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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 1. zu 3/11 und die Antragstellerin zu 2. zu 8/11.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 275.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerinnen sind pharmazeutische Unternehmen und Inhaberinnen nationaler Zulassungen für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Sie begehren, im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller von 22 Arzneimitteln in verschiedenen arzneimittelrechtlichen Informationssystemen zu veröffentlichen.
4Sie haben beantragt,
51. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, daran mitzuwirken, sei es durch Übermittlung, Speicherung oder auf sonstige Weise, dass Namen und Adressen von Wirkstoffherstellern derjenigen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, für welche die Antragstellerinnen die nationalen arzneimittelrechtlichen Zulassungen besitzen, namentlich
für die Antragstellerin zu 1)
8(Angaben zum Produkt/zu den Produkten wurden entfernt, da für die Entscheidung unerheblich),
9für die Antragstellerin zu 2)
10(Angaben zum Produkt/zu den Produkten wurden entfernt, da für die Entscheidung unerheblich),
11in ein oder mehrere Informationssysteme und insbesondere die AMIS-, AmAnDA- und AM-FDB-Datenbanken und/oder das PharmNet.Bund Portal in einer technischen Ausführung aufgenommen werden, zu welcher außer Behörden und der jeweilige Zulassungsinhaber auch andere und insbesondere die Allgemeinheit Zugriff haben,
12hilfsweise,
13der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, daran mitzuwirken, sei es durch Übermittlung, Speicherung oder auf sonstige Weise, dass Namen und Adressen von Wirkstoffherstellern derjenigen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, für welche die Antragsstellerinnen die nationalen arzneimittelrechtlichen Zulassungen besitzen, namentlich
14für die Antragstellerin zu 1)
15(Angaben zum Produkt/zu den Produkten wurden entfernt, da für die Entscheidung unerheblich),
16für die Antragstellerin zu 2)
17(Angaben zum Produkt/zu den Produkten wurden entfernt, da für die Entscheidung unerheblich),
18in ein oder mehrere Informationssysteme und insbesondere die AMIS-, AmAnDA- und AM-FDB Datenbanken und/oder das PharmNet.Bund Portal in einer technischen Ausführung aufgenommen werden, zu welcher außer Behörden und dem jeweiligen Zulassungsinhaber auch andere und insbesondere die Allgemeinheit Zugriff haben, solange bis in diesen Informationssystemen und insbesondere der AMIS-, AmAnDA- und AM-FDB Datenbanken und/oder das PharmNet.Bund Portal die Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller auch derjenigen Arzneimittel gespeichert und der Allgemeinheit zugänglich sind, für welche europäische zentrale arzneimittelrechtliche Zulassungen bestehen,
192. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, daran mitzuwirken, sei es durch Übermittlung, Speicherung oder auf sonstige Weise, dass Namen und Adressen von Wirkstoffherstellern derjenigen verschreibungspflichtigen Arzneimittel, für welche die Antragsstellerinnen die nationalen arzneimittelrechtlichen Zulassungen besitzen, namentlichfür die Antragstellerin zu 1)
(Angaben zum Produkt/zu den Produkten wurden entfernt, da für die
22Entscheidung unerheblich),
23für die Antragstellerin zu 2)
24(Angaben zum Produkt/zu den Produkten wurden entfernt, da für die Entscheidung unerheblich),
25in ein oder mehrere Informationssysteme und insbesondere (nach Schließung der AMIS Datenbank) die AmAnDa- und/oder AM-FDB-Datenbank in einer technischen Ausführung aufgenommen werden, zu welcher außer Behörden und dem jeweiligen Zulassungsinhaber auch andere und insbesondere die Allgemeinheit Zugriff haben,
26hilfsweise,
27der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, daran mitzuwirken, sei es durch Übermittlung, Speicherung oder auf sonstige Weise, dass Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller derjenigen verschreibungspflichtigen Arzneimittel, für welche die Antragstellerinnen die nationale Zulassung besitzen, namentlich
28für die Antragstellerin zu 1)
29(Angaben zum Produkt/zu den Produkten wurden entfernt, da für die Entscheidung unerheblich),
30für die Antragstellerin zu 2)
31(Angaben zum Produkt/zu den Produkten wurden entfernt, da für die Entscheidung unerheblich),
32in ein oder mehrere Informationssysteme und insbesondere (nach Schließung der AMIS Datenbank) die AmAnDA- und/oder AM-FDB Datenbank in einer technischen Ausführung aufgenommen werden, zu welcher außer Behörden und dem jeweiligen Zulassungsinhaber auch andere und insbesondere die Allgemeinheit Zugriff haben, solange bis in diesen Informationssystemen und insbesondere der AmAnDA- und/oder AM-FDB Datenbank die Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller auch derjenigen Arzneimittel gespeichert und der Allgemeinheit zugänglich sind, für welche europäische zentrale arzneimittelrechtliche Zulassungen bestehen.
33Das Verwaltungsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 18. Juni 2020 abgelehnt. Es hat angenommen, die Antragstellerinnen hätten bereits das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Ihnen stehe bei summarischer Prüfung kein Anspruch darauf zu, dass die Veröffentlichung der Informationen zum Wirkstoffhersteller unterbleibe. Das BfArM sei hierzu nach § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG seit dem 9. August 2019 gesetzlich verpflichtet, ohne dass insoweit ein Ermessensspielraum bestünde. Diese Verpflichtung verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG verfolge den legitimen Zweck, für mehr Sicherheit und Transparenz in der Arzneimittelversorgung zu sorgen, und sei hierzu geeignet und erforderlich. Die Speicherung und Veröffentlichung der Daten sei auch im engeren Sinne verhältnismäßig. Der Schutz der Allgemeinheit vor Gesundheitsgefahren durch qualitätsgeminderte Arzneimittel genieße Vorrang gegenüber etwaigen Wettbewerbsnachteilen des Zulassungsinhabers durch das Bekanntwerden des Wirkstoffherstellers. Die Vorschrift stehe auch im Einklang mit unionsrechtlichen Vorgaben. Die Verordnungen (EG) Nr. 1049/2001 und 726/2004 seien nicht an die nationalen Behörden, sondern an die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) gerichtet. Das zeitlich abgestufte Veröffentlichungsverfahren verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei bereits fraglich, ob es sich bei Arzneimitteln mit nationaler und solcher mit zentraler Zulassung um vergleichbare Sachverhalte handele. Jedenfalls liege ein sachlicher Grund für das abgestufte Verfahren vor.
34Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde der Antragstellerinnen.
35II.
36Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
37Die dargelegten Gründe für die Beschwerde, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist. Auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kommt es damit nicht mehr an.
381. Ohne Erfolg machen die Antragstellerinnen geltend, die in § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG vorgesehene Veröffentlichung von Informationen zu den Wirkstoffherstellern ihrer Arzneimittel verletze ihre Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.
39Nach § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG hat die zuständige Bundesoberbehörde über das Internetportal für Arzneimittel nach § 67a Abs. 2 zusätzlich zu den Informationen in Absatz 1a Satz 1 Nr. 1 bis 4 und Absatz 1a Satz 2 mindestens folgende weitere Informationen zu veröffentlichen: Name und Anschrift des Wirkstoffherstellers oder der Wirkstoffhersteller, der oder die vom Arzneimittelhersteller oder einer von ihm vertraglich beauftragten Person nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 vor Ort überprüft wurde oder wurden.
40Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden Prüfung (a.) beeinträchtigt diese gesetzlich vorgesehene Offenbarung der Daten zu den Wirkstoffherstellern nicht die Berufsausübungsfreiheit der Zulassungsinhaber aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG (b.).
41a. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verlangt, dass sich die Verwaltungsgerichte - wenn sie ihre Entscheidung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausrichten - auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit berechtigten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit und damit Gültigkeit von entscheidungserheblichen Normen und ihrer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung auseinandersetzen.
42Zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 1996 ‑ 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 = juris Rn. 16.
43Dies gilt bei Verwaltungshandeln durch amtliche Informationen in besonderem Maße. Denn diese sind grundsätzlich irreversibel, da - ungeachtet der Möglichkeiten von späteren Korrekturen - die faktischen Wirkungen von Informationen, wie die Antragstellerinnen zu Recht geltend machen, regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können.
44Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28. Januar 2013 - 9 S 2423/12 -, NVwZ 2013, 1022 = juris Rn. 6.
45Dabei kann vorläufiger Rechtsschutz mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch ohne die im Hauptsacheverfahren erforderliche Vorlage ans Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG gewährt werden, wenn dies nach den Umständen des Einzelfalls im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint.
46Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Juni 1992 - 1 BvR 1028/91 -, BVerfGE 86, 382 = juris Rn. 29, und vom 25. Juli 1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 = juris Rn. 15 f.; OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 6 B 1109/16 -, NVwZ 2017, 807 = juris Rn. 3; Bay. VGH, Beschluss vom 30. Januar 2013 - 19 AE 12.2123 -, DVBl. 2013, 461 = juris Rn. 4; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser u. a., VwGO, 7. Auflage 2018, § 80 Rn. 102; Happ, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, 14. Auflage 2014, § 123 Rn. 57; Puttler, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 123 Rn. 13 ff.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2020, 39. EGL, § 123 Rn. 128 ff.
47Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Senat ist bei vorläufiger Prüfung im Eilverfahren nicht davon überzeugt, dass § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist und voraussichtlich im Hauptsacheverfahren eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erfolgen wird. Ob und in welchen Fällen auch (erhebliche) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit die Nichtanwendung einer Norm im Eilverfahren gebieten können,
48vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. April 1992 - 12 B 2298/90 -, NVwZ 1992, 1226 = juris Rn. 2 ff.; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser u. a., a. a. O., § 80 Rn. 102; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, a. a. O., § 123 Rn. 129a,
49bedarf keiner Entscheidung. Auch daran fehlt es.
50b. Die gesetzlich vorgesehene Offenbarung der Daten zu den Wirkstoffherstellern beeinträchtigt schon nicht die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerinnen aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Mit der Veröffentlichung des Namens und der Anschrift des Wirkstoffherstellers wird kein Geschäftsgeheimnis der Zulassungsinhaber offenbart (aa). Die von den Antragstellerinnen geltend gemachten nachteiligen Folgen des staatlichen Informationshandelns für ihre Wettbewerbschancen sind ebenfalls kein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG (bb).
51aa. Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, greift § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG nicht deshalb in die Berufsfreiheit ein, weil mit der Veröffentlichung des Namens und der Anschrift des Wirkstoffherstellers Geschäftsgeheimnisse der Zulassungsinhaber offenbart werden.
52(1) Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
53Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Denn dadurch kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb im Rahmen beruflicher Betätigung am Markt beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.
54Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087, 2111/03 - BVerfGE 115, 205 = juris Rn. 81 ff.; Manssen, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 12 Rn. 86.
55(2) Name und Anschrift der Wirkstoffhersteller sind aber keine in diesem Sinne durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Geschäftsgeheimnisse der Zulassungsinhaber.
56Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung das Unternehmen ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen, Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können
57Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087, 2111/03 - a. a. O., Rn. 87; BVerwG, Urteile vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, BVerwGE 166, 233 = juris Rn. 33, und vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, NVwZ 2009, 1113 = juris Rn. 12; BGH Kartellsenat, Beschluss vom 8. Oktober 2019 ‑ EnVR 12/18 -, NVwZ-RR 2020, 1117 = juris Rn. 20; siehe auch Art. 2 Nr. 1 Richtlinie (EU) 2016/943 sowie § 2 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG); Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 30 Rn. 13.
58Ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, a. a. O., Rn. 13, sowie Beschluss vom 19. Januar 2009 - 20 F 23.07 -, NVwZ 2009, 1114 = juris Rn. 11; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 30 Rn. 13a.
60Dies zugrunde gelegt, sind die nach § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG zu veröffentlichenden Daten des Wirkstoffherstellers keine Geschäftsgeheimnisse der Zulassungsinhaber. Zum kaufmännischen Wissen können zwar interne Umstände wie Bezugsquellen oder Beziehungen zu Lieferanten bei der Herstellung von Arzneimitteln gehören. Auch dürften die zu veröffentlichenden Daten nicht offenkundig sein. Selbst wenn man mit der Antragsgegnerin und dem Verwaltungsgericht davon ausginge, Namen und Anschriften einschlägiger Wirkstoffhersteller seien in Fachkreisen bekannt, ergibt sich daraus nicht, bei welchem Wirkstoffhersteller der Zulassungsinhaber den Wirkstoff für ein konkretes Arzneimittel bezieht. Die Zulassungsinhaber haben allerdings kein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Nichtverbreitung des Namens und der Anschrift der Wirkstoffhersteller ihrer Arzneimittel.
61Die Antragstellerinnen machen zwar - auch unter Bezugnahme auf die im Beschwerdeverfahren vorgelegte gutachterliche Stellungnahme von Prof. W. vom 30. September 2020 - ein wirtschaftliches Interesse geltend, dass diese Daten nicht offenbart und damit Konkurrenten im In- und Ausland zugänglich gemacht werden. Sie tragen im Wesentlichen vor, Konkurrenzunternehmen, insbesondere Generikahersteller, würden mit den Informationen in die Lage versetzt, Konkurrenzprodukte herzustellen, wodurch es zu einer Existenzgefährdung der Antragstellerinnen komme. Aufgrund der Individualität des pflanzlichen Ausgangsmaterials, welches im Rahmen eines individuellen Herstellungsprozesses zum Wirkstoff verarbeitet werde, sei der Wirkstoff pflanzlicher Arzneimittel immer nur aus einer Quelle verfügbar. Ein Generikum könne daher nur angeboten werden, wenn der Nachahmer auf die gleiche Wirkstoffquelle zurückgreifen könne, was ihm durch die Veröffentlichung nach § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG ermöglicht werde. Große Pharmaunternehmen könnten dann, ggf. auch mit der Folge einer Wirkstoffknappheit, in den Markt eintreten und die Antragstellerinnen als mittelständische Unternehmen in ihrer Existenz gefährden.
62Aus diesen - ohnehin nur für Phytopharmaka geltenden - Umständen ergibt sich allerdings kein berechtigtes Interesse der Zulassungsinhaber an der Nichtverbreitung von Namen und Anschriften der Wirkstoffhersteller. Die Kenntnis dieser Daten ist - auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten pflanzlicher Arzneimittel - zur Überzeugung des Senats (allein) nicht geeignet, die Wettbewerbsposition der Zulassungsinhaber nachteilig zu beeinflussen. Das bloße Wissen über das Bestehen einer vertraglichen Beziehung zu einem Wirkstoffhersteller ohne Kenntnis des Vertragsinhalts, insbesondere des pflanzlichen Ausgangsmaterials und des konkreten Herstellungsprozesses, hat für die aktuellen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse keine Bedeutung und begründet demzufolge noch keine wirtschaftlichen Nachteile. Die in die Datenbank einzustellenden Informationen lassen die Einzelheiten des Wirkstoffbezugs nicht erkennen und erlauben damit keine Rückschlüsse auf wettbewerbsrelevante Umstände. Anders als von den Antragstellerinnen dargestellt, können Konkurrenzunternehmen Konkurrenzpräparate nicht herstellen, „sobald“ sie Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller kennen (Seite 12 der Beschwerdebegründung). Diese Informationen ermöglichen noch keinen Markteintritt von Konkurrenten mit den von den Antragstellerinnen gerade im Bereich der Phytopharmaka befürchteten Wettbewerbsnachteilen für die Zulassungsinhaber. Der Markteintritt, der erst die wettbewerbliche Stellung der Zulassungsinhaber beeinträchtigen könnte, ist vielmehr von vielen Unwägbarkeiten abhängig und deshalb gänzlich ungewiss. Zunächst müssten Konkurrenten an die Wirkstoffhersteller herantreten. Diese müssten insbesondere die Herkunft der Pflanzen und den Herstellungsprozess offenbaren und zwecks Markteintritts des Konkurrenten mit einem Generikum eine vertragliche Vereinbarung schließen. Dies wiederum würde voraussetzen, dass die derzeitigen Zulassungsinhaber keine entgegenstehenden Verschwiegenheitsvereinbarungen oder Konkurrenzschutzverträge mit ihren Wirkstoffherstellern geschlossen haben, durch die sie sich vor den befürchteten nachteiligen Folgen schützen können. Ob die von den Antragstellerinnen vorgelegten Geheimhaltungsvereinbarungen einem Vertragsschluss mit konkurrierenden Unternehmen entgegenstünden, bedarf angesichts der vorstehenden Ausführungen und mit Blick auf die generelle Betrachtung, die bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung geboten ist, hier keiner Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass die Wirkstoffhersteller ohne Bindung durch Konkurrenzschutzklauseln auch nicht daran gehindert sind, ihrerseits an die Hersteller von Nachahmerpräparaten heranzutreten.
63bb. Die Veröffentlichung nach § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG - mit den von den Antragstellerinnen geltend gemachten nachteiligen Folgen für die Zulassungsinhaber im Wettbewerb - beeinträchtigt als staatliches Informationshandeln auch nicht mittelbar-faktisch als funktionales Äquivalent eines Grundrechtseingriffs den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG.
64(1) Nicht jedes staatliche Informationshandeln, das die Wettbewerbschancen von Unternehmen am Markt nachteilig verändert, beeinträchtigt Art. 12 Abs. 1 GG.
65Die Berufsfreiheit schützt grundsätzlich nicht vor bloßen Veränderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit. In der bestehenden Wirtschaftsordnung umschließt das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs. Marktteilnehmer haben keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Die Wettbewerbsposition und damit auch die erzielbaren Erträge unterliegen dem Risiko laufender Veränderung je nach den Verhältnissen am Markt und damit nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Regelungen, die die Wettbewerbssituation der Unternehmen lediglich im Wege faktisch-mittelbarer Auswirkungen beeinflussen, berühren den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht. Demgemäß ist nicht jedes staatliche Informationshandeln, das die Wettbewerbschancen von Unternehmen am Markt nachteilig verändert, ohne Weiteres als Grundrechtseingriff zu bewerten. Grundlage der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs ist ein möglichst hohes Maß an Informationen der Marktteilnehmer über marktrelevante Faktoren. Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen die Berufsfreiheit der betroffenen Wettbewerber nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt.
66Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 („Lebensmittelpranger“) -, BVerfGE 148, 40 = juris Rn. 27 m. w. N., und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 (Glykolwein) -, BVerfGE 105, 252 = juris Rn. 42 ff.; BVerwG, Urteil vom 20. November 2014 - 3 C 27.13 -, NVwZ-RR 2015, 425 = juris Rn. 14; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Auflage 2020, Art. 12 Rn. 19; kritisch Manssen, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, a. a. O., Art. 12 Rn. 86 ff., und Starke, DVBl. 2018, 1469 (1472 f.)
67Die Berechtigung zu staatlichem Informationshandeln ist nicht auf den Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr oder vergleichbarer Interessenlagen beschränkt.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 -, BVerwGE 151, 228 = juris Rn. 35; OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2020 - 13 B 1466/19 ‑, juris Rn. 31 ff.
69Staatliches Informationshandeln kann allerdings zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führen. Die Grundrechtsbindung aus Art. 12 Abs. 1 GG besteht dann, wenn Normen, die zwar selbst die Berufstätigkeit nicht unmittelbar berühren, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen, die mittelbaren Folgen also kein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit wird dann beeinträchtigt, wenn sich das staatliche Informationshandeln nicht auf die Veröffentlichung von Informationen beschränkt, auf deren Grundlage die Nutzer der staatlichen Informationsquelle eigenbestimmte, an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen können. Dies ist etwa der Fall, wenn die Informationserteilung geeignet ist, als funktionales Äquivalent Verbotsverfügungen der Behörden zu ersetzen.
70Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 -, a. a. O., Rn. 43 ff. und 62, und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 (Osho) -, BVerfGE 105, 279 = juris Rn. 68 ff.; BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 -, a. a. O., Rn. 35 und 40 f., und vom 20. November 2014 - 3 C 27.13 -, a. a. O., Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 - 13 B 127/12 -, NVwZ 2012, 767 = juris Rn. 18; Kühn, DVBl. 2018, 1071 ff.
71Die amtliche Information der Öffentlichkeit kann in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent auch dann gleichkommen, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielt, indem sie die informationellen Grundlagen der Entscheidungen am Markt zweckgerichtet beeinflusst und so die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändert.
72Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 -, a. a. O., Rn. 28; s. so im Ergebnis auch schon BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - 3 C 34.84 -, BVerwGE 71, 183 = juris Rn. 38.
73(2) Hiervon ausgehend liegt kein mittelbar-faktischer Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG vor.
74(a) Die Veröffentlichung von Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller soll ausweislich der Gesetzesbegründung - als Reaktion auf Vorkommnisse mit gefälschten und verunreinigten Arzneimitteln - für eine größere Diversität an Wirkstoffherstellern bei den Beschaffungsvorgängen der Kostenträger sorgen. Ferner soll die vom Gesetzgeber gewollte Transparenz dem Patientenschutz dienen.
75Vgl. BT-Drs. 19/8753, S. 1, 34, 47.
76Wie die Antragstellerinnen zutreffend geltend machen, ist originärer Zweck des § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG, die Entscheidung von Marktteilnehmern (Ärzte, Apotheken, Patienten) zu beeinflussen, bestimmte Arzneimittel wegen der Herkunft ihrer Wirkstoffe nicht zu verschreiben, zu verkaufen oder anzuwenden, falls sich ergibt, dass diese gefälscht, verunreinigt oder aus sonstigen Gründen gefährlich sind. Ferner dient die Veröffentlichung als informationelle Grundlage für das Beschaffungsverhalten der Kostenträger.
77Die staatliche Informationstätigkeit beeinträchtigt insoweit als Information dieser Marktteilnehmer über marktrelevante Faktoren nicht die Berufsfreiheit. Die Informationen dienen der Verbesserung der Transparenz mit dem Ziel, mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung zu erreichen. Sie betreffen ohne Verzerrung der Marktverhältnisse alle Zulassungsinhaber - aller Arten von Arzneimitteln - und zielen, anders als etwa der von den Antragstellerinnen angeführte „Lebensmittelpranger“ des § 40 Abs. 1a LFGB, nicht auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen. Die Veröffentlichung der Daten der Wirkstoffhersteller beschränkt sich darauf, den Marktteilnehmern generell bestimmte marktrelevante Informationen bereitzustellen, auf deren Grundlage diese eigenbestimmte Entscheidungen über die Arzneimittelversorgung treffen können. Zur Beeinflussung der Marktentscheidungen von Ärzten, Apothekern und Patienten und damit möglicherweise der mittelbar-faktischen Veränderung der Markt- und Wettbewerbssituation käme es zudem erst, wenn bekannt würde, dass Wirkstoffe in einzelnen Arzneimitteln gefälscht oder verunreinigt wären. Die Veröffentlichung tritt selbst in diesem Fall aber nicht - als funktionales Äquivalent einer Verbotsverfügung, eines Arzneimittelrückrufs etc. - an die Stelle von Maßnahmen der Gefahrenabwehr durch die zuständigen Verwaltungsbehörden.
78(b) Die von den Antragstellerinnen in den Vordergrund gestellten nachteiligen Folgen, wenn Namen und Anschriften der Wirkstoffhersteller von Phytopharmaka bekannt werden, wie der Markteintritt von Konkurrenten, die Verdrängung der eigenen Produkte oder zumindest eine Wirkstoffknappheit, führen nicht zur Annahme eines faktischen, mittelbaren Grundrechtseingriffs. Sie sind ein reiner Reflex, eine hinzunehmende, nicht durch die staatliche Maßnahme beabsichtigte oder bewirkte Beeinflussung des Wettbewerbsgeschehens. Aus den oben ausgeführten Gründen treten diese nachteiligen Folgen für die bisherigen Zulassungsinhaber erst ein, wenn weitere, nicht durch die staatliche Information bewirkte und ungewisse Zwischenschritte durch konkurrierende Unternehmen und die derzeit mit den Zulassungsinhabern vertraglich verbundenen Wirkstoffhersteller erfolgen.
79Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass die von den Antragstellerinnen beschriebenen Szenarien ein völlig normales, legitimes und gesetzlich sogar gewolltes Geschehen im Rahmen des generischen Wettbewerbs sind. Art. 12 Abs. 1 GG verleiht grundsätzlich nicht das Recht, den Marktzutritt eines Konkurrenten abzuwehren. Die Sicherung von Marktexklusivität, bestehenden Wettbewerbspositionen und künftigen Erwerbsmöglichkeiten gewährleistet das Grundrecht der Berufsfreiheit auch im Arzneimittelmarkt nicht. Auch dort realisiert sich mit der Zulassung eines Konkurrenzprodukts lediglich das allgemeine marktimmanente Wettbewerbsrisiko. Das Arzneimittelgesetz ermöglicht sogar im öffentlichen Interesse nach Ablauf bestimmter Schutzfristen bezugnehmende Zulassungen von Arzneimitteln. Die Zulassungsvorschriften dienen dabei - mit Ausnahme der Vorschriften über den Unterlagenschutz - allein der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung und damit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit.
80Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2015 - 3 C 18.14 -, NVwZ-RR 2016, 504 = juris Rn. 21 ff., und vom 15. Dezember 2011 - 3 C 41.10 -, MedR 2012, 603 = juris Rn. 18 f.; OVG NRW, Urteile vom 22. September 2016 - 13 A 2378/14 -, PharmR 2017, 105 = juris Rn. 36 ff., und vom 25. Juni 2018 - 13 A 537/16 -, juris Rn. 36 ff.
812. Die Antragstellerinnen legen nicht dar, dass die Veröffentlichung der Wirkstoffhersteller unionsrechtswidrig und § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG wegen des Vorrangs des Unionsrechts unanwendbar ist. Auch mit der Beschwerdeschrift wird keine unionsrechtliche Vorschrift benannt, aus der sich diese Rechtsfolge ergibt.
82Die Antragstellerinnen meinen, Name und Anschrift der Wirkstoffhersteller seien ein Geschäftsgeheimnis, das vom europäischen Arzneimittelrecht geschützt werde und dessen Offenbarung auch nach nationalem Recht daher nicht erfolgen dürfe. Aus den von ihnen angeführten Vorschriften, Art. 4 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 i. V. m. Art. 73 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (dazu a.) sowie Art. 35 Abs. 1 lit. h VO 2016/161/EU (dazu b.), ergibt sich dies allerdings nicht. Dass das Unionsrecht keine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller vorsieht und der nationale Gesetzgeber diese in § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG im nationalen Alleingang eingeführt habe, wie die Antragstellerinnen geltend machen, begründet nicht dessen Unionsrechtswidrigkeit. Insbesondere gibt Art. 106 der Richtlinie 2001/83/EG zum nationalen Internetportal für Arzneimittel lediglich vor, welche Informationen die Mitgliedstaaten „mindestens“ (Art. 106 Abs. 1 Satz 2) veröffentlichen, lässt also Raum für weitergehende Veröffentlichungen.
83a. Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. L 145/43 vom 31. Mai 2001, begründet nicht die Unionsrechtswidrigkeit des § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG.
84Die Verordnung steht der Informationsgewährung durch nationale Stellen schon deshalb nicht entgegen, weil sie allein Informationsrechte gegenüber den Organen der EU betrifft. Dies ergibt sich bereits aus dem Titel der Verordnung. Der von den Antragstellerinnen angeführte Art. 4 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 regelt die Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument durch „die Organe“, unter anderem wenn durch dessen Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse. Nach Art. 73 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 726/2004 findet sie auch Anwendung auf die Europäische Arzneimittelagentur (EMA). Ein solches Verständnis des Anwendungsbereichs der Verordnung entspricht auch deren Sinn und Zweck, u. a. in Umsetzung von Art. 1 Abs. 2 EUV und Art. 15 Abs. 1 AEUV für Offenheit der Entscheidungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zu sorgen. Diesem grundlegenden Transparenzziel der Union entsprechend soll die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 der Öffentlichkeit ein Recht auf größtmöglichen Zugang zu Dokumenten der Unionsorgane gewähren.
85Vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2020 - C-175/18 P -, PharmR 2020, 134 = juris Rn. 51 ff.; allgemein zum Transparenzziel auch EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - C 92/09, C-93/09 (Schecke) -, Slg. 2010, I-11063 = juris Rn. 68.
86Nach der 15. Begründungserwägung zielt die Verordnung zudem weder auf eine Änderung des Rechts der Mitgliedstaaten über den Zugang zu Dokumenten ab noch bewirkt sie eine solche Änderung. Dass dort weiter ausgeführt wird, die Mitgliedstaaten sollten aufgrund des Prinzips der loyalen Zusammenarbeit, das für die Beziehungen zwischen den Organen und den Mitgliedstaaten gilt, dafür sorgen, dass sie die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung nicht beeinträchtigen, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Dies bezieht sich allein auf die Zusammenarbeit bei der Gewährung von Zugang zu Dokumenten der Union.
87Darüber hinaus regelt die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 die antragsgebundene Informationsgewährung (vgl. etwa Art. 6 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001), indem sie Zugangsrechte zu Dokumenten und Ausnahmen hiervon bestimmt. Demgegenüber ist die Veröffentlichung der Namen und Anschriften der Wirkstoffhersteller nach § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG ein aktives Informationsverhalten des Staates, der insoweit generalisierend ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Unternehmen verneint hat.
88Vgl. zu einer solchen Unterscheidung auch BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, a. a. O., Rn. 34, 46 f. (für Zugang zu Produktinformationen nach dem VIG).
89Ob die Verordnung auch deshalb nicht einschlägig ist, weil vorrangig die Datenschutzgrundverordnung anzuwenden wäre - wie die Antragsgegnerin geltend macht - bedarf keiner Entscheidung. Die Antragstellerinnen berufen sich jedenfalls nicht darauf, dass sich daraus ein Anwendungsvorrang des Unionsrechts ergäbe, sondern halten diese für nicht einschlägig, weil diese nur den Schutz personenbezogener Daten betreffe und damit auf juristische Personen als solche keine Anwendung finde.
90b. Die weiter angeführte Delegierte Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission vom 2. Oktober 2015 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln, ABl. L 32/1 vom 9. Februar 2016, steht § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG ebenfalls nicht entgegen. Sie betrifft das Anbringen von Sicherheitsmerkmalen auf der Verpackung bestimmter Arzneimittel, damit diese auf ihre Identität und Echtheit überprüft werden können (vgl. 1. Begründungserwägung). Darum geht es hier nicht. Entsprechendes gilt im Übrigen für die von der Antragsgegnerin für anwendbar gehaltene Fälschungsschutzrichtlinie (Richtlinie 2011/62/EU). Auch sie soll, wie die Antragstellerinnen insoweit zutreffend einwenden, durch Anbringung von Sicherheitsmerkmalen auf der Verpackung Transparenz in der Lieferkette herstellen. Sie betrifft hingegen nicht den vorgelagerten Herstellungsprozess (Zulieferkette).
91Ferner beziehen sich die Vorgaben zum Schutz vertraulicher Angaben kommerzieller Art in Art. 35 Abs. 1 lit. h Verordnung (EU) 2016/161 auf das insoweit eingerichtete Datenspeicher- und ‑abrufsystem (Art. 31). Dass die Datenschutzbestimmungen auch für Datenbanken der Behörden der Mitgliedstaaten gelten sollen, lässt sich der Verordnung nicht entnehmen. Dies kann entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit abgeleitet werden, der sich insoweit lediglich auf das Informationssystem bezieht, das Gegenstand dieser Verordnung ist. Nichts anderes gilt für Art. 54a Richtlinie 2001/83/EG, auf den die Verordnung der Kommission zurückgeht. Nach Abs. 2 lit. e) Richtlinie 2001/83/EG legt die Kommission durch delegierte Rechtsakte Bestimmungen über die Einrichtung, Verwaltung und Zugänglichkeit des Datenspeicher- und -abrufsystems fest, das die Informationen über die Sicherheitsmerkmale bereitzuhalten hat. Nach Art. 54a Abs. 3 Richtlinie 2001/83/EG berücksichtigt die Kommission „beim Erlass der in Absatz 2 genannten Maßnahmen“ das legitime Interesse, vertrauliche Angaben kommerzieller Art zu schützen.
92c. Aus den mit der Beschwerde weiter angeführten Dokumenten der EMA ergibt sich nichts anderes.
93Das Dokument EMEA/45422/2006 vom 15. April 2007 legt schon nach seinem Titel Grundsätze für den Umgang mit Geschäftsgeheimnissen bei Dokumenten der EMA fest („Principles to be applied for the deletion of commercially confidential information for the disclosure of EMEA documents“). Entsprechendes ergibt sich auch aus der von den Antragstellerinnen angeführten Bestimmung in Ziffer I. (Introduction), in der vom Zugang zu den Dokumenten der EMA die Rede ist („access to any EMEA document“). Dies ist auch deshalb konsequent, weil sich die Grundsätze ausweislich von Ziffer II. auf Art. 4 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 sowie die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 beziehen.
94Die weiter angeführten Leitlinien der Heads of Medicines Agencies (HMA), einem Netzwerk der Leiter der europäischen Zulassungsbehörden, sowie der EMA aus Februar/März 2012 „HMA/EMA Guidance document on the identification of commercially confidential information and personal data within the structure of the marketing authorisation (MA) application – release of information after the granting of a marketing autnorisation“ stufen zwar den Hersteller eines Wirkstoffs und den Ort der Herstellung als wirtschaftlich vertrauliche Information (Commercially Confidential Information, CCI) ein (vgl. Ziffer 1., Ziffer 2.5.3 Sub-Module 1.1). Dies vermag aber schon wegen deren rechtlicher Unverbindlichkeit keinen Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu begründen. Es kann sich daraus deshalb entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung auch kein unionsrechtliches Verbot der Veröffentlichung von Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller ergeben. Entsprechendes gilt für den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bericht der Koordinierungsgruppe „Coordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures - Human (CMDh)“ vom 14. November 2019 (EMA/CMDh/596083/2019), der lediglich - als Reaktion auf eine Information Deutschlands über den neuen § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG - die Auffassung einer Mehrheit der Mitgliedstaaten wiedergibt, dass die Informationen zum Wirkstoffhersteller als vertraulich erachtet würden.
953. Mit der Beschwerde wird auch hinsichtlich der Hilfsanträge kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht der allein geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, soweit die Antragsgegnerin ‑ behördlicherseits - für die Veröffentlichung ein zeitlich abgestuftes Verfahren vorgesehen hat, in dem die Bekanntgabe zunächst für Arzneimittel mit nationaler Zulassung durch das BfArM (Schritte 1 und 2) und erst zuletzt für Arzneimittel mit zentraler Zulassung (Schritt 3) vorgesehen ist.
96Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es muss sich also zunächst um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handeln.
97Vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juli 1998 - 1 BvR 1554/89 u. a.-, BVerfGE 98, 365 = juris Rn. 63, sowie vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240 = juris Rn. 40; siehe dazu auch Wollenschläger, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, a. a. O., Art. 3 Rn. 81 ff.
98Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt jedoch nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen aber stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.
99Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 -, BVerfGE 124, 199 = juris Rn. 85 ff., und vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49 = juris Rn. 64.
100Im Streitfall geht es lediglich um die unterschiedliche Behandlung der Inhaber verschiedener Zulassungen bei der Umsetzung des § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG durch das BfArM in zeitlicher Hinsicht. Die Antragstellerinnen legen insoweit schon das Vorliegen eines wesentlich gleichen Sachverhalts nicht dar. Der Hinweis der Beschwerde, im Hinblick auf potentielle Gefahren für die Arzneimittelsicherheit sowie die Bedrohung von Leben und Gesundheit durch verunreinigte oder sonst gefährliche Wirkstoffe seien alle Wirkstoffe und Arzneimittel gleich, reicht insoweit nicht aus. Aus dieser allein folgenorientierten Betrachtung ergibt sich nicht, dass die Sachverhalte in ihren wesentlichen Elementen gleich sind. Zwar gilt die gesetzliche Regelung des § 34 Abs. 1e Nr. 3 AMG sowohl für Arzneimittel mit nationaler Zulassung als auch für solche mit zentraler Zulassung und sind die Vergleichsfälle insoweit derselben staatlichen Stelle - dem BfArM als ausführender Behörde - zuzurechnen. Die Sachverhalte unterscheiden sich aber gleichwohl wesentlich dadurch, dass mit dem BfArM für die nationalen Zulassungen und der EMA für die zentralen Zulassungen der EU verschiedene Zulassungsbehörden unterschiedlicher Rechtsträger zuständig sind, die ‑ auch wenn das Arzneimittel- und das Datenschutzrecht weitgehend harmonisiert sind - verschiedenen rechtlichen Bindungen auch im Umgang mit den bei ihnen vorhandenen Daten unterliegen. Vergleichbar sind die Sachverhalte ferner aus dem von den Antragstellerinnen selbst angeführten Grund nicht, dass die Daten zu den Wirkstoffherstellern im Falle nationaler Zulassungen dem BfArM vorliegen, bei zentralen Zulassungen hingegen nur der EMA, die diese im Übrigen nach Auffassung der Antragstellerinnen aus Gründen des unionsrechtlichen Geheimnisschutzes auch nicht herausgeben darf.
101Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
102Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt der von den Beteiligten nicht angegriffenen Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach für jedes der streitgegenständlichen 22 Arzneimittel ein Viertel des Wertes von 50.000 Euro zugrunde zu legen ist, der bei Streitigkeiten um die arzneimittelrechtliche Zulassung Anwendung findet.
103Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).