Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Eine zu einem Rehabilitationsinteresse führende Außenwirkung ist anders als bei einem nur an den Betroffenen gerichteten Verwaltungsakt, dessen Inhalt dieser selbstbestimmt an Dritte weitergibt, bei einer Veröffentlichung auf Twitter anzunehmen, weil diese für eine breite Öffentlichkeit zugänglich und sogar für diese bestimmt ist.
Für die Frage der Erkennbarkeit einer Person auf einem veröffentlichten Lichtbild kommt es maßgeblich auf die konkrete Zweckbestimmung und den sich daraus ergebenden Verwertungskontext, nicht aber auf eine mit erheblichem Aufwand verbundene Möglichkeit der technischen Bearbeitung dieser Aufnahme an.
Bei polizeilicher Öffentlichkeitsarbeit zu Einsatzgeschehen, welche in Rechte Dritter eingreift, kommt es nicht auf die subjektive ex-ante-Einschätzung der eingesetzten Polizeibeamten an, weil es sich hierbei nicht um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im engeren Sinne handelt; eine an die Öffentlichkeit gerichtete Tatsachenbehauptung als Grundrechtseingriff muss vielmehr objektiv zutreffen bzw. in ihrer – möglicherweise den Umständen geschuldeten – Unsicherheit kenntlich gemacht werden.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2019 geändert.
Es wird festgestellt, dass der unter dem Twitter-Account @polizei_nrw_du des Polizeipräsidiums Duisburg am 24. Februar 2017 um 17.44 Uhr veröffentlichte Tweet mit dem Text „#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“ unter Einbindung des Lichtbildes rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer auf dem sozialen Medium Twitter (www.twitter.com) durch den Beklagten veröffentlichten und mit einem Bild versehenen Nachricht („Tweet“).
3Am 24. Februar 2017 fand in Duisburg das Spiel der 3. Fußball-Bundesliga zwischen dem MSV Duisburg und dem 1. FC Magdeburg statt. Ausweislich der Dokumentation der im Vorfeld abgehaltenen Sicherheitsbesprechung wurde die Begegnung als Spiel der Kategorie C (erhöhtes Risiko) eingestuft. Das Verhältnis der beiden Fanlager wurde als feindschaftlich eingeschätzt. An die Gastmannschaft wurden im Vorverkauf 2.500 Tickets verkauft; dabei wurden dem Protokoll der Sicherheitsbesprechung nach ca. 500 sog. „Problemfans“ (Kategorie B und C) des 1. FC Magdeburg erwartet. In dem Protokoll der Sicherheitsbesprechung findet sich unter „Weitere Besprechungsinhalte“ der Vermerk „Pyrotechnik, Verstärkte Kontrollen“. Unter der Überschrift „Fanutensilien“ ist in dem Protokoll vermerkt: „Sind Choreographien von den Anhängern der Heim- oder Gastmannschaft geplant worden? Wie wurden diese Anfragen beschieden? Gab es Reaktionen bei Verbot? Ist mit Problemen zu rechnen? Gastverein hat keinen Antrag gestellt! Heimverein hat einen Antrag gestellt! Dieser wurde genehmigt.“ Die Magdeburger Polizeibehörde wies das Polizeipräsidium Duisburg auch im Übrigen drauf hin, dass mit dem Einsatz von Pyrotechnik durch die Fans des 1. FC Magdeburg zu rechnen sei. In der Folge sprach das Polizeipräsidium Duisburg gegenüber drei Magdeburger Fans Bereichsbetretungsverbote für das Duisburger Stadtgebiet aus. Am 20. Februar 2017 veröffentlichte das Polizeipräsidium Duisburg zudem einen sog. „Fanbrief“ mit Informationen für die Fußballfans des MSV Duisburg und des 1. FC Magdeburg. Darin wies es unter anderem auf die beabsichtigte Trennung der Fanlager und entsprechende Kontrollen sowie Überprüfungen der Einhaltung der Bereichsbetretungsverbote hin. Weiter wurden die Fans darüber informiert, dass der Eingang zum Gästebereich des Stadions ausschließlich über den Eingang Südost erfolgen könne und der Einsatz von Pyrotechnik verboten sei. Zusätzlich wurde am Eingang des Gästebereichs des Stadions eine Vereinzelungsanlage als Kontroll- und Sicherheitsschleuse eingerichtet, um den Zugang von größeren Gruppen zu regeln sowie visuelle Vorkontrollen und individuelle Durchsuchungen zu ermöglichen.
4Am Spieltag stieg ausweislich der polizeilichen Feststellungen der (in der Fanszene allgemein als „Capo“ bezeichnete) Anführer einer Fangruppe des 1. FC Magdeburg auf eine Absperrung vor der Kontrollschleuse und teilte per Megaphon mit, dass für jedes Mitglied der Fangruppe ein Regencape zur Verfügung stehe. Diese sollten von jedem Gruppenmitglied angezogen werden, um im Stadion eine „weiße Wand darzustellen“, was in Verbindung mit einer großen Anzahl blauer Fahnen ein „herrliches Bild abgeben“ werde. Einzelne Mitglieder der Gruppe führten in großformatigen Taschen und Kartons die verpackten Regencapes mit und gaben sie in der Folge an mitgereiste Fans aus. Die langen, weißen und nicht (etwa durch eine Kopfleiste o.ä.) gesondert zu öffnenden Capes wurden nach Einschätzung der Einsatzkräfte von ca. 100 Personen im Bereich vor der letzten Kontrollstelle übergezogen.
5Der polizeiliche Einsatzleiter entschied in dieser Situation, den Zugang zum Stadion zu verschließen. Dazu wurde eine polizeiliche Sperrlinie vor dem Gästeeingang gezogen, um das Vordringen der mit den Capes bekleideten Fans zum Eingang des Stadions zu unterbinden. Zeitgleich wurden die vier Sektoren der Vorsperren vor der Vereinzelungsanlage geschlossen, um das Vorstoßen weiterer mit Capes bekleideter Personen in diesen Bereich zu verhindern. Per Lausprecherdurchsage teilte die Polizei den Fans mit, dass die Capes abzulegen seien, bevor der Zugang zum Innenbereich des Stadions gewährt werden könne. Dadurch wollte die Polizei eine gründliche Kontrolle der Magdeburger Fans ermöglichen. Die Fans weigerten sich jedoch zunächst, dieser Forderung Folge zu leisten und verharrten unmittelbar vor bzw. in den Sektoren der Vereinzelungsanlage. Dabei sahen sich die eingesetzten Polizeikräfte und Ordner zum Teil aggressivem Verhalten der mitunter erheblich alkoholisierten Gästefans ausgesetzt, woraufhin der Einsatz eines Wasserwerfers angedroht wurde. Da die Polizei ein gewaltsames und unkontrolliertes Eindringen in den Innenbereich des Stadions mit schweren Gefahren für die Sicherheit im Stadion und Verletzungen bei Fans und Sicherheitskräften befürchtete, wurde die Androhung des Wasserwerfereinsatzes mehrfach wiederholt. In der Folge ließ nach Beobachtung der Polizei der Druck auf die Vorsperre nach.
6Die einsatzbegleitende Einheit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei veröffentlichte um 17.44 Uhr über den offiziellen Twitter-Account der Polizei Duisburg (@polizei_nrw_du) einen Beitrag („Tweet“) mit dem Text:
7#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.
8Unter dem Text und der Zeit- und Datumsangabe war in den Tweet ein kurz zuvor aufgenommenes Farbfoto eingebunden, das im Vordergrund eine Sperranlage und im Hintergrund ein Haus, Bäume und den Himmel zeigt. In einem schmalen Streifen, der auf der linken Seite des Bildes beginnt und über ungefähr drei Viertel der Breite geht, sind Menschen zu sehen, die überwiegend weiße, ungefähr über das Gesäß reichende Plastikregencapes tragen oder sich diese gerade über den Kopf ziehen. Hinsichtlich der genauen Gestaltung wird auf den Ausdruck in dem Verwaltungsvorgang (Beiakte 2, Blatt 8) Bezug genommen. Durch einen Klick auf das in dem Beitrag genutzte Bild konnte dieses vergrößert dargestellt werden. Der Text der Nachricht wurde dann am unteren Rand wiedergegeben (vgl. zu dieser Ansicht Beiakte 2, Blatt 7).
9In der Zone vor der Vereinzelungsanlage befanden sich zu dieser Zeit nach polizeilichen Erkenntnissen noch mehrere hundert Gästefans, die von dem Geschehen im vorderen Bereich keine Kenntnis hatten.
10Der Beginn des Fußballspiels wurde wegen der Einlasssituation von 18.30 Uhr auf 18.45 Uhr verschoben. Im Verlauf des Spiels wurden im Bereich der Gästefans bengalische Fackeln gezündet.
11Der Tweet wurde zu einem nicht mehr genau zu bestimmenden Zeitpunkt auf dem Twitteraccount des Polizeipräsidiums Duisburg gelöscht. In einem Bericht an das Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste des Polizeipräsidiums Duisburg vom 17. März 2017 gab dieses an, dass das Lichtbild im Wesentlichen eine größere Personengruppe zeige; durch die vielfältigen Bewegungen seien (nur) einzelne Personen erkennbar. Dies gelte insbesondere für einen jungen Mann am linken Bildrand. Zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Menschen sei die Löschung veranlasst worden.
12Mit Schreiben vom 12. August 2017 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und forderte von diesem Schadenersatz in Höhe von 150 Euro. Das Abbilden ihrer Person in dem Kontext verstoße offensichtlich gegen § 22 KunstUG. Zudem sei sie durch den Tweet als eine Person dargestellt worden, die berechtigte polizeiliche Maßnahmen verhindere. Das Regencape habe sie nicht angezogen, um eine Durchsuchung zu verhindern. Im Übrigen habe sie keine Einwilligung zur Veröffentlichung eines Bildnisses ihrer Person erteilt. Der Beklagte lehnte dieses Ansinnen in der Folge ab, da das Absetzen des Tweets unter die allgemeine Pressefreiheit falle. Darüber hinaus sei die Klägerin auf dem Lichtbild nicht erkennbar gewesen.
13Die Klägerin hat am 6. Oktober 2017 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht: Der Tweet verletze sie in ihren Rechten aus § 22 KunstUrhG; eine Einwilligung zur Veröffentlichung des Bildes habe sie nicht erteilt. Sie sei nach dem Absetzen des Tweets von zahlreichen Personen angesprochen und gefragt worden, warum sie denn eine Durchsuchung habe verhindern wollen und ob sie etwas zu verbergen gehabt habe. In der Sache unterliege die Öffentlichkeitsarbeit des Staates dem Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot. Dieses sei vorliegend verletzt worden, da der Tweet das Geschehen wahrheitswidrig mit suggestiver Wirkung dargestellt habe. Weder sie noch die anderen Fußballfans hätten die Absicht gehabt, die Durchsuchung zu verhindern. Es habe keine sachliche Grundlage dafür gegeben, den Fans diese Absicht zu unterstellen. Ferner habe es keine Notwendigkeit gegeben, neben dem Text das Foto in den Tweet einzubinden.
14Die Klägerin hat beantragt,
15festzustellen, dass die unter dem offiziellen Account @polizei_nrw_du durchgeführte Maßnahme des Beklagten am 24. Februar 2017 – das Absetzen eines Tweets in dem sozialen Netzwerk Twitter mit der Formulierung: „#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen um die Durchsuchung zu verhindern“ – unter Einbindung eines Lichtbildes, auf dem auch sie in einem Regencape bekleidet abgebildet gewesen ist (Zeit der Absetzung des Tweets 17:44 Uhr), rechtswidrig gewesen ist.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht: Die Klage sei als Feststellungsklage unstatthaft. Das Absenden eines Tweets stelle weder ein Rechtsverhältnis dar noch werde ein solches dadurch begründet. Die Erstellung des Tweets sei lediglich zu dem Zweck erfolgt, den Grund der polizeilichen Maßnahmen schnell zu kommunizieren, um mit Blick auf die wartenden Fans im hinteren Bereich eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern. Ein Rehabilitationsinteresse der Klägerin bestehe nicht. Sie sei auf dem verfahrensgegenständlichen Lichtbild nicht zu erkennen. Eine Verletzung der Klägerin in ihrem Recht aus § 22 KunstUrhG liege nicht vor, weil sie gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG während der Teilnahme an einer Versammlung oder an einem aufzugähnlichen Vorgang gezeigt werde. Zudem habe die Polizei gemäß § 24 KunstUrhG zum Zwecke der öffentlichen Sicherheit gehandelt. Für die Polizeikräfte habe sich das Anziehen der Regencapes aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht unter Berücksichtigung von Ort und Zeit des Geschehens so dargestellt, dass dies ausschließlich zur Erschwerung der Durchsuchungsmaßnahmen erfolgt sei. Wäre es den Fans nicht um eine Erschwerung der Durchsuchung, sondern um die Vorbereitung ihrer weder angemeldeten noch nach polizeilicher Einschätzung rechtmäßigen Choreographie gegangen, so hätten sie dies auch erst im Anschluss an die finalen Kontrollen organisieren können. Die Capes seien derart gestaltet gewesen, dass eine ernstzunehmende Durchsuchung keineswegs hätte stattfinden können. Dazu sei nicht nur die Erkennbarkeit von größeren, sondern auch von pyrotechnischen und anderen gefährlichen Gegenständen in kleineren Größen erforderlich. Die Regencapes seien zudem auch geeignet gewesen, die Feststellung der Identität von Personen in Menschenmengen bei Einsatz von Kameras zumindest zu erschweren, was die Kontrolle der Bereichsbetretungsverbote verhindert hätte. Der Tweet habe auch nicht gegen das Sachlichkeitsverbot verstoßen, da die objektiven Umstände die getroffene Gefahrenbewertung zugelassen hätten und keine subjektive Äußerung mit dem Zweck der Beeinflussung des Bürgers vorgelegen habe. Darüber hinaus sei bewusst darauf geachtet worden, durch die Verwendung des Begriffs „einige“ in dem zum Foto gehörenden Kommentar eine Differenzierung zu den friedlichen Fans zu schaffen. Zweifelsohne hätten sich jedoch auch Personen unter den Cape-Trägern befunden, die gezielt eine Erschwerung oder Verhinderung wirkungsvoller Kontrollen im Sinn gehabt hätten.
19Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2019 ergangenem Urteil abgewiesen. Die Klage sei als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft; ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis könne auch durch einen Realakt begründet werden; dieses sei hier auch hinreichend konkret und streitig. Zweifelhaft erscheine aber die Annahme eines Feststellungsinteresses, weil dies voraussetze, dass die Klägerin auf dem Bild überhaupt erkennbar sei. Dies sei aber nachhaltig zweifelhaft. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Die Ermächtigung des Beklagten zur Erteilung derartiger Informationen ergebe sich aus der der Polizei zugewiesenen Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Dies umfasse auch die Gefahrenvorsorge im Vorfeld konkreter Gefahren, um die Entstehung von Gefahren zu verhindern und eine wirksame Bekämpfung sich später realisierender Gefahren zu ermöglichen. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage bedürfe es hierzu im vorliegenden Fall nicht. Die Klägerin sei durch den Tweet nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt worden. Der Text des Tweets sei derart unbestimmt und allgemein gehalten gewesen, dass er für sich genommen keinen Rückschluss auf konkrete Personen zulasse. Die Bildaufnahme führe zu keiner anderen Beurteilung, weil diese die Identifizierung der betroffenen Person nicht ermögliche. Auf die abstrakte Möglichkeit einer nachträglichen technischen Bearbeitung komme es nicht an. Die Einstellung des Tweets habe auch keine sonstigen subjektiven Rechte der Klägerin verletzt. Amtliche Äußerungen hätten sich an dem Gebot der Richtigkeit und Sachlichkeit zu orientieren. Hiergegen habe der Beklagte mit dem Tweet nicht verstoßen. Der erste Teil des Textes „Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen“ schildere die objektive Situation. Unter Berücksichtigung der den Polizeikräften bekannten Umstände (Einstufung als Risikospiel, erwarteter Einsatz von Pyrotechnik durch Gästefans, Wettersituation, Anziehen der Capes noch vor der Kontrolle, Ausgestaltung der Regencapes) sei davon auszugehen gewesen, dass einige Fans auch eine entsprechende Absicht gehabt hätten, die Durchsuchung zu verhindern. Dabei bleibe der Tweet auch sachlich. Insbesondere die Bezugnahme auf „einige Fans“ mache dies deutlich.
20Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen erster Instanz; ergänzend trägt sie im Wesentlichen vor: Ihr komme ein Rehabilitationsinteresse zu. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass das eingebundene Bild auf technischen Geräten vergrößert dargestellt werden könne, was eine Erweiterung der Erkennbarkeit bedeute. Der Tweet bedeute keine sachliche Information, sondern stelle eine Behauptung auf, die aus den Umständen nicht hergeleitet werden könne. Er unterstelle Fußballfans – so auch der Klägerin – ohne jegliche Grundlage eine bewusst den ordnungsgemäßen Ablauf des Stadionzutritts störende Handlung. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das mit dem Tweet genutzte Bild nunmehr auf ausländischen Servern liege und nach den Nutzungsbedingungen des Anbieters auch nach dem Löschen seitens der Polizei weiterhin genutzt werden könne.
21Die Klägerin beantragt,
22das auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu ändern und festzustellen, dass der unter dem Twitter-Account @polizei_nrw_du des Polizeipräsidiums Duisburg am 24. Februar 2017 um 17.44 Uhr veröffentlichte Tweet mit dem Text „#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“ unter Einbindung des Lichtbildes rechtswidrig gewesen ist.
23Der Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und führt hierzu im Wesentlichen aus: Die Absetzung des Tweets sei im Rahmen der Zuständigkeit der Polizei zur Gefahrenabwehr erfolgt. Es sei seitens der Polizeibeamten darauf geachtet worden, eine Übersichtsaufnahme der Menge und des Geschehens aus ausreichender Entfernung anzufertigen, so dass einzelne Gesichter nicht erkennbar gewesen seien. Selbst im Falle der Vergrößerung des Lichtbildes auf einem elektronischen Gerät sei eine Erkennbarkeit der Klägerin nicht gegeben. Einer Einwilligung der Klägerin habe es schon mit Blick auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG nicht bedurft, da es sich um eine ähnliche Veranstaltung im Sinne der Vorschrift gehandelt habe; zudem müssten Besucher von Fußballspielen mit ihrer Ablichtung zumindest in einer größeren Menschenmenge rechnen. Ein Verstoß gegen das Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot sei nicht zu erkennen. Der Tweet habe mit Blick auf die Einsatzlage zügig abgesetzt werden müssen; so sei es möglich gewesen, die mehreren Hundert Fans, die von dem Geschehen im vorderen Bereich der Vereinzelungsanlage nichts mitbekommen hätten, möglichst schnell und auf einfachem Wege zu informieren. Daneben seien Lautsprecherdurchsagen mit entsprechendem Inhalt erfolgt.
26Das streitgegenständliche Lichtbild hat der Beklagte auch auf Aufforderung des Senats nicht in Dateiform vorlegen können.
27Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet.
30Die Klage ist zulässig.
31Sie ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Die Frage, ob der Beklagte den Tweet mit dem streitgegenständlichen Text in dem sozialen Medium Twitter (www.twitter.com) unter Einbindung des Lichtbildes veröffentlichen durfte, ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. September 2019 – 15 A 4753/18 –, juris, Rn. 40; vgl. zu den Anforderungen hinsichtlich der Statthaftigkeit: etwa BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2017 – 6 C 46.16 – , juris, Rn. 12, vom 13. September 2017 – 10 C 6.16 – , juris, Rn. 11, und vom 16. Juni 2015 – 10 C 14.14 –, juris, Rn. 18 f.
33Dass der Tweet mittlerweile durch das Polizeipräsidium Duisburg gelöscht worden ist, steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Auch ein vergangenes Rechtsverhältnis ist nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähig.
34Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. Dezember 2019 – 5 A 1809/16 –, Seite 12 des Urteilsabdrucks, n. v., vom 17. September 2019 – 15 A 4753/18 –, juris, Rn. 40, und vom 5. Juli 2013 – 5 A 607/11 –, juris, Rn. 50; VGH Baden-Württ., Urteil vom 15. Mai 2014 – 1 S 815/13 – juris, Rn. 27; jeweils m. w. N.
35Die Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär. Die Klägerin kann ihre Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen. Die Veröffentlichung des Tweets auf dem Twitteraccount des Polizeipräsidiums Duisburg stellte mangels eines nach außen gerichteten Regelungswillens keinen Verwaltungsakt dar, gegen den die Anfechtungsklage bzw. nach Erledigung eine Rechtswidrigkeitsfeststellung in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Betracht käme.
36Vgl. zur Statthaftigkeit der Feststellungsklage bei Realakten: OVG NRW, Urteile vom 16. Dezember 2019 – 5 A 1809/16 –, Seite 12 des Urteilsabdrucks, n. v., vom 17. September 2019 – 15 A 4753/18 –, juris, Rn. 40, und vom 5. Juli 2013 – 5 A 607/11 –, juris, Rn. 47, jeweils m. w. N.; VGH Baden-Württ., Urteil vom 15. Mai 2014 – 1 S 815/13 – juris, Rn. 26.
37Die Klägerin ist analog § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch die Veröffentlichung des Lichtbildes in Verbindung mit dem Text möglicherweise in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Insoweit ist es gemessen an diesem Maßstab zumindest auch möglich, dass sie auf dem öffentlich zugänglichen Lichtbild zu identifizieren war und die Nachricht ihren sozialen Geltungsanspruch nachteilig berührt hat.
38Die Klägerin hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Das berechtigte Interesse des § 43 Abs. 1 VwGO schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2017 – 6 C 46.16 –, juris, Rn. 20, vom 13. September 2017 – 10 C 6.16 –, juris, Rn. 13, vom 2. Dezember 2015 – 10 C 18.14 –, juris, Rn. 15, vom 28. Januar 2010 – 8 C 38.09 –, juris, Rn. 54, und vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 –, juris, Rn. 20.
40Die Klägerin hat ein rechtlich erhebliches Rehabilitationsinteresse geltend gemacht. Eine solche rechtliche Erheblichkeit ist anzunehmen, wenn das Rehabilitationsinteresse bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist.
41Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 2009 – 6 B 22.09 –, juris, Rn. 4, und vom 18. Juli 2000 – 1 WB 34.00 –, juris, Rn. 5.
42Dies ist der Fall, wenn sich nach dem Klägervortrag aus der angegriffenen Maßnahme – außer deren (erledigten) belastenden Wirkung – zusätzlich eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene die von ihm beanstandete Maßnahme als diskriminierend empfunden hat.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 39.12 –, juris, Rn 24; Beschluss vom 18. Juli 2000 – 1 WB 34.00 –, juris, Rn. 5; Urteil vom 19. März 1992 – 5 C 44.87 –, juris, Rn. 9; OVG Bremen, Urteil vom 8. Januar 2019 – 1 LB 252/18 –, juris, Rn. 23; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 273 f.
44Der von dem Polizeipräsidium Duisburg veröffentlichte Text stellte das Anziehen der Regencapes durch die finale Verknüpfung zur Verhinderung einer Durchsuchung als polizeilicherseits zu missbilligen heraus, wobei die Wirkung durch die Visualisierung mittels Lichtbilds noch verstärkt worden ist.
45Anders als bei einem nur an den Betroffenen gerichteten Verwaltungsakt, dessen Inhalt dieser selbstbestimmt an Dritte weitergibt, ist eine Veröffentlichung auf Twitter für eine breite Öffentlichkeit zugänglich und sogar für diese bestimmt.
46Vgl. zu ersterem Fall: OVG NRW, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 5 A 2000/20 –, juris, Rn. 35, vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 24. Oktober 2019 – 5 A 2719/17 – juris, Rn. 29, m. w. N.; vgl. indes zu einzelfallbezogenen Medienberichten: OVG Nds., Urteil vom 26. April 2018 – 11 LC 288/16 –, juris, Rn. 28.
47Zusätzlich ist auch zu berücksichtigen, dass die polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit auf Twitter naturgemäß nur einen sehr engen Ausschnitt des polizeilich relevanten Geschehens in einer Großstadt darstellen kann; polizeiliche Tweets über einzelne Geschehnisse lassen diese in der Folge als besonders herausgehoben erscheinen.
48Dabei ist eine individuelle Erkennbarkeit der Klägerin auf dem in den Tweet eingebundenen Lichtbild, das durch einfaches Klicken auf das Bild vergrößert dargestellt wurde – unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags und im Abgleich mit den Lichtbildern der Klägerin aus dem fraglichen Zeitraum – jedenfalls als möglich anzunehmen.
49Die Klage ist auch begründet.
50Der von dem Polizeipräsidium Duisburg unter dem Twitter-Account @polizei_nrw_du am 24. Februar 2017 um 17.44 Uhr veröffentlichte Tweet mit dem Text „#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“ unter Einbindung des Lichtbildes ist rechtswidrig gewesen.
51Die Veröffentlichung des Tweets hat die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.
52Der streitgegenständliche Tweet des Polizeipräsidiums Duisburg mit der tatsächlichen Feststellung, das Anziehen der Regencapes sei erfolgt, „um die Durchsuchung zu verhindern“ stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG der hiervon individuell Betroffenen dar. Die Klägerin ist als von diesem Eingriff individuell betroffen anzusehen. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Ergebnis nicht gerechtfertigt, weil das staatliche Informationshandeln den hieran zu stellenden Anforderungen nicht genügt hat.
53Der Tweet des Polizeipräsidiums Duisburg stellt für die hiervon erkennbar Betroffenen einen mittelbar-faktischen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Dieses Grundrecht schützt nicht nur die Ehre, sondern auch weitere Aspekte des sozialen Geltungsanspruchs. Namentlich umfasst es den Schutz vor Äußerungen, die – ohne im engeren Sinn ehrverletzend zu sein – geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken. Dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat verbietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa indem er dessen Handlungen abschätzig kommentiert. Derartige Äußerungen gefährden die von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete freie Entfaltung der Persönlichkeit, weil sie das Ansehen des Einzelnen schmälern, seine sozialen Kontakte schwächen und infolgedessen sein Selbstwertgefühl untergraben können. Die Reichweite des Persönlichkeitsrechtsschutzes wird wesentlich durch den Umstand beeinflusst und begrenzt, dass der soziale Geltungsanspruch des Einzelnen nicht von ihm allein bestimmt wird. Vielmehr bemisst sich der konkrete Inhalt dieses Anspruchs dann, wenn der Betreffende durch sein Sein und Verhalten auf andere einwirkt, nach einem in gewissem Umfang verselbständigten sozialen Abbild, das dem Betroffenen ungeachtet eigener Vorstellungen und Absichten zuzurechnen ist. Der verfassungsrechtlich geschützte soziale Achtungs- und Geltungsanspruch wird nämlich entscheidend durch objektive Elemente geprägt, die ihm aufgrund seiner sozialen, auf einen Dialog angelegten Natur notwendig anhaften. Folglich kann eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umso weniger festgestellt werden, je mehr die beanstandete Äußerung ein Bild des Betroffenen zeichnet, das sein tatsächliches Auftreten objektiv zutreffend widerspiegelt.
54Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. August 2010 – 1 BvR 2585/06 –, juris, Rn. 21, vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 –, juris, Rn. 25, vom 10. November 1998 – 1 BvR 1531/96 –, juris, Rn. 46, vom 26. Juni 1990 – 1 BvR 776/84 –, juris, Rn. 102, und vom 15. August 1989 – 1 BvR 881/89 –, juris, Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 7. August 1997 – 3 C 49.96 –, juris, Rn. 21; Schoch, NVwZ 2011, 193, 195.
55In diesen sozialen Geltungsanspruch hat das Polizeipräsidium Duisburg durch seinen streitgegenständlichen Tweet unter Einbindung des Lichtbildes mittelbar-faktisch eingegriffen.
56Vgl. zur grundrechtsdogmatischen Qualifikation des Informationshandelns als Eingriff in Freiheitsrechte: Voßkuhle/Kaiser, JuS 2018, 343, 344.
57Der Vorgang des Anziehens von Regencapes wird durch den Text final mit der nach dem Text von den Fans beabsichtigten Verhinderung einer Durchsuchung verknüpft. Diese Aussage beinhaltet zwar keinen Vorwurf strafbaren Verhaltens, bringt aber eine soziale Missbilligung des Vorgangs zum Ausdruck. Dabei ist die Aufgabe der Polizei, Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verhindern, die auch für den angesprochenen Rezipienten erkennbar ist, zu berücksichtigen. Die Durchsuchung – gleich ob sie durch Polizeibeamte oder durch private Ordner des Veranstalters durchgeführt wird – erscheint mithin als (legitime) Maßnahme, deren Verhinderung wird hingegen als mit Recht und Gesetz nicht im Einklang stehend dargestellt, weil zum Beispiel etwas verborgen gehalten und unbemerkt in das Stadion gebracht werden soll. Dass im Rahmen des Fußballspiels mit dem Einsatz von Pyrotechnik zu rechnen war, ergibt sich dabei nicht nur aus dem (nichtöffentlichen) Protokoll der Organisationsbesprechung zur Sicherheit, sondern auch aus dem „besonderen Gefahrenhinweis zum Thema Pyrotechnik“ in dem „Fanbrief“ des Polizeipräsidiums Duisburg vom 20. Februar 2017. Diese Aussage wird in Bezug auf die betroffenen Fans dadurch verstärkt, dass sie sich nicht auf die objektive Feststellung beschränkt, dass durch dieses Verhalten die Durchsuchung verhindert wird, sondern indem durch die Verknüpfung der Satzteile gerade festgestellt wird, diese sei nicht nur Folge der Handlung, sondern gerade auch bezweckt.
58Die Klägerin ist als von diesem Eingriff individuell betroffen anzusehen. Der Text des Tweets lässt für sich genommen keinen Rückschluss auf die Person der Klägerin zu. Ein Eingriff durch die Einbindung des Lichtbildes ist hingegen im Ergebnis zu bejahen, weil anzunehmen ist, dass eine Identifizierbarkeit der Person der Klägerin durch den öffentlich abrufbaren Tweet gegeben gewesen ist.
59Vgl. zu diesem bei Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG anzuwendenden Maßstab bei der Aufzeichnung von Bildern: BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 – 2 BvR 1447/10 –, juris, Rn. 16.
60Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es dabei nicht darauf an, ob das öffentlich abrufbare Lichtbild durch technische Maßnahmen vergrößert und gegebenenfalls in einem bestimmten Umfang qualitativ nachbearbeitet werden konnte. Maßgeblich sind vielmehr die konkrete Zweckbestimmung und der sich daraus ergebende Verwertungskontext, nicht aber eine letztlich abstrakte, mit erheblichem Aufwand verbundene Möglichkeit der technischen Bearbeitung dieser Aufnahme.
61Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 – 2 BvR 1447/10 –, juris, Rn. 17.
62In der Folge ist für die Frage der Erkennbarkeit die technische Konfiguration des Nachrichtendienstes Twitter zugrunde zu legen. Die Einbindung eines Lichtbildes in einen veröffentlichten Tweet erfolgte auf der Seite www.twitter.com im Jahr 2017 mit einer regelmäßigen Größe von 590 x 295 Pixeln. Durch das Klicken auf das Lichtbild wurde dieses maximal mit einer Größe von 1024 x 512 Pixeln angezeigt.
63Vgl. die Angaben zu „Alle Social Media Videoformate und Bildgrößen 2017 (Infografik)“ unter https://reibaumeister.com/social-media-videofor-mate-und-bildgroessen-2017-infografik/, zuletzt abgerufen am 28. November 2022.
64Letzteres Format ist damit, weil mit einem Klick für den Nutzer des Mediums erreichbar, für die Bewertung der individuellen Erkennbarkeit heranzuziehen. Auf die Aufklärungsverfügung des Senats vom 29. April 2022 hat das Polizeipräsidium Duisburg mit Schriftsatz vom 13. Mai 2022 mitgeteilt, dass sich das Lichtbild in digitaler Form nicht im dortigen Bestand befinde und auch eine Wiederherstellung des zwischenzeitlich gelöschten Tweets nicht mehr möglich gewesen sei. Mithin liegen dem Senat nur Ausdrucke in verschiedenen Größen vor (vgl. Bl. 7 und 8 des Verwaltungsvorgangs, Beiakte 2), wobei der größerformatige Ausdruck näherungsweise der vergrößerten Ansicht auf www.twitter.com entsprechen könnte, was im Detail aber nicht mehr festgestellt werden kann. Nicht maßgeblich sind hingegen die von der Klägerin im Klageverfahren eingereichten stark vergrößerten Ausschnitte. Nach Inaugenscheinnahme des vergrößerten Lichtbildes (Bl. 7 des Verwaltungsvorgangs) ist dort am linken Bildrand eine eher kleine Person zu erkennen, was sich insbesondere aus dem Vergleich mit der unmittelbar links danebenstehenden, vermutlich im Gespräch befindlichen Person ergibt. Größe, Statur, Gesichtsform, Frisur und Haarfarbe stimmen mit den von der Klägerin im Übrigen vorgelegten Lichtbildern nachvollziehbar überein. Die letztlich verbleibende Restunsicherheit geht zulasten des Beklagten.
65Wer bei Unerweislichkeit der Tatsache („non liquet“) die – materielle – Beweislast trägt, ist eine Frage des materiellen Rechts und nicht des Prozessrechts. Fehlen ausdrückliche gesetzliche Regeln, gilt in der Regel der allgemeine Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Ungunsten des Beteiligten geht, der aus dieser Tatsache eine für ihn günstige materielle Rechtsfolge herleitet.
66Vgl. nur: BVerwG, Urteil vom 6. Mai 2021 – 2 C 10.20 –, juris, Rn. 19; Beschluss vom 1. November 1993 – 7 B 190.93 –, juris, Rn. 3; Urteil vom 28. März 1974 – V C 27.73 –, juris, Rn. 5; Breuning, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1. Juli 2022, § 86 Rn. 35 und § 108 Rn. 17.
67Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn die Unerweislichkeit auf einem gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden Verhalten des Begünstigten beruht oder aber derjenige, in dessen Wirkungskreis eine Tatsache fällt, der Obliegenheit zur substanziellen Mitwirkung an der Aufklärung nicht nachkommt bzw. nachkommen kann.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2009 – 1 C 16.08 –, juris, Rn. 36; Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 108 Rn. 134, m. w. N.; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 6. Mai 2021 – 2 C 10.20 –, juris, Rn. 19, vom 30. Januar 2003 – 2 C 12.02 –, juris; Rn. 23, und vom 26. Februar 1965 – VII C 71.63 –, juris, Rn. 12.
69Letzteres ist hier der Fall. Das Polizeipräsidium Duisburg hat den streitgegenständlichen Tweet nicht nur in seinem Account auf www.twitter.com gelöscht, sondern ist zugleich nicht mehr in der Lage, ein der damals in der Nachricht mit einem Klick abrufbaren Vergrößerung entsprechendes digitales Lichtbild bereitzustellen. Auf Nachfrage des Senats hat der Beklagte erklärt, dass das Lichtbild gar nicht mehr in digitaler Form vorhanden sei, so dass auch keine entsprechende Skalierung erfolgen könnte. Schon angesichts des Schreibens der Klägerin vom 12. August 2017, mit dem sie Schadensersatz geltend gemacht hat und zugleich Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben hat, sowie der bereits zuvor im Landtag eingereichten kleinen Anfragen 5688 und 5689 des Abgeordneten Daniel Schwerd betreffend den Einsatz bei dem hier in Rede stehenden Fußballspiel,
70Landtags-Drucksachen 16/14454 und 16/14455,
71bestand hinreichend Anlass für den Beklagten, den Verwaltungsvorgang unter Einschluss einer digitalen Kopie des angefertigten Lichtbildes zu führen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin in ihrem oben genannten Schreiben für den Fall der Nichterfüllung ihres Schadensersatzbegehrens die Erhebung der Klage bereits angekündigt hatte. Dem stand auch nicht entgegen, dass das Polizeipräsidium Duisburg bei der späteren Bewertung der Zulässigkeit der Veröffentlichung (wegen der Rechte Dritter) selbst Zweifel hegte und die Löschung der weltweit einsehbaren Nachricht auf dem Twitter-Account veranlasst hatte. Die Dokumentation des bisherigen Handelns in behördeninternen Akten hinderte dies offensichtlich nicht.
72Entgegen der Auffassung des Beklagten bezieht sich die textliche Aussage des Tweets „Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern“ in Verbindung mit dem Bild objektiv betrachtet nicht nur auf einige wenige, sondern auf alle Personen, die auf dem Lichtbild zu sehen sind und sich ein weißes Regencape angezogen haben oder dieses gerade überziehen.
73Mangels Grundrechtsberechtigung kann sich der Beklagte schon dem Grunde nach nicht auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze einer meinungsfreundlichen Auslegung berufen. Bei der Ermittlung der Bedeutung einer Aussage ist vielmehr auf den in § 133 BGB niedergelegten allgemeinen Grundsatz zurückzugreifen, wonach der Inhalt anhand eines objektiven Empfängerhorizonts zu ermitteln ist. Nicht der innere, sondern der objektiv erklärte Wille ist maßgebend, wie ihn der Empfänger zu verstehen hat.
74Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013– 2 VR 1.13 –, juris, Rn. 32; Urteile vom 22. März 2012 – 1 C 3.11 –, juris, Rn. 24, vom 5. November 2009 – 4 C 3.09 –, juris, Rn. 21, und vom 4. Dezember 2001 – 4 C 2.00 –, juris, Rn. 17, m. w. N.
75Dies zugrunde gelegt war der Tweet unter Einschluss des veröffentlichten Lichtbildes dahingehend zu verstehen, dass nicht nur einigen der mit einem Regencape bekleideten Personen zugeschrieben worden ist, die Durchsuchung verhindern zu wollen, sondern allen auf dem Foto so zu sehenden Personen. Schon sprachlich bezieht sich die nähere Beschreibung „einige Fans“ auf das Anziehen der Regencapes. Eine (weitere) Einschränkung, dass nur ein Teil dieser Fans die Durchsuchung verhindern wolle, findet sich in dem Tweet nicht. Wie der Beklagte im Übrigen selbst ausgeführt hat, war das wesentliche Ziel der Veröffentlichung der Nachricht die Information der noch auf dem Weg zum Stadion befindlichen Fans, um diesen den Grund für die auftretende zeitliche Verzögerung zu erläutern. Diesen, aber auch sonstigen Lesern der Nachricht musste sich aufdrängen, dass das Spiel von einer erheblichen Anzahl von Fans sowohl der Heim-, aber auch der Gastmannschaft besucht werden würde. In der dem Spiel vorgelagerten Sicherheitsbesprechung für das Spiel wurde etwa von ca. 16.000 Zuschauern, davon ca. 2.500 Gästefans ausgegangen. Legt der Empfänger eines Tweets zugrunde, dass das Spiel von einer solch großen Anzahl an Personen besucht wird, die alle die – entsprechend dimensionierten – Sicherheitskontrollen passieren müssen, geht er in der Erwartung, dass die Polizei eine solche Information nur bei einem erheblichen Geschehen absetzt, davon aus, dass die Zuschreibung der Behinderung der Kontrolle durch Anziehen von Regencapes alle entsprechenden Personen auf dem Lichtbild erfasst und nicht nur einige. Dies wird vorliegend dadurch unterstrichen, dass die Lichtbilder die der Durchsuchung vorgeschaltete Personenvereinzelungsanlage mit zahlreichen Durchlässen – ausgelegt also für eine größere Menge an Menschen – und davor eine kompakt stehende Menschenmenge zeigt, die Regencapes trägt oder gerade anlegt.
76Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG durch den streitgegenständlichen Tweet, das Anziehen der Regencapes sei erfolgt, „um die Durchsuchung zu verhindern“, ist nicht gerechtfertigt.
77Das Absetzen des mit dem Lichtbild versehenen Tweets durch das Polizeipräsidium Duisburg ist an den allgemeinen an das staatliche Informationshandeln zu stellenden Anforderungen zu messen. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Vorgänge und Entwicklungen, die für den Bürger und das Zusammenwirken von Staat und Gesellschaft von Wichtigkeit sind, ist für die Regierung durch die im Grundgesetz zugewiesene Aufgabe der Staatsleitung gedeckt. Dies gilt auch außerhalb oder im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit. In einer auf ein hohes Maß an Selbstverantwortung der Bürger bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme ausgerichteten politischen Ordnung ist von dieser Aufgabe auch die Verbreitung von Informationen erfasst, welche die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Problembewältigung befähigen. Dementsprechend erwarten die Bürger für ihre persönliche Meinungsbildung und Orientierung Informationen, wenn diese andernfalls nicht verfügbar wären. Dies kann insbesondere Bereiche betreffen, in denen die Informationsversorgung der Bevölkerung auf interessengeleiteten, mit dem Risiko der Einseitigkeit verbundenen Informationen beruht und die gesellschaftlichen Kräfte nicht ausreichen, um ein hinreichendes Informationsgleichgewicht herzustellen. Die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich auch zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen Dritter herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt hierfür keine besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber, es sei denn, die Maßnahme stellt sich nach der Zielsetzung und ihren Wirkungen als Ersatz für eine staatliche Maßnahme dar, die als Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren ist. Durch Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs kann das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden.
78Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 –, juris, Rn. 72 ff. und 81 f., und vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 –, juris, Rn. 51 ff.; OVG NRW, Urteil vom 17. September 2013 – 13 A 2541/12 –, juris, Rn. 37.
79Ob diese Grundsätze – insbesondere auch hinsichtlich der Notwendigkeit einer ausdrücklichen Ermächtigungsnorm und nicht nur einer Aufgabenzuweisung – nicht nur für Informationshandeln der Regierung gelten, sondern auch auf die Information der Öffentlichkeit durch nachgeordnete Behörden im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung – bei gleichzeitig jedenfalls mittelbar-faktischen Beeinträchtigungen Dritter – anzuwenden sind und es danach dem Grunde nach der Polizei auch möglich ist, ohne explizite Ermächtigungsgrundlage die (zutreffende) kritische Bewertung des Handelns einer Person inklusive eines Lichtbilds in weltweit abrufbaren Netzwerken zu veröffentlichen, kann vorliegend dahinstehen.
80Dies im Ergebnis wohl annehmend, aber auf den Begriff der Staatsleitung abstellend: BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 17. August 2010 – 1 BvR 2585/06 –, juris, Rn. 23; a. A. Martini/Kühl, DÖV 2013, 573, 576; Schoch, NVwZ 2011, 193, 196; Holzner, NVwZ 2010, 489, 490.
81Selbst wenn man diese Grundsätze auch ohne eine besondere Ermächtigungsgrundlage übertragen kann, genügt der veröffentlichte Tweet den an staatliches Informationshandeln zu stellenden Anforderungen im Ergebnis nicht.
82Amtliche Äußerungen haben sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren. Dies erfordert es, dass mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden und Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten sowie auf einem im Wesentlichen zutreffenden und zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen (Richtigkeits- bzw. Sachlichkeitsgebot). Außerdem dürfen die Äußerungen im Hinblick auf das mit der Äußerung verfolgte sachliche Ziel im Verhältnis zu den Grundrechtspositionen, in die eingegriffen wird, nicht unverhältnismäßig sein und müssen sich daher auf das zur Informationsgewährung Erforderliche beschränken.
83Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 –, juris, Rn. 59 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Februar 2021 – 4 B 1380/20 –, juris, Rn. 48, vom 23. April 2012 – 13 B 127/12 –, juris, Rn. 16, und vom 12. Juli 2005 – 15 B 1099/05 –, juris, Rn. 15.
84Ist der tatsächliche Wahrheitsgehalt oder die Belastbarkeit einer auf Tatsachen basierenden Einschätzung nicht zweifelsfrei bestätigt, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass der potentielle Empfängerkreis über einen für ihn wichtigen Umstand aufgeklärt wird. Es ist dann aber notwendig, auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um die Rezipienten in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 – 13 B 127/12 –, juris, Rn. 16.
86Diesen Maßstäben wird der streitgegenständliche Tweet des Polizeipräsidiums Duisburg nicht gerecht. Der erste Teil der Textnachricht „Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen“ ist – auch wenn der genaue zeitliche Ablauf zwischen den Beteiligten streitig geblieben ist – der Sache nach durch den im Verwaltungsvorgang nachträglich in Ansätzen niedergelegten Geschehensablauf gedeckt, wobei allerdings unklar bleibt, ob der Stau durch die abgebildete Personengruppe mit Regencapes verursacht worden ist oder vielmehr durch das Ziehen einer polizeilichen Sperrlinie als Reaktion auf das Anlegen der Regencapes. Jedenfalls hat sich auch die Klägerin in der Sache nicht gegen diesen Teil des Textes gewandt. Bei der weiteren Aussage „um die Durchsuchung zu verhindern“ sind indes die vorgenannten, an eine tatsächliche Aussage zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Dass die Klägerin, die sich vor dem Gästeeingang aufhielt und ein weißes Regencape übergezogen hatte, dies zielgerichtet getan hat, damit – wie die finale Verknüpfung beider Satzteile in der Nachricht behauptet – die Durchsuchung ihrer Person bei dem Passieren der Zugangseinrichtungen zum Stadion verhindert wird, stellt eine (innere) Tatsache dar. Dazu, dass es vor dem objektiven Bedeutungsgehalt des veröffentlichten Textes nicht nur auf einige, nicht näher bestimmte Personen aus der Gruppe ankommt, sondern auf alle Fans, die sich auf dem Lichtbild ein Regencape angezogen haben oder dies gerade tun, hat der Senat vorstehend schon das Notwendige ausgeführt. Diese kundgetane Behauptung ist durch die erkennbaren bzw. von dem Beklagten angeführten Tatsachen nicht mit der erforderlichen Sicherheit belegt gewesen. Hierbei kommt es entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht allein auf die subjektive Einschätzung der eingesetzten Polizeibeamten an, weil es sich hierbei nicht um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im engeren Sinne gehandelt hat. Nach den vorgenannten Maßstäben muss eine an die Öffentlichkeit gerichtete Tatsachenbehauptung als Grundrechtseingriff vielmehr objektiv zutreffen bzw. in ihrer – möglicherweise den Umständen geschuldeten – Unsicherheit kenntlich gemacht werden.
87Das Polizeipräsidium Duisburg hat seine Einschätzung maßgeblich auf die zu erwartende (illegale) Nutzung von Feuerwerkskörpern im Stadion durch Fans des 1. FC Magdeburg gestützt, die schon in der Sicherheitsbesprechung thematisiert worden war. Eine Verhinderung oder jedenfalls Beeinträchtigung der Durchsuchung von Fans mittels Tragen von Regencapes kann in diesem Zusammenhang geeignet sein, dass Einschleusen von entsprechenden Gegenständen zu erleichtern. Dabei kann aber nicht die Tatsache herangezogen werden, dass es im weiteren Verlauf des Spiels tatsächlich zum Zünden sogenannter bengalischer Feuer im Gäste-Fanblock gekommen ist, da diese Tatsache zum Zeitpunkt des Tweets noch nicht bekannt sein konnte. Einem zwingenden Rückschluss von der – im Übrigen nicht näher durch Tatsachen belegten – Einschätzung des „Schmuggels“ von Feuerwerkskörpern steht zudem entgegen, dass nach den polizeilichen Feststellungen unmittelbar vor Durchführung der Kontrollen ein Anführer einer Fangruppierung der Gästemannschaft (sogenannter „Capo“) auf eine Absperrung kletterte und per Megaphone bekanntgegeben hat, dass für jedes Mitglied der Fangruppe ein Regencape zur Verfügung stehe; diese sollten, so die Ansage, von allen Gruppenmitgliedern angezogen werden, um im Stadion eine „weiße Wand“ darzustellen, was „mit einer großen Anzahl blauer Fahnen ein herrliches Bild abgeben“ werde. In der Folge verteilten einzelne Mitglieder der Gruppe die in Taschen und Kartons mitgeführten Regencapes an die Fans, die diese auch unmittelbar anzogen. Anhand dieser Feststellungen ergibt sich ein gänzlich anderer kausaler Zusammenhang für das Anziehen der Regencapes. Dass diese Aussagen lediglich getroffen worden sind, um die tatsächliche Absicht zu verschleiern, hat der Beklagte nicht ausreichend belegt. Dies folgt insbesondere nicht schon daraus, dass nach dem Vortrag des Beklagten derartige Choreographien bei dem Heimverein anzumelden sind und einem präventiven Genehmigungsvorbehalt unterliegen, eine Anmeldung hier aber nicht erfolgt sei. Unabhängig von der Frage, woraus sich eine rechtlich bindende Verpflichtung zum Anmelden einer Choreographie ergeben soll – aus der für die Schauinsland-Arena seit dem Jahr 2005 geltenden, im Internet veröffentlichten Stadionordnung,
88abrufbar unter https://www.msv-duisburg.de/der-msv/arena/stadionordnung/, zuletzt abgerufen am 28. November 2022,
89geht dies nicht hervor – stellt allein der Verstoß gegen eine zivilrechtliche Bindung jedenfalls in diesem Kontext noch kein hinreichendes Indiz für eine Verschleierungsabsicht dar, wenn damit zugleich vorausgesetzt wird, dass das eigentlich bezweckte Handeln – das Abbrennen von Pyrotechnik – ebenfalls gegen geltendes Recht verstößt.
90Selbst wenn man den zweiten Satzteil des Tweets als Werturteil betrachten würde, würde dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil nach den vorstehenden Ausführungen auch die eingesetzten Polizeibeamten nach den ihnen zur Verfügung stehenden Informationen nicht davon ausgehen durften, die finale Verknüpfung sei hinreichend sicher anzunehmen.
91Unabhängig davon wäre das Ziel dieser polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit, nämlich die Information von mehreren Hundert Fans, die noch auf dem Weg zum Station waren, über den Grund der Verzögerung auch ohne diese innere Tatsache möglich gewesen. Allein die Mitteilung, dass Fans sich Regencapes angezogen haben und dies die Durchsuchung erschwere oder gar verhindere, so dass ein Rückstau entstehe, hätte in Bezug auf das angegebene Ziel den gleichen Erfolg gezeigt.
92Erweist sich der veröffentlichte Tweet schon wegen des Verstoßes gegen das Richtigkeitsgebot als nicht gerechtfertigter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, kommt es auf die weitere Frage, ob das Polizeipräsidium Duisburg das streitgegenständliche Lichtbild anfertigen und losgelöst von der Textnachricht zur Öffentlichkeitsarbeit allgemein und auf dem Medium Twitter im Besonderen verwenden durfte, nicht mehr an.
93Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
94Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
95Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.