Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Hinsichtlich der Fragen zu 5. bis 8. wird das übereinstimmend für erledigt erklärte Eilverfahren eingestellt. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist insoweit wirkungslos.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts wird teilweise geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft zu den in der Email vom 28. März 2021 aufgeführten Fragen zu 1. bis 4. zu erteilen, allerdings mit Ausnahme der mit der Frage zu 3. begehrten „Nennung der Lieferanten“.
Die Beschwerde der Antragstellerin und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin werden im Übrigen zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2/3.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2I. Mit ihren Schriftsätzen vom 28. und 30. März 2022 haben die Beteiligten das Eilverfahren hinsichtlich der Fragen zu 5. bis 8. übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit ist das Verfahren zur Klarstellung in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Dass die Erledigungserklärung der Antragstellerseite für die Frage zu 7. im Nachhinein durch Schriftsatz vom 4. April 2022 eingeschränkt worden ist, weil - wie es dort heißt - lediglich „Teil 1“ der Frage beantwortet worden sei, stellt die durch die zuvor abgegebenen Erklärungen eingetretene Erledigung nicht in Frage. Denn eine Erledigungserklärung kann nur solange widerrufen werden, wie die entsprechende Erklärung der Gegenseite dem Gericht noch nicht zugegangen ist.
3Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2010 - 6 A 5.08 -, juris Rn. 14, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2016 - 4 A 302/09 -, juris Rn. 5.
4Für den Verfahrensbeteiligten, der sich einer Erledigungserklärung der Gegenseite wirksam angeschlossen hat, kommt ein Widerruf daher von vornherein nicht in Betracht.
5II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (dazu 1.) und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (dazu 2.).
61. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde der Antragstellerin bestehen keine Bedenken. Die vormalige Antragstellerin, die S. N. -I. GmbH, ist infolge eines Parteiwechsels aus dem Verfahren ausgeschieden; an ihre Stelle ist die N1. -Q. GmbH getreten. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin haben mit ihren Schriftsätzen vom 12. und 15. Juli 2022 dargelegt, dass die S. - und T. aufgrund eines sog. Asset-Kaufvertrags durch die Mediengruppe N1. -Q. übernommen worden sei und von dieser weiterhin als Zeitung herausgegeben werde. Die S. - und T. verfolge das Verfahren als Imprint der N1. -Q. GmbH weiter.
7Damit ist eine Antragsänderung in Form eines gewillkürten Parteiwechsels auf Antragstellerseite vorgenommen worden. Da die S. -T. auch nach ihrer Übernahme weiterhin keine eigene Rechtspersönlichkeit hat, ist nicht sie Antragstellerin im vorliegenden Verfahren, sondern die (nunmehr) hinter ihr stehende Gesellschaft.
8Die Antragsänderung ist entsprechend § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Der gewillkürte Parteiwechsel auf der Kläger- bzw. Antragstellerseite ist als Unterfall der Klage- bzw. Antragsänderung entsprechend der Regelung des § 91 Abs. 1 VwGO grundsätzlich auch ohne Einwilligung des Beklagten bzw. Antragsgegners möglich, wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1987 - 4 C 12.84 -, juris Rn. 5, und Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 7 B 68.00 -, juris Rn. 6.
10Der hier vorgenommene Parteiwechsel ist sachdienlich, so dass es nicht darauf ankommt, dass die Antragsgegnerin der Antragsänderung widersprochen hat.
11Eine Antragsänderung im Beschwerdeverfahren ist analog § 91 Abs. 1 VwGO als sachdienlich anzusehen, wenn sie das Beschwerdegericht nicht mit einem vollständig neuen Streitstoff konfrontiert und darüber hinaus geeignet ist, den sachlichen Streit zwischen den Beteiligten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes endgültig auszuräumen.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2018 - 9 B 1540/17 -, juris Rn. 13 f., m. w. N.
13Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Streitstoff hat sich durch den Parteiwechsel nicht geändert. Die Antragsänderung trägt auch dazu bei, den sachlichen Streit im Eilverfahren zu klären und einen neuen Antrag nach § 123 VwGO damit entbehrlich zu machen.
142. Die Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache überwiegend Erfolg.
15Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrunde liegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Geht es wie hier nicht um eine nur vorläufige Maßnahme, sondern um eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache vorwegnimmt, ist dies im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist und das Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. März 2017 - 15 B 1112/15 -, juris Rn. 9, vom 6. Februar 2017 - 15 B 832/15 -, juris Rn. 4, und vom 19. September 2014 - 5 B 226/14 -, juris Rn. 5 f., m. w. N.
17Gemessen an diesen Grundsätzen ist die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache im Wege der einstweiligen Anordnung hinsichtlich der mit den Fragen zu 1. bis 4. geforderten Auskünfte überwiegend gerechtfertigt, weil die Antragstellerin insoweit einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat [dazu a)] und ihr auch der notwendige Anordnungsgrund zusteht [dazu b)].
18a) Für die mit den Fragen zu 1. bis 3. begehrten Auskünfte hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch, jedoch mit Ausnahme der in der Frage zu 3. angesprochenen „Nennung der Lieferanten [dazu aa)]. Ein auf Auskunftserteilung, nicht nur Neubescheidung gerichteter Anordnungsanspruch besteht auch für die Frage zu 4. [dazu bb)].
19aa) Der Anspruch auf Auskunftserteilung folgt hier unmittelbar aus dem Grundrecht der Pressefreiheit.
20Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden. Nur der auf diese Weise gewährleistete, prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die für die Demokratie essentielle freie Presse in den Stand, die ihr zukommende Informations- und Kontrollfunktion auch gegenüber Bundesbehörden wirksam wahrzunehmen. Auf Grund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben. Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den Anspruch auf Auskunft ausschließen. Dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse können Belange entgegenstehen, die nach Maßgabe einer Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse ein schutzwürdiges öffentliches oder privates Interesse an der Geheimhaltung von Informationen begründen. Sie begrenzen diesen Auskunftsanspruch, sind von der auf Auskunft in Anspruch genommenen Behörde darzulegen und durch das Gericht grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfen. Schutzwürdige private Interessen, denen bei der durchzuführenden Abwägung Vorrang vor dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Informationsinteresse der Presse zuzubilligen ist, können sich insbesondere aus den Grundrechten Dritter ergeben. Die praktische Konkordanz zwischen den konfligierenden Grundrechtspositionen der Presse und der privaten Dritten, die im Anwendungsbereich der Landespressegesetze auf einfachgesetzlicher Grundlage hergestellt werden kann, muss bei Auskunftsbegehren der Presse gegenüber Bundesbehörden mangels einer Regelung des Bundesgesetzgebers im einfachen Recht im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hergestellt werden. Setzt sich der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch im Rahmen der durchzuführenden Abwägung durch, ist verfassungsrechtlich determiniert, dass die Belange der Presse überwiegen. In diesem Fall erweist sich Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zugleich als hinreichende Ermächtigung für die mit der Auskunftserteilung verbundenen Eingriffe in die Grundrechte Dritter.
21Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10/20 -, juris Rn. 18 ff., m. w. N.
22(1) Die Antragstellerin ist als Verlegerin von Zeitungen, darunter die S. - und T. , berechtigt, einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen.
23Auf die vormalige Antragstellerin bezogen hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, es fehle an dem notwendigen Funktionsbezug zwischen Auskunftsfrage und Pressefunktion, weil die Fragen nicht vorrangig einem Presseanliegen dienten, sondern vielmehr gestellt worden seien, um die zivilrechtlichen Interessen des Geschäftsführers der S. N2. GmbH, Herrn Dr. Q1. , in seiner anderen Funktion als Rechtsvertreter zahlreicher Lieferanten von Corona-Schutzmasken zu fördern. Dieser Einwand hat jedenfalls seit der Veräußerung der S. - und T. an die jetzige Antragstellerin keine Grundlage mehr. Dass die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin auch Lieferanten von Masken in zivilrechtlichen Verfahren gegen den Bund vertreten, zieht nicht in Zweifel, dass der streitgegenständliche Auskunftsanspruch von der Antragstellerin in ihrer Funktion als Presseorgan weiterverfolgt wird.
24(2) Der geltend gemachte Auskunftsanspruch zielt auch auf eine Mitteilung von Tatsachen.
25Der presserechtliche Auskunftsanspruch bezieht sich nur auf Tatsachen und nicht auf Wertungen, so dass eine Behörde nicht verpflichtet ist, rechtliche Stellungnahmen zu bestimmten Fragen abzugeben.
26Vgl. zu § 4 Abs. 1 PresseG NRW: OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 -, juris Rn. 12 f., m. w. N.
27Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verlangt die Beantwortung der Frage zu 1.
28„Wer wies wann die für das Open-House-Verfahren zuständigen Mitarbeiter der Antragsgegnerin an, trotz der zitierten Regelungen in § 5.1 und § 5.2 bei Anlieferung bis zum 30.04. bis zum 08.05.2020 die gelieferten Masken unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu bezahlen, diesen Passus nicht zu beachten und keine Zahlungen auszuführen, auch wenn bis dahin keine Qualitätsmängel bekannt waren?“
29keine rechtliche Bewertung der Vertragskonformität der angesprochenen Anweisung. Sie knüpft vielmehr an eine - von dem Fragesteller angenommene - Anweisung an, für die bis zum 30. April 2020 angelieferten Masken den Passus in § 5.1 und § 5.2 nicht zu beachten und diese Masken nicht bis zum 8. Mai 2020 unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu bezahlen, auch wenn bis dahin keine Qualitätsmängel bekannt geworden sind. Die Existenz einer solchen Anweisung ist eine tatsächliche Frage. Der Zusatz „trotz der zitierten Regelungen in § 5.1 und § 5.2“ deutet lediglich darauf hin, dass der Fragesteller eine solche (unterstellte) Anweisung für vertragswidrig hält, nötigt die Antragsgegnerin indes nicht, sich diese Bewertung zu eigen zu machen, und hindert sie auch nicht, die Frage unter Ausklammerung einer solchen Bewertung faktenbasiert zu beantworten. Entsprechendes gilt für die Fragen zu 2. und 3. Auch wenn in der Frage zu 2.
30„Wer empfahl der/den unter 1. zu nennenden Person/Personen wann, die unter 1. beschriebene vertragswidrige Nichtzahlung mit dem Schutz der Bürger vor Qualitätsmängeln zu begründen?“
31von einer „vertragswidrigen“ Nichtzahlung die Rede ist, zielt sie im Kern auf Tatsachen. Sie kann, sollte es eine zugrunde liegende Empfehlung gegeben haben, von der Antragsgegnerin ohne Verwendung des Attributs „vertragswidrig“ beantwortet werden, gegebenenfalls auch mit dem ausdrücklichen Zusatz, dass mit der Antwort kein Zugeständnis einer „Vertragswidrigkeit“ verbunden ist. In ähnlicher Weise steht es der Antragsgegnerin frei, bei der Beantwortung der Frage zu 3.
32„In wie vielen Fällen (bitte Anzahl und Nennung der Lieferanten) waren trotz fristgerechter Lieferung zum Zeitpunkt 08.05.2020 keine Qualitätsmängel bekannt und es wurde gleichwohl nicht gezahlt?“
33nur auf die angesprochenen Tatsachen abzustellen und das in der Fragestellung enthaltene „gleichwohl“ - in dem das Verwaltungsgericht eine „Selbstbewertung als vertragswidriges Verhalten“ gesehen hat - außer Acht zu lassen.
34(3) Ein Hinderungsgrund für die Auskunftserteilung liegt lediglich insoweit vor, als die Antragstellerin mit der Frage zu 3. eine „Nennung der Lieferanten“ begehrt.
35(a) Die Offenbarung der beteiligten Lieferanten berührt deren schutzwürdige private Interessen an einer Geheimhaltung der Information.
36Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse umfassen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse betreffen dabei im Wesentlichen technisches, Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ist anzuerkennen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, den Konkurrenten exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachhaltig zu beeinflussen (Wettbewerbsrelevanz). Der erforderliche Wettbewerbsbezug kann fehlen, wenn die Informationen abgeschlossene Vorgänge ohne Bezug zum heutigen Geschäftsbetrieb betreffen.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 - 10 C 22.19 -, juris Rn. 13, und Beschluss vom 12. Februar 2021 - 20 F 1.20 -, juris Rn. 18, jeweils m. w. N.
38Hier sind schutzwürdige Geschäftsgeheimnisse der Lieferanten betroffen. Ob diese geschäftliche Beziehungen zu der Antragsgegnerin hatten, die zu Zahlungsstreitigkeiten führten, ist ein nicht offenkundiger Umstand, an dessen Nichtverbreitung die Unternehmen ein berechtigtes kaufmännisches Interesse haben. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im Internet eine Liste von Unternehmen veröffentlicht ist, die Maskengeschäfte mit der Bundesregierung getätigt haben sollen, welche von Bundestagsabgeordneten vermittelt wurden.
39https://fragdenstaat.de/blog/2021/04/27/erfolg-fur-aktion-ehrensache-gesundheitsministerium-gibt-maskenliste-frei/
40Denn zum einen ist nicht ersichtlich, dass das (einschränkende) Merkmal einer Vermittlung durch Bundestagsabgeordnete auf sämtliche Lieferanten zutrifft, die Liste also vollständig ist. Zum anderen würde durch die Beantwortung der Frage die zusätzliche Information gegeben, dass die benannten Unternehmen in Vertragsstreitigkeiten mit der Bundesregierung verwickelt sind.
41Die Offenlegung der Information ist auch geeignet, die Wettbewerbsposition der betroffenen Unternehmen nachhaltig zu beeinflussen. Das Bekanntwerden der Geschäftsbeziehung und der Zahlungsstreitigkeiten erhöht das Risiko, dass in der Folge weitere geschäftliche Details im Zusammenhang mit der Lieferung in die Öffentlichkeit gelangen und Schlüsse auf die finanzielle Lage der Unternehmen ermöglicht werden, die diesen im Wettbewerb schaden könnten. Es geht hier auch nicht um abgeschlossene Vorgänge, die für den laufenden Geschäftsbetrieb keine Relevanz mehr haben.
42(b) Das Informationsinteresse der Antragstellerin muss bei der gebotenen Abwägung hinter dem Interesse der betroffenen Unternehmen an einer Geheimhaltung zurückstehen. Die Antragstellerin hat gewichtige pressemäßige Belange, die für eine Nennung der Lieferanten streiten und Vorrang gegenüber dem widerstreitenden Geheimhaltungsinteresse beanspruchen, nicht dargelegt. Ihrem Anliegen, zu „weiteren möglichen Unregelmäßigkeiten bei der Anbahnung der Open-House-Verträge und anderer Verträge über die Beschaffung von Schutzausrüstung sowie über die jeweilige Abwicklung der Verträge durch das BMG“ zu recherchieren (vgl. Antragsschrift vom 29. März 2021, S. 3), kann die Antragstellerin auch unter Geheimhaltung der Namen der Lieferanten nachgehen und sich insofern etwa weiterhin an das betroffene Bundesministerium wenden.
43(c) Eines Drittbeteiligungsverfahrens bedarf es nicht, um die widerstreitenden Interessen abwägen zu können.
44In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht zum verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse entschieden, dass dieser es der auskunftspflichtigen Stelle grundsätzlich nicht gebietet, vor Erteilung oder Ablehnung der Auskunft die Betroffenen, deren private Interessen in die Abwägung mit dem Auskunftsinteresse der Presse einzustellen sind, anzuhören oder um deren Einwilligung in die Auskunftserteilung nachzusuchen. Danach ist die Anhörung der Betroffenen eines der der auskunftspflichtigen Stelle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel für die Ermittlung und Gewichtung der privaten Interessen. Sie eröffnet zugleich den Betroffenen die Möglichkeit, noch vor der beabsichtigten Auskunftserteilung vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Verbindet die auskunftspflichtige Stelle darüber hinaus die Anhörung mit der Aufforderung, sich zu einer Einwilligung in die Auskunftserteilung zu äußern, trägt dies dem Interesse des Anspruchsinhabers an einer weitestmöglichen Auskunftserteilung Rechnung. Denn die Einwilligung der Betroffenen könnte das Gewicht der schützenswerten Interessen in einem Maße verringern, dass sie der Auskunftserteilung nicht mehr entgegenstehen. Allerdings ist bei der Prüfung der Notwendigkeit derartiger prozeduraler Pflichten zu berücksichtigen, dass der materielle Gehalt des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse ein besonderes Gewicht hat und diese Grundrechtsposition der Presse nicht über das Verfahrensrecht ausgehöhlt oder entwertet werden darf. Die verfassungsrechtliche Aufgabe der Presse, die ihr zukommende Informations- und Kontrollfunktion, deren Wahrnehmung der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch dient, verbietet eine verfahrensrechtliche Ausgestaltung dieses Anspruchs, die dessen Zweck vereiteln oder maßgeblich gefährden würde. Eine anhörungsbedingte Verzögerung der Auskunftserteilung birgt die Gefahr in sich, dass die Presse ihren Informations- und Kontrollauftrag mangels Aktualität im Zeitpunkt der Informationserteilung nicht mehr erfüllen kann. Eine Pflicht der auskunftspflichtigen Stellen, die Betroffenen vor der Auskunftserteilung anzuhören und um ihre Einwilligung nachzusuchen, wirkt sich hiernach nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Lasten der Effektivität der Aufgabenerfüllung der Presse aus. Dementsprechend ist eine Anhörung verfassungsrechtlich nicht geboten. Vielmehr trägt das dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch immanente Abwägungsmodell der Effektivität der Aufgabenwahrnehmung hinreichend Rechnung, indem es der auskunftspflichtigen Stelle die Aufgabe zuweist, die entgegenstehenden schützenswerten Interessen zu ermitteln und zu gewichten. Die Betroffenen sind insoweit auf den der Auskunftserteilung nachgelagerten Rechtsschutz verwiesen und können wegen der Bedeutung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs keine Beteiligung verlangen, wie sie in § 8 IFG für den nicht grundrechtlich fundierten Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz in den Fällen der Betroffenheit schutzwürdiger Belange Dritter vorgesehen ist.
45Vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 -, juris Rn. 23 ff., und vom 28. Oktober 2021 - 10 C 5.20 -, juris Rn. 58.
46Ausgehend von diesen Maßgaben bedarf es einer Anhörung der Betroffenen nicht. Auch ohne eine solche Drittbeteiligung besteht eine hinreichende Grundlage für die gebotene Abwägung.
47(4) Über die als Hilfsanträge gestellten Auskunftsbegehren zu den Fragen zu 9. bis 11. ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu entscheiden, weil die Antragstellerin mit den entsprechenden Hauptanträgen ganz überwiegend Erfolg hat. Auch soweit die Antragstellerin mit ihrem Begehren zu Frage 3. teilweise unterliegt, ist eine Entscheidung über den zugehörigen Hilfsantrag (Frage 11.) entbehrlich, weil dieser hinsichtlich der begehrten „Nennung der Lieferanten“ inhaltsgleich ist.
48bb) Die Beantwortung der Frage zu 4.
49„Auf wessen Veranlassung im Gesundheitsministerium wurde akzeptiert, dass die Firma P. D. GmbH lange nach dem 30. April 2020 anliefern konnte und diese gleichwohl bezahlt wurde?“
50kann die Antragstellerin auf der Grundlage des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse ebenfalls verlangen
51(1) Die Antragstellerin wendet zutreffend ein, dass ihre Frage mit dem Antwortschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 14. März 2022 nicht vollständig beantwortet worden ist. Der darin enthaltene Verweis auf „Entscheidungen, die im Zusammenwirken beider Vertragspartner und den Dienstleistern des Bundes getroffen wurden“, lässt offen, auf wen die erfragte Veranlassung innerhalb des Ministeriums zurückgeht.
52(2) Hinderungsgründe, die einer Auskunftserteilung entgegenstehen, sind nicht erkennbar. Insbesondere berührt die Beantwortung der Frage kein Geschäftsgeheimnis des genannten Unternehmens. Dass zwischen diesem und der Antragsgegnerin eine Geschäftsbeziehung im Zusammenhang mit dem Open-House-Verfahren zur Maskenbeschaffung bestanden hat, ist jedenfalls durch die schon benannte Internetveröffentlichung bereits bekannt. Allein die darüber hinausgehende Offenbarung, dass dem Unternehmen eine Anlieferung nach Ablauf der gesetzten Frist ermöglicht wurde, ist nicht dazu angetan, seine Stellung im Wettbewerb nachhaltig zu beeinflussen. Konkrete Umstände, die für eine andere Würdigung sprechen könnten, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen.
53b) Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
54Geht es - wie hier - nicht um eine nur vorläufige Maßnahme, sondern um eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache vorwegnimmt, ist ein Anordnungsgrund nur anzunehmen, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte.
55In Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche darf an die Annahme eines schweren, die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Nachteils mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mitumfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, kein zu enger Maßstab angelegt werden. Demgemäß ist zwar einerseits erforderlich, andererseits aber auch ausreichend, dass für die begehrte Auskunft ein gesteigertes öffentliches Interesse vorliegt sowie ein starker Gegenwartsbezug besteht.
56Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Januar 2019 - 15 B 624/18 -, juris Rn. 81, und vom 17. März 2017 - 15 B 1112/15 -, juris Rn. 58, m. w. N.
57Demnach darf ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist.
58Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. März 2018 - 6 VR 3.17 -, juris Rn. 11, und vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 -, juris Rn. 13, m. w. N.
59Hiervon ausgehend liegt der erforderliche Gegenwartsbezug weiterhin vor. Die Thematik der Maskenbeschaffung durch das Bundesministerium für Gesundheit im sog. Open-House-Verfahren hat hochaktuelle Bedeutung. Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden. Die zur ihrer Bewältigung ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung und Bundesministerialverwaltung - einschließlich der Beschaffung von Schutzmasken - sind nach wie vor Gegenstand des politischen und gesellschaftlichen Diskurses.
60Vgl. etwa Deutscher Bundestag, Drucksache 20/2176 vom 1. Juni 2022, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Susanne Ferschl, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 20/1643 -, Maskenbeschaffung durch das Bundesministerium für Gesundheit.
61III. Die zulässige Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin bleibt in der Sache überwiegend erfolglos. Das ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen zu II. 2.
62Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Bei der Kostenverteilung hat der Senat zum einen berücksichtigt, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Auskunftsbegehrens zu den Fragen zu 1. bis 4. ganz überwiegend obsiegt hat. Zum anderen war mit Blick auf den erledigten, im Wesentlichen gleichgewichtigen Teil des Verfahrens (Fragen zu 5. bis 8.) zu berücksichtigen, dass die Erfolgsaussichten im Zeitpunkt der Erledigung insoweit als offen anzusehen waren; das gilt namentlich mit Blick darauf, zu welchen Ergebnissen ein Verzicht auf ein förmliches Drittbeteiligungsverfahren geführt hätte und wie der Umstand presserechtlich zu würdigen war, dass der Prozessbevollmächtigte der vormaligen Antragstellerin, Rechtsanwalt Dr. Q1. , zugleich die seinerzeit hinter der S. - und T. stehenden Gesellschaft als Geschäftsführer repräsentierte.
63Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
64Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).