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Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist nach ihren Angaben am 1. Oktober 1983 in I. , Syrien, geboren, islamischen Glaubens und syrische Staatsangehörige. Sie reiste am 3. Februar 2020 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 25. Mai 2020 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt). Ausweislich einer vom Bundesamt eingeholten EURODAC-Anfrage hatte die Klägerin in Dänemark am 25. Dezember 2013 einen Asylantrag gestellt.
3Im Rahmen der Anhörungen beim Bundesamt am 24. Juni 2020 gab die Klägerin an, sie wolle bei ihrem Ehemann in Deutschland leben. Diesen habe sie im Jahr 2017 in Dänemark kennengelernt und nach zehn Tagen geheiratet. Er sei schwerbehindert und benötige ihre Unterstützung.
4Auf ein Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamts vom 4. Mai 2020 teilten die dänischen Behörden mit Schreiben vom 8. Mai 2020 mit, der Klägerin sei in Dänemark am 19. März 2014 der „subsidiary protection status“ nach Section 7 (2) des dänischen Ausländergesetzes gewährt worden (gültig bis 20. März 2021).
5Mit Bescheid vom 20. August 2020 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.) und forderte die Klägerin zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf. Der Klägerin wurde für den Fall, dass sie der Ausreisefrist nicht nachkomme, die Abschiebung nach Dänemark oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Aufnahme verpflichteten Staat angedroht (Ziffer 3. Sätze 1 bis 3). Die Klägerin dürfe nicht nach Syrien abgeschoben werden (Ziffer 3. Satz 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4.). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung setzte das Bundesamt aus (Ziffer 5.).
6Am 8. September 2020 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Dänemark nehme am gemeinsamen europäischen Asylsystem nicht teil. Die Erwägungen aus dem Urteil des EuGH vom 20. Mai 2021 - C-8/20 - zu einem Zweitantrag seien auf Fälle der Gewährung internationalen Schutzes durch Dänemark zu übertragen. Dänemark beteilige sich nach den Art. 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 nicht an den Richtlinien 2013/33/EU, 2013/32/EU und 2011/95/EU. Die Definition des Begriffs „internationaler Schutz" sei aber gerade der Richtlinie 2011/95/EU zu entnehmen. Da sie - die Klägerin - in Dänemark keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, könne ihr dort auch kein internationaler Schutz gewährt worden sein. Ob Dänemark über ein eventuell vergleichbares Schutzniveau verfüge, sei nach der Entscheidung des EuGH unbeachtlich. Widersprüchlich sei es, die Wertungen für § 71a AsylG und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unterschiedlich zu handhaben. Zudem werde bestritten, dass ihr Schutzstatus in Dänemark fortbestehe; insoweit werde auf die Widerrufspraxis Dänemarks verwiesen.
7Die Klägerin hat beantragt,
8den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20. August 2020 aufzuheben,
9hilfsweise die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheids zu verpflichten, festzustellen, dass in ihrer Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen.
10Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 6. Januar 2022 den Bescheid vom 20. August 2020 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin sei nicht in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union der internationale Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei der „internationale Schutz" derjenige nach der Richtlinie 2011/95/EU. Der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG gewährte internationale Schutz stehe dem internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU gleich. Der Klägerin sei gemäß Art. 7 Abs. 2 des dänischen Ausländergesetzes (Aliens Act) ein anderer Schutz zuerkannt worden, genannt „subsidiary protection". Dass dieser Schutzstatus dem subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU oder der Richtlinie 2004/83/EG entspreche, könne nicht ohne nähere Prüfung festgestellt werden. Denn Dänemark sei an keine der beiden Richtlinien gebunden. Ob Art. 7 Abs. 2 des dänischen Ausländergesetzes ein Schutzniveau vorsehe, das demjenigen des subsidiären Schutzes im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU oder der Richtlinie 2004/83/EG entspreche und ein gleichwertiges Schutzniveau vorgesehen habe, bedürfe keiner Aufklärung. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 - wäre die Rechtssicherheit beeinträchtigt, wenn geprüft würde, ob eine Gleichwertigkeit des Schutzniveaus der Richtlinien mit dem Schutzniveau anderer nationaler Regelungen bestehe. Diese Feststellung, die der EuGH in einem Verfahren getroffen habe, in dem er die Vergleichbarkeit verschiedener nationaler Regelungen im Rahmen der Prüfung eines Folgeantrags (vgl. Art. 33 Abs. 2 lit. d) Richtlinie 2013/32/EU) zu überprüfen gehabt habe, könne auf die vorliegende Konstellation übertragen werden.
13Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus: Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU sei im vorliegenden Fall anwendbar. Voraussetzung sei allein, dass es sich um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handele. Anders als im Bereich der Dublin III-VO, die als Adressatenkreis auch diejenigen Staaten umfasse, die die Dublin III-VO aufgrund völkerrechtlicher Verträge anwendeten, beziehe sich die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ihrem Wortlaut entsprechend allein auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Das folge daraus, dass § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gerade keinen Bezug zu den sekundärrechtlichen Rechtsakten der Europäischen Union herstelle. Nur in deren Rahmen lasse sich diskutieren, ob auch die sonstigen Staaten, die an das entsprechende Sekundärrecht gebunden seien, von der Norm betroffen seien. Hinsichtlich des Flüchtlingsbegriffs werde in Dänemark unterschieden zwischen dem Status nach § 7 Abs. 1 und dem des § 7 Abs. 2 des Ausländergesetzes (de-facto-Flüchtling). Als de-facto-Flüchtling im Sinne des § 7 Abs. 2 würden diejenigen Flüchtlinge anerkannt, die nicht eindeutig in den Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention fielen, bei denen aber ähnliche Gründe vorlägen, die eine Schutzgewährung in Dänemark geböten oder denen aus anderen Gründen eine Rückkehr in ihre Heimat nicht zugemutet werden könne. In der Praxis erhielten einen de-facto-Flüchtlingsstatus Personen, die aus anderen als den in der Genfer Konvention genannten Gründen Verfolgung zu befürchten oder die nach dänischen Standards exzessive Bestrafung in ihren Heimatländern zu erwarten hätten. Als de-facto-Flüchtlinge würden ferner solche Personen angesehen, bei denen die Behörden Zweifel hätten, ob sie die Voraussetzungen der GFK in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht erfüllten. Typische Fälle seien z. B. die Bestrafung wegen Republikflucht, Kriegsdienstverweigerung, Homosexualität etc. Ferner würden von § 7 Abs. 2 des dänischen Ausländergesetzes auch Personen erfasst, deren Verfolgung nicht von staatlicher Seite, sondern von anderen Gruppen drohe. Die Verfolgung müsse sich individuell gerade gegen den Antragsteller richten. Allgemeine Bürgerkriegsgefahren und innere Unruhen würden nicht als hinreichend angesehen. Die Erlöschens- und Widerrufsgründe nach den §§ 17 und 17a des dänischen Ausländergesetzes entsprächen inhaltlich denen des Art. 16 der Richtlinie 2011/95/EU. Die vom EuGH mit Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 - entwickelten Rechtsgrundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der EuGH habe primär darauf abgestellt, dass der betroffene Drittstaat - Norwegen - nicht Teil der EU sei und lediglich festgestellt, dass die unionsrechtlich eröffneten Möglichkeiten zur Asylantragsablehnung als unzulässig in der Richtlinie 2013/32/EU abschließend vorgegeben seien. Eine Ablehnung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2013/32/EU könne allein bei einem in einem Mitgliedstaat zuvor erfolglos gebliebenen Asylantrag eingreifen, nicht aber in Bezug auf einen Nichtmitgliedstaat - beispielsweise die Schweiz oder Norwegen -, selbst wenn dieser Vertragsstaat des Dublin-Verfahrens sei. Es handele sich vorliegend nicht um eine vorangegangene Ablehnung internationalen Schutzes in einem Drittstaat, sondern um die Zuerkennung subsidiären Schutzes in einem Mitgliedstaat.
14Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 6. Januar 2022 zu ändern und die Klage abzuweisen.
16Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
19Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21A. Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22B. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
23Der Bescheid des Bundesamts vom 20. August 2020 ist - soweit er streitbefangen ist - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24Dabei ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen.
25Vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. (Ibrahim) -, juris, Rn. 67 f.
26I. Als Rechtsgrundlage für die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids kommt § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht in Betracht.
27Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 gewährt hat. Der internationale Schutz wird durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz AsylG definiert als der internationale Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9). Der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AsylG den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie.
28§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG setzt Art. 33 Abs. 2 lit. a) RL 2013/32/EU in nationales Recht um. Die Mitgliedstaaten können demnach einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat. „Internationaler Schutz“ ist nach Art. 2 lit. i) der Richtlinie 2013/32/EU die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus im Sinne der Buchstaben j) und k).
29Die Flüchtlingseigenschaft ist in lit. j) definiert als die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat. „Flüchtling“ meint nach Art. 2 lit. g) RL 2013/32/EU einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der die Voraussetzungen des Art. 2 lit. d) der Richtlinie 2011/95/EU erfüllt, der wiederum Art. 1 A Nr. 2 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge wiedergibt.
30Als „subsidiärer Schutzstatus“ definiert Art. 2 lit. k) RL 2013/32/EU die Anerkennung durch einen Mitgliedstaat eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz, die wiederum nach Art. 2 lit. h) der Richtlinie 2013/32/EU ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser ist, der die Voraussetzungen des Artikels 2 Buchstabe f der Richtlinie 2011/95/EU erfüllt.
31Die Gewährung des „subsidiary protection status“ nach Section 7 (2) des dänischen Ausländergesetzes stellt keinen „internationalen Schutz“ im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bzw. Art. 33 Abs. 2 lit. a) i. V. m. Art. 2 lit. i) der Richtlinie 2013/32/EU dar.
32Nach Art. 1 Unterabs. 1 Satz 1 des Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks zum Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - wozu auch das gemeinsame europäische Asylsystem gehört - vorgeschlagen werden. Art. 2 Satz 1 dieses Protokolls sieht vor, dass Vorschriften des Dritten Teils Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, nach jenem Titel beschlossene Maßnahmen, Vorschriften internationaler Übereinkünfte, die von der Union nach jenem Titel geschlossen werden, sowie Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, in denen solche Vorschriften oder Maßnahmen oder nach jenem Titel geänderte oder änderbare Maßnahmen ausgelegt werden, für Dänemark nicht bindend oder anwendbar sind. Entsprechend hat sich Dänemark nicht an der Annahme der Richtlinien 2013/32/EU (s. Erwägungsgrund 59) sowie 2011/95/EU (s. Erwägungsgrund 51) beteiligt und ist weder durch diese Richtlinien gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.
33Im Gegensatz zur Gewährung des Flüchtlingsschutzes, für den Section 7 (1) des dänischen Ausländergesetzes unmittelbar Bezug auf die GFK nimmt,
34vgl. zur Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz nach Zuerkennung des dänischen „refugee status“ nach Section 7 (1) des dänischen Ausländergesetzes OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2022- 11 A 219/22.A -, juris,
35besteht hinsichtlich des subsidiären Schutzes trotz der sprachlichen Anlehnung keine Anknüpfung des „subsidiary protection status“ an die Richtlinien 2013/32/EU und 2011/95/EU.
36Vgl. englischsprachige Übersetzung des dänischen Ausländergesetzes (Aliens Act), Stand 10. März 2019, abrufbar unter https:// nyidanmark.dk/de-DE/Legislation/Legislation.
37Ob der durch Dänemark nach Section 7 (2) des dänischen Ausländergesetzes gewährte „subsidiary protection status“ dasselbe Schutzniveau wie der subsidiären Schutz enthält - was bereits nach den Darlegungen der Beklagten insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis einer individuellen Verfolgung zu verneinen sein dürfte -, bedarf aus den vom EuGH im Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, juris, hervorgehobenen Gründen der Rechtssicherheit
38- vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 47 -
39keiner Überprüfung.
40Der EuGH hat entschieden, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. q) dahin auszulegen sei, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehe, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) dieser Richtlinie als unzulässig abgelehnt werden könne, wenn er im betreffenden Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellt worden sei, der zuvor in einem Drittstaat, der die Dublin-III-Verordnung gemäß dem Übereinkommen zwischen der Union, Island und Norwegen umsetze, einen erfolglosen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt habe. Denn der Wortlaut von Art. 2 lit. q) i. V. m. lit. b) sehe die Prüfung des ersten Asylantrags „durch einen Mitgliedstaat“ vor, wodurch ein an einen Drittstaat gerichteter Antrag kein „Antrag auf internationalen Schutz“ sein könne.
41Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 36 f.
42Der Begriff der „bestandskräftigen Entscheidung“ bezeichne zudem gemäß der Definition in Art. 2 lit. e) RL 2013/32 eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der Richtlinie 2011/95 die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen sei, und gegen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der Richtlinie 2013/32/EU mehr eingelegt werden könne. Eine von einem Drittstaat getroffene Entscheidung könne indessen nicht unter diese Definition fallen. Die Richtlinie 2011/95/EU, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sei und keine Drittstaaten betreffe, beschränke sich nämlich nicht darauf, die Flüchtlingseigenschaft vorzusehen, wie sie im Völkerrecht, nämlich in der Genfer Flüchtlingskonvention, verankert sei, sondern sie regele auch den subsidiären Schutzstatus, der, wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergebe, die Vorschriften über die Flüchtlingseigenschaft ergänze.
43Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 38 f.
44Selbst wenn man davon ausginge, dass das norwegische Asylsystem ein Schutzniveau für Asylbewerber vorsehe, das dem in der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Niveau gleichwertig sei, könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Abgesehen davon, dass sich aus dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2013/32 ergebe, dass es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht zulässig sei, einen Drittstaat für die Zwecke der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) dieser Richtlinie einem Mitgliedstaat gleichzustellen, könne eine solche Gleichstellung, da andernfalls die Rechtssicherheit beeinträchtigt wäre, nicht von einer Bewertung des konkreten Schutzniveaus für Asylbewerber im betreffenden Drittstaat abhängen.
45Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 46 f.
46Diese Rechtsgrundsätze sind auch auf den Fall einer Unzulässigkeitsentscheidung nach vorangegangener Gewährung des dänischen „subsidiary protection status“ übertragbar.
47Zwar ist Dänemark im Gegensatz zu dem im Urteil des EuGH genannten Staat Norwegen ein Mitglied der Europäischen Union. Dänemark ist jedoch - wie der Drittstaat Norwegen - nicht an die Richtlinien 2013/32/EU und 2011/95/EU gebunden. Der EuGH hat insbesondere herausgestellt, dass die Behandlung als Folgeantrag die Prüfung nicht nur des Flüchtlingsschutzes nach der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern auch des subsidiären Schutzes voraussetze, weil die Richtlinie 2011/95/EU sich nicht darauf beschränke, die Flüchtlingseigenschaft vorzusehen, wie sie im Völkerrecht, nämlich in der Genfer Flüchtlingskonvention, verankert sei, sondern sie regele auch den subsidiären Schutzstatus. Dieses Arguments hätte es nicht bedurft, wenn es für die Frage der Unzulässigkeitsentscheidung lediglich darauf ankäme, ob es sich bei dem ersuchten Staat um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt. Der EuGH betont vielmehr, dass aus Gründen der Rechtssicherheit von dem ersuchten Staat zu fordern ist, dass dieser zuvor eine Prüfung des Asylantrags im Hinblick auf den internationalen Schutz nach Maßgabe des entsprechenden Sekundärrechts durchgeführt hat. Dieser allgemeine Rechtsgedanke für die Ablehnung des Asylantrags kann gleichermaßen Geltung beanspruchen für die Zuerkennung eines- möglicherweise nicht dem Schutzniveau des durch das Sekundärrecht geregelten - Schutzstatus.
48Mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung des EuGH sieht der Senat keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Europäischen Gerichtshof zu richten.
49II. Die unter Ziffer 2. des Bescheids getroffene Feststellung des Fehlens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist verfrüht ergangen, weil das Bundesamt nach Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung verpflichtet ist, den Asylantrag der Klägerin materiell zu prüfen und sodann über Abschiebungsverbote zu entscheiden. Die auf § 35 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung in Ziffer 3. Sätze 1 bis 3 des angefochtenen Bescheids ist rechtswidrig, weil der Asylantrag der Klägerin mit Blick auf die unter B. I. getroffenen Feststellungen nicht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt werden durfte. Infolgedessen entfällt auch die Grundlage für die Anordnung des auf § 11 Abs. 1 AufenthG gestützten Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4. des Bescheids.
50C. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.
51Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO.
52D. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - sind geklärt.