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Hoheitsträgern ist es unabhängig von etwaigen Zuständigkeitsnormen gestattet, einen dienstlich zur Kenntnis gelangten Sachverhalt den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen, soweit sich hieraus Anhaltspunkte für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben und die Unterrichtung der für die Verfolgung oder Vollstreckung zuständigen Behörden geboten erscheint.
Eine behördliche Weitergabe personenbezogener Daten an die Strafverfolgungsbehörden darf mit Blick auf das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur im Rahmen der datenschutzrechtlichen gesetzlichen Vorgaben unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen.
Es kommt in Betracht, dass es ungeachtet des Fehlens einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit fehlt, wenn der Betrieb – von der zuständigen Aufsichtsbehörde, gegebenenfalls sogar nach gerichtlicher Anordnung – nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben rechtmäßig aktiv geduldet wird.
Die aktive Duldung des Weiterbetriebs einer formell illegalen Wettvermittlungsstelle bewirkt zwar nicht die (vorübergehende) formelle Legalisierung des Betriebs, die allein durch eine – ggf. auch nur vorläufige – Erlaubniserteilung durch die hierfür zuständige Behörde erfolgen kann, und vermag deshalb möglicherweise nicht, den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB entfallen zu lassen. Sie führt aber dazu, dass aus dem nicht erlaubten Weiterbetrieb für die Dauer der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen aktiven Duldung keine nachteiligen Folgen abgeleitet werden dürfen.
In den Fällen bereits bestehender Wettvermittlungsstellen kommt eine Duldung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG möglicherweise in Betracht, wenn nach eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs substantielle Zweifel an der Verfassungs- oder Unionsrechtskonformität der für das Erlaubnisverfahren maßgeblichen Regelungen bestünden und daher eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bzw. den Europäischen Gerichtshof ernsthaft in Betracht käme, die übrigen Erlaubnisvoraussetzungen aber zweifelsfrei vorlägen und deshalb im Einzelfall eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in Grundrechte drohte, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte.
Einer Duldung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Genehmigungsverfahrens bedarf es aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes jedenfalls nicht, wenn bereits im Eilverfahren mit der verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungstiefe hinreichend sicher geklärt werden kann, dass die erhobenen Einwände nicht erfolgsversprechend sind.
Bestandswettvermittlungsstellen werden nicht dadurch gegenüber Bestandsspielhallen verfassungswidrig ungleich behandelt, dass erstere 100 Meter Abstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe halten müssen, letztere hingegen nicht. Hierfür hat sich der Gesetzgeber auf tragfähige sachliche Gründe gestützt. Die verschiedenen Übergangsregelungen rechtfertigen sich aus der unterschiedlichen Schutzwürdigkeit von Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 26.11.2021 teilweise geändert.
Der Antrag wird auch abgelehnt, soweit die Antragsteller begehren, der Bezirksregierung L. im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, gegen sie eine Strafanzeige wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB) zu erstatten.
Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens als Gesamtschuldner. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens, der Antragsgegner trägt die andere Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (hierzu unter I.). Im Übrigen ist seine Beschwerde unzulässig (hierzu unter II.).
2I. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller teilweise entsprochen und der Bezirksregierung L. im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, gegen die Antragstellerin zu 1. oder den Antragsteller zu 2. eine Strafanzeige wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB) zu erstatten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs lägen vor. Die Erstattung einer Strafanzeige würde einen rechtswidrigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit darstellen. Denn es spreche bereits Überwiegendes dafür, dass der Antragsgegner bei der Erstattung einer Strafanzeige gegen die Antragsteller nicht im Rahmen seines Aufgaben- und Kompetenzrahmens handeln würde, weil hierfür in der vorliegenden Konstellation die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig seien. Unabhängig davon verstieße die Erstattung einer Strafanzeige durch den Antragsgegner gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil als geeignetere Mittel der Erlass einer Untersagungsverfügung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GlüStV 2021 verbunden mit einer Schließungsverfügung in Betracht kämen, die mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden könnten. Ob und inwieweit der Antragsgegner in der Lage sei, im Rahmen seiner Möglichkeiten als Aufsichtsbehörde das Weisungsrecht zu nutzen, um auf die für den Erlass solcher Maßnahmen zuständige örtliche Ordnungsbehörde einzuwirken, bedürfe dabei keiner Entscheidung.
3Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen bezogen auf den Antrag der Antragsteller, dem Antragsgegner aufzugeben, von einer Strafanzeige gegen sie zu abzusehen, entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht vor.
4Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO.
5Hier fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
6Als Grundlage für das Begehren der Antragsteller käme allein der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht. Die Grundrechte schützen vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln. Infolge dessen kann der Bürger gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung (wiederholt) droht oder eine solche bereits eingetreten ist und noch andauert.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.5.2008 – 6 C 13.07 –, BVerwGE 131, 171 = juris, Rn. 13, und Beschluss vom 11.11.2010 – 7 B 54.10 –, juris, Rn. 14; BGH, Urteil vom 2.7.2019 – VI ZR 494/17 –, juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 4.2.2021 – 4 B 1380/20 –, juris, Rn. 15 f.
8Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Erstattung einer Strafanzeige, die sich die Bezirksregierung für den Fall vorbehalten hat, dass der Betrieb der Wettvermittlungsstelle ohne Erlaubnis fortgeführt wird, würde die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzen. Hoheitsträgern ist es unabhängig von etwaigen Zuständigkeitsnormen gestattet, einen dienstlich zur Kenntnis gelangten Sachverhalt den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen, soweit sich hieraus Anhaltspunkte für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben und die Unterrichtung der für die Verfolgung oder Vollstreckung zuständigen Behörden geboten erscheint (hierzu unter 1.). Dies ist hier jedenfalls nach Abschluss dieses Eilverfahrens der Fall, sofern der Betrieb des streitgegenständlichen Wettbüros ohne Erlaubnis fortgeführt wird (hierzu unter 2.).
91. Außerhalb des Bereichs, der den Amtsträgern der Strafverfolgung zugewiesen ist, besteht für Beamte keine allgemeine Pflicht, ihnen bekannt gewordene Straftaten anzuzeigen. Soweit für Behörden, die keine Aufgaben der Strafverfolgung wahrnehmen, keine der gesetzlichen Bestimmungen gelten, die ihnen in einzelnen Beziehungen die Pflicht auferlegen, bei Verdacht oder Wahrnehmung einer Straftat die Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten (so beispielsweise nach § 159 Abs. 1 StPO und § 6 SubvG),
10vgl. BGH, Urteil vom 30.4.1997 – 2 StR 670/96 –, BGHSt 43, 82 = juris, Rn. 15 ff.,
11sind sie aber unter Beachtung der hierfür geltenden gesetzlichen Vorschriften berechtigt, nach § 158 Abs. 1 StPO die Anzeige einer Straftat bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich anzubringen.
12Vgl. BAG, Urteil vom 15.12.2016 – 2 AZR 42/16 –, juris, Rn. 16 („allgemeines Anzeigerecht“); Kölbel, Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 158 Rn. 11; vorausgesetzt wird die Berechtigung von Behörden, Strafanzeigen zu erstatten, auch in Nr. 90 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) des Bundesministeriums der Justiz, Az.: 4208/21 - R5 90/2002, in der Fassung vom 8.11.2021 (BAnz AT 24.11.2021 B1).
13Eine funktionstüchtige Strafrechtspflege einschließlich der Erhebung von rechtlich zulässigen und nicht wissentlich unwahren oder leichtfertigen Strafanzeigen bei Vorliegen des Verdachts einer strafbaren Handlung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten.
14Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.10.1977 – 2 BvR 631/77 –, BVerfGE 46, 214 = juris, Rn. 30, und vom 25.2.1987 – 1 BvR 1086/85 –, BVerfGE 74, 257 = juris, Rn. 11, jeweils m. w. N.
15Sofern die handelnden Beamten nicht gegen ihre dienstliche Verschwiegenheitspflicht nach § 37 BeamtStG verstoßen, ist es Behörden gestattet, einen derartigen Sachverhalt, der ihnen bei der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung zur Kenntnis gelangt ist, den Strafermittlungsbehörden mitzuteilen.
16Allerdings darf eine behördliche Weitergabe personenbezogener Daten an die Strafverfolgungsbehörden mit Blick auf das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung,
17vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 – 6 C 3.04 –, juris, Rn. 15, mit Verweis auf BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u. a. –, BVerfGE 65, 1 = juris, Rn. 149,
18nur im Rahmen der datenschutzrechtlichen gesetzlichen Vorgaben unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen.
19Vorbehaltlich etwaiger Spezialregelungen wie etwa § 30 Abs. 4 AO zum Schutz personenbezogener Daten in Steuersachen sind danach vor allem die Vorgaben der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) maßgeblich, welche nach Art. 288 AEUV unmittelbar anwendbar sind, sowie die die Datenschutz-Grundverordnung ergänzenden Regelungen in den Datenschutzgesetzen der Länder und des Bundes.
20Nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 DSG NRW ist im Einklang mit Art. 6 Abs. 4 Fall 2 i. V. m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. d) VO (EU) 2016/679 eine Weitergabe von Daten durch öffentliche Stellen zu anderen Zwecken als zu denjenigen, zu denen die Daten erhoben worden sind, als Verarbeitung personenbezogener Daten ‒ wozu nach der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 2 VO (EU) 2016/679 auch die Offenlegung von Daten durch Übermittlung zählt – zulässig, wenn sich bei der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung Anhaltspunkte für Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ergeben und die Unterrichtung der für die Verfolgung oder Vollstreckung zuständigen Behörden geboten erscheint. Dies erfordert nicht notwendig, dass im Sinne des sogenannten strafprozessualen Anfangsverdachts nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit einer verfolgbaren Straftat gegeben ist. Zwar ist eine Strafanzeige danach nicht geboten, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen. Ausreichend kann aber sein, dass objektiv erkennbare Anhaltspunkte dafür sprechen, eine Straftat sei begangen worden.
21Vgl. zum Vorliegen „zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte“ nach § 152 Abs. 2 StPO: BGH, Urteil vom 21.4.1988 – III ZR 255/86 –, juris, Rn. 17; BVerfG, Beschlüsse vom 3.3.2021 – 2 BvR 1746/18 –, juris, Rn. 58 f., vom 31.1.2020 – 2 BvR 2992/14 –, juris, Rn. 42 ff., und vom 8.3.2004 – 2 BvR 27/04 –, juris, Rn. 21; Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 152 Rn. 7 f. Zu § 41 OWiG vgl. Seith, in: Gassner, OWiG, 2. Aufl. 2020, § 41 Rn. 3, m. w. N.; Lampe, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 41 Rn. 3.
22Geboten ist die Übermittlung personenbezogener Daten an die Strafverfolgungsbehörden nur dann und in dem Umfang, wie dies für den damit verfolgten Zweck – also für eine etwaige Strafverfolgung – notwendig und verhältnismäßig ist. Dies folgt aus der Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 3, Abs. 4 Fall 2 i. V. m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. d) VO (EU) 2016/679, die die Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem sie erhoben worden sind, nur auf der Grundlage einer Rechtsvorschrift der Mitgliedstaaten gestattet, die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme unter anderem zur Verfolgung von Straftaten darstellt.
23Vgl. LT-Drucks. 17/1981, S. 137; Reimer, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 45 ff., 71; Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 6 Rn. 198 f.; dazu auch Heckmann/Scheurer, in: Gola/Heckmann, Bundesdatenschutzgesetz, 13. Aufl. 2019, § 23 Rn. 22.
24Die verantwortende Stelle hat danach jedenfalls eine „Vorbeurteilung“ vorzunehmen, inwieweit eine Übermittlung der vorliegenden Daten für die Aufgabenerfüllung der Strafverfolgungsbehörden erforderlich ist.
25Vgl. zu § 30 Abs. 4 AO: BFH, Urteil vom 29.7.2003 – VII R 39 u. a. –, BFHE 202, 411 = juris, Rn. 21, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 2.2.1982 – 1 C 146.80 –, BVerwGE 65, 1 = juris, Rn. 19; siehe ferner Albers/Veit, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 39. Edition, Stand: 1.11.2021, § 23 BDSG Rn. 30.
262. Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, begegnet die für den Fall der Fortführung des Betriebs ohne Erlaubnis vorbehaltene Erstattung einer Strafanzeige durch die Bezirksregierung wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels nach § 284 Abs. 1 StGB keinen rechtlichen Bedenken. Für ein strafbares Verhalten liegen objektiv erkennbare Anhaltspunkte vor, die die Unterrichtung der für die Strafverfolgung zuständigen Behörden geboten erscheinen lassen [hierzu unter a)]. Diese Anhaltspunkte sind nicht durch die von der Stadt L. ausgesprochene Duldung entfallen [hierzu unter b)]. Schließlich erwiese sich die Erstattung einer Strafanzeige auch nicht als unverhältnismäßig [hierzu unter c)].
27a) Nach § 284 Abs. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt.
28Vgl. BGH, Urteil vom 27.2.2020 – 3 StR 327/19 –, juris, Rn. 8 ff.
29Die Vermittlung von Sportwetten im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 in einer stationären Vertriebsstelle im Sinne des § 3 Abs. 6 GlüStV 2021 unterliegt nach den §§ 2 Abs. 6, 4 Abs. 1, 21a Abs. 1 GlüStV 2021 und den §§ 4, 13 Abs. 1 AG GlüStV NRW dem Erlaubnisvorbehalt. Nicht nur das Veranstalten, sondern auch das Vermitteln ohne diese Erlaubnis sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 als unerlaubtes Glücksspiel ebenso verboten wie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel. Die Vermittlungserlaubnis wird nach § 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW auf Antrag des Veranstalters dem Inhaber der Veranstaltererlaubnis für Sportwetten – hier der Antragstellerin zu 1. – und dem Vermittler – hier dem Antragsteller zu 2. – erteilt. Eine in der Vergangenheit bestandskräftig erteilte Baugenehmigung genügt dem glücksspielrechtlichen Erlaubniserfordernis nicht. Eine glücksspielrechtliche Erlaubnis ist auch erforderlich, wenn – wie hier – der Wettvermittler Sportwetten mit feststehenden Gewinnquoten an einen im europäischen Ausland konzessionierten Sportwettenveranstalter vermittelt. In der Vergangenheit konnte in solchen Fällen das Fehlen einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts einem Wettvermittler zwar nicht entgegen gehalten werden, weil private Anbieter tatsächlich in Deutschland keine Konzessionen in einem unionsrechtskonformen Erlaubnisverfahren erlangen konnten und deshalb auch Vermittlungserlaubnisse in Nordrhein-Westfalen weder mit Aussicht auf Erfolg beantragt werden konnten noch erteilt wurden.
30Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.1.2017 – 4 A 3244/06 –, juris, Rn. 37 ff., m. w. N. Siehe zur Anwendbarkeit des § 284 StGB bei extrem unklarer Rechtslage BGH, Urteil vom 16.8.2007 – 4 StR 62/07 –, juris, Rn. 8; BVerfG, Beschluss vom 29.6.2009 – 2 BvR 1499/05 –, juris Rn. 32 f.
31Die Sach- und Rechtslage hat sich inzwischen aber geändert. Seit Oktober 2020 besteht eine realistische Möglichkeit, Erlaubnisse zur Veranstaltung von Sportwetten in einem ordnungsgemäßen Verfahren – wie es auch die Antragstellerin zu 1. bezogen auf die Veranstaltererlaubnis erfolgreich durchlaufen hat – zu erlangen, die ihrerseits Voraussetzung für die nunmehr gleichfalls mögliche und erfolgende Erteilung von Wettvermittlungserlaubnissen sind.
32Vgl. Jahresreport 2020 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, endgültige Fassung vom 6.12.2021, S. 6, 20, abrufbar unter: https://www.im.nrw/themen/verwaltung/gluecksspielrecht; OVG NRW, Beschluss vom 15.12.2020 – 4 B 1095/20 –, juris, Rn. 28 ff., m. w. N.
33Eine Übergangsregelung, welche den Weiterbetrieb der bereits vor dem Inkrafttreten des Dritten Glücksspielstaatsvertrags bestehenden Wettvermittlungsstellen jedenfalls bis zum Abschluss des Erlaubnisverfahrens betrifft, sieht der Glücksspielstaatsvertrag 2021 nicht vor.
34Danach liegen hier Anhaltspunkte dafür vor, dass der objektive Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB erfüllt ist. Der Antragsteller zu 2. vertreibt in der von ihm betriebenen Wettvermittlungsstelle Sportwetten und vermittelt sie an die Antragstellerin zu 1. ohne die nach den §§ 4 Abs. 1, 21a Abs. 1 GlüStV 2021 und den §§ 4, 13 Abs. 1 AG GlüStV NRW hierfür erforderliche Erlaubnis. Die Bezirksregierung hat den Erlaubnisantrag der Antragstellerin zu 1. mit Bescheid vom 9.8.2021 abgelehnt.
35Dass die ablehnende Entscheidung der Bezirksregierung noch nicht bestandskräftig ist, weil über die Klage der Antragsteller hiergegen (VG Köln 24 K 4234/21) noch nicht entschieden worden ist, steht einer Strafbarkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht entgegen. Die Tatbestandsmerkmale des § 284 Abs. 1 StGB sind danach auch dann erfüllt, wenn die Versagung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis möglicherweise rechtswidrig war und im Nachhinein sogar eine Erlaubnis erteilt wird. Allein das Handeln ohne die vom Gesetz verfassungsgemäß und unionsrechtskonform geforderte Genehmigung begründet – unabhängig von der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit einer Versagung im Einzelfall – die Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB.
36Vgl. BGH, Urteil vom 27.2.2020 – 3 StR 327/19 –, juris, Rn. 13 ff., 19, 30; siehe aber auch EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14, Ince –, ECLI: EU:C:2016:72, juris, Rn. 53 ff.
37b) Die Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten sind auch nicht entfallen, nachdem die Stadt L. unter dem 4.5.2022 erklärt hat, den Betrieb der Wettvermittlungsstelle bis zum Abschluss des Klageverfahrens gegen den Ablehnungsbescheid der Bezirksregierung vom 9.8.2021 zu dulden. Dabei ist unerheblich, ob diese Duldung künftig weiter Bestand hat.
38In Betracht kommt zwar, dass es ungeachtet des Fehlens einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit fehlt, wenn der Betrieb – von der zuständigen Aufsichtsbehörde, gegebenenfalls sogar nach gerichtlicher Anordnung – nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben rechtmäßig aktiv geduldet wird.
39Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.7.2021 – 6 S 2237/21 –, juris, Rn. 7 ff., 9; OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2019 – 4 B 255/18 –, juris, Rn. 76 f.; Lesch, ZfWG 2021, 236 (241); Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, Vorb. zu §§ 32 ff., Rn. 62d; Heine/Schittenhelm, in: ebda., Vorb. zu §§ 324 ff., Rn. 20, m. w. N.
40Insbesondere steht die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 284 Abs. 1 StGB einer jedenfalls das Strafunrecht ausschließenden Wirkung der aktiven Duldung nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.2.2020 – 3 StR 327/19 – zwar betont, dass § 284 Abs. 1 StGB verwaltungsakzessorisch ausgestaltet ist, indem die Tatbestandserfüllung an das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis anknüpft. Das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden Erlaubnis entfällt danach nur, wenn im Tatzeitpunkt eine Genehmigung durch einen formal wirksamen Verwaltungsakt vorgelegen hat.
41Vgl. BGH, Urteil vom 27.2.2020 – 3 StR 327/19 –, juris, Rn. 14.
42Diesen Grundsätzen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass eine verwaltungsrechtliche Duldung strafrechtlich stets irrelevant sein muss. Wie schon der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 20.7.2021 – 6 S 2237/21 – ausgeführt hat, erscheint es im Gegenteil wegen der grundlegenden Verwaltungsakzessorietät des § 284 Abs. 1 StGB rechtlich bedenklich, einer Duldung, bei der es sich unter bestimmten Voraussetzungen um eine rechtmäßige behördliche Handlungsoption oder sogar verfassungsrechtlich fundierte bzw. gerichtlich angeordnete Handlungspflicht handeln kann, die strafrechtliche und erst recht die ordnungswidrigkeitenrechtliche Relevanz abzusprechen.
43Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.7.2021 – 6 S 2237/21 –, juris, Rn. 9.
44Die aktive Duldung des Weiterbetriebs einer formell illegalen Wettvermittlungsstelle bewirkt zwar nicht die (vorübergehende) formelle Legalisierung des Betriebs, die allein durch eine – ggf. auch nur vorläufige – Erlaubniserteilung durch die hierfür zuständige Behörde erfolgen kann,
45vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2019 – 4 B 256/18 –, juris, Rn. 7, m. w. N.,
46und vermag deshalb möglicherweise nicht, den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB entfallen zu lassen. Sie führt aber dazu, dass aus dem nicht erlaubten Weiterbetrieb für die Dauer der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen aktiven Duldung keine nachteiligen Folgen abgeleitet werden dürfen.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2019 – 4 B 256/18 –, juris, Rn. 80 ff.
48Angesichts dessen erscheint es mit Blick auf die Verwaltungsakzessorietät des § 284 Abs. 1 StGB folgerichtig, einer derartigen, aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen und deshalb auch nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben rechtmäßigen aktiven Duldung eine das Strafunrecht ausschließende Wirkung beizumessen.
49Vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.7.2021 – 6 S 2237/21 –, juris, Rn. 9.
50Der von der Stadt L. ausgesprochenen Duldung des Betriebs der Wettvermittlungsstelle kommt eine solche das Strafunrecht ausschließende Wirkung jedoch nicht zu, weil sie nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben zu Unrecht ergangen ist. In der Rechtsprechung des Senats ist hinreichend geklärt, dass sich insbesondere aus Gründen effektiven Rechtsschutzes [hierzu unter aa)] oder aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot [hierzu unter bb)] eine Pflicht ergeben kann, eine ohne Erlaubnis formell illegale Tätigkeit zu dulden.
51Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.3.2022 – 4 B 1520/21 –, juris, Rn. 21 ff.
52Beides ist hier nicht der Fall [hierzu unter cc)].
53aa) Ein Ausnahmefall, in dem eine Wettvermittlungsstelle ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu dulden sein kann, ergibt sich nicht schon allein aus der Tatsache, dass das Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Ein Duldungsanspruch ist in diesen Fällen insbesondere nicht aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes oder zur Wahrung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG geboten.
54Mit Art. 12 Abs. 1 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle auf gesetzlicher Grundlage einem Erlaubnisvorbehalt zu unterstellen, wie dies in den §§ 4 Abs. 1, 21a Abs. 1 GlüStV 2021 und den §§ 4, 13 Abs. 1 AG GlüStV NRW geschehen ist.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.6.2013 – 8 C 17.12 – , juris, Rn. 72; zum Erlaubnisvorbehalt für den Betrieb einer Spielhalle: OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 4700/19 –, juris, Rn. 34 ff., m. w. N.
56Zweck des Erlaubnisvorbehalts und der seiner Einhaltung dienenden Eingriffsermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 ist es gerade, zum Schutz des Geschäftsverkehrs die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Vor der Aufnahme einer erlaubnispflichtigen Gewerbetätigkeit ist deshalb ganz regelmäßig der reguläre Abschluss des Erlaubnisverfahrens abzuwarten.
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 16.5.2013 ‒ 8 C 41.12 ‒, juris, Rn. 32 und 54, und vom 20.6.2013 ‒ 8 C 46.12 ‒, BVerwGE 147, 81 = juris, Rn. 41 und 43; siehe auch zu § 15 Abs. 2 GewO: OVG NRW, Beschlüsse vom 27.5.2020 – 4 B 1208/19 –, juris, Rn. 5 f., und vom 18.7.2018 – 4 B 179/18 –, juris, Rn. 18 f., jeweils m. w. N.
58Dies gilt auch und gerade mit Blick auf die Strafbarkeit der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels nach § 284 StGB.
59Vgl. BGH, Urteil vom 27.2.2020 – 3 StR 327/19 –, Rn. 13 ff.
60Angesichts dessen kann eine Duldung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nur ausnahmsweise geboten sein. In den Fällen bereits bestehender Wettvermittlungsstellen kommt dies möglicherweise in Betracht, wenn nach eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs substantielle Zweifel an der Verfassungs- oder Unionsrechtskonformität der für das Erlaubnisverfahren maßgeblichen Regelungen bestünden und daher eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bzw. den Europäischen Gerichtshof ernsthaft in Betracht käme, die übrigen Erlaubnisvoraussetzungen aber zweifelsfrei vorlägen und deshalb im Einzelfall eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in Grundrechte drohte, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte.
61Vgl. zu Duldungsansprüchen, allerdings in anders gelagerten Fällen im Zusammenhang mit Auswahlentscheidungen unter konkurrierenden Spielhallen: OVG NRW, Beschlüsse vom 26.9.2019 – 4 B 255/18 –, juris, Rn. 9 ff., 33 ff., 70 ff., und vom 18.7.2018 – 4 B 179/18 –, juris, Rn. 26 ff., 44 f., m. w. N.
62Einer Duldung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Genehmigungsverfahrens bedarf es aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes jedenfalls nicht, wenn bereits im Eilverfahren mit der verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungstiefe hinreichend sicher geklärt werden kann, dass die erhobenen Einwände nicht erfolgsversprechend sind.
63bb) Ferner kann sich im Einzelfall aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot eine Pflicht ergeben, eine ohne Erlaubnis und damit formell illegal betriebene Wettvermittlungsstelle bis zu einer Entscheidung über den Erlaubnisantrag zu dulden. Dies ist aber allenfalls dann anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllte und dies offensichtlich, d. h. ohne weitere Prüfung erkennbar wäre, so dass die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich wäre. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigen dagegen ein Einschreiten.
64Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.2.2015 – 8 B 36.14 –, juris, Rn. 13, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 24.3.2022 – 4 B 1520/21 –, juris, Rn. 26 f., m. w. N.
65cc) Hier liegt kein Ausnahmefall vor, der die seitens der Stadt L. ausgesprochene Duldung des Betriebs der Wettvermittlungsstelle bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gegen den Bescheid der Bezirksregierung vom 9.8.2021 rechtfertigen könnte. Die von den Antragstellern geltend gemachten verfassungs- und unionsrechtlichen Einwände gegen das Abstandsgebot zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW greifen nicht durch [hierzu unter (1)]. Der formell illegale Betrieb der Wettvermittlungsstelle erfüllt auch nicht offensichtlich die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen [hierzu unter (2)].
66(1) Durchgreifende Zweifel an der Vereinbarkeit des für sog. Bestandswettvermittlungsstellen geltenden Mindestabstands von 100 Metern zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW mit höherrangigem Recht haben die Antragsteller nicht aufgeworfen. Die Regelung stellt insbesondere auch mit Blick auf die für Bestandsspielhallen geltende Übergangsregelung in § 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW eine kohärente und mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbare Regelung dar.
67Die mit dem Glücksspielstaatsvertrag in allen Bundesländern im Grundsatz aufeinander abgestimmten Regelungen zur Begrenzung der Zahl der Wettvermittlungsstellen verfolgen vorrangig das Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität zu schützen (§ 1 GlüStV 2021). Die Einhaltung dieser Ziele ist auch oberste Maxime bei der Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis (§ 24 Abs. 2 GlüStV 2021). Damit werden überragend wichtige Gemeinwohlziele verfolgt, die selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermögen.
68Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, BVerfGE 145 = juris, Rn. 122 ff., 132, 158; BVerwG, Urteil vom 5.4.2017 – 8 C 16.16 –, juris, Rn. 34, m. w. N.
69Die Einführung eines Mindestabstands von Wettvermittlungsstellen zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, der nach dem gesetzgeberischen Willen helfen soll, einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern,
70vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36,
71ist zur Erreichung dieses Ziels grundsätzlich geeignet, erforderlich und angemessen,
72vgl. zu dem für Spielhallen geltenden Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen in verschiedenen landesrechtlichen Regelungen BVerwG, Urteile vom 5.4.2017 – 8 C 16.16 –, juris, Rn. 36 ff., m. w. N., und vom 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, juris, Rn. 34 ff., und vom 16.12.2016 – 8 C 4.16 –, juris Rn. 17 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, BVerfGE 145 = juris, Rn. 119,
73und wird auch von den Antragstellern im Grundsatz nicht in Frage gestellt. Das für Wettvermittlungsstellen geltende Abstandsgebot hat der Landesgesetzgeber dem für Spielhallen geltenden nachgebildet.
74Vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36.
75Danach gilt sowohl für Spielhallen als auch für Wettvermittlungsstellen, dass diese nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden sollen; dabei soll regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern zu Grunde gelegt werden (§§ 13 Abs. 13 Satz 2, 16 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AG GlüStV NRW). Unter Beachtung von Vertrauensschutzerwägungen hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber wiederum für sogenannte Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen jeweils unterschiedliche Übergangsregelungen geschaffen. Er hat die Tatsache, dass in der Vergangenheit Wettvermittlungsstellen ohne glücksspielrechtliche Erlaubnis allein aufgrund einer bestandskräftigen Baugenehmigung betrieben worden sind, im Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag insoweit berücksichtigt, als dass er mit § 13 Abs. 15 AG GlüStV NRW (vormals Abs. 14) eine Übergangsregelung mit Blick auf das einzuhaltende Abstandsgebot zu anderen Wettvermittlungsstellen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe geschaffen hat. Danach gelten Wettvermittlungsstellen, die am 22.5.2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, als mit dem Mindestabstand zu anderen Wettvermittlungsstellen des § 13 Abs. 13 Satz 1 AG GlüStV NRW übergangsweise bis zum 30.6.2022 und für die Dauer der Wirksamkeit einer bis zu diesem Datum erteilten Erlaubnis für das Betreiben einer Wettvermittlungsstelle vereinbar (Satz 1). Für diese Wettvermittlungsstellen findet das Abstandsgebot zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW zudem mit der Maßgabe Anwendung, dass regelmäßig ein Mindestabstand von 100 Metern zu Grunde gelegt werden soll (Satz 2).
76Vgl. hierzu LT-Drs. 17/6611, S. 38; LT-Drs. 17/12978, S. 85.
77Der Landesgesetzgeber begünstigt danach Wettvermittlungsstellen, die am 22.5.2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben. Sie sollen nach dem gesetzgeberischen Willen trotz eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot nach § 13 Abs. 13 Satz 1 AG GlüStV NRW für eine Übergangszeit betrieben werden dürfen, soweit die Betreiber die ansonsten erforderlichen glücksspielrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Wettvermittlungsstellen unmittelbar neben öffentlichen Schulen sollen aber auch durch die Übergangsregelung wirksam vermieden werden.
78Vgl. LT-Drs. 17/12978, S. 86.
79Hingegen gilt für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ausführungsgesetzes NRW zum Glücksspielstaatsvertrag am 1.12.2012 (§ 24 Abs. 1 AG GlüStV NRW) bestehenden Spielhallen, für die eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden war, gemäß § 18 Abs. 1 GlüStV NRW die Abstandsregelung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW überhaupt nicht. Der Fortbetrieb von Bestandsspielhallen in unmittelbarer Nähe von Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ist danach weiter möglich, soweit die sonstigen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sind.
80Indem der Landesgesetzgeber unterschiedliche Abstandsregelungen für Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen getroffen hat, verhält er sich zunächst nicht inkohärent. Die Abstandsregelungen in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW und § 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW betreffen unterschiedliche Glücksspielsektoren. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass unterschiedliche Regelungen verschiedener Glücksspielformen verfassungs- und unionsrechtlich zulässig sind, sofern der Gesetzgeber eine angemessene Suchtprävention nicht außer Acht lässt.
81Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 –, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 123 f.; BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, juris, Rn. 51.
82Das zwischen Wettvermittlungsstellen und Einrichtungen für Minderjährige geltende Abstandsgebot verletzt auch nicht das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, juris, Rn. 76, m. w. N.
84Bestandswettvermittlungsstellen werden nicht dadurch gegenüber Bestandsspielhallen verfassungswidrig ungleich behandelt, dass erstere 100 Meter Abstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe halten müssen, letztere hingegen nicht. Hierfür hat sich der Gesetzgeber auf tragfähige sachliche Gründe gestützt. Die verschiedenen Übergangsregelungen rechtfertigen sich aus der unterschiedlichen Schutzwürdigkeit von Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen. Das Spielhallengewerbe unterliegt bereits seit 1960 einer besonderen zunächst bundesrechtlich in § 33i GewO geregelten Erlaubnispflicht. Die Erteilung von Erlaubnissen hing von Anfang an auch davon ab, dass im jeweiligen Einzelfall hinsichtlich der Lage des Betriebs und der zu verwendenden Räume keine Bedenken bestanden.
85Vgl. Art. 1 des Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vom 5.2.1960, BGBl. I S. 61; BT-Drs. 3/318, S. 16.
86Nachdem das Recht der Spielhallen in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 70, 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) übergegangen war, ist das Erlaubniserfordernis des § 33i GewO in Nordrhein-Westfalen – klargestellt nunmehr in § 21 Abs. 1 AG GlüStV NRW (§ 21 Abs. 2 AG GlüStV NRW 2012) – durch das Erlaubniserfordernis nach dem Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag ersetzt worden.
87Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 40 f., m. w. N.
88Die Übergangsregelung des § 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW (§ 18 Satz 3 AG GlüStV NRW 2012) dient insofern der Überleitung des gewerberechtlich bereits seit langem – auch bezogen auf seine jeweilige Lage – kontrollierten Spielhallengewerbes in ein neues Regelungsgefüge unter Berücksichtigung des an die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i GewO anknüpfenden Vertrauensschutzes des Spielhallenbetreibers. Anders als Betreiber von solchen Bestandsspielhallen war für Wettvermittlungsstellen bislang keine Prüfung der Vereinbarkeit ihrer jeweiligen Lage mit Jugendschutzgesichtspunkten erfolgt. Dementsprechend hatten sie keine vergleichbar schützenswerte Rechtsposition inne.
89Vgl. ähnlich auch OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 29.3.2022 – 1 S 21/22 –, juris, Rn. 13.
90Der den Betreibern von Wettvermittlungsstellen zu gewährende Vertrauensschutz knüpft allein an eine bestandskräftige Baugenehmigung an.
91Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5.6.2020 – 4 A 2089/17 –, juris, Rn. 43.
92Außer für Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24.8.2002 (BGBl. I S. 3412, 3420) erlaubt werden konnten, kannte das Bundesrecht keine Erlaubnistatbestände für die Vermittlung und Veranstaltung von Wetten. Auf landesgesetzlicher Grundlage erlaubten die Länder lediglich die Veranstaltung von Lotterien und Wetten durch den Staat oder von ihm beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum staatlichen Wettmonopol im Jahr 2006,
93BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 –, BVerfGE 115, 276 = juris,
94waren die Landesgesetzgeber zwar verfassungsrechtlich gehalten, den Bereich der Sportwetten neu zu regeln. Hieraus ergab sich hingegen nicht die Pflicht zur Marktöffnung. Das Bundesverfassungsgericht hatte vielmehr festgestellt, dass ein staatliches Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG dann vereinbar ist, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist.
95Vgl. BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 –, BVerfGE 115, 276 = juris, Rn. 97 ff.,120 ff.
96Angesichts dessen haben die Landesgesetzgeber mit dem am 1.1.2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag einen neuen einheitlichen Rahmen für die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Glücksspielen geschaffen, um den von dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen zu genügen und an der Monopolregelung festgehalten (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV 2008). Erst vor dem Hintergrund der Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrags 2008,
97vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.6.2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 37 ff., unter Verweis auf EuGH, Urteile vom 8.9.2010 – C-316/07 u. a. –, Slg. 2010, I-8069 = juris, und vom 8.9.2010 – C-46/08 –, Slg. 2010, I-8149 = juris; vorgehend OVG NRW, Urteil vom 21.2.2012 – 4 A 2847/08 –, juris, Rn. 27 ff.,
98wurde erstmalig mit dem Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15.12.2011 der bis dahin unregulierte Bestand der privaten Wettvermittlungsstellen einem Erlaubnisverfahren unterstellt. Ziel war es, den entstandenen Schwarzmarkt zu bekämpfen und, unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten, den Sportwettenmarkt in geordnete Bahnen zu lenken.
99Vgl. BayLT-Drs. 16/11995, S. 29.
100Hierfür wurde das Sportwettangebot zunächst probeweise für private Konzessionsnehmer für einen Zeitraum von sieben Jahren ab Inkrafttreten des Vertrages geöffnet (vgl. § 10a GlüStV 2012). Dabei hat der Landesgesetzgeber ausdrücklich betont, die Konzessionen würden im Rahmen einer befristeten Erprobung erteilt und das Experiment müsse rückholbar bleiben.
101Vgl. LT-Drs. 16/17, S. 42.
102Angesichts dieser Gesetzeshistorie musste den Betreibern von – lediglich baurechtlich genehmigten – Wettbüros von vornherein bewusst sein, dass das von ihnen betriebene Gewerbe mittelfristig einem gesetzlichen Regelungsregime unterworfen werden sollte, von dem der Fortbestand abhängen würde. Die restriktive Zulassungsabsicht des Gesetzgebers war von Anfang an erkennbar und hat sodann in § 10a Abs. 5 Satz 1 GlüStV 2012 (siehe nunmehr § 21a Abs. 1 GlüStV 2021), wonach die Zahl der Wettvermittlungsstellen zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags (vgl. § 1 GlüStV 2012) zu begrenzen sind, auch normativ Ausdruck gefunden.
103Vgl. näher hierzu LT-Drs. 16/17, S. 41 f.; siehe auch BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 –, BVerfGE 115, 276 = juris, Rn. 149, und Beschluss vom 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 –, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 190.
104Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, ihren Betrieb unverändert nach der seit langem dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich aufgegebenen Neuregelung selbst in unmittelbarer Nähe von öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe fortführen zu können, konnte auch angesichts des etwa in § 1 Nr. 3 GlüStV 2008 genannten Ziels der Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes bereits nicht entstehen.
105Etwas anderes folgt nicht daraus, dass Wettanbieter in der Vergangenheit tatsächlich keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV 2012 erlangen und deshalb Vermittlungserlaubnisse in Nordrhein-Westfalen bis Oktober 2020 weder mit Aussicht auf Erfolg beantragt noch erteilt werden konnten. Hierdurch wurde keinesfalls ein mit dem Schutzbedürfnis von Bestandsspielhallen vergleichbarer Vertrauenstatbestand geschaffen, sondern die absehbare Regulierung des Wettvermittlungsmarktes lediglich letztlich zu Gunsten der Wettvermittlungsbetreiber verzögert.
106(2) Die Duldung der Wettvermittlungsstelle ist auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten. Die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Erlaubniserteilung steht bereits entgegen, dass sich die Wettvermittlungsstelle in weniger als 100 Metern zu einer öffentlichen Schule befindet und der Betrieb damit gegen das Abstandsgebot nach § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 AG GlüStV NRW verstößt. Ein Anspruch auf Abweichung vom Mindestabstandsgebot unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls steht den Antragstellern nicht zu.
107Wie dargelegt soll nach § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 AG GlüStV NRW eine Wettvermittlungsstelle nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden. Dabei soll für Wettvermittlungsstellen, die – wie die streitgegenständliche – am 22.5.2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, regelmäßig ein Mindestabstand von 100 Metern zu Grunde gelegt werden. Nach § 5 Abs. 6 Satz 2 AG GlüStV NRW, der gemäß § 13 Abs. 13 Satz 3 AG GlüStV NRW entsprechend anwendbar ist, ist für die Berechnung des Mindestabstands maßgeblich die Luftlinie zwischen der Wettvermittlungsstelle und der Grenze des Grundstücks der Schule oder Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe. Die für die Erlaubnis zuständige Behörde darf unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen (§ 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW). Insoweit steht der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten Ermessen offen. Dem Zweck dieser Ermächtigung (§§ 114 VwGO, 40 VwVfG NRW) entspricht es allerdings, wenn sich die Behörde bei ihren Entscheidungen von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW leiten lässt und grundsätzlich nur in atypischen Fällen, in denen dies nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip erwägenswert ist, überhaupt eine Unterschreitung des Mindestabstands in Betracht zieht.
108Vgl. zum Abstandsgebot zwischen Spielhallen OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 79 ff., m. w. N.
109Entsprechend § 5 Abs. 3 der Annahme- und Wettvermittlungsstellenverordnung Nordrhein-Westfalen – AnVerVO NRW – vom 25.2.2020 (GV. NRW. S. 159) können dabei bauplanungsrechtliche Vorgaben der Standortgemeinden, städtebauliche Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standorts und der Lage – etwa Geländehindernisse wie Bahnlinien oder Flussläufe, die die fußläufige Erreichbarkeit atypisch erschweren –,
110vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 85, m. w. N.,
111und die minimale Unterschreitung des Abstandsgebots berücksichtigt werden. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind die besonderen Anforderungen des Kinder- und Jugendschutzes, dem der Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und zu Kinder- und Jungendeinrichtungen dient, zu berücksichtigen.
112Vgl. Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 14.9.2021 – 13-38.07.03-2 –, S. 6 f., 16.
113Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben steht der Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb der hier streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle das Mindestabstandsgebot aus § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW entgegen.
114Die Förderschule S.------straße der Stadt L. ist eine öffentliche Schule im Sinne des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW. Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne dieser Vorschrift sind entsprechend dem Regelungszweck Einrichtungen, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden. Hierunter fallen insbesondere Schulen, die nicht ausschließlich der Erwachsenenbildung dienen, unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft.
115Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 110; siehe auch Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 14.9.2021 – 13-38.07.03-2 –, S. 15.
116Es besteht kein Anlass, mit Blick auf Sinn und Zweck der Abstandsregelung zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe die Förderschule aufgrund ihrer besonderen Schülerstruktur vom Anwendungsbereich herauszunehmen. Ohne Erfolg machen die Antragsteller insofern geltend, der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW sei hier nicht eröffnet, weil die Schüler der Förderschule mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ diese nicht selbständig aufsuchten und verließen, ohne dass es einer (erziehungsberechtigten) Begleitperson bedürfe. Es könne anhand der allgemeinen Lebenserfahrung zudem in Frage gestellt werden, ob die Besucher dieser Förderschule durch das Glücksspielangebot konkret gefährdet seien. Die Behauptungen der Antragsteller finden schon in der Darstellung im Schulprogramm keine Bestätigung. Dort heißt es, die Schüler würden im Alter von sechs Jahren eingeschult und besuchten aufeinander folgend die Schulstufen von der Vorstufe bis zur Berufspraxisstufe. In der Umgebung ließen sich viele wichtige Alltagstätigkeiten leicht einüben. Selbstständige Schüler kämen mit dem öffentlichen Nahverkehr oder zu Fuß zur Schule. Andere Schüler würden unter anderem mit Schulbussen befördert.
117Vgl. Schulprogramm der Förderschule S.------straße , zuletzt abgerufen am 30.6.2022 unter: https://www.foerderschule-s. .de/so-arbeiten-wir/#Unterricht.
118Angesichts dessen spricht nichts dafür, dass die mit dem Abstandsgebot zu begegnenden besonderen Gefahren des Glücksspiels für die Schüler der Förderschule schon aufgrund ihrer Behinderungen und den tatsächlichen Umständen des Schulalltags von vorherein nicht bestünden.
119Die Förderschule liegt weiter unstreitig weniger als 100 Meter – nach den Messungen des Antragsgegners in Luftlinie 48 Meter, nach den Messungen der Antragsteller, bei denen einige zur Schule gehörende Flurstücke unberücksichtigt geblieben sind, gut 71 Meter – entfernt von der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle, welche damit den hier maßgeblichen Mindestabstand nach § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW unterschreitet.
120Es spricht auch nichts dafür, dass die Bezirksregierung unter Berücksichtigung der örtlichen Lage der Wettvermittlungsstelle hätte vom Mindestabstandserfordernis abweichen müssen (Ermessensreduzierung auf Null). Es ist auch nach dem Vorbringen der Antragsteller nicht ersichtlich, dass bauplanungsrechtliche Anforderungen für das Gebiet, in dem die Wettvermittlungsstelle des Antragstellers zu 2. liegt, für den Antragsgegner Anlass hätten geben können oder gar müssen, vom Mindestabstandsgebot ausnahmsweise abzuweichen. Weiter hat die Bezirksregierung nachvollziehbar die gegenüber der Luftlinienentfernung längere Fußwegentfernung gerade in dem vorliegenden urbanen Bereich für sich genommen nicht als atypisch bewertet, zumal der Fußweg hier noch nicht einmal durch Geländehindernisse wie Bahnlinien oder Flüsse erschwert wird. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass nach den Angaben der Antragsteller die Entfernung zwischen Eingang zum Schulgelände und Eingang der Wettvermittlungsstelle mit 210 Metern den (verringerten) Mindestabstand überschreitet. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die fußläufige Erreichbarkeit selbst dann noch nicht atypisch erschwert ist, wenn die tatsächliche Wegstrecke im Einzelfall mehr als das Doppelte des nach der Luftlinie bemessenen Mindestabstands beträgt.
121Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.6.2018 – 8 B 32.17 –, juris, Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 87 f., m. w. N.
122Dass nach den Behauptungen der Antragsteller von keinem Bereich des Schulgeländes der Förderschule Sichtkontakt zwischen der Förderschule und der Wettvermittlungsstelle besteht, stellt ebenfalls keine städtebauliche Besonderheit dar. Auch dass die zur Förderschule nächste Straßenbahnhaltestelle etwa 250 Meter entfernt von der Wettvermittlungsstelle liegt und der Fußweg von dort zur Schule nicht an der Wettvermittlungsstelle vorbei führt, begründet unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse keinen atypischen Fall. Auf den regulären Schulweg nach § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW kommt es nicht an und die Erkundung der Schulumgebung zum Erlernen wichtiger Alltagstätigkeiten gehört im konkreten Fall sogar erklärtermaßen zum Schulleben der Schüler. Ebenfalls dringen die Antragsteller nicht mit ihrer Behauptung durch, das Schulgrundstück sei im Verhältnis zum Schulgebäude außergewöhnlich groß und der Abstand der Grundstücksgrenze zum Schulgebäude und zum Schuleingang weiche vom Normalfall ab. Der Landesgesetzgeber hat bewusst bei der Berechnung des Mindestabstands die Luftlinie zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle zur Grenze des Grundstücks der Einrichtung als maßgeblich bestimmt, damit auch bei großen Schulhöfen, die ebenfalls von den Schülern genutzt werden, der Schutzzweck nicht nur eingeschränkt verwirklicht wird.
123Vgl. LT-Drs. 17/12978, S. 80.
124Ohne Erfolg bleibt ferner der Einwand der Antragsteller, der Mindestabstand werde nur minimal unterschritten. Selbst nach ihren einige Flurstücke des Schulgrundstücks außer Betracht lassenden Berechnungen unterschreitet die Wettvermittlungsstelle das Abstandsgebot zu der Förderschule um fast ein Drittel, nach den um diesen Fehler bereinigten und nicht mehr substantiiert bestrittenen Berechnungen der Antragsgegnerin um mehr als die Hälfte. Insofern kann von einer minimalen Unterschreitung keine Rede sein, zumal mit Blick auf den angestrebten Kinder- und Jugendschutz selbst eine restriktive Anwendung der Ausnahmemöglichkeiten jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft wäre.
125Soweit die Antragsteller darauf verweisen, die Wettvermittlungsstelle existiere seit 2010, sie sei die einzige Einnahmequelle des Antragstellers zu 2. und es lägen keine Erkenntnisse vor, dass von ihr negative Auswirkungen ausgingen, begründet dies mit Blick auf die deutliche Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands und den erwähnten eingeschränkten Vertrauensschutz jedenfalls keinen Anspruch auf eine Abweichung.
126c) Die Erstattung einer Strafanzeige erwiese sich im konkreten Fall schließlich nicht als unverhältnismäßig. Die Übermittlung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts an die Strafverfolgungsbehörden dient der Strafverfolgung und damit einem öffentlichen Anliegen [hierzu unter aa)]. Mit Blick auf diesen Zweck ist die in Aussicht gestellte Strafanzeige erforderlich [hierzu unter bb)] und angemessen [hierzu unter cc)].
127aa) Nach den Ausführungen des Antragsgegners im streitgegenständlichen Bescheid soll die in Aussicht gestellte Strafanzeige bei Weiterbetrieb der Wettvermittlungsstelle ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis in erster Linie der Ahndung von Verstößen gegen den von allen Gewerbetreibenden zu beachtenden Erlaubnisvorbehalt und das insofern einzuhaltende Genehmigungsverfahren dienen und dadurch mittelbar den in § 1 GlüStV 2021 genannten Zielen des Glücksspielstaatsvertrags. Entsprechend hat er auf den Straftatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hingewiesen und dabei berücksichtigt, dass eine aktive Duldung der von dem Antragsteller zu 2. betriebenen Wettvermittlungsstelle bis zum Abschluss eines Rechtsmittelverfahrens in der Hauptsache gegen die ablehnende Entscheidung über den Erlaubnisantrag nicht rechtlich geboten ist. Zugleich hat der Antragsgegner auf die Möglichkeit hingewiesen, vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, wovon die Antragsteller mit diesem Verfahren Gebrauch gemacht haben.
128bb) Die in Aussicht gestellte Strafanzeige wäre auch erforderlich, um den beabsichtigten Anstoß zur Strafverfolgung zu geben. Insbesondere stellte sich der Erlass einer Untersagungsverfügung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GlüStV 2021, verbunden mit einer Schließungsverfügung, nicht als ebenso geeignetes, aber milderes Mittel dar. Für den Erlass einer solchen Unterlassungsverfügung ist der Antragsgegner – wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist – bereits nicht zuständig, weil die Aufgaben der Glücksspielaufsicht bezogen auf eine Wettvermittlungsstelle gemäß § 20 Abs. 1 AG GlüStV NRW erst ab dem Zeitpunkt der Erlaubniserteilung auf die Bezirksregierung als für die Erlaubniserteilung nach § 19 Abs. 3 Nr. 3 AG GlüStV NRW zuständige Behörde übergehen. Im Übrigen sind gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AG GlüStV NRW (§ 20 Abs. 3 AG GlüStV NRW 2012) die örtlichen Ordnungsbehörden im Sinne des § 3 Abs. 1 OBG NRW für die Überwachung und Untersagung von unerlaubten Glücksspielen zuständig.
129Vgl. noch zur alten Rechtslage OVG NRW, Beschluss vom 15.12.2020 – 4 B 1095/20 –, juris, Rn. 9 ff.
130An einer den Zuständigkeitsübergang auslösenden glücksspielrechtlichen Erlaubnis fehlt es bezogen auf den Betrieb der in Rede stehenden Wettvermittlungsstelle, auch wenn die Antragstellerin zu 1. bereits über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten verfügt. Um ein glücksspielaufsichtsrechtliches Einschreiten gegen das Veranstalten von Sportwetten als solches geht es hier gerade nicht. Unabhängig von der Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Bezirksregierung hier als Aufsichtsbehörde von ihrem Weisungsrecht nach den §§ 7 Abs. 2, 9 Abs. 1 OBG NRW gegenüber der örtlichen Ordnungsbehörde Gebrauch machen könnte, erwiese sich eine dem Gefahrenabwehrrecht dienende Maßnahme insbesondere deshalb nicht als gegenüber der Erstattung einer Strafanzeige mildere Maßnahme, weil ihr jedenfalls eine andere Zielrichtung zukommt. Glücksspielaufsichtsrechtliche Maßnahmen dienen zwar letztlich dazu, einen rechtswidrigen Zustand zu beenden. Eine gegebenenfalls bei hartnäckigen Verstößen zusätzlich gebotene Ahndung des strafbaren Betriebs der Wettvermittlungsstelle, die mit der Strafanzeige angestoßen werden soll, ist auf diesem Weg jedoch nicht möglich. Sinngemäß nur für solche Fälle hat der Antragsgegner eine Strafanzeige angekündigt.
131cc) Bei unerlaubtem Weiterbetrieb selbst nach Abschluss dieses gerichtlichen Eilverfahrens wäre die Erstattung einer Strafanzeige im konkreten Fall auch nicht unangemessen. Insbesondere tritt das öffentliche Interesse an der durch eine Strafanzeige angestoßenen Strafverfolgung nicht hinter dem Interesse der Antragsteller zurück, von den mit einer Strafanzeige gegebenenfalls einhergehenden Folgen verschont zu bleiben. Zwar sind die Zwangslage und die Belastung, welche die Androhung der Einleitung eines Strafverfahrens für den Betroffenen mit sich bringen, weitaus größer, als die Ankündigung eines behördlichen Verbots, weshalb eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung möglich sein muss.
132Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.1.1969 – 1 C 86.64 –, BVerwGE 31, 177 = juris, Rn. 18 ff., 20.
133Eine solche Nachprüfung hat der Antragsgegner aber ermöglicht. Auch ist sie in diesem Verfahren erfolgt. Zudem ist durch die Strafbarkeit einer falschen Verdächtigung nach § 164 StGB und die Kostenregelung in § 469 StPO ein Schutz des Beschuldigten vor vorsätzlich falschen Verdächtigungen und solchen Anzeigen gewährleistet, die leichtfertig, das heißt ohne erkennbaren Grund erstattet werden. Im Übrigen unterliegen die erhobenen Vorwürfe der Überprüfung in einem mit rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien ausgestatteten Ermittlungsverfahren, dem sich jeder betroffene Staatsbürger bei Vorliegen des Verdachts einer strafbaren Handlung stellen muss.
134Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.2.1987 – 1 BvR 1086/85 –, BVerfGE 74, 257 = juris, Rn. 11.
135Schließlich verstieße der Antragsgegner mit einer Strafanzeige auch nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG folgende Willkürverbot.
136Vgl. BVerfG. Beschlüsse vom 2.10.2003 – 2 BvR 660/03 –, juris, Rn. 5, vom 19.12.1983 – 2 BvR 1731/82 –, juris, Rn. 6, und vom 23.7.1982 – 2 BvR 8/82 –, NStZ 1982, 430 (jeweils im Zusammenhang mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens).
137Vor allem ist in der Tatsache, dass der Antragsgegner (zunächst) nur gegenüber den Antragstellern in seinem Ablehnungsbescheid in Aussicht gestellt hatte, bei Weiterbetrieb der Wettvermittlungsstelle ohne Erlaubnis eine Strafanzeige zu erstatten, keine Grundrechtsverletzung zu erblicken. Die Antragsteller können weder aus dem Gleichheitssatz noch aus Art. 2 Abs. 1 GG verlangen, dass der Antragsgegner eine Anzeige auch gegen andere erstattet oder eine Anzeige gegen sie unterlässt, weil oder solange er nicht zugleich auch gegen andere Personen in objektiv gleicher oder ähnlicher Verdachtslage vorgeht.
138Vgl. zur Einleitung eines Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung des Legalitätsprinzips BVerfG, Beschluss vom 23.7.1982 – 2 BvR 8/82 –, NStZ 1982, 430.
139Für eine willkürliche, auf sachfremde Erwägungen gestützte Handhabung der Erstattung von Strafanzeigen im Falle des unerlaubten Betriebs von Wettvermittlungsstellen wiederum liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Bezirksregierung hat sich eine Strafanzeige bisher lediglich vorbehalten und selbst auf die Möglichkeit einer vorangehenden verwaltungsgerichtlichen Überprüfung im Eilverfahren hingewiesen.
140II. Soweit sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde auch dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht den von den Antragstellern gestellten Antrag,
141den Betrieb der Wettvermittlungsstelle A. Straße 000 in L. bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (Klage gegen den Bescheid vom 9.8.2021) zu dulden und keine Untersagungsverfügung auszusprechen,
142abgelehnt hat, ist die Beschwerde unzulässig. Der Antragsgegner hat kein Rechtsschutzbedürfnis, weil er insoweit durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert ist.
143Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels unter anderem, dass ein Rechtsschutzinteresse in der besonderen, dem Rechtsmittel angepassten Form vorliegt. Dieses ist dann gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dem das Rechtsmittel Einlegenden etwas versagt hat, was er beantragt hat, oder, anders ausgedrückt, wenn ein dem Beteiligten nachteiliger Unterschied zwischen seinem Begehren und der angefochtenen Entscheidung besteht. Wo aber dem Begehren des Rechtsmittelführers in vollem Umfang stattgegeben worden ist, ist er nicht beschwert, und zwar auch dann nicht, wenn die angefochtene Entscheidung auf andere Gründe gestützt ist, als sie der Rechtsmittelführer zur Rechtfertigung seines Begehrens vorgebracht hatte. In einem solchen Fall ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.
144Vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 3.7.1956 – 3 C 102.55 –, BVerwGE 4, 16 = BeckRS 1956, 102403, sowie Beschlüsse vom 10.1.1964 – 5 B 83.62 –, BVerwGE 17, 352 = juris, Rn. 3, und vom 18.2.2002 – 3 B 149.01 –, juris, Rn. 1.
145Hier hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Antragsteller auf Duldung und Verzicht auf eine Untersagungsverfügung bezogen auf die in Rede stehende Wettvermittlungsstätte abgelehnt und insoweit dem Antrag des Antragsgegners entsprochen. Damit fehlt es in diesem Umfang an einer Beschwer des Antragsgegners. Dass dieser die Frage der Zuständigkeit für den Erlass einer aktiven Duldung einer Wettvermittlungsstelle anders beurteilt als das Verwaltungsgericht in seinen Beschlussgründen, verhilft ihm nicht zur Beschwerdeberechtigung.
146Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Kosten des Verfahrens erster Instanz aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO, hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 159 Satz 2 VwGO.
147Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG und entspricht in ihrer Höhe der nicht beanstandeten Festsetzung des Verwaltungsgerichts für den ersten Rechtszug.
148Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).