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Bei der Beurteilung, ob eine gemischte Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente zu vernachlässigen, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können.
Wird für eine als Versammlung angemeldete Musik- und Tanzveranstaltung geltend gemacht, das gemeinsame Tanzen zur Musik sei eine „Verkörperung eines Versammlungsmottos“ bzw. eine „Kundgabe von Versammlungszwecken im Wege nonverbaler Kommunikation“, so gibt diese Darstellung für eine Versammlungseigenschaft der Veranstaltung nichts her, wenn das Tanzen unter den gegebenen Umständen aus der Perspektive eines durchschnittlichen Betrachters nicht als (kollektive) Meinungskundgabe bewertet wird.
Der Sinn und Zweck des in § 3 Abs. 2 VersG NRW vorgesehenen Kooperationsgesprächs liegt darin, die Behörde anzuhalten, sich vor dem Erlass einer Beschränkung der Versammlungsfreiheit um eine kooperative, einvernehmliche Lösung mit dem Versammlungsveranstalter zu bemühen. Das Kooperationsgespräch dient nicht dazu herauszuarbeiten, ob eine geplante Veranstaltung überhaupt den Schutz der Versammlungsfreiheit genießt, und erforderlichenfalls dem Anmelder eine Umgestaltung der Veranstaltung anzuraten.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung. Sie stellen die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, der von der Antragstellerin angefochtene Feststellungsbescheid des Polizeipräsidiums N. vom 4. Juli 2022 erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, nicht durchgreifend in Frage. Die von der Antragstellerin für den 16. Juli 2022 angemeldete Veranstaltung „V. N1. “ ist voraussichtlich keine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG und des nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes.
3Versammlungen sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.
4Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 2020 - 1 BvQ 37/20 -, juris Rn. 17, vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90 -, juris Rn. 41, und vom 12. Juli 2001 - 1 BvQ 28/01 -, juris Rn. 19.
5Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit dem Anliegen der Versammlung entsprechend einzuwirken. Die Erörterung und Kundgebung muss dabei Angelegenheiten betreffen, die zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt und geeignet sind.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 -, juris Rn. 15.
7Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens. Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen. Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit beispielsweise auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen beispielsweise auch dann erfasst, wenn sie sich dafür einsetzen, dass bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden. Eine Musik- und Tanzveranstaltung wird jedoch nicht allein dadurch zu einer Versammlung im Sinne von Art. 8 GG, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen. Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, richtet sich die rechtliche Beurteilung danach, ob sich die Veranstaltung aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters ihrem Gesamtgepräge nach als Versammlung darstellt oder ob andere Zwecke im Vordergrund stehen.
8Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. August 2007 - 6 C 22.06 u. a. -, juris Rn. 14, und vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 -, juris Rn. 15 f.; vgl. zu sog. gemischten Veranstaltungen auch OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Mai 2021 - 15 B 840/21 -, juris Rn. 10 ff., und vom 11. Dezember 2020 - 15 B 1971/20 -, juris Rn. 13 ff.
9Die Beurteilung, ob eine gemischte Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Dabei sind zunächst alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Sodann sind die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und zu gewichten und die unterschiedlichen Elemente zueinander in Beziehung zu setzen. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln. Auf das Niveau der Veranstaltung und des Beitrags zur Meinungsbildung kommt es dabei nicht an.
10Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 2016 - 1 BvR 458/10 -, juris Rn. 113; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 -, juris Rn. 17 f.
11Hierbei sind in die Erfassung der Modalitäten der Veranstaltung, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen, nur solche Veranstaltungselemente einzubeziehen, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Auf diesen Betrachter kommt es deshalb in erster Linie an, weil eine Versammlung vorrangig durch ihre Präsenz an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit auf die öffentliche Meinung einwirken will. Allerdings können gegebenenfalls auch Umstände von Bedeutung sein, die für einen Außenstehenden „vor Ort“ nicht wahrnehmbar sind, etwa im Zusammenhang mit öffentlichen Äußerungen des Veranstalters im Vorfeld der Veranstaltung.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 -, juris Rn. 17.
13Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 -, juris Rn. 17; OVG NRW, Beschluss vom 11. Dezember 2020 - 15 B 1971/20 -, juris Rn. 15.
15Ausgehend von diesen - auch vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten - Maßstäben erweist sich die von der Antragstellerin angemeldete Veranstaltung „V. N1. “ nach Lage der Akten nicht als Versammlung im Sinne des Art. 8 GG. Die Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände führt zu dem Ergebnis, dass den Veranstaltungselementen, die nicht auf eine Meinungsbildung zielen, ein deutliches Übergewicht zukommt.
16Dem im Verwaltungsverfahren von der Antragstellerin vorgelegten „Timing & Ablaufplan“ zufolge soll die Veranstaltung um 12.00 Uhr mit einer sog. „Auftaktkundgebung“ im Bereich C. beginnen; als Programmpunkte sind insoweit benannt: „Jingle mit Demonstrationsforderungen, Rede Dr. N2. , Rede Q. H. “. Für 12.15 Uhr ist der „Start des Zuges auf C1.-------straße “ vorgesehen. Auf der Strecke sind sodann mehrere jeweils offenbar fünfminütige sog. „Zwischenkundgebungen“ eingeplant (12.40 - 12.45 Uhr C2.-------platz , 13.55 - 14.00 Uhr H1. , 14.45 - 14.50 Uhr T. -Platz, 15.40 - 15.45 Uhr B. Straße/W. Straße, 16.40 - 16.45 Uhr T1.--------straße /C1.-------straße ). Von 13 bis 17 Uhr soll jeweils zur vollen Stunde ein „Jingle mit Demonstrationsforderungen“ abgespielt werden. Enden soll die Veranstaltung mit einer sog. „Abschlusskundgebung“ in der Zeit von 17.30 - 18.00 Uhr. Näheres zum programmatischen Inhalt der „Zwischen- und Abschlusskundgebungen“ ergibt sich aus dem Ablaufplan nicht. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat in seinem vorprozessualen Schreiben vom 19. Mai 2022 mitgeteilt, die „Darbietung der musikalischen Elemente“ diene dazu, „der politischen Forderung auf Anerkennung der elektronischen Tanzmusikkultur, so wie diese auf den jeweiligen Zwischenkundgebungen durch einzelnen Redner gefordert werden wird, inhaltlich zu untermalen“.
17In der von der Antragstellerin vorgelegten Veranstaltungsanmeldung heißt es unter der Überschrift „Meinungskundgebung“:
18„Mit Neuauflage des vor über 20 Jahren, letztmalig stattfindenden V. N1. , wird gegen Ablehnungen und bewusste Verhinderungen elektronischer Straßen-Paraden seitens Kommunen und Behörden demonstriert.
19Unter dem Motto „Music is visible“ demonstrieren DJs und Veranstalter der Szene gemeinsam gegen unverhältnismäßige und ungleiche Genehmigungsverfahren zur Zulassung elektronischer Tanz-Paraden auf Deutschlands Straßen. Ziel ist es, Musikveranstaltungen wie Techno-Paraden erneut öffentlich sichtbar zu machen und die Interessen durch geordnetes und zielgerichtetes Spektakel hervorzuheben.
20Zugleich wird gefordert, die Technokultur Nordrhein-Westfahlen in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufzunehmen.
21Zum Ende der Demonstration wird daher eine Abschlusskundgebung stattfinden. Diese wird vom Paradewagen des Veranstalters aus verkündet, bevor die Teilnehmer dann zu den zuvor organisierten Aftershow-Partys in die umliegenden Clubs, Pubs und Discotheken ausschwärmen.“
22Der weiter eingereichte sog. „Forderungskatalog“ hat folgenden Wortlaut:
23„Mit dem V. N1. wird gefordert;
241. die Technokultur Nordrhein-Westfahlen in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufzunehmen
252. bundeseinheitliche Anmelde- und Genehmigungsverfahren für elektronische Straßenparaden mit Ansprechpartnern auf Bundes- Landes- und Kommunaler Ebene
263. Wir streben Schutz, Pflege, Darstellung, Förderung und Weiterentwicklung der elektronischen Tanzmusikkultur z.B. durch Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO, einen offiziellen Feiertag für die Kultur- und dazu einen Festakt an, der gelebte Tradition der elektronischen Tanzmusik würdigt. Der V. N1. soll als elektronische Parade in NRW, den Spirit vergangener Paraden fortführen und die kulturelle Symbolik waren.“
27Einen „Forderungskatalog“ mit gleichen bzw. ähnlichen Inhalten hat die Antragstellerin auf der von ihr betriebenen Webseite http://www.p. de/home.html veröffentlicht.
28Unter Berücksichtigung des geplanten Veranstaltungsablaufs und der von der Antragstellerin als meinungsbildend beschriebenen Elemente ist das Verwaltungsgericht zu dem zutreffenden Schluss gelangt, dass die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach überwiegend als Musik- und Tanzveranstaltung erscheint.
29Dabei spricht in Anbetracht der im Verwaltungsverfahren dokumentierten Vorgeschichte der Veranstaltung alles dafür, dass jedenfalls bestimmte als meinungsbildend bezeichnete Kundgebungselemente von der Antragstellerin nur vorgeschoben werden, um die Veranstaltung unter den Schutz der Versammlungsfreiheit zu stellen.
30Bei dem am 27. April 2022 durchgeführten Informationsgespräch im Polizeipräsidium N. wurde die Frage, ob eine Auftakt- oder Zwischenkundgebung geplant sei, von den Vertretern der Antragstellerin verneint („Nein. Es wird nicht gesagt. Es geht nur um Musik.“) und die Veranstaltung als ähnlich der Loveparade oder einem Karnevalszug dargestellt. Vorgesehen sei eine auf 20 bis 30 Minuten angelegte Abschlusskundgebung am sog. „B1. “ (Bl. 11 des Verwaltungsvorgangs - VV). Ein Redner sei nur im Rahmen der Abschlusskundgebung geplant (Bl. 16 VV). In seinem Anhörungsschreiben vom 2. Mai 2022 teilte das Polizeipräsidium der Antragstellerin mit, es komme in Würdigung ihrer Angaben zu dem Schluss, dass die in Rede stehende Veranstaltung keine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes NRW sei. Die angezeigte Veranstaltung trage nach dem Gesamteindruck den Charakter einer unterhaltenden öffentlichen Musikveranstaltung, während das Element der Meinungskundgabe in den Hintergrund trete (Bl. 39 f. VV). Daraufhin wurde von Seiten der Antragstellerin der (oben bereits angesprochene) „Timing & Ablaufplan“ vorgelegt, der erstmals eine „Auftaktkundgebung“ sowie mehrere „Zwischenkundgebungen“ auswies.
31Dieser Hergang, der von der Antragstellerin nicht in Frage gestellt wird, belegt, dass die nachträgliche Änderung des Veranstaltungsablaufs lediglich der situationsangepassten „Anreicherung“ der Veranstaltung mit meinungsbezogenen Elementen dient, um die Vorteile der Versammlungsfreiheit zu genießen, ohne dass dem ein authentisches Interesse, an der öffentlichen Meinungsbildung teilzuhaben, zugrunde liegt.
32Unabhängig davon haben sämtliche von der Antragstellerin als meinungsbildend herausgestellten Kundgebungselemente in der Gesamtschau aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters ein zu geringes Gewicht, um annähernd gleichrangig neben dem dominierenden Musik- und Tanzcharakter der Veranstaltung zu stehen. Schon ihrem zeitlichen Umfang nach stellen sich die „Auftakt-, Zwischen- und Abschlusskundgebungen“ gemessen an der gesamten Dauer der sechsstündigen Veranstaltung als so untergeordnet dar, dass sie allenfalls als Beiwerk erscheinen. Auch das wiederholte Abspielen eines „Jingle mit Demonstrationsforderungen“ hat erkennbar kein nennenswertes Gewicht und wirkt in dem Ablauf der „Musik-Parade“ eher als Fremdkörper. Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde geltend macht, der - nach der mit der Antragsschrift vorgelegten Email vom 7. Juli 2022 einzig verbleibende - „V. N1. Wagen“ sei „in seiner Länge mit einem Banner mit der Aufschrift: ‚Music is visible‘ ausgestattet“, führt dies zu keinem wesentlich anderen Erscheinungsbild der Veranstaltung. Dabei kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die besagte Aufschrift als auf Meinungsbildung angelegte Äußerung verstanden werden kann. Denn sie wird im Gesamtbild der Veranstaltung jedenfalls nicht als solche wahrgenommen. Zudem hat sie, schon weil es nur um ein einzelnes Fahrzeug geht, keine relevante Wirkungskraft. Im Übrigen erschließt sich weder aus der Versammlungsanmeldung noch aus dem sonstigen Vorbringen der Antragstellerin im Verwaltungs- und Eilverfahren, wie die für die „Zwischenkundgebungen“ vorgesehenen Redebeiträge auf der Strecke von der Gesamtheit der - mit maximal 10.000 bezifferten - Veranstaltungsteilnehmer akustisch wahrgenommen werden können, wenn die Antragstellerin nunmehr nur noch einen Wagen einsetzen will.
33Vor diesem Hintergrund kommt es auf die mit der Beschwerdeschrift beantragte und ohnehin nicht in die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts fallende „Tatbestandsberichtigung“ nicht an. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts enthält im Übrigen auch keine nach § 119 Abs. 1, § 122 Abs. 1 VwGO berichtigungsfähigen tatsächlichen Feststellungen, denen eine urkundliche Beweiskraft gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 314 ZPO zukommt.
34Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Auffassung der Antragstellerin, auch in dem Tanzen zur Musik liege eine Verkörperung des Mottos „Music is visible“ und damit eine Kundgabe der verfolgten Zwecke im Wege nonverbaler Kommunikation, für eine Versammlungseigenschaft des „V. N1. “ schon deshalb nichts hergibt, weil das Tanzen unter den gegebenen Umständen aus der Perspektive eines durchschnittlichen Betrachters nicht als (kollektive) Meinungskundgabe bewertet wird (S. 5 des Beschlusses). Der darauf abzielende Einwand der Beschwerde, es komme „nicht auf die vermeintlichen Eindrücke eines ‚außenstehenden Betrachters‘ […], sondern auf die Vorstellung der Antragstellerin, so wie diese im Konzept, Ablauf und Außendarstellung geprägt ist an“, geht an der vom Verwaltungsgericht herangezogenen und oben zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung vorbei. Soweit die Antragstellerin in ihrer ergänzenden Beschwerdebegründung vorträgt, das Verwaltungsgericht habe nicht den verständigen, objektiven Durchschnittsbetrachter im Blick, sondern unterstelle vielmehr „eine Art von großväterlicher Sichtweise oder, nennen wir es genauer, spießbürgerlicher Betrachtung“, liegt dieser Vorwurf neben der Sache, weil er in der Begründung des Beschlusses keinen Anhalt findet. Auf eine von der Antragstellerin gerügte „Widersprüchlichkeit“ der Argumentation des Verwaltungsgerichts deutet auch nicht die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage hin, was denn mit den Durchsagen und Redeanteilen sei, die ja auf der Versammlung ebenfalls stattfänden. Dass diese Veranstaltungselemente aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen und dementsprechend in die Gesamtschau einzubeziehen sind, ändert nichts daran, dass den Elementen, die keinen Bezug zur Meinungsbildung aufweisen, im vorliegenden Fall ein (deutliches) Übergewicht zukommt. Wie im Nachhinein in den Medien über den „V. N1. “ berichtet werden wird, ist für die Beantwortung der Frage, ob sich die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach als Versammlung darstellt, nicht erheblich.
35Es kommt hier auch nicht entscheidend darauf an, ob die Veranstaltungsteilnehmer erst erscheinen, wenn die für sie interessanten Künstler auftreten. Ebenso wenig hängt die Versammlungsqualität davon ab, ob die entgeltliche Ermöglichung einer „Fahrt auf dem Float“ als Ticketverkauf oder als Akquise von Spenden zu würdigen ist. Gleiches gilt für die vom Verwaltungsgericht angesprochene „Verknüpfung des ‚V. N1. ‘ mit Aftershow-Partys“; ob diese als weiterer gegen die Versammlungseigenschaft sprechender Umstand zu berücksichtigen sind, ist ohne Belang, weil diese Eigenschaft ohnehin zu verneinen ist.
36Schließlich kommt auch dem Umstand, dass die Antragstellerin auf ihrer Webseite einen mit der Veranstaltung verknüpften „Forderungskatalog“ präsentiert, kein entscheidendes zusätzliches Gewicht zu. Denn im Internet wird die Veranstaltung andererseits - und jedenfalls nicht weniger wirkungsvoll - als bloßes Musikevent präsentiert. Das hat die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung vom 12. Juli 2022 (vgl. dort S. 4 f.) schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, ohne dass die Antragstellerin Durchgreifendes entgegenhält.
37Das Vorbringen der Antragstellerin dazu, dass der Antragsgegner „vorliegend die gebotene ‚Kooperation‘ schlichtweg unterlassen“ habe, hat keine erkennbare Relevanz für die hier im Streit stehende Versammlungseigenschaft des „V. N1. “. Landesrechtliche Grundlage des Kooperationsgesprächs ist § 3 Abs. 2 VersG NRW. Danach bietet die zuständige Behörde der Person, die eine öffentliche Versammlung veranstaltet oder der die Leitung übertragen worden ist, rechtzeitig ein Kooperationsgespräch an, um die Gefahrenlage und sonstige Umstände zu erörtern, die für die ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung wesentlich sind, soweit es nach deren Art und Umfang erforderlich ist (Satz 1). Bestehen Anhaltspunkte für Gefahren, die gemäß § 13 Abs. 1 oder 2, § 23 Abs. 1 VersG NRW zu einem Verbot oder Beschränkungen führen können, ist Gelegenheit zu geben, durch ergänzende Angaben oder Veränderungen der beabsichtigten Versammlung ein Verbot oder Beschränkungen entbehrlich zu machen (Satz 2). Der diesen Regelungen zugrunde liegende Sinn und Zweck des Kooperationsgesprächs liegt mithin darin, die Behörde anzuhalten, sich vor dem Erlass einer Beschränkung der Versammlungsfreiheit um eine kooperative, einvernehmliche Lösung mit dem Versammlungsveranstalter zu bemühen.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Mai 2020 - 15 B 773/20 -, juris Rn. 19 f., m. w. N.
39Das Kooperationsgespräch dient hingegen nicht dazu, herauszuarbeiten, ob eine geplante Veranstaltung überhaupt den Schutz der Versammlungsfreiheit genießt, und erforderlichenfalls dem Anmelder eine Umgestaltung der Veranstaltung anzuraten. Die Beschreibung des geplanten Ablaufs der Versammlung und des Versammlungsthemas fällt in die Verantwortung des Veranstalters, der die Durchführung einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel der Versammlungsbehörde rechtzeitig anzuzeigen hat (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VersG NRW). Die mit der Anmeldung verbundenen Angaben sollen den Behörden die Informationen vermitteln, die sie benötigen, um Vorkehrungen zum störungsfreien Verlauf der Veranstaltung und zum Schutz von Interessen Dritter oder der Gesamtheit treffen zu können.
40Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1991 - 1 BvR 850/88 -, juris Rn. 20, und vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 73.
41Der Einwand der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe sich in seiner Entscheidung mit den von ihr thematisierten „sämtlichen anderen Verfahrenstypen wie ‚Schweigemärschen‘, ‚Lichterketten‘ und ‚Wahlkampfveranstaltungen‘“ nicht auseinandergesetzt, trifft ausweislich der Gründe des angegriffenen Beschlusses nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass die von der Antragstellerin insoweit herangezogenen Gerichtsentscheidungen für die rechtliche Würdigung des vorliegenden Falles nicht ergiebig sind (S. 8 des Beschlusses). Das gilt auch in Anbetracht der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur sog. „Fuckparade 2001“ (Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 -). Dort ging es um eine Veranstaltung mit etwa 10.000 Teilnehmern, die von 40 bis 50 Lautsprecherwagen begleitet werden sollten, an denen jeweils die in der Anmeldung aufgeführten Forderungen der Veranstaltung auf Spruchbändern angebracht werden sollten (juris Rn. 1 und 20). Vergleichbare meinungsbildende Elemente sind für die von der Antragstellerin geplante Veranstaltung nicht festzustellen.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
43Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
44Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).