätzlicher Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf, auch für somalische Einbürgerungsbewerber. Auch das Verwaltungsgericht hat sie seiner Prüfung ausdrücklich zugrunde gelegt (S. 8 ff. des Urteils). Soweit der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen auch eine unzutreffende Anwendung der Grundsätze in seinem Einzelfall geltend machen will, ist dies für eine Grundsatzrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO unerheblich.
21Für einen weiteren, über die in der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Grundsätze hinausgehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf lässt sich auch dem sonstigen Zulassungsvorbringen nichts hinreichend Konkretes entnehmen.
22II. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen.
23Der Kläger rügt ohne Erfolg, das Verwaltungsgericht sei seiner Amtsermittlungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nicht nachgekommen. Es habe sich im Wege der Amtsermittlung mit „der Botschaft in Mogadischu“ in Verbindung setzen und nachfragen müssen, wieso die Botschaft (gemeint wohl: Botschaft der Bundesrepublik Somalia in Berlin) habe feststellen können, dass es sich um ihn, den Kläger, handele und eine „entsprechende Urkunde“ (gemeint wohl die Geburtsurkunde vom 19. Juni 2019) ausstellen können.
24Der Kläger legt in der Zulassungsbegründung nicht dar, dass er bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch die förmliche Stellung von Beweisanträgen auf die Vornahme einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht diese Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen.
25Ungeachtet dessen finden in einem Einbürgerungsverfahren die Amtsermittlungspflichten des Gerichts aus § 86 Abs. 1 VwGO ihre Grenze in den Mitwirkungspflichten des Einbürgerungsbewerbers gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 StAG i. V. m. § 82 Abs. 1 AufenthG.
26BVerwG, Urteil vom 23. September 2020, a. a. O., Rn. 21.
27Nach diesem Maßstab durfte das Verwaltungsgericht hier von weiteren Ermittlungen zum Beweiswert der genannten Geburtsurkunde und des für ihre Ausstellung vorgelegten somalischen Personalausweises Nr. 000000, angeblich ausgestellt am 3. Januar 1991, absehen. Der Kläger hat, wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend näher ausgeführt hat (S. 14 f. des Urteils), zuletzt noch in der mündlichen Verhandlung widersprüchliche und nach bisheriger Aktenlage unzutreffende Angaben zu der Frage gemacht, wie er in den Besitz dieses Ausweises gelangt ist. Angesichts dessen bestand für das Verwaltungsgericht kein Anlass für eine weitere Sachverhaltsaufklärung, zumal der Kläger bereits in den Jahren 2006 und 2010 eingestandenermaßen gefälschte Identitätsdokumente verwendet hatte.
28III. Die Berufung ist schließlich nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Der Kläger, der sich nicht ausdrücklich auf diesen Zulassungsgrund beruft, legt mit der Zulassungsbegründung ‑ auch sinngemäß ‑ keine die (Ergebnis-)Richtigkeit des Urteils in Zweifel ziehenden Gründe dar.
29Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird.
30Vgl. statt vieler BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 7. Juli 2021 ‑ 1 BvR 2356/19 -, NVwZ-RR 2021, 961, juris, Rn. 23, vom 16. April 2020 ‑ 1 BvR 2705/16 ‑, NVwZ-RR 2020, 905, juris, Rn. 21, und Beschluss vom 18. Juni 2019 ‑ 1 BvR 587/17 -, BVerfGE 151, 173, juris, Rn. 28 ff.; VerfGH NRW, Beschlüsse vom 13. Oktober 2020 ‑ VerfGH 82/20.VB-2 ‑, juris, Rn. 19, und vom 17. Dezember 2019 ‑ VerfGH 56/19.VB-3 -, NVwZ-RR 2020, 377, juris, Rn. 17 ff., jeweils m. w. N.
31Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung habe, weil seine Identität ‑ sowohl mit Blick auf § 10 StAG als auch mit Blick auf § 8 StAG ‑ nicht hinreichend geklärt sei. Der Nachweis seiner Identität sei ihm gemessen an den Grundsätzen der vorzunehmenden mehrstufigen Prüfung ‑ trotz Vorlage eines somalischen Personalausweises (Nr. 000000), einer Bestätigung der Authentizität der Stempel und Unterschriften auf dem Personalausweis Nr. 000000 der Botschaft der Bundesrepublik Somalia in Berlin (vom 19. Juni 2019), einer Geburtsurkunde der Botschaft der Bundesrepublik Somalia in Berlin (vom 19. Juni 2019) und einer somalischen Scheidungsurkunde ‑ nicht gelungen. Wegen des fehlenden Registerwesens und desolaten Urkundenwesens in Somalia seien somalische Dokumente in der Regel nur geeignet, Anhaltspunkte zur Identität des jeweiligen Antragstellers und Indizien für die Klärung des Sachverhalts zu geben; es sei im Einzelfall zu entscheiden, ob die Identität auf der Grundlage der persönlichen Angaben und der gegebenenfalls vorgelegten Dokumente als geklärt angesehen werden könne. Das sei beim Kläger angesichts der diversen Identitäten, mit denen er in der Vergangenheit in Europa aufgetreten sei, nicht der Fall. Die danach bestehenden ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der im Einbürgerungsverfahren angegebenen Personalien könnten durch die vorgelegten somalischen Dokumente mangels Eignung zum Identitätsnachweis nicht ausgeräumt werden. Denn die Kammer sei von der Echtheit der Dokumente nicht überzeugt (Personalausweis, Scheidungsurkunde); teilweise komme ihnen auch kein eigenständiger Beweiswert zu (Geburtsurkunde). Unter Berücksichtigung der wiederholten Verwendung unterschiedlicher Identitäten und unechter Dokumente vermöge allein das vor den deutschen Behörden seit 2006 konstant gebliebene Vorbringen des Klägers zu seinen Personalien die Zweifel nicht auszuräumen. Er trage als Einbürgerungsbewerber die diesbezügliche Feststellungslast.
32Mit seinem Zulassungsvorbringen stellt der Kläger die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass seine Identität nicht hinreichend geklärt sei, nicht schlüssig in Frage. Der Kläger macht geltend, es sei zwar zutreffend, dass er gefälschte Dokumente vorgelegt habe, die Falschangaben seien aber seiner Lebensgeschichte mit Aufenthalten in Griechenland und Deutschland und wieder in Griechenland geschuldet, was zu unterschiedlichen Namen geführt habe. Außerdem habe er sich über seine Tante und Nachbarn Originaldokumente zuschicken lassen. Bei dem vom Verwaltungsgericht beanstandeten Scheidungsurteil liege allenfalls ein Übersetzungsfehler vor. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach Unterlagen, wie Geburtsurkunde, Scheidungsurkunde, Personalausweis und ein ggf. noch auszustellender Pass nicht ausreichend seien, führe dazu, dass ein somalischer Staatsbürger seine Identität gar nicht nachweisen könne. Das verstoße gegen den sog. ordre public.
33Damit dringt der Kläger nicht durch. Entgegen seinem Einwand ist ein Identitätsnachweis für somalische Staatsangehörige möglich, auch wenn dies etwa wegen eines fehlenden Registerwesens und desolaten Urkundenwesens, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, erheblich erschwert ist und es die vorgelegten Unterlagen nicht als ausreichend angesehen hat. Schwierigkeiten bei der Identitätsklärung, insbesondere wenn sich der Einbürgerungsbewerber in einer (unverschuldeten) Beweisnot befindet, tragen die vorstehend unter I. wiedergegebenen Grundsätze aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung Rechnung.
34BVerwG, Urteil vom 23. September 2020, a. a. O., Rn. 16, 19 ff.
35Dies verkennt der Kläger mit seinem pauschalen Hinweis auf einen Verstoß „gegen den sog. ordre public“.
36Diese oben dargestellten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung auch ausdrücklich zugrunde gelegt und die vom Kläger vorgelegten Dokumente und Angaben zu seiner Identität gewürdigt. Soweit sich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht abschließend entnehmen lässt, auf welcher Stufe im Sinn der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung es diese Würdigung vornimmt, trägt der Kläger nichts vor, was auf eine (Ergebnis-)Unrichtigkeit der Entscheidung führt. Es bedarf daher keiner weiteren Vertiefung, inwieweit Dokumenten aus Somalia generell ein hinreichender Beweiswert abgesprochen werden kann, sie also ‑ wie das Verwaltungsgericht annimmt ‑ allenfalls Anhaltspunkte oder Indizien hinsichtlich der Identität geben können, und ob dies dazu führt, dass ein Identitätsnachweis im Sinn der ersten Stufe für somalische Staatsangehörige objektiv unmöglich ist. Das könnte etwa auch deswegen in Frage stehen, weil nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 31. Januar 2018 Personenstandsregister jedenfalls in Mogadischu und anderen Städten wieder im Aufbau sind und Identitätsfeststellungen grundsätzlich über die Botschaft der Bundesrepublik Somalia in einem feststehenden Verfahren (Physiognomie, Sprache, Regionale Abstammung, Clanzugehörigkeit) vorgenommen werden, so dass Identitätsdokumente möglicherweise nicht (mehr) generell allein auf ungeprüften eigenen Angaben des Antragstellers beruhen. Existiert ein in dieser Weise erstelltes aktuelles Identitätspapier mit hinreichender Identitätsprüfung oder ist es dem Antragsteller objektiv möglich und auch subjektiv zumutbar, ein solches zu erlangen, scheidet ein Übergang auf die nachfolgenden Stufen aus.
37BVerwG, Urteil vom 23. September 2020, a. a. O., Rn. 21; VG Bremen, Urteil vom 24. Januar 2022 ‑ 4 K 461/20 ‑, juris, Rn. 33.
38Hieraus kann der Kläger indessen für sich nichts herleiten, was zum Erfolg seines Zulassungsantrags führt. Soweit er auf die von ihm überreichten Unterlagen, wie Geburtsurkunde, Scheidungsurkunde, Personalausweis verweist, folgt dies schon daraus, dass er ‑ ungeachtet der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen somalische Dokumente zum Nachweis der Identität im Einzelfall beitragen können ‑ die Zweifel des Verwaltungsgerichts an der Echtheit der Dokumente nicht schlüssig in Frage stellt. Er macht insoweit lediglich geltend, er habe sich den Original-Personalausweis im Jahr 2008 über eine Tante und einen Nachbarn nach Griechenland zuschicken lassen. Diesem nicht weiter substantiierten Vorbringen lässt sich kein konkreter Anhalt für die Echtheit des Personalausweises entnehmen. Hinzu kommt, dass diese, auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgestellte Behauptung unglaubhaft ist; sie steht im Widerspruch zu früheren Angaben des Klägers, u. a. im Mai 2006 beim Bundesamt, wonach er gar keine Dokumente habe; Pass und Geburtsurkunde seien in Somalia im Krieg verloren gegangen.
39Entsprechendes gilt mit Blick auf die Scheidungsurkunde, die das Verwaltungsgericht ebenfalls wegen Zweifeln an deren Echtheit (der Stempel sei offensichtlich gefälscht) als ungeeignet zum Identitätsnachweis angesehen hat. Das Vorbringen des Klägers, dass ein Ministerium für „Justice und Religious Affairs“ tatsächlich existiere, erklärt nicht die vom Verwaltungsgericht zum Beleg der Fälschung herangezogenen Schreibfehler („Religion Affairs“) des Stempelaufdrucks.
40Der Kläger wendet ferner ohne Erfolg ein, die Falschangaben sowie die Verwendung gefälschter Dokumente seien Folge seiner „Lebensgeschichte über Griechenland, Deutschland und wieder Griechenland“, was dazu geführt habe, dass „man dort weitere Namen angenommen hatte“. Damit zieht der Kläger die erstinstanzliche Würdigung, vor dem Hintergrund der diversen Identitäten, mit denen er in der Vergangenheit in Europa aufgetreten sei, bestünden Zweifel hinsichtlich der im Einbürgerungsverfahren angegebenen Personalien, nicht durchgreifend in Zweifel. Der nicht näher substantiierte Verweis auf seine Lebensgeschichte lässt nicht erkennen, weshalb das Verwaltungsgericht ‑ nach mehrfacher Verwendung anderer Identitäten und gefälschter Dokumente ‑ gerade die Personalien, die der Kläger im Einbürgerungsverfahren angegeben hat, als zutreffend sowie die dazu vorgelegten Dokumente als echt und beweiskräftig und als hinreichenden Identitätsnachweis hätte ansehen müssen. Insbesondere fehlt es nach wie vor an einer ausdrücklichen und glaubhaften Distanzierung von früheren gefälschten Dokumenten durch eine substantiierte und glaubhafte Erläuterung der hinter deren Beschaffung und Verwendung stehenden Umstände. Im Gegenteil hat der Kläger auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hinsichtlich des vorgelegten Personalausweises Aussagen getroffen, die im Widerspruch zu seinen früheren stehen, und hat diese auch nicht nachvollziehbar aufgelöst.
41Die vom Kläger nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit Schriftsatz vom 26. Januar 2022 eingereichten Ablichtungen des somalischen Passes (Ausstellungsdatum 4. November 2021) sowie des somalischen Inlandsausweises (Ausstellungsdatum 4. November 2021) führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung.
42Ob die Berufung nach der Sach- und Rechtslage im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt zuzulassen ist, hat das Oberverwaltungsgericht grundsätzlich nur im Rahmen der rechtzeitig (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dargelegten Gründe zu beurteilen. Ist erst nach Ablauf der hierfür geltenden Frist eine Rechtsänderung oder eine Änderung der Sachlage eingetreten, kann der Antragsteller nicht mit Blick auf diese außerhalb der Darlegungsfrist erstmals neue Zulassungsgründe geltend machen.
43BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2003 ‑ 7 AV 2.03 ‑, juris, Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 28. August 2009 ‑ 7 A 1308/08 ‑, juris, Rn. 6, Beschlüsse Beschluss vom 13. Januar 2020 ‑ 19 A 3023/19 ‑, juris, Rn. 5 m. w. N., vom 15. Januar 2018 ‑ 2 A 2747/15 ‑, juris, Rn. 7, vom 17. Oktober 2011 ‑ 1 A 1731/08 ‑, juris, Rn. 14, und vom 12. Januar 1998 ‑ 10 A 4078/97 ‑, juris, Rn. 11.
44Die Berufung auf eine Änderung der Rechts- und Sachlage nach Ablauf der Darlegungsfrist ist indessen zulässig, soweit sich der entsprechende Vortrag als ergänzendes Vorbringen zu einem fristgerecht substantiiert dargelegten Einwand darstellt.
45OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2018 ‑ 2 A 2747/15 ‑, juris, Rn. 9; vgl. allgemein zur Zulässigkeit der Vertiefung, Klarstellung oder Erläuterung einer fristgerecht eingegangenen Antragsbegründung OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Februar 2021 ‑ 19 A 1417/20.A ‑, juris, Rn. 6, vom 13. Januar 2020 ‑ 19 A 3023/19 ‑, juris, Rn. 5 m. w. N.
46Werden im Zulassungsverfahren in diesem Sinn grundsätzlich berücksichtigungsfähige neue Tatsachen vorgetragen, bedarf es einer Substantiierung und Glaubhaftmachung des neuen Tatsachenvorbringens, um dem Oberverwaltungsgericht die summarische Beurteilung zu ermöglichen, ob die Berufung voraussichtlich Erfolg haben wird.
47OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2019 ‑ 9 A 2287/18 ‑, juris, Rn. 38 ff.; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124, Rn. 119, und § 124a, Rn. 208.
48Diese Obliegenheit, den erstmals im Zulassungsverfahren vorgetragenen neuen Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren zu substantiieren und glaubhaft zu machen, folgt daraus, dass der Rechtsmittelführer die geltend gemachten Zulassungsgründe darzulegen hat.
49OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2019 ‑ 9 A 2287/18 ‑, juris, Rn. 40.
50Diesen vorstehend aufgezeigten Anforderungen genügen die nach Ablauf der Begründungsfrist vorgetragenen Umstände nicht. Der Kläger hat die genannten Dokumente (somalischer Pass und somalischer Inlandsausweis) lediglich mit dem Hinweis übersandt, er habe diese von der somalischen Botschaft in Berlin mit Datum vom 19. Januar 2022 erhalten, und dazu einen entsprechenden Briefumschlag beigefügt; das auf dem Dokument zu lesende Datum "04-11-2021" sei der Tag der Beauftragung der Botschaft zwecks Ausstellung des Passes. Diesem nicht weiter substantiierten Vorbringen lässt sich nichts Näheres dazu entnehmen, weshalb den nunmehr vorgelegten Dokumenten ein höherer Beweiswert zukommen soll als den Dokumenten, die bereits Gegenstand der erstinstanzlichen Würdigung waren. Der Kläger legt nichts Näheres dazu dar, unter welchen konkreten Umständen er die nunmehr eingereichten Ausweise erhalten hat, insbesondere auf der Grundlage welcher Angaben die Ausweise erstellt worden sind, und ob diese Angaben ‑ etwa wenn sie vom Kläger herrühren ‑ in irgendeiner Weise seitens des somalischen Außenministeriums, der somalischen Botschaft in Berlin oder durch sonstige (behördliche) Stellen einer näheren Überprüfung unterzogen worden sind.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
52Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Die Bedeutung der Einbürgerung für den Kläger, auf die es nach diesen Vorschriften für die Streitwertfestsetzung ankommt, bemisst der Senat in ständiger Praxis in Anlehnung an Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs 2013 (NWVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage, S. 11) mit dem doppelten Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG.
53Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).