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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe:
2Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
3Die von der Antragstellerin angeführten Gründe, auf deren Überprüfung der beschließende Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keine Veranlassung, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
4Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 11. November 2021 gegen den mündlichen Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. November 2021 (Rücknahme der Kindertagespflegeerlaubnis), bestätigt durch schriftlichen Bescheid vom 15. November 2021, wiederherzustellen. Die erst mit dem schriftlichen Bescheid erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge den formellen Vorgaben des § 80 Abs. 3 VwGO. Die in materieller Hinsicht zu treffende Interessenabwägung gehe zu Lasten der Antragstellerin aus. Der Rechtsbehelf werde voraussichtlich erfolglos bleiben, weil sich der Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweise. Die Anhörung (§ 24 Abs. 1 SGB X) sei im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 3 SGB X nachgeholt worden. Die für die Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X erforderliche Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 12. März 2021 und 31. Juli 2021 (befristete Erlaubnis zur Kindertagespflege von drei Kindern) sei gegeben. Bei Erlass der Bescheide habe die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis gehabt. Ihr habe die in § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorausgesetzte Eignung gefehlt, die u. a. die Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit der Tagespflegeperson verlange. In jedenfalls zwei Fällen habe sie die Tagespflege nicht höchstpersönlich ausgeübt, sondern ihre Aufsichtspflicht verletzt, indem sie die Kinder vorübergehend in der Obhut ihrer Schwester (im Jahr 2018) bzw. allein in der Wohnung (am 18. Februar 2021) belassen habe. Dem Akteninhalt sei auch bis zum 31. Juli 2021 keine evidente Wiederherstellung der Zuverlässigkeit zu entnehmen, so dass die Antragsgegnerin noch fehlerfrei darauf habe abstellen können. Die Antragstellerin habe zwar einem Schutzplan zugestimmt, sei ihren Verpflichtungen nachgekommen und es seien keine weiteren Aufsichtspflichtverletzungen bis zum 31. Juli 2021 festgestellt worden. Die Antragsgegnerin könne aber darauf abstellen, dass die Antragstellerin sich trotzdem nicht konstruktiv und nachhaltig mit den Vorwürfen auseinandergesetzt und nicht einsichtsfähig gezeigt habe. Auf schutzwürdiges Vertrauen im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB X könne sie sich nicht berufen. Ihr sei insbesondere bewusst gewesen, dass die Prüfung der Geeignetheit Grund für die zeitliche Befristung der Bescheide gewesen sei. Schließlich habe die Antragsgegnerin das ihr im Rahmen von § 45 Abs. 1 SGB X zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Im Ergebnis nichts anderes gelte aber auch bei Annahme ergebnisoffener Erfolgsaussichten, da das öffentliche Interesse an der Gewährung des Kindeswohls ihr privates Interesse an der weiteren Ausübung der Kindertagespflegetätigkeit für die Dauer des Widerspruchsverfahrens überwiege; denn das Ausführen des Hundes im Jahr 2018 und die zehnminütige Abwesenheit am 18. Februar 2021 seien unstreitig.
5Die gegen diese näher begründeten Feststellungen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
6Der Beschwerde dürfte schon deswegen der Erfolg versagt sein, weil sie sich nicht erkennbar mit der selbständig tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt, auch bei unterstellter Ergebnisoffenheit der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels habe der Eilantrag keinen Erfolg; denn bei einer allgemeinen Abwägung überwiege das öffentliche Interesse an der Wahrung des Wohls der betreuten Kinder - die Sachverhalte aus dem Jahr 2018 und vom 18. Februar 2021 seien unstreitig - das private Interesse an der Ausübung der Kindertagespflegetätigkeit (vgl. Seite 11 des Beschlussabdrucks). Dies bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung, weil auch hinsichtlich der mangelnden Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache bzw. der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen Rücknahmebescheides mit der Beschwerde keine Gründe vorgetragen werden, die eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses verlangen.
7Das Beschwerdevorbringen ist der Sache nach allein gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts gerichtet, der Antragstellerin habe es bei Erlass der (nunmehr zurückgenommenen) Bescheide vom 12. März 2021 und vom 31. Juli 2021 an der nach § 43 Abs. 2 SGB VIII erforderlichen Geeignetheit gefehlt. Damit dringt sie nicht durch.
8Die Eignung, die als unbestimmter Rechtsbegriff der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt, setzt neben Weiterem die Verlässlichkeit bzw. Zuverlässigkeit der Tagespflegeperson voraus. Dies verlangt u. a., dass die Tagespflegeperson die Betreuung der ihr anvertrauten Kinder persönlich wahrnimmt. Bei der Kindertagespflege handelt es sich um eine an eine spezifische Tagespflegeperson gebundene, also von dieser höchstpersönlich zu erbringende soziale Dienstleistung. Deren alleinige Erfüllung darf auch nicht in kleinerem Umfang auf einen Dritten delegiert werden. Schon eine geringfügige Abweichung von diesem Grundprinzip lässt auf ein mangelndes Problembewusstsein und damit eine mangelnde Verlässlichkeit schließen. Dies gilt ungeachtet des Grades der konkret in Kauf genommenen Kindeswohlgefährdung.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. November 2012 - 12 B 1252/12 -, juris Rn. 21, vom 29. Januar 2020 - 12 B 655/19 -, juris Rn. 15, und vom 23. November 2020 - 12 B 1570/20 -, juris Rn. 5.
10Dabei liegt es auf der Hand, dass die Verlässlichkeit der Tagespflegeperson nicht nur dann in Frage steht, wenn die Betreuung der ihr anvertrauten Kinder - von absoluten Ausnahmesituationen bzw. zwingenden Notfällen abgesehen - durch eine andere Person wahrgenommen wurde, sondern auch im Falle einer (zeitlich vorübergehend) gar nicht, also auch nicht durch Dritte, ausgeübten Aufsicht bzw. bei einer Verletzung der Aufsichtspflicht.
11In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf der Grundlage der Vorfälle im Jahr 2018 (Aufsicht durch Dritte während Ausführen des Hundes) sowie am 18. Februar 2021 (Aufenthalt in der Wohnung eine Etage tiefer) die mangelnde Zuverlässigkeit der Antragstellerin angenommen. Auf die entsprechenden erstinstanzlichen Ausführungen (Beschlussabdruck Seite 6 ff.) wird insoweit Bezug genommen.
12Der Einwand der Beschwerde, der Vorfall aus dem Jahr 2018 liege schon drei Jahre zurück, trägt schon deswegen nicht, weil es nicht bei dieser einmaligen fehlenden persönlichen Wahrnehmung der Betreuung geblieben ist, sondern sich am 18. Februar 2021 ein mit einer unzureichenden Aufsicht im Zusammenhang stehendes Versäumnis wiederholt hat. Der Annahme mangelnder Zuverlässigkeit steht hier weiter nicht entgegen, dass die Antragstellerin - wie sie unter Vorlage eidesstattlichen Versicherung der Frau H. vom 20. April 2021 im Beschwerdeverfahren vorträgt - nur kurzfristig für etwa fünf Minuten (um den Hund der Schwester sein Geschäft erledigen zu lassen) und aufgrund besonderer Umstände (Erkrankung der Schwester) abwesend war, sich stets in Sichtweite befand und die Zeugin H. mit ihrem Enkelkind (ebenfalls Tageskind bei der Antragstellerin) und den weiteren Tageskindern in der Wohnung verblieb. In diesem Zusammenhang wird bereits die Frage widersprüchlich beantwortet, wer zu dieser Zeit die Aufsicht übernommen hat. Während nach der eidesstattlichen Versicherung der Frau H. vom 20. April 2021 diese selbst als Großmutter ihres Enkelkindes "B. C. " die Aufsicht übernommen hat und in der Antragsbegründung vom 26. November 2021 allgemein die Rede von Aufsicht "der Großmutter" war, hatte die Antragstellerin im Rahmen des Gesprächs mit der Antragsgegnerin am 25. Januar 2021 noch angegeben, ihre Schwester sei während des Ausführens des Hundes bei den Kindern gewesen. Angesichts der nicht miteinander zu vereinbarenden Angaben zu diesem Vorfall drängt sich die Frage auf, warum entweder die Antragstellerin oder Frau H. insoweit die Unwahrheit gesagt hat. Ungeachtet der Frage, wer die Aufsicht in diesem Fall letztlich übernommen hat, begründen die geschilderten Umstände keine die Abweichung vom Erfordernis der Höchstpersönlichkeit rechtfertigende Ausnahmesituation. Weder ist unter irgendeinem Gesichtspunkt eine Notsituation ersichtlich, noch ist erkennbar, weshalb das Ausführen des Hundes zwingend gerade durch die Antragstellerin und unter Zurücklassung der Tageskinder erfolgen musste. Die verhältnismäßig kurze Dauer ihrer Abwesenheit und die geringe räumliche Distanz ("Sichtweite") ändern ebenfalls nichts am Verstoß gegen das Erfordernis der Höchstpersönlichkeit der Betreuung. Die zuständige und den Kindern vertraute Person hat mit Verlassen der Wohnung und des Grundstücks keine eigenen tatsächlichen Einflussmöglichkeiten auf die Kinder im Kleinkindalter mehr. Hinzu kommt, dass die höchstpersönliche Beaufsichtigung der anvertrauten Kinder elementares Prinzip der Kindertagespflege ist. Die besondere Betreuungskonstellation in diesem Bereich - Unterbringung von Kleinkindern außerhalb institutionalisierter Kindertagespflege in öffentlichen Kindertageseinrichtungen bei oftmals allein tätigen Kindertagespflegepersonen - verlangt es, dass die Eltern auf die strikte Einhaltung der Höchstpersönlichkeit und lückenlosen Gewährleistung der Aufsichtspflichten vertrauen dürfen. Das gehört zum Kern des Schutzauftrages, den die Tagespflegeperson übernimmt.
13Auch hinsichtlich des Vorfalls vom 18. Februar 2021 führen die Einwände der Antragstellerin nicht weiter. Danach müsse berücksichtigt werden, dass die Kindertagespflege in einem kleinen "familiären" Mietshaus mit nur vier Wohneinheiten stattfinde und neben der im Erdgeschoss wohnenden Mutter und der Schwester nur langjährige, der Antragstellerin nahestehende Mieter das Haus bewohnten; zudem sei die Haustür stets verschlossen. Außerdem habe sie sich am fraglichen Tag nur zehn Minuten bei ihrer betagten Mutter aufgehalten; lebten sie in einem Einfamilienhaus, verhielte man sich nicht anders und versorge ebenfalls eine sich im Erdgeschoss aufhaltende pflegebedürftige Person mit Medikamenten oder einer Mahlzeit. Sie selbst habe noch nicht einmal eigene Kinder nebenher zu betreuen.
14Auf die "familiäre" Situation in ihrem Wohnhaus kommt es von vornherein nicht an, weil eine höchstpersönliche Leistung geschuldet wird. Mit ihrem Vergleich der Wohnsituation in einem Einfamilienhaus verkennt die Antragstellerin zudem die Situation, die sich durch die voneinander abgegrenzten und verschiedenen Ebenen (Erdgeschoss und erste Etage) befindlichen Wohneinheiten ergibt, und dass sie sich - wie bereits vom Verwaltungsgericht betont - ggf. zunächst mit einem Schlüssel Zutritt zu der Wohnung, in der sich die ihr anvertrauen Kinder befinden, beschaffen muss. Daher sind auch elektronische Hilfsmitte wie ein Babyphone - ungeachtet der hinzukommenden möglichen Bedienfehler und Funktionsstörungen - jedenfalls aus einer anderen Wohnung heraus nicht geeignet, eine hinreichende Aufsicht zu gewährleisten. Außerdem ist die akustische Verbindung ohne Hilfsmittel innerhalb einer Wohn-einheit jedenfalls im Regelfall besser gewährleistet als zwischen voneinander abgegrenzten Wohnungen, die jeweils über ge- oder verschlossene, meist schallisolierte Wohnungseingangstüren verfügen. Soweit die Antragstellerin meint, diese Sichtweise sei lebensfremd, weil sie anderenfalls nicht einmal Müll herausbringen könnte, gibt dieser Einwand angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit der geschilderten Lebenssituationen nichts zu ihren Gunsten her.
15Das Beschwerdevorbringen zu dem dritten Vorfall am 28. Oktober 2021 ist für die Frage der Geeignetheit der Antragstellerin schon deswegen nicht relevant, weil maßgeblich für diese Beurteilung der Zeitpunkt des Erlasses der zurückgenommenen Erlaubnisse (Bescheide vom 12. März 2021 und vom 31. Juli 2021) ist, was auch das Verwaltungsgericht so berücksichtigt hat (vgl. Seite 6 des Beschlussabdrucks). Aber auch soweit sich das Verwaltungsgericht mit dem Verhalten der Antragstellerin beim Hausbesuch am 28. Oktober 2021 im Rahmen der Überprüfung der Ausübung des Rücknahmeermessens (§ 45 Abs. 1 SGB X) auseinandersetzt, lässt sich dem Beschwerdevorbingen nichts für die Fehlerhaftigkeit der erstinstanzliche Entscheidung entnehmen. Insbesondere ist das vom Verwaltungsgericht angeführte Fehlen einer nachvollziehbaren Erläuterung dafür, weshalb die Antragstellerin mit einem betreuten Kind in Straßenschuhen vor der geöffneten Wohnungstür angetroffen worden sei, während zwei andere Kinder in der Wohnung schliefen, auch mit dem Beschwer-devorbringen und ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 22. Dezember 2021 nicht ausgeräumt worden. Sie verweist dazu lediglich darauf, sie wolle sich weder den Eltern noch den Kindern "in Jogginganzug und Pantoffeln" präsentieren. Weshalb auch das Tageskind U. Straßenschuhe anhatte, obwohl diese nach Angaben der Antragstellerin bereits etwa zwei Stunden zuvor in die Tagespflege gebracht worden war, erklärt dies nicht.
16Keine abweichende Beurteilung verlangt das weitere Vorbringen, wonach sich die Antragstellerin mit den Vorfällen auseinander gesetzt habe und entsprechende Verhaltensweisen sich nicht wiederholen würden. Jedenfalls bei summarischer Prüfung wird die Nachhaltigkeit des so geäußerten Bestrebens nicht hinreichend nachvollziehbar. Vielmehr erscheint dies fraglich, da die Antragstellerin auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren die maßgeblichen Vorfälle (2018 und Februar 2021) aufgrund als vorrangig angesehener Verpflichtungen (Ausführen des Hundes, Versorgung der Mutter) zu rechtfertigen und zu marginalisieren (kurze Dauer, geringe Entfernung) sucht und nach wie vor wirkliche Einsichtsfähigkeit hinsichtlich der Bedeutung der Höchstpersönlichkeit der Betreuung und der Gewährleistung von hinreichender Aufsicht nicht erkennen lässt.
17Schließlich stehen der Feststellung der fehlenden Geeignetheit der Antragstellerin nicht die zahlreichen im Beschwerdeverfahren vorgelegten Erklärungen verschiedener Eltern der bis zur Rücknahme der Pflegeerlaubnis betreuten und auch ehemaliger Tageskindern selbst entgegen. Diese haben sich sämtlich in hohem Maße lobend über Engagement und Kompetenz der Antragstellerin sowie deren außerordentliche Hilfsbereitschaft und Zugewandtheit über einen Zeitraum von vielen Jahren geäußert. Denn diese Erfahrungen betreffen andere Qualitäten der Antragstellerin, nicht aber ihre hier interessierende Verlässlichkeit bei der durchgängigen Sicherstellung der persönlichen Wahrnehmung der Betreuung. Auch können die Eltern über die konkreten Vorfälle (naturgemäß) keine Angaben machen. Dass die sich äußernden Eltern ihre Kinder immer wieder der Antragstellerin anvertrauen würden, steht ebenfalls nicht entgegen, zumal der Maßstab der Eltern im Hinblick auf die hier maßgeblichen Pflichtverstöße nicht mit demjenigen übereinstimmen muss, den die Antragsgegnerin bei der Überwachung von Kindertagespflegepersonen zu wahren hat.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
19Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).