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Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage 3 K 2549/18.A VG Köln (1 A 1902/21.A OVG NRW) gegen die in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. März 2018 enthaltene Abschiebungsandrohung wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. April 2018 – 3 L 736/18.A – angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e:
2Der Antrag der Antragstellerin, über den der Senat als nach Eingang des Antrags auf Zulassung der Berufung in dem zugehörigen Hauptsacheverfahren (1 A 1902/21.A) als nunmehr zuständiges Gericht der Hauptsache i. S. v. § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO entscheidet, hat Erfolg.
3Es kann dahinstehen, ob mit Blick auf die von der Antragstellerin mit der Antragsschrift vom 14. März 2022 übersandten Abdrucke gerichtlicher Entscheidungen (OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Dezember 2021 – 17 B 1728/21.A –; und vom 17. Januar 2022 – 13 B 829/21.A –; VG Arnsberg, Beschluss vom 21. Dezember 2021 – 13 L 1118/21.A –) die Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO („veränderte Umstände“) erfüllt sind. Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO einen Beschluss über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung jederzeit von Amts wegen ändern oder aufheben. Der Antrag der Antragstellerin ist als eine entsprechende Anregung zu verstehen. Prüfungsmaßstab für die gerichtliche Entscheidung ist allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist.
4Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. März 2011 – 8 VR 2.11 –, juris, Rn. 7 f; vom 26. März 2018 – 1 VR 1.18 –, juris, Rn. 6.
5Dies zugrunde gelegt überwiegt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage – im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) – das Suspensivinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der unter Ziffer 3. des angegriffenen Bescheides verfügten Abschiebungsandrohung (vgl. § 71a Abs. 4 AsylG i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AsylG).
6Die Antragstellerin hat in der fristgemäßen Zulassungsbegründung vom 12. Juli 2021 (1 A 1902/21.A) die – aus ihrer Sicht voraussichtlich klärungsfähige und -bedürftige – Frage als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfen,
7ob § 71a AsylG mit Art. 33 Abs. 2 lit. d) RL 2013/32/EU sowie Art. 41 Abs. 1 lit. b) vereinbar oder eben europarechtswidrig ist […].
8Der Senat schließt sich der Ansicht des 17. und 13. Senats des beschließenden Gerichts an,
9vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Dezember 2021 – 17 B 1728/21.A –, juris, Rn. 6; und vom 17. Januar 2022 – 13 B 829/21.A –, n. v., Beschlussabdruck, S. 2 f.,
10dass die Frage, ob § 71a AsylG mit Art. 33 Abs. 2 lit. d) RL 2013/32/EU vereinbar ist, nicht weiter als „acte clair“ bejaht werden kann,
11vgl. allerdings: OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 22. Oktober 2018 – OVG 12 N 70.17 –, juris, Rn. 7; und vom 13. Oktober 2020 – 6 N 89/20 –, juris, Rn. 24 ff.; Sächsisches OVG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 5 A 638/19.A –, juris, Rn. 12; OVG Bremen, Urteil vom 3. November 2020 – 1 LB 28/20 –, juris, Rn. 45 ff.,
12nachdem das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 16. August 2021 – 9 A 178/21 –, juris, (u. a.) zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt hat,
13ob eine nationale Regelung, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässiger Folgeantrag abgelehnt werden kann, mit Art. 33. Abs. 2 lit. d) und Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU vereinbar ist, wenn das erfolglose erste Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat der EU durchgeführt wurde,
14und bereits zuvor die Europäische Kommission in einem Verfahren vor dem EuGH– in dem diese Frage aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen geblieben ist – europarechtliche Zweifel aufgebracht hatte.
15Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 – C-8.20 –, juris, Rn. 29, 30 und 40; ebenso offen gelassen: BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 C 4.16 –, juris, Rn. 26.
16Die Prüfung, ob der Zulassungsantrag der Antragstellerin zur Zulassung der Berufung führen wird und ob in einem etwaigen Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts Bestand haben wird, bleibt der Hauptsache vorbehalten.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylG.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).