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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. November 2020 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Juni 2017 verpflichtet, dem Kläger Zugang zu der Richtlinie zur Anonymisierung von Urteilen und sonstigen Entscheidungen von Gerichten des Landes Nordrhein-Westfalen, Stand 19. Mai 2021, zu gewähren.
Der Kläger trägt zu 1/10, der Beklagte zu 9/10 die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.
Der Beklagte trägt die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um den Zugang zu der Richtlinie zur Anonymisierung von Urteilen und sonstigen Entscheidungen von Gerichten des Landes Nordrhein-Westfalen.
3Mit E-Mail vom 8. Juni 2017 bat der Kläger das beklagte Land auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes NRW um Zugang zu den Informationen, welche die von den Gerichtsverwaltungen durchzuführende Anonymisierung von veröffentlichungswürdigen Entscheidungen betreffen.
4Mit Bescheid vom 26. Juni 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Auskunftsbegehren nur teilweise entsprochen werden könne. Sein Auskunftsersuchen umfasse die Rundverfügung des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalens „Übermittlung von Entscheidungsabschriften an Dritte und Veröffentlichung in Datenbanken“ vom 30. Oktober 2002 in der Fassung vom 3. März 2004 sowie die „Richtlinie zur Anonymisierung von Urteilen und sonstigen Entscheidungen von Gerichten des Landes Nordrhein-Westfalen, Stand 24. April 2002“. Ihm werde auf seinen Antrag ein Abdruck der Rundverfügung in teilweise geschwärzter Fassung übersandt. Im Hinblick auf eine weitergehende Bekanntgabe der Rundverfügung und die Übermittlung der Richtlinie, die inhaltlich mit den geschwärzten Textstellen der Rundverfügung identisch sei, werde der Antrag hingegen abgelehnt. Insoweit stehe der Informationsgewährung der Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW entgegen. Denn im Falle der Informationsgewährung bestünde eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form der Funktionsfähigkeit staatlicher Stellen. Würden die Vorgaben zur Anonymisierung der zur Veröffentlichung vorgesehenen gerichtlichen Entscheidungen bekannt, begründete dies die Möglichkeit, dass die anonymisierten Passagen durch den Leser „entschlüsselt“ werden könnten. Das etablierte Anonymisierungssystem könnte dann nicht mehr angewandt werden. Damit könnte die Justizverwaltung ihrer Aufgabe, Gerichtsentscheidungen unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben zugänglich zu machen, nicht mehr nachkommen.
5Gegen diesen, ihm am 28. Juni 2017 zugegangenen Bescheid hat der Kläger am 27. Juli 2017 Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass ihm ein Anspruch auf den begehrten Informationszugang gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW zustehe. Der ablehnende Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, weil es diesem an der erforderlichen Begründungstiefe für die teilweise Antragsablehnung fehle. Insoweit sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW lägen nicht vor. Bei Gewährung des beantragten Informationszugangs sei keine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Gerichtsverwaltungen zu befürchten. Worin diese liegen solle, führe der Beklagte nicht konkreter aus. Die bloße Kenntnis, ob sich an einer Stelle in einer Gerichtsentscheidung etwa ein Name oder eine Adresse befinde, versetze den Leser noch nicht in die Lage, eine anonymisierte Entscheidung „entschlüsseln“ zu können. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit selbst bei Kenntnis des zur Anonymisierung gewählten Verfahrens - etwa die Vergabe von Kürzeln oder die Reduktion auf den Anfangsbuchstaben bzw. einen um eine bestimmte Anzahl an Stellen im Alphabet verschobenen Buchstaben - auf den eigentlichen Namen bzw. die eigentliche Bezeichnung geschlossen werden könne. Zudem könne das Verfahren zur Anonymisierung unter Umständen auch mathematisch aufgrund anderer verfügbarer öffentlicher Daten eingegrenzt und ermittelt werden, wenn dasselbe Verfahren für sehr viele Entscheidungen angewandt werde. Angesichts der besonderen Bedeutung der Veröffentlichung von Entscheidungen müsse die Öffentlichkeit auch die Maßstäbe kennen, nach denen diese geschwärzt würden. Schließlich müsse die Abwägung zwischen der Veröffentlichungspflicht der Gerichte und dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen stets im Einzelfall erfolgen, so dass es keine allgemeingültigen und auf jede denkbare Entscheidung anwendbaren Regelungen geben könne.
6Ursprünglich hat der Kläger beantragt, das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, ihm Informationszugang zu der Richtlinie mit Stand 24. April 2002 zu gewähren bzw. hilfsweise seinen Auskunftsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Nachdem die Vertreterin des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärt hatte, die streitgegenständliche Richtlinie habe den aktuellen Stand 5. November 2018, hat der Kläger beantragt,
7das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2017 zu verpflichten, ihm Informationszugang zu der „Richtlinie zur Anonymisierung von Urteilen und sonstigen Entscheidungen von Gerichten des Landes Nordrhein-Westfalen, Stand 5. November 2018“ zu gewähren,
8hilfsweise das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2017 zu verpflichten, seinen Antrag auf Informationszugang zu der „Richtlinie zur Anonymisierung von Urteilen und sonstigen Entscheidungen von Gerichten des Landes Nordrhein-Westfalen, Stand 5. November 2018“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
9Das beklagte Land hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Es hat vorgetragen, dass der angegriffene Bescheid formell rechtmäßig sei, weil dessen Begründung den Vorgaben des § 5 Abs. 2 Satz 3 IFG NRW entspreche. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die beantragte Informationsgewährung sei hinsichtlich des Zugangs zu der Richtlinie zu Recht auf der Grundlage von § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW abgelehnt worden. Die Richtlinie diene dazu, den mit der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Leitlinien für die in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen der im öffentlichen Interesse bestehenden Veröffentlichungspflicht der Gerichte einerseits und dem Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten andererseits an die Hand zu geben. Die Richtlinie enthalte konkrete Vorgaben dazu, welche einzelnen Daten in welcher Weise zu neutralisieren seien. Würden diese Vorgaben bekannt, bestünde die bereits im Bescheid beschriebene Möglichkeit, dass die neutralisierten Entscheidungen durch den Leser entschlüsselt würden. Aufgrund der Bedeutung der Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen für das Rechtsleben müsse jedoch jeder Anschein einer unzureichenden Neutralisierung verhindert werden. Der angestrebte Zweck des Schutzes personenbezogener Daten erfordere es, die Neutralisierungspraxis insgesamt, das heißt sowohl mit Blick auf den Gegenstand wie auch die Methode der Neutralisierung, nicht zu offenbaren. Denn auch die Information, welche Daten überhaupt einer Neutralisierung unterlägen, könne den - mittelbaren - Rückschluss auf die Umstände des Falles und letztlich die Beteiligten erleichtern, so dass die Neutralisierung jedenfalls in ihrer Effektivität beeinträchtigt würde. Es komme auch nicht darauf an, ob ein bestimmter Verschlüsselungsmechanismus unter Umständen bereits bekannt geworden sei oder anderweitig ermittelt werden könne. Denn es gehe nicht nur um die Frage, ob der aktuelle Verschlüsselungsmechanismus schützenswert sei, sondern ob ein Verschlüsselungsmechanismus, der datenschutzrechtlichen Zwecken diene, generell schützenswert sei. Die Veröffentlichung der Neutralisierungspraxis beträfe schließlich auch bereits veröffentlichte Entscheidungen und würde die Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltungen gefährden bzw. bei entsprechender Entschlüsselung vereiteln.
12Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. November 2020 dem Hauptantrag des Klägers insoweit stattgegeben, als die Richtlinie Regelungen dazu trifft, welche Daten in gerichtlichen Entscheidungen zu anonymisieren sind, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei der Umstellung der Klage auf die Richtlinie mit dem Stand 5. November 2018 um eine bloße Klarstellung des Klagebegehrens und keine Klageänderung handele. Die Begründung des Bescheides entspreche den Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 3 IFG NRW. Nur im Umfang der Abweisung der Klage greife jedoch der Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW ein. Nach Auskunft des Beklagten enthalte die Richtlinie Angaben dazu, welche Daten in zu veröffentlichenden gerichtlichen Entscheidungen überhaupt einer Neutralisierung unterlägen, und dazu, auf welche Art und Weise die Neutralisierung erfolge. Allein aus der Kenntnis darüber, welche Daten zu anonymisieren seien, ließen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die Identität der Verfahrensbeteiligten ziehen. Vielmehr verstehe es sich mit Blick auf die meisten personenbezogenen Daten, etwa den Namen, bereits von selbst, dass diese in veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen anonymisiert würden. Im Übrigen werde in der Regel bereits allein aus dem inhaltlichen Zusammenhang einer gerichtlichen Entscheidung der Rückschluss möglich sein, welches personenbezogene Datum sich an der jeweiligen Stelle befunden hätte, etwa der Beruf oder der Familienstand. Hinsichtlich des „Wie“ der Anonymisierung sei demgegenüber der Vortrag des Beklagten nachvollziehbar, dass bei Kenntnis von den Anonymisierungsmethoden die Identifizierung der Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens jedenfalls leichter möglich sei. So könnte etwa der Rückschluss auf den Anfangsbuchstaben der Namen der Beteiligten eröffnet sein. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass heutzutage umfangreiche Recherchemöglichkeiten im Internet und in Datenbanken beständen, die es ermöglichten, auch allein anhand von Einzelinformationen Zusammenhänge zu ermitteln. Bei Weitergabe der Richtlinie bestände für die Gerichtsverwaltungen ein erheblicher Mehraufwand, weil sie dann für künftig zu veröffentlichende Urteile und Beschlüsse von deren Anwendung absehen und selbst entscheiden müssten, wie sie das Veröffentlichungsgebot bezüglich gerichtlicher Entscheidungen mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte in Einklang bringen könnten. Für bereits veröffentlichte Entscheidungen ergäbe sich zudem das Problem, dass nachträglich Rückschlüsse auf die Verfahrensbeteiligten gezogen werden könnten.
13Der Kläger hat die durch den Senat mit Beschluss vom 1. Juli 2022 zugelassene Berufung wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seinem Anspruch auf Informationszugang auch insoweit, als in der Richtlinie Regelungen dazu getroffen würden, wie die Anonymisierung zu erfolgen habe, nicht der Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW entgegen. Der konkrete Inhalt der Richtlinie sei dem Verwaltungsgericht nicht bekannt gewesen. Dennoch habe es eine Erleichterung der Identifikation bei Kenntnis der Anonymisierungsweise angenommen und damit seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Enthalte die Richtlinie Bestimmungen, dass identifizierende Angaben etwa durch fortlaufende Platzhalter (Orte, Personen etc. zu X1, X2, X3 …) zu ersetzen seien, würde die Kenntnis dieser Methode die Entschlüsselung von Verfahrensbeteiligten weder erleichtern noch erschweren. Es seien aber auch ansonsten keine negativen Folgen hinsichtlich des Prozesses der Entscheidungsveröffentlichung zu befürchten, weil sich die Gerichtsverwaltungen für die Anonymisierung ohnehin nicht allein und mechanisch auf die Richtlinie stützten könnten, sondern stets die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigen müssten. Der Beklagte habe sich offenkundig ein in Teilen schlechtes Modell der Anonymisierung überlegt und wolle verhindern, dass dieser Umstand öffentlich werde. Dies sei aber kein schützenswertes Interesse, das den Informationszugang einschränken könne.
14Der Kläger hat vormals zunächst den in der ersten Instanz gestellten Antrag weiterverfolgt. Nachdem der Senat in einem Vergleichsvorschlagsbeschluss vom 30. September 2022 den Vorschlag gemacht hatte, dem Kläger die neuerlich geänderte Richtlinie mit Stand 19. Mai 2021 zugänglich zu machen, was von dem Beklagten abgelehnt wurde, hat er seinen Antrag hierauf umgestellt. Darin sei auch keine Klageänderung zu sehen, weil Streitgegenstand stets die aktuelle Richtlinie zur Entscheidungsanonymisierung gewesen sei. Die Richtlinie sei im Laufe des Verfahrens geändert worden, so dass eine privilegierte Klageumstellung i. S. d. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO vorliege. Insoweit bedürfe es von seiner Seite auch keines neuen Antrags, da ansonsten weiten Teilen des § 264 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Anwendungsbereich fehle. Mit dieser Regelung solle eine prozessökonomische und endgültige Erledigung des Streitstoffes zwischen den Beteiligten erreicht werden. Vorliegend wäre sonst wegen der Änderungshäufigkeit der streitgegenständlichen Richtlinie eine prozessökonomische gerichtliche Klärung mit Blick auf die aktuelle Fassung auch gar nicht denkbar. Bereits in erster Instanz sei der Klageantrag an den Stand der begehrten Richtlinie angepasst worden, ohne dass sich das beklagte Land hiergegen gewandt habe.
15Der Kläger beantragt nunmehr schriftsätzlich,
16das beklagte Land unter Abänderung des am 23. Oktober 2020 verkündeten und am 9. Dezember 2020 zugestellten Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf - Az. 29 K 13336/17 - zu verpflichten, ihm Informationszugang zu der „Richtlinie zur Anonymisierung von Urteilen und sonstigen Entscheidungen von Gerichten des Landes Nordrhein-Westfalen, Stand 19. Mai 2021“ zu gewähren.
17Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Zur Begründung verweist der Beklagte zunächst auf sein Vorbringen im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens. Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass die Anonymisierungsregelungen einer ständigen Überarbeitung unterzogen würden. Eine Veröffentlichung könne in Zukunft dazu führen, dass Weiterentwicklungen des Schutzkonzepts nicht mehr ohne weiteres möglich seien. Ebenfalls werde der in der neuerlichen Umstellung der Klage liegenden Klageänderung widersprochen. Insbesondere sei die Norm des § 264 Nr. 3 ZPO nicht anwendbar, weil es sich bei der Neufassung der Richtlinie um kein durch die Vorschrift allein erfasstes Surrogat, sondern ein Aliud handele. Ein Zugang zur vormaligen Version der Richtlinie könne unproblematisch weiterhin gewährt werden. Die unterschiedlichen Versionen ersetzten sich nicht, sondern ständen nebeneinander und regelten unterschiedliche Fälle. Im Übrigen sei der neue Klageantrag auch deswegen unzulässig, weil der Kläger nie einen Antrag gegenüber der Verwaltung auf Zugang zu der Fassung der Richtlinie von Mai 2021 gestellt habe. Dem neuen Klageantrag fehle daher auch das Rechtsschutzbedürfnis.
20Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 24. November 2022 und 8. Januar 2023 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter sowie ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des beklagten Landes Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 87a Abs. 2, 3 und § 101 Abs. 2 VwGO).
24Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Sie entspricht den formellen Anforderungen des § 124a Abs. 6 VwGO und ist damit zulässig. Sie ist auch begründet, weil die zugrundeliegende Klage in ihrer aktuellen Form zulässig (dazu 1.) und begründet (näher 2.) ist.
251. Die Klage ist mit dem im Schriftsatz vom 3. November 2022 neu formulierten Antrag des Klägers auf Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Richtlinie mit Stand 19. Mai 2021 zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO vorliegen. Selbst wenn es sich um keine privilegierte Klageumstellung, sondern eine Klageänderung nach § 91 VwGO handeln würde, wäre diese nach dessen Absatz 1 Alt. 2 nämlich jedenfalls sachdienlich. Sachdienlich ist eine Klageänderung, wenn sie aus prozessökonomischen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 - 4 C 13/04 -, juris Rn. 22 m. w. N.
27Das ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat bereits mit seinem Vorgehen im erstinstanzlichen Klageverfahren, in welchem er nach Mitteilung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass eine neuere Fassung der Richtlinie existiere, seinen Antrag entsprechend umgestellt hat, deutlich gemacht, dass es ihm mit seinem Begehren um die jeweils aktuellste Fassung der Richtlinie geht. Die Einbeziehung der Version der Richtlinie mit Stand 19. Mai 2021 in den vorliegenden Prozess dient danach der endgültigen Streitbeilegung, indem sie einen neuerlichen Rechtsstreit verhindert, bei dem sich die bereits für die Fassung der Richtlinie mit Stand vom 24. April 2002 und 5. November 2018 aufgeworfene Frage, nämlich inwiefern dem Informationszugang die Vorschrift des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW entgegengehalten werden kann, erneut stellen würde. Insofern bleibt auch der Streitstoff im Wesentlichen derselbe. Denn die Fassungen der Richtlinie vom 5. November 2018 und vom 19. Mai 2021 weisen hinsichtlich der zwischen den Beteiligten strittigen Vorgaben bezüglich des Gegenstandes und der Methode der Anonymisierung nur wenige relevante Unterschiede auf, was der Senat bereits in dem Vergleichsvorschlagsbeschluss vom 30. September 2022 aufgezeigt hat und worauf im Rahmen der Kostenentscheidung noch einmal zurückzukommen ist. Dies wird zudem daran deutlich, dass das beklagte Land den ursprünglich allein auf die Fassung der Richtlinie vom 24. April 2002 bezogenen Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW weder für deren Version vom 5. November 2018 noch vom 19. Mai 2021 hinsichtlich des jeweiligen Inhalts der Dokumente besonders modifiziert oder ergänzt hat.
28Dem geänderten Antrag des Klägers fehlt entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar gilt bei einem Leistungsbegehren allgemein, dass der jeweilige Kläger als einfacheren Weg vor einer gerichtlichen Klärung zunächst darauf zu verweisen ist, sein Begehren gegenüber der Verwaltung geltend zu machen, bevor er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt. Für die hier einschlägige Verpflichtungsklage folgt letzteres auch aus § 75 Satz 1 VwGO, wonach es vor Erhebung einer Untätigkeitsklage zunächst eines Antrags bzw. - bei dem Erfordernis eines Widerspruchsverfahrens nach den §§ 68 ff. VwGO - eines Widerspruchs gegen die ablehnende Behördenentscheidung bedarf, bevor gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann.
29Vgl. nur Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 75 Rn. 5 m. w. N.
30Neben dem Umstand, dass der Kläger schon mit seiner E-Mail vom 8. Juni 2017 einen generellen Antrag auf Informationszugang gestellt hat, der zeitlich nicht auf eine bestimmte Fassung von Unterlagen begrenzt war, ist vorliegend indes zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits vor der Umstellung der Klage auf die Richtlinie mit Stand 19. Mai 2021 ein Freigabe dieses konkreten Dokuments abgelehnt hat. Denn er hat auf den gerichtlichen Vergleichsvorschlag des Senats vom 30. September 2022, der sich in seiner Ziffer 1 auf die Zugänglichmachung dieser aktuellen Fassung der Richtlinie bezog und in dem der Senat ausgeführt hat, dass diesbezüglich keine Bedenken gegen eine vollständige Herausgabe bestehen dürften, mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2022 ablehnend reagiert und deutlich gemacht, dass er eine gerichtliche Entscheidung benötigt. Vor diesem Hintergrund wäre es weder sinnvoll noch mit Blick auf das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis prozessökonomisch, dem Kläger nach Scheitern des gerichtlichen Vergleichsvorschlags noch die Obliegenheit aufzuerlegen, die bereits feststehende ablehnende Entscheidung des Beklagten (auch) bezüglich der neuesten Version der Richtlinie noch einmal durch einen gesonderten Antrag auf der Verwaltungsebene einzufordern. Ein neuer Antrag gegenüber dem Beklagten wäre danach kein einfacherer Weg, um an das begehrte Dokument zu gelangen. Umgekehrt wird der Beklagte durch die Einbeziehung dieses Streitgegenstandes in das Gerichtsverfahren auch nicht um eine vorgehende Entscheidung hierzu, die er der Sache nach bereits mit Ablehnung des Vergleichsvorschlags getroffen hat, gebracht.
312. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zugang zu der (vollständigen) streitgegenständlichen Richtlinie mit Stand 19. Mai 2021, so dass die ablehnende Entscheidung des Beklagten rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO).
32Der Anspruch auf Zugang zu der Richtlinie ergibt sich aus § 4 Abs. 1 IFG NRW, ohne dass die Anwendbarkeit dieser Norm zwischen den Beteiligten streitig ist.
33Insofern liegt auch nicht der von dem Beklagten allein geltend gemachte Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 Buchst a IFG NRW vor. Danach ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Information die Landesverteidigung, die internationalen Beziehungen, die Beziehungen zum Bund oder zu einem Land oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden beeinträchtigen würde.
34Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sind neben den Rechtsgütern des Einzelnen und der Unversehrtheit der Rechtsordnung auch die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015 - 15 A 2856/12 -, juris Rn. 36, und Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 62 jeweils m. w. N.
36Hierzu gehören alle Behörden und auch Gerichte. Soweit § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden besonders erwähnt, ist diese Aufzählung nur beispielhaft. Sie hat nicht zur Folge, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit im vorliegenden Zusammenhang enger zu verstehen ist als im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. August 2015- 15 A 2856/12 -, juris Rn. 38, und Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 64.
38An eine Beeinträchtigung der Schutzgegenstände des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Im Unterschied zu § 6 Satz 1 Buchst. b IFG NRW setzt die vorgenannte Bestimmung keine erhebliche Beeinträchtigung voraus, sondern lässt eine solche einfacher Art genügen. Diese liegt dann vor, wenn nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut konkret zu erwarten sind.
39OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019- 15 A 3909/18 -, juris Rn. 16; Urteile vom 18. August 2015 - 15 A 2856/12 -, juris Rn. 44, und vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 70.
40Die Darlegungslast für das Vorliegen des Ausschlussgrundes liegt bei der informationspflichtigen Behörde. Sie muss Tatsachen vorbringen, aus denen sich nachvollziehbar eine Beeinträchtigung des Schutzguts ergeben kann.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019 - 15 A 3909/18 -, juris Rn. 23 f.; entsprechend (bzgl. § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG) auch BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 -, juris Rn. 12, und Urteil vom 3. November 2011- 7 C 3.11 -, juris Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 18. Oktober 2017 - 15 A 530/16 -, juris Rn. 50.
42Gemessen hieran ist die Beeinträchtigung eines Schutzgutes i. S. d. § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW mit Blick auf die von dem Beklagten hinsichtlich der Richtlinien für schutzwürdig erachteten Inhalte nicht ersichtlich.
43Dem Senat liegen, worauf er bereits im Rahmen seines Vergleichsvorschlages vom 30. September 2022 hingewiesen hat, sowohl die Fassung der Richtlinie mit Stand vom 5. November 2018 wie auch die derzeit aktuellen Nachfolgevorgaben mit Stand vom 19. Mai 2021 vor, weil auf beide Fassungen über das Justizintranet zugegriffen werden kann.
44Insofern ist zunächst festzustellen, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Richtlinie in beiden Fassungen nicht nur aus Angaben dazu besteht, welche Daten in zu veröffentlichenden gerichtlichen Entscheidungen überhaupt einer Neutralisierung unterliegen und auf welche Art und Weise die Neutralisierung erfolgt. Vielmehr gibt es jeweils auch noch einen allgemeinen Teil sowie - bei der Fassung mit Stand 19. Mai 2021 - einen Abschnitt zu den Grundsätzen der Anonymisierung, bezüglich derer das beklagte Land aber keine Gründe vorgetragen hat, die einem Informationszugang entgegenstehen würden.
45Auch bezüglich des Gegenstandes (das „Was“) und der Methode (das „Wie“) der Anonymisierung ist entgegen dem Vorbringen des Beklagten keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form der Funktionsfähigkeit staatlicher Stellen ersichtlich, weil dann, wenn die Vorgaben hierzu bekannt würden, wegen der Möglichkeit der Entschlüsselung anonymisierter Passagen in veröffentlichten Entscheidungen das etablierte Anonymisierungssystem nicht mehr angewandt werden könnte.
46Wie bereits das Verwaltungsgericht mit Blick auf die Vorgängerfassung der streitgegenständlichen Version der Richtlinie festgestellt hat, gilt dies zunächst hinsichtlich der Vorgaben zum „Was“ der Anonymisierung. Allein aus der Kenntnis darüber, welche Daten der Anonymisierung unterliegen, lassen sich keine Rückschlüsse auf die Identität der Verfahrensbeteiligten ziehen, so dass eine Gefährdung der Veröffentlichungstätigkeit der Gerichte insofern nicht im Raum steht. Vielmehr versteht es sich mit Blick auf die meisten personenbezogenen Daten, etwa den Namen, bereits von selbst, dass diese in veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen anonymisiert werden. Im Übrigen wird regelmäßig bereits allein aus dem inhaltlichen Zusammenhang einer gerichtlichen Entscheidung der Rückschluss möglich sein, welches personenbezogene Datum sich an der jeweiligen Stelle befunden hat.
47Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 23. November 2020 - 29 K 13336/17 -, juris Rn. 47 f.
48Ferner hat der Beklagte aber auch nicht dargelegt, dass mit Blick auf das „Wie“ der Anonymisierung Rückschlüsse auf die Identität von Verfahrensbeteiligten gezogen werden können.
49Anders VG Düsseldorf, Urteil vom 23. November 2020 - 29 K 13336/17 -, juris Rn. 49 ff.
50Die derzeitige Fassung der Richtlinie lässt hinsichtlich der Durchführung der Anonymisierung nämlich kein System erkennen, aufgrund dessen wegen bestimmter regelhafter Vorgaben - eventuell unter Zuhilfenahme weiterer Umstände - eine Entschlüsselung personenbezogener Daten möglich wäre. Zwar werden dort Vorgaben gemacht, die sich auf die Art des Platzhalters für bestimmte Anonymisierungsgegenstände beziehen. Eine Identifizierung des jeweils betroffenen Anonymisierungsgegenstandes ist jedoch - wie erläutert - bereits aufgrund des Kontextes, in dem die Platzhalter eingefügt sind, möglich, so dass allein aus der Verwendung von bestimmten Platzhaltern für bestimmte Anonymisierungsgegenstände noch keine erleichterte Entschlüsselungsmöglichkeit folgt, die über diejenige bei Kenntnisnahme des Inhalts der anonymisierten Fassung einer Entscheidung hinausreicht. Im Übrigen sieht die Richtlinie jedoch ausdrücklich vor, dass bei der Anwendung der zu vergebenden Platzhalter auf die jeweiligen Anonymisierungsgegenstände kein festes Muster zu nutzen ist, welches Rückschlüsse auf deren ursprüngliche Benennung zulassen würde. Dies gilt etwa für die von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 5. August 2022 angesprochene Anonymisierung eines Namens durch Verwendung stets des dem Anfangsbuchstaben dieses Namens im Alphabet nachfolgenden Buchstabens. Eine erleichterte Entschlüsselung ist danach auch insofern nicht anzunehmen.
51Kommt eine erleichterte Identifizierung der anonymisierten Informationen nicht in Betracht, erledigt sich auch die weitere Befürchtung des Beklagten mit Blick auf bereits veröffentlichte Entscheidungen. Da der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit allein die aktuelle Fassung der Richtlinie vom 19. Mai 2021 begehrt, könnte sich diese Befürchtung ohnehin nur auf solche Urteile und Beschlüsse beziehen, die nachgehend veröffentlicht wurden.
52Schließlich führt der ergänzend vorgetragene Umstand, die Anonymisierungsregelungen würden einer ständigen Überarbeitung unterzogen und eine Veröffentlichung der Richtlinie könne daher in Zukunft dazu führen, dass Weiterentwicklungen des Schutzkonzepts nicht mehr ohne weiteres möglich sind, ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Bei diesem allgemein gehaltenen Vortrag ist für das Gericht schon nicht plausibel und wird von dem beklagten Land auch nicht näher erläutert, aus welchem Grund es an der Weiterentwicklung der Richtlinie allein wegen der Bekanntgabe ihres derzeitigen Inhalts gehindert sein sollte.
53Aus Klarstellungsgründen ist auch der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 2017 aufzuheben. Eines gesonderten Antrags des Klägers bedarf es hierfür nicht.
54Vgl. Decker, in: BeckOK VwGO, Stand: 64. Edition 1. Januar 2023, § 113 Rn. 69.1 m. w. N.
55Die Kostenentscheidung folgt für das erstinstanzliche Verfahren aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO und für das Berufungsverfahren aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Differenzierung ist deswegen geboten, weil sich die Klage im Rahmen des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht noch auf die Fassung der Anonymisierungsrichtlinie mit Stand 5. November 2018 bezogen hat.
56Vgl. zur fehlenden Rückwirkung einer Klageänderung bei Austausch des Streitgegenstandes VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Mai 2011 - 9 S 1167/11 -, juris Rn. 12; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 43. EL August 2022, § 91 Rn. 83 ff.
57Auch bezüglich dieses Antrags ist vor dem Hintergrund des vormals zeitlich unbeschränkten Informationsbegehrens des Klägers sowie mit Blick darauf, dass der Beklagte im Rahmen der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung diese Fassung der Richtlinie benannt hat, ohne eine Bereitschaft erkennen zu lassen, das Dokument zugänglich zu machen, davon auszugehen, dass die hierauf nur reagierende Klageumstellung ohne einen weiteren förmlichen Antrag auf Verwaltungsebene zulässig war. Hierzu passt im Übrigen, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung gegen die Umstellung der Klage keinen Widerspruch erhoben und den neuen Klageantrag danach offenbar selbst nicht als ein aus dem bisherigen Streitgegenstand ausbrechendes Begehren bewertet hat. Bezüglich der Begründetheit hat der Senat indes bereits in seinem Vergleichsvorschlagsbeschluss vom 30. September 2022 darauf hingewiesen, dass ein Informationszugang zur dortigen Unterziffer 4.2.3, die sich auf das „Wie“ der Anonymisierung von Straßennamen bezieht - im Gegensatz zur Unterziffer 3.1.7 der jetzigen Fassung, die den gleichen Gegenstand betrifft -, problematisch erscheint, weil aufgrund der einschlägigen Vorgaben Rückschlüsse auf die tatsächliche Benennung der Straße jedenfalls erleichtert werden. Diesbezüglich war die ablehnende Haltung des Beklagten danach berechtigt, ohne dass der Einwand des Klägers, eine vom Ersteller selbst zu vertretende Anfälligkeit eines Anonymisierungsmodells für Entschlüsselungen könne kein schützenswertes Interesse an einer Zurückhaltung der Information begründen, durchgreift. Dies gilt bereits deswegen, weil es bei § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW um keine Interessenabwägung oder eine Verantwortungszurechnung für die von dieser Norm erfassten Gefahren geht. Vielmehr ist entscheidend, ob die Funktionsfähigkeit der jeweils betroffenen staatlichen Einrichtung - hier die durch die generellen Bestimmungen der Richtlinie erleichterte Veröffentlichungsarbeit der Gerichtsverwaltungen mit Blick auf datenschutzrechtliche Vorgaben - durch einen Informationszugang beeinträchtigt würde.
58Vgl. bereits VG Düsseldorf, Urteil vom 23. November 2020 - 29 K 13336/17 -, juris Rn. 58; zum fehlenden Erfordernis einer Abwägung auch OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019 - 15 A 3909/18 -, juris Rn. 26.
59Dies wäre hinsichtlich der Vorgaben in Unterziffer 4.2.3 der Richtlinie mit Stand 5. November 2018 der Fall.
60Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 709 Satz 1 und 2 und § 711 ZPO.
61Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Revisionsgründe vorliegt.