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Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird das auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die – mittlerweile erfolgte – Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage in N. nordöstlich des Ortsteils F.
3Die Beigeladene beantragte am 14. Februar 2012 und nach zwischenzeitlichem „Ruhen“ des Verfahrens erneut am 15. Januar 2015 bei dem Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs ENERCON E-101 mit einer Nabenhöhe von 99 m und einem Rotordurchmesser von 101 m auf dem Grundstück Gemarkung F., Flur, Flurstück.
4Östlich des Grundstücks ab einer Entfernung von etwa 300 m befindet sich jenseits der Landesgrenze zu Hessen der bestehende Windpark „E.-O. /“ mit über 20 Windenergieanlagen.
5Das Vorhabengrundstück wird ebenso wie die es umgebenden Flächen überwiegend landwirtschaftlich genutzt und liegt nicht innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans. Nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen Flächennutzungsplan in der Fassung der 11. Änderung – beschlossen vom Rat der Stadt N. am 5. Mai 1997 – war lediglich eine Konzentrationszone für Windenergieanlagen im Stadtteil M. vorgesehen. Der im Mai 2008 bekanntgemachte Landschaftsplan „N.“ des Beklagten weist weite Teile des Gemeindegebiets und darunter auch den Bereich des Vorhabens als Landschaftsschutzgebiet aus. Zusätzlich befindet sich der Vorhabenstandort innerhalb der Biotopverbundflächen „Grünlandgeprägte Biotopinseln und Kleinbiotope auf der M.-Hochfläche (mit Randzone)“ (VB-A-4519-008). Das nächstgelegene FFH-Gebiet (DE-4519-303) liegt etwa 2,4 km südwestlich. Dort befinden sich auch das nächstgelegene Naturschutzgebiet (HSK-028) und ein gesetzlich geschütztes Biotop (GB-4519-302).
6Als Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls bejahte der Beklagte im Juli 2015 mit Blick auf die kumulierende Wirkung der geplanten Anlage und der Bestandsanlagen sowie artenschutzrechtliche Bedenken die Notwendigkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und führte das Genehmigungsverfahren als Verfahren nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung durch. Der Kläger wurde beteiligt und wies in seinen gemeinsam mit den anerkannten Naturschutzverbänden A., B. und C. verfassten Stellungnahmen vom 15. Mai 2015 und vom 25. November 2015 insbesondere auf artenschutzrechtliche Bedenken hin.
7Mit Bescheid vom 9. März 2016, dem Kläger zugestellt am 18. März 2016, erteilte der Beklagte der Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Die darin enthaltenen artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen setzen zum Schutz von Fledermäusen vom 1. April bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres Abschaltalgorithmen mit anschließendem Gondelmonitoring fest (Nr. 8.2 und Nr. 8.3). Ferner enthielt der Bescheid Nebenbestimmungen zum Schutz des Rotmilans und der Wachtel, die später teilweise mehrfach geändert wurden.
8Der Kläger hat am 14. April 2016 Klage erhoben.
9Am 9. Mai 2016 hat er zusätzlich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 9. März 2016 gestellt, dem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 17. Oktober 2016 - 4 L 756/16 - mit der Begründung stattgegeben hat, dass das Vorhaben außerhalb der ausgewiesenen Konzentrationszonen der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen 11. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt N. liege. Am 19. Januar 2017 hat der Rat der Stadt N. sodann die 60. Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen, nach der sich das Vorhabengrundstück innerhalb der danach unter anderem vorgesehenen Konzentrationszone 2 für Windenergieanlagen „nördlich F.“ befindet. Die Beschwerden der Beigeladenen und des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2016 hat der Senat mit Beschluss vom 23. Mai 2017 - 8 B 1303/16 - wegen artenschutzrechtlicher Bedenken zurückgewiesen. Ein am 4. September 2017 gestellter Antrag der Beigeladenen auf Abänderung des stattgebenden Eilbeschlusses vom 17. Oktober 2016 - 4 L 756/16 - hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 13. November 2017 - 4 L 2422/17 -; die dagegen zunächst erhobene Beschwerde - 8 B 1473/17 - hat die Beigeladene zurückgenommen).
10Nach Vorlage eines geänderten Maßnahmenkonzepts des Büros T. und S. vom 15. Januar 2018 betreffend Rotmilan und Wachtel hat der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 16. Februar 2018 die den Artenschutz betreffenden Nebenbestimmungen teilweise neu gefasst. Diese sahen u. a. vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen für zwei Wachtelpaare vor (Nebenbestimmung Nr. 8.10). Die übrigen Regelungen dieses Abhilfebescheides sind später erneut geändert worden.
11Der Kläger hat diesen Abhilfebescheid im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 20. Februar 2018 in das laufende Klageverfahren einbezogen.
12Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung sei verfahrensfehlerhaft erfolgt. Es liege ein Bekanntmachungsfehler vor, da bei der Beteiligung der Öffentlichkeit nicht darüber berichtet worden sei, welche Unterlagen bis dahin zur behördlichen Prüfung vorgelegen hätten. Ferner seien die ausgelegten Unterlagen nicht nur unzureichend gewesen, sondern es seien auch Unterlagen – wie diejenigen des Gutachters Dr. M. aus 2015 zum benachbarten Vorhaben Windpark „S.“ – zur Grundlage der Entscheidung gemacht worden, die nicht ausgelegen hätten und auf die auch nicht im Genehmigungsbescheid Bezug genommen worden sei. Die Stellungnahme des Klägers vom 25. November 2015 sei zudem bei der zusammenfassenden Darstellung der Umweltauswirkungen nicht erwähnt und folglich auch nicht bewertet worden. Im Übrigen stehe dem Vorhaben die Ausschlusswirkung der Konzentrationsflächenplanung der 11. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt N. entgegen. Die 60. Änderung des Flächennutzungsplans sei hingegen wegen verfahrensrechtlicher und materieller Mängel unwirksam. Das Vorhaben verstoße hinsichtlich des Rotmilans zudem gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot. Der Vorhabenstandort liege nahe an dessen Brut- und Schlafplätzen. Die mit Blick darauf getroffenen Nebenbestimmungen des Beklagten seien völlig unzureichend.
13Der Kläger hat beantragt,
141) die zugunsten der Beigeladenen erteilte Genehmigung des Landrats des Beklagten vom 9. März 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Februar 2018 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-101 mit 99 m Nabenhöhe, 50,50 m Rotorradius und 3.050 kW Nennleistung auf dem Grundstück Gemarkung F., Flur, Flurstück aufzuheben,
152) hilfsweise, den Genehmigungsbescheid des Landrats des Beklagten vom 9. März 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Februar 2018 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-101 mit 99 m Nabenhöhe, 50,50 m Rotorradius und 3.050 kW Nennleistung auf dem Grundstück Gemarkung F., Flur, Flurstück für rechtswidrig und weiterhin nicht vollziehbar zu erklären, sowie
163) äußerst hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, weitere Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen für den Rotmilan und die Wachtel unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts festzusetzen.
17Der Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er hat ausgeführt: Die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen erfordere keine lückenlose Wiedergabe sämtlicher eingebrachter Informationen. Auf eine etwaige Ausschlusswirkung der Konzentrationszonenplanung der Stadt N. könne sich der Kläger nicht berufen; zudem sei die Konzentrationsflächenplanung in der Fassung der 11. Änderung des Flächennutzungsplans unwirksam, weil seinerzeit offensichtlich keine ordnungsgemäße Abwägung bei der Standortauswahl erfolgt sei. Das naturschutzrechtliche Tötungsverbot stehe mit Blick auf den Rotmilan dem Vorhaben ebenfalls nicht entgegen. Ein erhöhtes Kollisionsrisiko dieser Art werde vom Kläger schon nicht dargetan. Die Gemeinschaftsschlafplätze des Rotmilans seien innerhalb des 1.000 m-Radius um das Vorhaben durch die Artenschutz-Prognose des Büros U. von Juli 2013 berücksichtigt und bewertet worden. Der Horst „V.-West“ sei zwar 2014 bebrütet worden, es sei aber bei Genehmigungserteilung nicht sicher gewesen, dass dieser in Zukunft wieder bebrütet werden würde. Im Übrigen sei der erforderliche Schutz durch die angeordneten Maßnahmen gewährleistet.
20Die Beigeladene hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat vorgetragen: Die Umweltverträglichkeitsprüfung und das Genehmigungsverfahren ließen durchgreifende Fehler nicht erkennen. Auch nach ihrer Ansicht könne sich der Kläger nicht auf eine Ausschlusswirkung der Konzentrationsflächenplanung berufen und sei die 11. Änderung des Flächennutzungsplans wegen offensichtlicher Mängel unwirksam. Im Übrigen sei die 60. Änderung rechtmäßig. Nennenswerte Konflikte ergäben sich mit Blick auf den Artenschutz zugunsten des Rotmilans hier nicht. Das innerhalb des Landschaftsschutzgebiets geltende Bauverbot stehe dem Vorhaben, soweit nicht ohnehin die Ausweisung der Konzentrationszonen des Flächennutzungsplanes den Festsetzungen des Landschaftsplanes vorgehe, nicht entgegen, weil die erforderliche Befreiung ausdrücklich erteilt worden sei.
23Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht dem Hauptantrag stattgegeben und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 9. März 2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. Februar 2018 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das genehmigte Vorhaben verstoße mit Blick auf den Rotmilan gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot. Der Beklagte sei insoweit zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich bei Realisierung des Vorhabens eine signifikant erhöhte Kollisionsgefahr hinreichend sicher ausschließen lasse. Die vorgesehenen Nebenbestimmungen seien nicht ausreichend. Eine Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren kämen nicht in Betracht.
24Die Beigeladene und der Beklagte haben die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
25Der Senat hat mit Beschluss vom 1. April 2019 - 8 B 1013/18 - den Antrag der Beigeladenen auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2016 - 4 L 756/16 - abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das genehmigte Vorhaben verstoße mit Blick auf den Rotmilan gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot, weil die tägliche brutzeitbedingte Abschaltung von 9 bis 16 Uhr unzureichend sei.
26Nach Vorlage eines aktualisierten fachgutachterlichen Konzeptes zu den Vermeidungsmaßnahmen für windenergieempfindliche Vogelarten des Büros T. und S. vom 13. Februar 2020 hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 27. April 2020 die artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheides vom 9. März 2016 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 16. Februar 2018 teilweise aufgehoben und neu gefasst. Soweit diese nicht später erneut geändert worden sind, gilt Folgendes:
27Nach Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 ist die Windenergieanlage während der Brutzeit vom 20. Februar bis zum 20. August eines jeden Jahres vom Anfang der morgendlichen bürgerlichen Dämmerung bis zum Ende der abendlichen bürgerlichen Dämmerung vorsorglich abzuschalten. Eine Wiederinbetriebnahme kommt in diesem Zeitraum nur nach einem fachgutachterlichen Nachweis in Betracht, dass im 1.000 m-Radius um die Windenergieanlage bis zum 10. Mai kein Revier besetzt ist, dass eine begonnene Brut endgültig aufgegeben wurde oder der Familienverband keine Bindung mehr an den Brutplatz hat. Die untere Naturschutzbehörde des Beklagten hat sodann innerhalb von sieben Tagen über die Zulässigkeit der Betriebsaufnahme zu entscheiden.
28Mit Blick auf das Schlafplatzgeschehen des Rotmilans sieht die Nebenbestimmung Nr. 8.5.2 zwischen dem 1. August und dem 10. Oktober eines jeden Jahres täglich ab 45 Minuten vor Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang und ab vier Stunden vor Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang eine Abschaltung der Windenergieanlage vor.
29Die Nebenbestimmung Nr. 8.6 gibt vor, dass in einem 150 m-Umkreis um den Turmmittelpunkt der Anlage unter anderem keine Baumreihen, Hecken oder Kleingewässer angelegt werden dürfen. Möglichst bis an den Mastfuß ist eine landwirtschaftliche Nutzung vorzusehen. Die nicht landwirtschaftlich zu nutzenden Bereiche außerhalb der durch Teile der Windenergieanlage versiegelten Flächen sind dicht mit bodendeckenden Gehölzen oder Stauden zu bepflanzen.
30Nach Nebenbestimmung Nr. 8.11 ist für den Rotmilan auf der Maßnahmenfläche Gemarkung I., Flur, Flurstück ein attraktives Nahrungshabitat mit einer Größe von mindestens 2 ha anzulegen.
31Schließlich sieht die Nebenbestimmung Nr. 8.12 Maßnahmen des Monitorings und Risikomanagements vor.
32Die Beigeladene hat (ergänzend zu Nebenbestimmung Nr. 8.5.2) mit Schreiben vom 21. August 2020 insoweit auf die Rechte aus der ihr erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verzichtet, als diese einen Anlagenbetrieb vom 11. bis zum 31. Oktober eines Jahres täglich ab 45 Minuten vor Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang und ab vier Stunden vor Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang zulässt.
33Mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 8 B 727/20 - hat der Senat den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2016 - 4 L 756/16 - auf Antrag der Beigeladenen dahingehend teilweise abgeändert, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der hiesigen Klage insoweit abgelehnt wird, als die Windenergieanlage errichtet und in der Zeit vom 1. November bis zum 19. Februar betrieben werden soll. Diesem Beschluss sind entsprechende Abstimmungen zwischen den Beteiligten mit Blick auf den genannten Zeitraum vorausgegangen.
34Mit weiterem Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2020 hat der Beklagte auf Antrag der Beigeladenen die Nebenbestimmung Nr. 8.4 erneut abgeändert. Er hat nunmehr ausdrücklich die Abschaltung bei Ernte, Mahd und bodenwendenden Maßnahmen im Umkreis von 100 m um die Windenergieanlage, gemessen ab den Rotorblattspitzen, auf den Zeitraum der Brut und der nachbrutzeitlichen Schlafplatzgemeinschaften von Rotmilanen vom 20. Februar bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres ausgeweitet.
35Der Kläger hat die Änderungsbescheide vom 27. April 2020 und vom 18. Dezember 2020 jeweils in das Klageverfahren einbezogen.
36Auf Veranlassung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV NRW) als oberste Naturschutzbehörde hat die Bezirksregierung Arnsberg als höhere Naturschutzbehörde am 22. Dezember 2020 das Anhörungsverfahren zur Meldung des Europäischen Vogelschutzgebietes „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ an die EU-Kommission eingeleitet. Dem war eine Brutvogelkartierung des örtlichen Vogelschutzvereins V. in den Jahren 2017 bis 2019 vorausgegangen. Diese hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) geprüft und ist zu der Einschätzung gelangt, dass auf dem Gebiet der Städte Brilon, Marsberg, Olsberg, Bad Wünnenberg und Büren ein an die EU-Kommission zu meldendes („faktisches“) Vogelschutzgebiet bestehe. Der Vorhabenstandort liegt mehr als 2.000 m entfernt von den vom LANUV NRW vorgeschlagenen, ca. 12.300 ha umfassenden Abgrenzungen für das Vogelschutzgebiet, aber innerhalb des vom örtlichen Vogelschutzverein V. erarbeiteten, insgesamt ca. 28.000 ha umfassenden Gebietsvorschlags.
37Mit weiterem, in der mündlichen Verhandlung am 1. März 2021 überreichten Änderungsbescheid vom 26. Februar 2021 hat der Beklagte die nach Nr. 4 des Abschnitts I. des Genehmigungsbescheides vom 9. März 2016 eingeschlossenen Genehmigungen vorsorglich um die Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG von den entgegenstehenden Festsetzungen des Landschaftsplans „N.“ ergänzt.
38Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beigeladene im Wesentlichen vor: Absolute Verfahrensfehler der Umweltverträglichkeitsprüfung seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen habe der Kläger insbesondere mit Schreiben vom 25. November 2015 umfassend zur Sache Stellung genommen, so dass eine Möglichkeit zur Beteiligung am Verfahren offensichtlich gegeben gewesen sei. Die hier maßgebliche aktuelle Flächennutzungsplanung in der Fassung der 60. Änderung sei wirksam. Andernfalls gelte die allgemeine Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich. Ein Rückgriff auf die 11. Änderung des Flächennutzungsplans komme nicht in Betracht. Der Plangeber habe ersichtlich keine Fortgeltung der alten Regelungen gewollt. Im Übrigen sei auch die 11. Änderung des Flächennutzungsplans unwirksam, da es dieser Fassung ersichtlich an der Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabukriterien fehle und die seinerzeitige Bekanntmachung den räumlichen Geltungsbereich der Konzentrationsflächenplanung nicht hinreichend deutlich gemacht habe. Ein Verstoß gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote liege nicht vor. Die Wachtel erweise sich nach aktueller fachlicher Einschätzung als nicht mehr windenergiesensibel. In Bezug auf den Rotmilan sei die gegenteilige Einschätzung durchaus zweifelhaft, weil dessen Erhaltungszustand gut sei. Für eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos reiche die bloße Möglichkeit einer Kollision nicht aus. Jedenfalls aber seien die nunmehrigen Vermeidungsmaßnahmen geeignet, die befürchteten Verstöße gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot wirksam zu verhindern. Die revier- und brutplatzbedingten Abschaltungen folgten den fachlichen Vorgaben für Nordrhein-Westfalen. Insbesondere werde mit der vorsorglichen Abschaltung ab 20. Februar während der tageszeitlichen Aktivitätszeiträume des Rotmilans dem Artenschutz hinreichend Rechnung getragen. Die ernte- und mahdbezogenen Abschaltungsvorgaben entsprächen ebenfalls den fachlichen Anforderungen und gingen in Bezug auf bodenwendende Arbeitsvorgänge noch über diese hinaus. Gleiches gelte im Grunde auch für die hier festgesetzte schlafplatzbedingte Abschaltung. Im Übrigen habe der Kläger seine Klage nicht rechtzeitig begründet. Dies gelte insbesondere mit Blick auf seinen Vortrag zu dem auszuweisenden Vogelschutzgebiet. Selbst wenn man schon jetzt von einem faktischen Vogelschutzgebiet ausgehen wollte, läge der Vorhabenstandort jedenfalls außerhalb davon. Die angefochtene Genehmigung könne in keinem Fall vollständig aufgehoben werden. Vielmehr kämen eine Entscheidungsergänzung sowie ein ergänzendes Verfahren in Betracht.
39Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Wollte man von der Unwirksamkeit der 60. Änderung des Flächennutzungsplans ausgehen, würde das in gleicher Weise für die 11. Änderung gelten. Mit der Nebenbestimmung Nr. 8.4 sei eine über fachliche Anforderungen und die bisherige Genehmigungspraxis hinausgehende, höchst vorsorgliche Abschaltung während bodenbewirtschaftender Maßnahmen gewährleistet. Bei einem Auflagenverstoß bestünden hinreichende Sanktionsmöglichkeiten. Die in Nebenbestimmung Nr. 8.4 vorgesehenen vertraglichen Vereinbarungen mit den Eigentümern und Bewirtschaftern der betroffenen Flurstücke habe die Beigeladene im Übrigen inzwischen vorgelegt. Die Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 zur brutzeitbedingten Abschaltung trage in effektiver Weise dem Umstand Rechnung, dass im betroffenen Gebiet mit Wechselhorsten des Rotmilans zu rechnen sei. Nur wenn ausnahmsweise der fachgutachterliche Nachweis geführt werden könne, dass in dem jeweiligen Jahr kein Brutrevier nach den EOAC-Brutvogelstatus-Kriterien innerhalb des 1.000 m-Radius zum Datum des Endes der Eiablage vorliege, dürfe die Anlage früher wieder in Betrieb genommen werden. Die mit Bezug zum Brutgeschehen ermittelten Anfangs- und Endzeitpunkte der brutzeitbedingten Abschaltung seien nicht zu beanstanden. Auch seien hier keine Flugrouten zu häufig und intensiv genutzten Nahrungshabitaten im Sinne der maßgeblichen artenschutzrechtlichen Vorgaben ersichtlich, die einen Prüfbereich von 4.000 m erforderten. Allein die von dem Kläger angenommene allgemeine Häufigkeit des Rotmilans im Raum genüge demgegenüber nicht. Die Nebenbestimmung Nr. 8.5.2 sehe mit Blick auf das mögliche Schlafplatzgeschehen des Rotmilans mit einer pauschalen Abschaltregelung eine noch einmal deutlich erweiterte Regelung vor. Die relevanten schlafplatzbedingten An- und Abflugzeiten, innerhalb derer eine für das Individuum mit der Situation einer Fortpflanzungsstätte vergleichbare Gefährdung überhaupt in Betracht kommen könne, seien damit nach fachbehördlicher Einschätzung auf der sicheren Seite liegend abgedeckt. Auch die weiteren Nebenbestimmungen zur Gestaltung des Mastfußbereichs, zur Maßnahmenfläche sowie zum Monitoring und zum Risikomanagement entsprächen den artenschutzrechtlichen Vorgaben und führten zu einer weiteren Minimierung des Tötungsrisikos für den Rotmilan. Die geplante Meldung des Vogelschutzgebietes sei hier schon deshalb nicht relevant, weil der Anlagenstandort nicht innerhalb der vorgesehenen Gebietsabgrenzung liege.
40Die Beigeladene und der Beklagte beantragen jeweils,
41unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,
42hilfsweise,
43unter Abänderung des angefochtenen Urteils die angefochtene Genehmigung vom 9. März 2016 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs ENERCON E-101 mit einer Nabenhöhe von 99 m und einem Rotorradius von 50,5 m in der Gemarkung F., Flur, Flurstück, in der Fassung des Abhilfebescheids vom 16. Februar 2018, der Änderungsbescheide vom 27. April 2020, vom 18. Dezember 2020 und vom 26. Februar 2021 sowie in Verbindung mit der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 21. August 2020 für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären und die Klage im Übrigen abzuweisen,
44weiter hilfsweise,
45den Beklagten zu verpflichten, weitere Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts festzusetzen und die Klage im Übrigen abzuweisen.
46Der Kläger beantragt,
47die Berufungen zurückzuweisen,
48hilfsweise, das angefochtene Urteil zu ändern und
49die angefochtene Genehmigung vom 9. März 2016 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs ENERCON E-101 mit einer Nabenhöhe von 99 m und einem Rotorradius von 50,5 m in der Gemarkung F., Flur, Flurstück, in der Fassung des Abhilfebescheids vom 16. Februar 2018, der Änderungsbescheide vom 27. April 2020, vom 18. Dezember 2020 und vom 26. Februar 2021 sowie in Verbindung mit der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 21. August 2020 für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären sowie die Berufungen im Übrigen zurückzuweisen,
50weiter hilfsweise,
51den Beklagten zu verpflichten, weitere Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts festzusetzen und die Berufungen zurückzuweisen.
52Er trägt vor: Die Einbeziehung der Änderungsbescheide stelle eine sachdienliche Klageänderung dar. Eine solche Klageänderung sei auch dann zulässig, wenn sie nicht im Wege einer Anschlussberufung erfolge. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen einer zulässigen Anschlussberufung – insbesondere mangels Verfristung – ohnehin vor. Zudem werde der besondere Artenschutz verletzt, da von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Rotmilan auszugehen sei. Nach wie vor reichten die artenschutzrechtlichen Untersuchungen nicht aus, damit der Beklagte die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht prüfen könne. Jedenfalls sei unklar, wie andere Rotmilanpaare, die in größerer Entfernung zu der Windenergieanlage brüteten, den Raum nutzten. Eine belastbare Untersuchung, ob ein intensiv und häufig genutztes Nahrungshabitat oder Flugkorridore im Vorhabenbereich bestünden, liege nach wie vor nicht vor. Die Nebenbestimmung Nr. 8.4 hätte für einen Umkreis von 300 m eine Abschaltung bei Maßnahmen der Bodenbewirtschaftung regeln müssen. Die vertragliche Gestaltung zwischen dem Anlagenbetreiber und den Eigentümern bzw. Bewirtschaftern der betroffenen Grundstücke sehe keine Sanktionierung vor. Auch die Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 hätte mit Blick auf die brutzeitbedingten Abschaltungen von einem größeren Untersuchungsradius von 1.500 m ausgehen müssen. Ferner sei der Brutzeitraum vom 20. Februar bis zum 20. August zu kurz bemessen. Die Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 sei mit Blick auf den für die Wiederinbetriebnahme erforderlichen Nachweis des fehlenden Revierbezugs auch zu unbestimmt. Die nach Nebenbestimmung Nr. 8.5.2 geltende schlafplatzbedingte Abschaltung während bestimmter Zeiten des Tages überzeuge ebenfalls nicht. Da die Vögel, die die Schlafplätze nutzten, ganz überwiegend im Laufe des Tages auch im Umfeld des Schlafplatzes anzutreffen seien, müsse die Abschaltung den ganzen Tag erfolgen. Die Erkenntnisse aus der Studie „Besenderung junger Rotmilane im Kreis Paderborn 2016“ der Biologischen Station Kreis Paderborn/Senne spielten hingegen eine untergeordnete Rolle, weil es nicht darauf ankomme, wann die Tiere letztlich ihre Schlafplätze besetzten. Auch der kalendarisch gewählte Zeitraum für das Schlafplatzgeschehen sei zu kurz bemessen. Das ergäben Beobachtungen der Ortsgruppe des Klägers an den Rotmilan-Schlafplätzen in den Jahren 2009 bis 2017. Die in Nebenbestimmung Nr. 8.11 angeordnete Schaffung eines für den Rotmilan attraktiven Nahrungshabitats als Ablenkungsfläche könne zwar einen positiven Effekt haben; eine solche Maßnahmenfläche wirke aber nur populationsstützend. Die Beigeladene könne hinsichtlich der Betriebszeiten nicht teilweise auf die Genehmigung verzichten, da diese keine rechtlich eindeutig abgrenzbaren Aspekte der Genehmigung darstellten. Bei dem zur Nachmeldung anstehenden Vogelschutzgebiet handele es sich um ein faktisches Vogelschutzgebiet, dessen integraler Bestandteil auch die Feldflur nördlich von F. einschließlich des Vorhabenstandorts sei. Die Nichtberücksichtigung dieser Feldflur im Rahmen des Abgrenzungsvorschlags des LANUV NRW sei nicht nachvollziehbar. Denn die Feldflur sei Lebensraum des stark gefährdeten Raubwürgers, des Neuntöters, des Uhus sowie des Rotmilans, wobei es sich um für das Vogelschutzgebiet wertbestimmende Arten handele. Zudem diene das Gebiet auch anderen Vogelarten als Lebensraum.
53Für die Errichtung und den Betrieb von sechs Windenergieanlagen nordwestlich, westlich und südlich des Vorhabenstandorts im Rahmen des Projektes „Rotes Land“ innerhalb der im Flächennutzungsplan in der Fassung der 60. Änderung dargestellten Konzentrationszone 2 hat der Beklagte einem anderen Vorhabenträger unter dem 7. März 2017, geändert durch Bescheid vom 4. Mai 2018, eine weitere immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt, gegen die der Kläger ebenfalls Klage erhoben hat. Die Berufungen gegen das ebenfalls stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts sind beim Senat unter dem Aktenzeichen 8 A 2425/18 anhängig.
54Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Mitarbeiter des LANUV NRW Dr. Z. und K. als Sachverständige sowie als Zeugen. Auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
55Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Verfahren 8 B 727/20, 8 B 1013/18, 8 B 1473/17 und 8 B 1303/16 einschließlich der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Stadt N. und des LANUV NRW Bezug genommen.
56Entscheidungsgründe:
57Die zulässigen Berufungen der Beigeladenen und des Beklagten sind begründet. Die Änderungsbescheide des Beklagten vom 27. April 2020, vom 18. Dezember 2020 und vom 26. Februar 2021 konnten noch in das laufende Berufungsverfahren einbezogen werden (dazu I.). Die vom Kläger in der nunmehrigen Form fortgeführte Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig (dazu II.), aber insgesamt unbegründet, weil die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 9. März 2016 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage in der Fassung des Abhilfebescheids vom 16. Februar 2018 sowie der Änderungsbescheide vom 27. April 2020, vom 18. Dezember 2020 und vom 26. Februar 2021 sowie unter Berücksichtigung der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 21. August 2020 rechtmäßig ist (dazu III.).
58I. Der Kläger konnte die Änderungsbescheide des Beklagten vom 27. April 2020, vom 18. Dezember 2020 und vom 26. Februar 2021 in das laufende Berufungsverfahren einbeziehen.
59Die Einbeziehung der drei während des Berufungsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide stellt schon keine Klageänderung dar. Der Genehmigungsbescheid und die diesem zur Sicherstellung der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen (vgl. § 12 Abs. 1 BImSchG) nachträglich beigefügten bzw. geänderten Nebenbestimmungen bilden einen unteilbaren Regelungsgegenstand.
60Vgl. auch OVG Rh.-Pf., Urteil vom 6. Oktober 2020 - 1 A 11357/19 -, juris Rn. 46 ff.
61Eine Änderung des Streitgegenstands liegt mithin im Rechtssinne nicht vor, sondern lediglich eine nach § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO ohne Weiteres zulässige Anpassung des Klageantrags aufgrund einer nachträglichen Veränderung.
62Zur Anwendbarkeit des § 264 ZPO vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 -, juris Rn. 11 (zu § 264 Nr. 2 ZPO), und vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 -, juris Rn. 13 (zu § 264 Nr. 3 ZPO).
63Selbst wenn man die Einbeziehung der während des Berufungsverfahrens erlassenen Änderungsbescheide als Klageänderung im Sinne von § 125 Abs. 1 i. V. m. § 91 VwGO ansieht,
64vgl. BVerwG, Urteile vom 11. November 2020 ‑ 8 C 22.19 -, juris Rn. 15, und vom 26. Juni 1969 - VIII C 36.69 -, BeckRS 30438385; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12. März 2015 - 10 S 1169/13 -, juris Rn. 31; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 9, 14; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 91 Rn. 5, 12,
65ist diese Klageänderung aber aus Gründen der Prozessökonomie jedenfalls als sachdienlich einzustufen; zudem haben die anderen Beteiligten in die Einbeziehung der Änderungsbescheide im Sinne des § 91 Abs. 2 VwGO ausdrücklich bzw. sinngemäß eingewilligt.
66Unabhängig von der Frage, ob – was das Bundesverwaltungsgericht,
67vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Dezember 2014 ‑ 4 C 33.13 -, juris Rn. 11, und vom 23. September 2010 - 7 C 20.09 -, juris Rn. 15 ff.,
68offen gelassen hat – allgemein davon auszugehen ist, dass eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO im Berufungsverfahren nach einem stattgebenden Urteil erster Instanz nur im Wege einer rechtzeitig eingelegten Anschlussberufung nach § 127 VwGO vorgenommen werden kann oder ob dies mit Blick auf die Beschränkung des Berufungsgerichts gemäß § 128 VwGO nur dann der Fall ist, wenn der in der ersten Instanz obsiegende Kläger mehr begehrt, als ihm in der ersten Instanz zugesprochen wurde, ist zumindest in der vorliegenden Fallkonstellation keine Anschlussberufung erforderlich. Denn der Beklagte hat den in erster Instanz angefochtenen Verwaltungsakt gerade im Hinblick auf die geltend gemachten artenschutz- und landschaftsrechtlichen Bedenken während des Berufungsverfahrens dreimal geändert. Das Gebot der Waffengleichheit und Billigkeit gebietet es daher, dem Kläger die prozessuale Möglichkeit einer Konkretisierung seines Klageantrags im Hinblick auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einzuräumen, ohne an die Form- und Fristerfordernisse einer Anschlussberufung nach § 127 VwGO gebunden zu sein,
69vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12. März 2015 ‑ 10 S 1169/13 -, juris Rn. 31,
70die der Kläger hier im Übrigen sogar eingehalten hat.
71II. Die vom Kläger in der nunmehrigen Form fortgeführte und als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Fall VwGO statthafte Klage ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass kein Vorverfahren durchgeführt wurde (dazu 1.). Zudem ist der Kläger klagebefugt (dazu 2.).
721. Eines Vorverfahrens vor Klageerhebung bedurfte es nach § 68 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 110 JustG NRW nicht.
73Abweichend von § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW findet das Vorverfahren nach § 110 Abs. 3 Satz 1 JustG NRW Anwendung auf im Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte, die sich gegen den Erlass eines einen anderen begünstigenden Verwaltungsaktes wenden. Das gilt grundsätzlich auch im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungen wie hier. Der Kläger wurde jedoch nach § 13 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW als Beteiligter zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen. Er wurde mit an das Landesbüro der Naturschutzverbände adressiertem Schreiben des Beklagten vom 14. April 2015 zur Stellungnahme in dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren der Beigeladenen aufgefordert. Nach einer gemeinsamen Stellungnahme des Klägers mit weiteren Naturschutzverbänden vom 15. Mai 2015 und der Entscheidung, ein förmliches Genehmigungsverfahren durchzuführen, forderte der Beklagte den Kläger unter dem 6. Oktober 2015 unter Beifügung der Antragsunterlagen nochmals zur Stellungnahme auf, die der Kläger gemeinsam mit weiteren Naturschutzverbänden unter dem 25. November 2015 abgab. Ferner hat der Beklagte dem Kläger den Genehmigungsbescheid vom 9. März 2016 individuell bekanntgegeben.
74Auch mit Blick auf den Abhilfebescheid vom 16. Februar 2018 sowie die Änderungsbescheide vom 27. April 2020, vom 18. Dezember 2020 und vom 26. Februar 2021 bedurfte es keines Vorverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO. Denn aus Gründen der Prozessökonomie ist ein (erneutes) Vorverfahren entbehrlich, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt, der in einem Vorverfahren überprüft worden ist, während des Prozesses geändert und der geänderte Bescheid zulässigerweise im Sinne des § 91 VwGO in den anhängigen Prozess einbezogen wird.
75Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. August 2005 - 4 C 13.04 -, juris Rn. 22, vom 17. Februar 1971 - IV C 2.68 -, juris Rn. 35, und vom 26. Juni 1969 ‑ VIII C 36.69 -, BeckRS 30438385; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 68 Rn. 34.
76Das gilt erst recht, wenn – wie hier für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 9. März 2016 festgestellt – schon für den ursprünglichen Verwaltungsakt die Durchführung eines Vorverfahrens nicht erforderlich war.
772. Der Kläger ist als anerkannte Umweltvereinigung abweichend von der allgemeinen Regelung in § 42 Abs. 2 VwGO nach § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt.
78Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassung einlegen, wenn sie geltend macht, dass die Entscheidung oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften verletzt, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, dass sie in ihrem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen berührt ist und dass sie im Falle eines Verfahrens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b zur Beteiligung berechtigt war. Bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 oder gegen deren Unterlassen muss die Vereinigung zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG).
79Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Vorhaben der Beigeladenen ist eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, entweder nach Nr. 1 Buchst. a (UVP-Pflicht wegen der kumulierenden Wirkung der geplanten Einzelanlage und der Bestandsanlagen) oder nach Nr. 5, dem Auffangtatbestand.
80Vgl. zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 -, juris Rn. 25.
81Auch die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG liegen vor: Der Kläger macht neben dem Verstoß der angefochtenen Genehmigung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften (z. B. gegen das BNatSchG) geltend, durch die Genehmigung in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt zu sein. Er war zudem im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Beteiligung am Genehmigungsverfahren berechtigt.
82III. Die Klage ist unbegründet. Die Genehmigung vom 9. März 2016 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage in der Fassung des Abhilfebescheids vom 16. Februar 2018, der Änderungsbescheide vom 27. April 2020, vom 18. Dezember 2020 und vom 26. Februar 2021 sowie der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 21. August 2020 ist rechtmäßig.
83Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG sind Rechtsbehelfe nach § 2 Abs. 1 UmwRG begründet, soweit die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind (Nr. 1), oder die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 UmwRG oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind (Nr. 2), und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Bei Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 4 UmwRG muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG bestehen, § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG.
84Hieran gemessen ist die Klage unbegründet. Ein Verstoß der streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gegen Rechtsvorschriften im Sinne des § 2 Abs. 4 UmwRG ist sowohl mit Blick auf das Verfahrensrecht (dazu 1.) als auch mit Blick auf das materielle Recht (dazu 2.) zu verneinen.
851. Die angefochtene Genehmigung ist nicht aufgrund von Verfahrensfehlern rechtswidrig.
86Es liegt weder ein absoluter Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG (dazu a)) noch ein relativer Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG (dazu b)) vor.
87a) Ein absoluter Verfahrensfehler ergibt sich weder nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG (dazu aa)) noch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG (dazu bb)) oder nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG (dazu cc)).
88aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2 Buchst. b UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist.
89Ein solcher Verfahrensfehler scheidet hier schon deshalb aus, weil der Beklagte im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 9. März 2016 als Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls die Notwendigkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bejaht und diese auch tatsächlich durchgeführt hat.
90bb) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2 Buchst. b UmwRG verlangt werden, wenn eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 UVPG oder im Sinne von § 10 BImSchG weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist.
91Auch dieser Verfahrensfehler scheidet hier aus, weil der Beklagte eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 10 BImSchG tatsächlich durchgeführt hat. Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang gerügten Fehler bei der Bekanntmachung nach § 10 Abs. 3 BImSchG vermögen jedenfalls keinen absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG zu begründen.
92cc) Es liegt auch kein Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG vor.
93(1) § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG erfasst einen Verfahrensfehler, der nicht geheilt worden ist (Buchst. a), nach seiner Art und Schwere mit den in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG genannten Fällen vergleichbar ist (Buchst. b) und der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat, wozu auch der Zugang zu den Unterlagen gehört, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind (Buchst. c).
94Verfahrensfehler in diesem Sinne (und auch im Sinne des § 4 Abs. 1a UmwRG) sind nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften, welche die äußere Ordnung des Verfahrens, d. h. den Verfahrensablauf als solchen, betreffen (vgl. § 9 VwVfG NRW). Hierzu gehören etwa Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte, wie etwa die Durchführung einer UVP oder Vorprüfung.
95Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2017 ‑ 7 A 6.17 -, juris Rn. 19, und vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 -, juris Rn. 29 ff., sowie Beschlüsse vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 -, juris Rn. 23, vom 7. Januar 2020 - 4 B 74.17 -, juris Rn. 8, und vom 31. Januar 2019 - 4 B 9.17 -, juris Rn. 23.
96Ob ein vergleichbarer Verfahrensfehler nach Buchstabe b der Vorschrift vorliegt, hängt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und mit Blick auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c UmwRG davon ab, ob Verfahrensgarantien, insbesondere die Beteiligungsmöglichkeit am Entscheidungsprozess, berührt sind. In Betracht kommen insoweit z. B. Fehler, die der zuständigen Behörde bei der Vornahme einzelner Verfahrensschritte, etwa der Auslegung von Unterlagen, der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung oder der Bekanntmachung unterlaufen sind.
97Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2017 ‑ 7 A 6.17 -, juris Rn. 27, und vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 -, juris Rn. 37; OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, juris Rn. 42 ff.
98Von den einzelnen Verfahrensschritten und ihrer Durchführung zu unterscheiden sind die Anforderungen an ihre inhaltliche Ausgestaltung. Diese werden von den materiell-rechtlichen Maßstäben der im jeweiligen Einzelfall einschlägigen Fachgesetze geprägt, für deren Prüfung die Umweltverträglichkeits(vor)prüfung durch Zusammenstellung und Aufbereitung des umweltbezogenen Tatsachenmaterials den Rahmen und die Grundlage bildet (vgl. §§ 7, 16, 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 3 UVPG bzw. §§ 4e, 20 Abs. 1a, Abs. 1b Satz 5 der 9. BImSchV). Auch der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Prozess der Willens- und Entscheidungsbildung ist nicht Teil des Verfahrensgangs.
99Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2017 ‑ 7 A 6.17 -, juris Rn. 19, 22, und vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 -, juris Rn. 29, sowie Beschlüsse vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 -, juris Rn. 23, und vom 7. Januar 2020 - 4 B 74.17 -, juris Rn. 8.
100Ein Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG liegt demnach nicht schon dann vor, wenn lediglich einzelne Aspekte der UVP nicht mit einer hinreichenden Tiefe ermittelt, einzelne Angaben fehlerhaft, Unterlagen unzureichend oder Bewertungen fragwürdig sind. Die Öffentlichkeitsbeteiligung dient gerade dazu, derartige Fehler oder Unzulänglichkeiten der Gutachten oder der zu Grunde liegenden Untersuchungen aufzuspüren und gegebenenfalls Einwendungen zu erheben, damit die Defizite behoben werden. Sie wäre nach ihrem Sinn und Zweck entbehrlich, wenn eine in jeder Hinsicht fehlerfreie UVP Voraussetzung für eine rechtmäßige Öffentlichkeitsbeteiligung wäre.
101Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 2020 ‑ 3 B 24.19 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, juris Rn. 56 f., m. w. N.
102Zwar müssen die nach § 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BImSchG ausgelegten Unterlagen so vollständig sein, dass sie über die entscheidungserheblichen Umstände Auskunft geben und eine Anstoßwirkung entfalten, die der betroffenen Öffentlichkeit die zweckmäßige Erhebung von Einwendungen gegen das Vorhaben an sich oder betreffend einzelne entscheidungserhebliche Umstände und damit die effektive Wahrnehmung ihres Beteiligungsrechts ermöglicht.
103Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 ‑ 8 A 2971/17 -, juris Rn. 103 f.
104Fehler bei der Auslegung der zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegenden Unterlagen erfüllen aber insbesondere dann nicht die Voraussetzungen eines absoluten Verfahrensfehlers gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG, wenn lediglich einzelne Unterlagen fehlen. In einem solchen Fall fehlt es an der Vergleichbarkeit mit den in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG genannten Verfahrensverstößen. Insoweit kann allenfalls ein relativer Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG vorliegen.
105Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 ‑ 8 A 2971/17 -, juris Rn. 58 f., m. w. N.
106Es genügt auch nicht, wenn Gutachten oder Studien, die der Umweltverträglichkeits(vor)prüfung zugrunde liegen, den Anforderungen an den allgemeinen Kenntnisstand bzw. den gegenwärtigen Wissensstand und die allgemein anerkannten/gegenwärtigen Prüfungsmethoden (vgl. § 16 Abs. 5 Satz 1 UVPG/§ 4e Abs. 4 Satz 1 der 9. BImSchV) nicht gerecht werden.
107Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2017 ‑ 7 A 6.17 -, juris Rn. 23, und vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 -, juris Rn. 33.
108Ein Verfahrensfehler käme allenfalls in Betracht, wenn der Mangel so schwer wöge, dass das zentrale gesetzgeberische Anliegen einer frühzeitigen und effektiven Öffentlichkeitsbeteiligung grundsätzlich in Frage gestellt wäre, weil die Gutachten die nach § 16 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 UVPG/§ 4e Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 der 9. BImSchV erforderliche Anstoßwirkung nicht entfalten.
109Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. März 2020 ‑ 3 B 24.19 -, juris Rn. 9, und vom 7. Januar 2020 - 4 B 74.17 -, juris Rn. 9.
110(2) Ausgehend vom Vorstehenden liegt hier in Bezug auf die geltend gemachten Mängel der UVP ein absoluter Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG nicht vor. Ein solcher ergibt sich nicht daraus, dass einzelne Unterlagen ohne vorherige Auslegung und ohne Bezugnahme im Genehmigungsbescheid zur Grundlage der Entscheidung gemacht worden sein sollen (dazu (a)). Er besteht auch nicht darin, dass im Rahmen der Bekanntmachung kein Hinweis darauf erfolgte, welche Unterlagen bis dahin zur behördlichen Prüfung vorgelegen hätten (dazu (b)). Nichts anderes gilt mit Blick auf die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen (dazu (c)).
111(a) Der Umstand, dass sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2016 im erstinstanzlichen Eilverfahren mit dem Aktenzeichen 4 L 756/16 (nachgehend 8 B 1303/16 OVG NRW) zur Stützung seines Vortrags auf Erkenntnisse zum Vorkommen des Rotmilans aus dem angrenzenden Vorhaben Windpark „Rotes Land“ von Herrn Dr. M. vom 20. Mai 2015 berufen hat, die weder im hiesigen Genehmigungsverfahren ausgelegt noch im Genehmigungsbescheid vom 9. März 2016 erwähnt worden sind, begründet keinen absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG.
112Sollte der Beklagte diese Erkenntnisse bei seiner Genehmigungsentscheidung berücksichtigt haben, erfüllte dieses Fehlen eines einzelnen Dokuments bei der Auslegung von Unterlagen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung aus den oben genannten Gründen nicht die Voraussetzungen eines absoluten Verfahrensfehlers gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG.
113Soweit der Kläger vorbringt, dass die im Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen zur Erfassung der Umweltbeeinträchtigungen – namentlich die Artenschutz-Prognose, die Landschaftsbildbewertung sowie die Allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls des Büros U. – unzureichend seien und den Anforderungen des § 4e der 9. BImSchV nicht entsprächen, verfängt auch dies nicht. Denn der Kläger macht damit Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung geltend, die nicht den Verfahrensablauf als solchen betreffen und daher grundsätzlich keinen Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG darstellen. Etwaige einzelne Ermittlungsfehler bei der Beurteilung der Umweltbeeinträchtigungen sind nämlich für sich genommen keine Verletzung des Rechts auf Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern gerade ihr Gegenstand. Dafür, dass die genannten Gutachten bereits die geforderte Anstoßfunktion verfehlt haben könnten, ist nichts ersichtlich. Insbesondere führt bereits die Artenschutz-Prognose des Büros U. von Juli 2013 aus, dass Genehmigungsrisiken vor allem durch die Nutzung des Gebietes durch Rotmilane als Nahrungshabitat und in den vergangenen Jahren als Brutrevier und Gemeinschaftsschlafplatz gegeben seien. Auch die zahlreichen Einwendungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens – einschließlich der Stellungnahmen des Klägers vom 15. Mai und vom 25. November 2015 – belegen, dass dem zentralen gesetzgeberischen Anliegen einer frühzeitigen und effektiven Öffentlichkeitsbeteiligung hier entsprochen wurde.
114(b) Ein absoluter Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG ist auch nicht darin zu sehen, dass im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung kein Hinweis darauf erfolgte, welche Unterlagen bis dahin zur behördlichen Prüfung vorgelegen haben. Der Beklagte beschränkte sich in der Bekanntmachung vom 5. Oktober 2015 insoweit auf den Hinweis, dass der Genehmigungsantrag und die dazugehörigen Unterlagen bei den genannten Stellen auslägen und dort während der angegebenen Zeiten ebenso wie auf einer näher bezeichneten Internetseite des Beklagten eingesehen werden könnten.
115Unabhängig von der Frage, ob eine Bekanntmachung schon nach § 9 Abs. 1 der 9. BImSchV in der Fassung vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2823; a. F.) die Bezeichnung der für das Vorhaben entscheidungserheblichen und der Behörde vorliegenden Berichte und Empfehlungen erfordert hätte (so nun § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der 9. BImSchV in der aktuellen Fassung), würde es sich jedenfalls nicht um einen absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG handeln. Denn dieser in seinem Umfang begrenzte Fehler im Rahmen der im Übrigen ordnungsgemäßen Bekanntmachung wäre nicht nach Art und Schwere mit den in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG genannten Fällen vergleichbar, zumal er der betroffenen Öffentlichkeit, die zu dem Vorhaben umfassend Stellung genommen hat, nicht die gesetzlich vorgesehene Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.
116Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. November 2020 ‑ 9 A 5.20 -, juris Rn. 25, und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 -, juris Rn. 47, 50, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 -, juris Rn. 4 ff., jeweils zu § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a. F.; Külpmann, in: juris-PR-BVerwG 12/2016 Anm. 6, B.II.2.b).
117(c) Soweit der Kläger ferner einen Verfahrensfehler darin sieht, dass die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen sowie die daran anknüpfende Bewertung mangelhaft gewesen seien, weil seine eigene Stellungnahme nicht ausreichend berücksichtigt worden sei und die vorliegenden Unterlagen unzureichend gewesen seien, verfängt auch dies nicht.
118Nach § 20 Abs. 1a und Abs. 1b der 9. BImSchV in der gemäß § 25 Abs. 1a der 9. BImSchV anwendbaren Fassung vom 23. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2474; a. F.) (der Sache nach ebenso in der aktuell geltenden Fassung) erarbeitet die Genehmigungsbehörde auf der Grundlage der beizufügenden Unterlagen, der behördlichen Stellungnahmen, der Ergebnisse eigener Ermittlungen sowie der Äußerungen und Einwendungen Dritter eine zusammenfassende Darstellung der zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens auf die umweltrelevanten Schutzgüter und bewertet möglichst innerhalb eines Monats nach Erarbeitung der zusammenfassenden Darstellung auf deren Grundlage und nach den für ihre Entscheidung maßgeblichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die Auswirkungen des Vorhabens auf diese Schutzgüter. Der Beklagte hat dies im Genehmigungsbescheid vom 9. März 2016 (dort Seiten 34 ff.) getan.
119Soweit der Kläger eine intensivere Auseinandersetzung mit seinen Stellungnahmen vom 15. Mai und vom 25. November 2015 sowie die Heranziehung weiterer Unterlagen im Rahmen der Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen verlangt, macht er auch damit Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung geltend, die nicht den Verfahrensablauf als solchen und damit nicht einen Verfahrensfehler – auch nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG – betreffen.
120b) Es liegt auch kein relativer Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG vor.
121aa) § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG stellt klar, dass bei relativen Verfahrensfehlern– anders als bei absoluten Verfahrensfehlern – § 46 VwVfG gilt. Die Aufhebung eines (nicht nichtigen) Verwaltungsakts kann deshalb wegen eines relativen Verfahrensfehlers nicht beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zur Aufklärung dieser Frage hat das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 VwGO) alle verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Lässt sich nicht aufklären, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung nach § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG vermutet (Kausalitätsvermutung). Das Gericht hat in diesem Fall also zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass der Verfahrensfehler Einfluss auf die Sachentscheidung gehabt hat. Damit soll sichergestellt werden, dass § 46 VwVfG in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die der Gerichtshof der Europäischen Union zur Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern aufgestellt hat, angewandt wird, insbesondere, dass dem Rechtsbehelfsführer in keiner Form die (materielle) Beweislast für die Frage auferlegt wird, ob die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre.
122Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. November 2020 ‑ 9 A 5.20 -, juris Rn. 23 f., und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 -, juris Rn. 41, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 -, juris Rn. 5.
123bb) Dies zugrunde gelegt, scheidet ein relativer Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1a UmwRG hier aus.
124Mit Blick auf die von dem Kläger geltend gemachten und unter III. 1. a) cc) (2) (a) und (c) geprüften Mängel der Umweltverträglichkeitsprüfung ergibt sich dies schon aus den dort genannten Gründen.
125Soweit sich der Kläger im Übrigen darauf beruft, dass im Rahmen der Bekanntmachung die für das Vorhaben entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen nicht bezeichnet worden seien (vgl. III. 1. a) cc) (2) (b)), kann auch an dieser Stelle dahinstehen, ob es sich insoweit um einen Verfahrensfehler im Rahmen des gemäß der 9. BImSchV durchzuführenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens handelte. Denn jedenfalls steht zur Überzeugung des Senats fest, dass ein solcher etwaiger Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat.
126Soweit artenschutzrechtliche Belange oder andere objektiv-rechtliche Umweltbelange in Frage stehen, ist den vorliegenden Unterlagen zu entnehmen, dass auch im Falle einer unzweifelhaft fehlerfreien Bekanntmachung keine weiteren Gesichtspunkte in das Verfahren eingebracht worden wären. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Umweltverträglichkeitsprüfung, eine breite Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und deren Beteiligungsbereitschaft zu fördern. Der Kläger hatte sich hier bereits mit seiner mit zwei weiteren Naturschutzverbänden verfassten Stellungnahme vom 15. Mai 2015 umfangreich in das Verfahren eingebracht und ist auch auf die genannte Artenschutz-Prognose des Büros U. von 2013 eingegangen (dort Seite 6). Eine weitere Stellungnahme folgte unter dem 25. November 2015. Dabei wurden die Beiträge offenkundig von mit entsprechenden Ortskenntnissen ausgestatteten Vertretern der Arbeitsgruppen vor Ort angefertigt. Die artenschutzrechtlichen Gesichtspunkte wurden in einer Tiefe abgehandelt, die sichergestellt hat, dass nichts Wesentliches unerwähnt geblieben ist.
127Die fehlende Bezeichnung der der Genehmigungsbehörde vorliegenden Unterlagen im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung hat die Beteiligung am Entscheidungsprozess offensichtlich nicht erschwert. Dem Akteninhalt lässt sich entnehmen, dass individuelle Betroffenheiten durch möglicherweise schädliche Umwelteinwirkungen wie insbesondere Lärm nicht aufgrund des etwaigen Bekanntmachungsfehlers unberücksichtigt geblieben sind. So wurden Einwendungen auch von Privatpersonen gegen verschiedene Aspekte des Vorhabens geltend gemacht, die der Beklagte im Rahmen des weiteren Verfahrens berücksichtigt hat.
1282. Die angefochtene Genehmigung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das materielle Recht rechtswidrig. Sie verstößt nicht gegen die Ausschlusswirkung einer Konzentrationszonenplanung für Windenergieanlagen an anderer Stelle gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (dazu a)). Ein Verstoß ergibt sich auch nicht mit Blick auf das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG hinsichtlich des Rotmilans (dazu b)). Gleiches gilt hinsichtlich der Fledermäuse (dazu c)). Ebenso verstößt die Genehmigung weder hinsichtlich der Wachtel (dazu d)) noch hinsichtlich des Raubwürgers oder des Neuntöters (dazu e)) gegen das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Ferner steht nicht das Beeinträchtigungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) entgegen, weil sich das Vorhaben nicht in dem faktischen, noch nicht ausgewiesenen Europäischen Vogelschutzgebiet „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ befindet (dazu f)). Die Genehmigung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil das Vorhaben innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes liegt (dazu g)). Nichts anderes gilt mit Blick auf die naturschutzrechtliche Abwägung bei Eingriffen in Natur und Landschaft gemäß § 15 Abs. 5 BNatSchG (dazu h)). Schließlich stehen dem Vorhaben auch nicht bauplanungsrechtlich die Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen (dazu i)).
129a) Unabhängig davon, ob der Kläger dies als Umweltverband geltend machen kann, stehen Darstellungen des Flächennutzungsplans der Gemeinde N. dem Vorhaben nicht als öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen.
130§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bestimmt für Windenergieanlagen und andere Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB, dass ihnen in der Regel auch dann öffentliche Belange entgegenstehen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Das ist hier nicht der Fall.
131aa) Bei Wirksamkeit der vom Rat der Stadt N. am 19. Januar 2017 beschlossenen und von der Bezirksregierung Arnsberg unter dem 24. Februar 2017 genehmigten 60. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt N. „zur Darstellung von Konzentrationszonen für die Errichtung von Windenergieanlagen im Stadtgebiet mit der Folge der Ausschlusswirkung an anderer Stelle“ liegt das Vorhabengrundstück innerhalb der Konzentrationszone 2 „nördlich F.“. Danach scheidet eine Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hier von vornherein aus.
132bb) Sollte sich die 60. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt N. als unwirksam erweisen, wäre für die Beurteilung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auf die Darstellungen der zuvor insofern maßgeblichen 11. Änderung des Flächennutzungsplans zurückzugreifen. Denn für Flächennutzungspläne gilt insoweit das Gleiche wie bei Bebauungsplänen, die aufeinander folgen, ohne die jeweilige Vorgängerregelung aufzuheben.
133Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 2.19 -, juris Rn. 11.
134Der Flächennutzungsplan in der Fassung der vom Rat der Stadt N. am 5. Mai 1997 beschlossenen und unter dem 19. August 1997 von der Bezirksregierung Arnsberg genehmigten 11. Änderung steht dem Vorhaben ebenfalls nicht entgegen. Zwar sah er lediglich im Stadtteil O. – und damit nicht am Vorhabenstandort – eine Konzentrationszone vor. Die 11. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt N. kann dem streitgegenständlichen Vorhaben aber deshalb nicht entgegen gehalten werden, weil sie jedenfalls insoweit unwirksam ist, als mit ihr die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verbunden sind.
135Nach den für die Bekanntmachung der Genehmigung eines Flächennutzungsplans gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB bei Darstellungen von Flächen für Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB geltenden Maßstäben (dazu (1)) erfüllt die Bekanntmachung der 11. Änderung des Flächennutzungsplans im Amtsblatt der Stadt N. vom 19. September 1997 insoweit nicht ihren Hinweiszweck (dazu (2)) und führt dies jedenfalls zur Unwirksamkeit der Rechtswirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (dazu (3)).
136(1) Nach § 6 Abs. 1 BauGB bedarf der Flächennutzungsplan der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB ist die Erteilung der Genehmigung ortsüblich bekannt zu machen. Mit dieser Bekanntmachung wird der Flächennutzungsplan nach Satz 2 der Vorschrift wirksam.
137Die Bekanntmachung nach § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB muss geeignet sein, den vom Gesetz vorausgesetzten Hinweiszweck zu erfüllen, was gerichtlich überprüfbar ist. Sie muss ihren Adressaten den räumlichen Geltungsbereich der Darstellungen hinreichend deutlich machen. Das ist bei Darstellungen von Flächen für Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB der gesamte Außenbereich der Gemeinde. Stellt die Gemeinde bei einer Konzentrationszonenplanung mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB kartografisch nur einen Ausschnitt ihres Gemeindegebiets dar, wird sie jedenfalls im Text der Bekanntmachung deutlich machen müssen, wenn die Darstellungen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB rechtliche Wirkungen im gesamten Außenbereich entfalten sollen. Dies kann durch eine Wiedergabe des Gesetzestextes erfolgen, gegebenenfalls unter sachgerechter Anpassung, etwa eines Hinweises auf den Fortbestand von Konzentrationszonen aus früheren Darstellungen. Die Verwendung des Begriffs der Konzentrationszone ist nicht ausreichend, um auf die angestrebte, den gesamten Außenbereich einer Gemeinde betreffende Wirkung hinzuweisen. Der Begriff mag sich in der Rechts- und Planungspraxis etabliert haben, er ist aber weder Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs, noch verwendet ihn das Gesetz. Aus seiner Verwendung in einer Bekanntmachung folgt nicht hinreichend deutlich, dass Anlagen außerhalb dieser Zonen unzulässig sind.
138Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 2.19 -, juris Rn. 13 ff.
139(2) Nach diesen Maßgaben genügt die Bekanntmachung der Genehmigung der 11. Änderung des Flächennutzungsplans im Amtsblatt der Stadt N. vom 19. September 1997 mit der Überschrift „11. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt N. im Stadtteil O. – Darstellung einer Konzentrationszone für die zusätzliche Nutzung von Windenergie –“ insoweit nicht dem Hinweiszweck nach § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB.
140Denn aus der Bekanntmachung wird nicht hinreichend deutlich, dass die Rechtswirkungen der Änderung des Flächennutzungsplans den gesamten Außenbereich erfassen sollen. Die Bekanntmachung vom 19. September 1997 führt unter dem Gliederungspunkt „Änderungsbereich“ aus, dass der Änderungsbereich in der anliegenden Übersichtskarte entsprechend gekennzeichnet sei. Die Übersichtskarte zeigt einen Ausschnitt des Gemeindegebiets im Stadtteil O. Die Konzentrationszone ist darin durch eine Linie „Abgrenzung des Änderungsbereiches“ gekennzeichnet. Allein diese grafische Darstellung legt nahe, dass sich der räumliche Geltungsbereich der 11. Änderung des Flächennutzungsplans auf die Konzentrationszone selbst als maßgeblichen Änderungsbereich beschränkt. Dafür spricht auch der Betreff der Bekanntmachung vom 19. September 1997, wonach es sich um eine Änderung des Flächennutzungsplans „im Stadtteil O.“ handele.
141Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Bekanntmachung an zwei Stellen den Begriff „Konzentrationszone“ verwendet und dort jeweils darauf hinweist, dass die 11. Änderung des Flächennutzungsplans die Darstellung einer Konzentrationszone für die zusätzliche Nutzung von Windenergie beinhalte. Denn dieser Begriff ist nach dem Vorstehenden gerade nicht ausreichend, um auf die angestrebte, den gesamten Außenbereich einer Gemeinde betreffende Ausschlusswirkung hinzuweisen. Er kann auch eine reine Positivplanung erfassen, bei der sich Windenergieanlagen an einem bestimmten Standort konzentrieren.
142(3) Da die Bekanntmachung der 11. Änderung des Flächennutzungsplans den Hinweiszweck nach § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB nicht erfüllt, ist diese Änderung jedenfalls insoweit unwirksam, als mit ihr die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden sollen. Hierbei handelt es um einen sog. „Ewigkeitsmangel“.
143Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2017 ‑ 7 D 100/15.NE -, juris Rn. 44.
144Schon nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB in der hier zum Zeitpunkt der Bekanntmachung maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2191; a. F.) handelt es sich um eine beachtliche Verletzung von Vorschriften über die Aufstellung eines Flächennutzungsplans, wenn der mit der Bekanntmachung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Planerhaltungsvorschrift des § 215 Abs. 1 BauGB in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 8. Dezember 1986, da § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB a. F. dort nicht aufgeführt wird.
145b) Das Vorhaben verstößt auch nicht hinsichtlich des Rotmilans gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.
146Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Der kollisionsgefährdete sowie windenergieempfindliche Rotmilan wird von dieser Schutzvorschrift erfasst (dazu aa)). Es ist jedoch hinreichend sichergestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (dazu bb)) durch die der streitgegenständlichen Genehmigung beigefügten artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen Nr. 8.4, 8.5.1, 8.5.2, 8.6, 8.11 und 8.12 in Verbindung mit der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 21. August 2020 nicht erfüllt werden (dazu cc)). Das Erfordernis weitergehender Nebenbestimmungen lässt sich auch nicht auf die Annahme stützen, dass es sich bei dem Vorhabenstandort um ein intensiv und häufig genutztes Nahrungshabitat handele oder er auf einer Flugroute zu einem solchen liege (dazu dd)). Ferner bedurfte es keiner zusätzlichen Raumnutzungsanalyse (dazu ee)).
147aa) Der Rotmilan (lateinisch: Milvus milvus) ist ein wild lebendes Tier der besonders geschützten Arten im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Er zählt als europäische Vogelart nach § 7 Abs. 2 Nr. 12 BNatSchG i. V. m. Art. 1 der Vogelschutzrichtlinie – dort zusätzlich sogar als Anhang I-Art aufgeführt – zu den besonders geschützten Arten im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b) bb) BNatSchG.
148Zudem ist der Rotmilan entgegen den von der Beigeladenen geäußerten Zweifeln nach derzeitigem Kenntnisstand eine windenergieempfindliche und – mangels Meideverhaltens, weshalb hier ein Verstoß gegen das Störungsverbot im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG nicht zu untersuchen ist – kollisionsgefährdete Art. Dies ist nach der Einschätzung des MULNV NRW und des LANUV NRW im Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen“ vom 10. November 2017 (im Folgenden: Leitfaden 2017), der auf umfangreichen fachwissenschaftlichen und empirischen Erkenntnissen zu den Gefährdungen von unter anderem Rotmilanen durch Windenergieanlagen beruht, in Fachkreisen allgemein anerkannt und durch Untersuchungen belegt (Seite 11 oben und 42). Der Senat hält es grundsätzlich für sachgerecht – und hält auch im vorliegenden Verfahren daran fest –, sich an diesem von den genannten sachkundigen Fachbehörden erstellten Leitfaden als maßgeblicher Erkenntnisquelle für die Anforderungen an den Arten- und Habitatschutz zu orientieren.
149Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. November 2020 - 8 A 4256/19 -, juris Rn. 55 f., m. w. N., vom 15. Juli 2020 - 8 B 1600/19 -, juris Rn. 18 f., m. w. N., und vom 1. April 2019 - 8 B 1013/18 -, juris Rn. 22.
150Im Übrigen stuft auch der Beklagte in seinen Bescheiden vom 9. März 2016 (dort Seite 41), 16. Februar 2018 (dort Seiten 5 f.), 27. April 2020 (Seiten 8 ff.) und 18. Dezember 2020 (Seiten 4 ff.) sowie im gerichtlichen Verfahren den Rotmilan als windenergieempfindlich und kollisionsgefährdet ein und hat deshalb Schutzmaßnahmen angeordnet.
151bb) Das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist individuenbezogen und bereits dann erfüllt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweist. Mit Blick auf die bei einer Windkraftanlage nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere sind diese Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht (vgl. nunmehr, den Signifikanzansatz der Rechtsprechung aufgreifend: § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG i. d. F. des Gesetzes vom 15. September 2017, BGBl. I S. 3434). Ein Nullrisiko ist nicht zu fordern. Das anhand einer wertenden Betrachtung auszufüllende Kriterium der Signifikanz trägt dem Umstand Rechnung, dass für Tiere bereits vorhabenunabhängig ein allgemeines Tötungs- und Verletzungsrisiko besteht, welches sich nicht nur aus dem allgemeinen Naturgeschehen ergibt, sondern auch dann sozialadäquat sein kann und deshalb hinzunehmen ist, wenn es zwar vom Menschen verursacht ist, aber nur einzelne Individuen betrifft. Denn tierisches Leben existiert nicht in einer unberührten, sondern in einer von Menschen gestalteten Landschaft. Nur innerhalb dieses Rahmens greift der Schutz des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen, darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art. Eine signifikante Steigerung des Tötungsrisikos erfordert Anhaltspunkte dafür, dass sich dieses Risiko durch den Betrieb der Anlage deutlich steigert. Dafür genügt es weder, dass einzelne Exemplare etwa durch Kollisionen zu Schaden kommen, noch, dass im Eingriffsbereich überhaupt Exemplare betroffener Arten angetroffen worden sind.
152Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, juris Rn. 91, m. w. N. zur Rechtsprechung des EuGH,, Beschlüsse vom 7. Januar 2020 - 4 B 20.19 -, juris Rn. 5, und vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2020 - 8 A 4256/19 -, juris Rn. 63 f.
153Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle von naturschutzrechtlichen Bewertungsfragen und damit auch der Beurteilung, ob das Tötungsrisiko signifikant erhöht ist, gilt Folgendes: Wenn und solange es für die Erfassung und Bewertung vorhabenbedingter Einwirkungen an gesetzlichen Vorgaben oder einer untergesetzlichen Maßstabsbildung durch verbindliche Festlegungen etwa mittels Durchführungsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften fehlt, muss die Behörde auf außerrechtliche naturschutzfachliche Maßgaben zurückgreifen, zu denen vor allem Fachkonventionen und Leitfäden gehören. Fehlt es in den einschlägigen Fachkreisen und der einschlägigen Wissenschaft an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die fachliche Beurteilung, kann die gerichtliche Kontrolle des behördlichen Entscheidungsergebnisses mangels besserer Erkenntnis der Gerichte an objektive Grenzen stoßen. Sofern eine außerrechtliche Frage durch Fachkreise und Wissenschaft bislang nicht eindeutig beantwortet ist, lässt sich objektiv nicht abschließend feststellen, ob die behördliche Antwort auf diese Fachfrage richtig oder falsch ist. Dem Gericht ist durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht auferlegt, das außerrechtliche tatsächliche Erkenntnisdefizit aufzulösen. Es ist aber Aufgabe der Gerichte zu überprüfen, ob die vorliegenden Untersuchungen den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegeln oder sich für die Bestandserfassung von betroffenen Arten oder für die Ermittlung des Risikos bestimmte Maßstäbe und Methoden durchgesetzt haben und andere Vorgehensweisen nicht mehr als vertretbar angesehen werden können. Fehlen diesbezügliche vereinheitlichende Vorgaben, muss das Gericht auf die konkrete Kritik hin überprüfen, ob die vorliegenden Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen. Ebenso kann und muss ein Gericht dann, wenn keine allgemein anerkannte fachliche Meinung existiert, kontrollieren, ob die von der Behörde verwendeten fachlichen Maßstäbe und Methoden vertretbar sind und die Behörde insofern im Ergebnis zu einer plausiblen Einschätzung der fachlichen Tatbestandsmerkmale einer Norm gelangt ist. In einem solchen Fall wird geprüft, ob der Behörde bei der Ermittlung und der Anwendung der von ihr aus dem Spektrum des Vertretbaren gewählten fachlichen Methode Verfahrensfehler unterlaufen, ob sie anzuwendendes Recht verkennt, von einem im Übrigen unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten Sachverhalt ausgeht, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt.
154Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 ‑ 1 BvR 2523/13 u. a. -, juris Rn. 18 ff.; BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2020 - 9 B 5.20 -, juris Rn. 18.
155Bei naturschutzfachlichen Bewertungsfragen hat das Gericht typischerweise zweischrittig zu prüfen. Es muss zunächst feststellen, ob es eine anerkannte Fachmeinung zu Methode oder Inhalt der aufgeworfenen Frage gibt; das ist eine Tatsachenfeststellung, die notfalls mit sachverständiger Hilfe erfolgen kann. Gibt es einen solchen „Standard“, dann prüft das Gericht dessen Befolgung bzw. die Gründe für eine Abweichung. Gibt es ihn nicht, sondern stattdessen ein wissenschaftliches „Erkenntnisvakuum“ im Sinne einer Grenze der tatbestandsbezogenen Erkenntnis- und Sachaufklärungsmöglichkeiten, gilt der Plausibilitätsmaßstab.
156Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2020 - 9 B 5.20 -, juris Rn. 18, 20, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 ‑ 1 BvR 2523/13 u. a. -, juris; kritisch Huggins, NuR 2021, 73 (76 f.).
157cc) Die der streitgegenständlichen Genehmigung beigefügten artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen Nr. 8.4 (dazu (1)), 8.5.1 (dazu (2)), 8.5.2 (dazu (3)), 8.6 (dazu (4)), 8.11 (dazu (5)) und 8.12 (dazu (6)) in Verbindung mit der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 21. August 2020 wirken in Bezug auf die von ihnen geregelten Sachverhalte – insbesondere bei bodenbewirtschaftenden Maßnahmen sowie während der Brutzeit und der Schlafplatzphase – einem Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG hinreichend entgegen. Es besteht bei Beachtung dieser Nebenbestimmungen kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan. Ob auch weniger weitreichende Betriebsbeschränkungen den gesetzlichen Vorgaben genügen würden, hat der Senat nicht zu prüfen, weil es in dem hier vorliegenden Verfahren nicht darauf ankommt.
158(1) Die Nebenbestimmung Nr. 8.4 zum Genehmigungsbescheid vom 9. März 2016 in der insoweit maßgeblichen Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Dezember 2020 trifft zum Schutz des Rotmilans ausreichende Regelungen im Falle von bodenbewirtschaftenden Maßnahmen. Nach dieser Nebenbestimmung ist die Windenergieanlage bei Grünlandmahd, Ernte und bodenwendenden Maßnahmen auf Feldern im Umkreis von 100 m um die äußere Abmessung der Windenergieanlage (kreisförmige horizontale Projektion der Blattspitzen bei 90° zum Turm) während der Brutzeit und während der Zeitspanne der nachbrutzeitlichen Schlafplatzgemeinschaft des Rotmilans (insgesamt 20. Februar bis 31. Oktober eines jeden Jahres) abzuschalten.
159Ziel der Nebenbestimmung ist es, ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nach § 44 Abs.1 Nr.1 BNatSchG – entsprechend dem Leitfaden 2017, Seite 32 – durch kurzfristige Betriebsbeschränkungen von Windenergieanlagen im Umfeld von landwirtschaftlich genutzten Flächen zu vermeiden, wenn diese Flächen insbesondere in Zeiträumen der Ernte und Mahd attraktive Jagdhabitate für Greifvögel darstellen. Gerade der Rotmilan ist bei der Jagd auf Kleinsäuger auf offene, kurzrasige oder lückige Bereiche angewiesen, die den Zugriff auf die Nahrungstiere ermöglichen. Grünlandflächen werden von ihm nach der Mahd intensiv genutzt.
160Vgl. dazu den Artensteckbrief „Rotmilan“ im Anhang A „Maßnahmensteckbriefe Vögel NRW“ zum Leitfaden „‚Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen‘ für die Berücksichtigung artenschutzrechtlich erforderlicher Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen“ des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz vom 5. Februar 2013 (im Folgenden: Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“), unter https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de, Seiten 3 und 5, abzurufen von der Internetseite des LANUV NRW.
161Hieran anknüpfend legt die Nebenbestimmung Nr. 8.4 bei Grünlandmahd eine Abschaltung der Windenergieanlage für vier Tage ab dem Tag der Mahd im Zeitraum zwischen morgendlichem Beginn und abendlichem Ende der bürgerlichen Dämmerung fest. Bei der Ernte auf Ackerflächen ist eine Abschaltung der Windenergieanlage ab dem Tag des Erntebeginns durchgehend bis zwei Tage nach Umbruch der Stoppelbrache im Zeitraum zwischen morgendlichem Beginn und abendlichen Ende der bürgerlichen Dämmerung vorgesehen. Die Abschaltung ist bei allen Erntevorgängen aller Feldfrüchte vorzunehmen.
162Diese Vorgaben für Mahd und Ernte sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen inhaltlich denjenigen des Leitfadens 2017 (dort Seiten 32 und vor allem 58). Darüber hinaus sieht die Nebenbestimmung vor, dass auch allgemein bei bodenwendenden Maßnahmen eine Abschaltung der Windenergieanlage am Tag der bodenwendenden Maßnahmen sowie an dem darauf folgenden Tag im Zeitraum zwischen morgendlichem Beginn und abendlichem Ende der bürgerlichen Dämmerung erfolgt. Dies geht über die Empfehlungen des Leitfadens 2017 hinaus, entspricht aber, wie der Sachverständige Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dem derzeitigen fachlichen Erkenntnisstand, der voraussichtlich auch in die anstehende Überarbeitung des Leitfadens einfließen wird.
163Der Begriff der bürgerlichen Dämmerung ist hinreichend bestimmt. Er bezieht sich auf den Zeitraum beginnend vor Sonnenaufgang und endend nach Sonnenuntergang, wenn sich die Mitte der Sonnenscheibe 6° unter dem Horizont befindet. Die Abschaltung ist damit zeitlich aufgrund von astronomischen Gesetzmäßigkeiten im Vorhinein eindeutig bestimmbar; sie kann in einen entsprechenden Abschaltalgorithmus eingestellt und im Wege der Anlagenüberwachung überprüft werden.
164Zum Begriff der bürgerlichen Dämmerung vgl. schon OVG NRW, Beschluss 1. April 2019 - 8 B 1013/18 -, juris Rn. 29 f., unter Hinweis auf Art. 2 Nr. 97 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 der Kommission vom 26. September 2012 zur Festlegung gemeinsamer Luftverkehrsregeln und Betriebsvorschriften für Dienste und Verfahren der Flugsicherung u. a.
165Maßgeblicher Bereich für eine Abschaltung der Windenergieanlage bei bodenbewirtschaftenden Maßnahmen sind nach Nr. 8.4 die Felder im Umkreis von 100 m um die äußere Abmessung der Windenergieanlage (kreisförmige horizontale Projektion der Blattspitzen bei 90° zum Turm). Ausgehend vom Rotorradius der Anlage von hier 50,5 m sind damit Flächen erfasst, die sich zumindest teilweise in einem Kreis von etwa 150 m um den Mastfuß der Anlage befinden.
166Die Festlegung dieses Umkreises ist naturschutzfachlich vertretbar und bewegt sich (noch) innerhalb des Spektrums der zugunsten des Rotmilans bei der Bodenbewirtschaftung fachwissenschaftlich angesetzten Schutzradien (zwischen 500 m und 100 m), die sich überwiegend wohl am Mast orientieren.
167Vgl. Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung/Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Integration artenschutzrechtlicher Vorgaben in Windkraftgenehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), Stand: 22. August 2017 (im Folgenden: artenschutzrechtliche Vorgaben Schleswig-Holstein), S. 19: 500 m; Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft/Landesamt für Umwelt Baden-Württemberg, Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Vogelvorkommen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, Stand: 15. Januar 2021, Anhang A, S. 162, 164: 300 m; Bundesamt für Naturschutz, Methodenvorschlag des Bundes zur Prüfung und Bewertung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos von Vögeln an WEA, (nach März 2020) S. 37: 300 m; Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Avifaunistischer Fachbeitrag zur Genehmigung von Windenergieanlagen in Thüringen, Stand: 30. August 2017, S. 8 f.: 300 m; Beschluss 2017-1-1 der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten vom 25. April 2017: 300 m; Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Sachsen-Anhalt, Leitfaden Artenschutz an Windenergieanlagen in Sachsen-Anhalt, gültig ab 30. Juli 2019 (im Folgenden: Leitfaden Artenschutz Sachsen-Anhalt), S. 25: mindestens 200 m vom Mastfuß; Gemeinsamer Runderlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Verwaltungsvorschrift (VwV) „Naturschutz/Windenergie“ vom 17. Dezember 2020 (im Folgenden: VwV „Naturschutz/Windenergie“ Hessen), Nr. 7.2 Buchst. b: 200 m um den Mastfuß; Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Niedersachsen, Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen an Land (Windenergieerlass), Anlage 2 (Leitfaden Umsetzung des Artenschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Niedersachsen; im Folgenden: Leitfaden Niedersachsen), Nr. 7.2: mindestens 100 m vom Mastfuß; Leitfaden 2017 (Seiten 32 und 58): mindestens 100 m um die Anlage/Umkreis von 100 m.
168Nach den Angaben des Sachverständigen Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat soll im Übrigen bei der bevorstehenden Aktualisierung des Leitfadens für Nordrhein-Westfalen geprüft werden, ob die Orientierung am Mast statt an den äußeren Abmessungen des Rotors mit Blick auf die in den letzten Jahren erheblich vergrößerten Rotordurchmesser noch sachgerecht ist.
169Soweit der Kläger einen größeren Radius von 300 m für erforderlich hält und sich dabei auf den genannten Beschluss 2017-1-1 der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten beruft, verfängt dies nicht. Denn es handelt sich insofern lediglich um einen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs, der aber – wie aus den eben genannten unterschiedlichen Länderregelungen ersichtlich – kein allgemein anerkannter fachlicher Standard ist. Insbesondere der dort (Seite 3) zur Begründung herangezogene Verweis auf das Flugverhalten von Greifvögeln und Störchen (Aufstieg in thermischen Kreisflügen) lässt den hier angesetzten Radius von etwa 150 m, der ebenfalls bereits einen Sicherheitsabstand darstellt, nicht als unplausibel erscheinen.
170Die Nebenbestimmung Nr. 8.4 in der aktuellen Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Dezember 2020 sieht für die Zeit vom 20. Februar bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres „während der Brutzeit und während der Zeitspanne der nachbrutzeitlichen Schlafplatzgemeinschaft des Rotmilans“ eine Abschaltung der Windenergieanlage im Falle von bodenbewirtschaftenden Maßnahmen vor.
171Es ist nicht zu beanstanden, dass die Nebenbestimmung die Zeit vom 20. Februar bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres als maßgeblichen „Anwesenheitszeitraum des Rotmilans“ einstuft. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur brutplatzbedingten (dazu (2)) und zur schlafplatzbedingten (dazu (3)) Abschaltung. Es ist danach für die (Winter-)Zeit vom 1. November bis zum 19. Februar nicht mit einer nennenswerten Anwesenheit des Rotmilans im Vorhabengebiet zu rechnen.
172Über die Abschaltung der Windenergieanlage bei bodenbewirtschaftenden Maßnahmen hinaus sieht die Nebenbestimmung Nr. 8.4 vor, dass die Grünlandmahd, die Ernte und bodenwendende Maßnahmen auf den konkret benannten Flurstücken im 100 m-Umkreis nicht früher beginnen dürfen als auf den angrenzenden, von der Windenergieanlage weiter entfernten Schlägen bis zu einer Entfernung von 1.000 m um die äußere Abmessung der Windenergieanlage. Bezogen auf die jeweils anstehende Bewirtschaftungsmaßnahme ist eine gleichzeitige Bearbeitung der konkret benannten Flurstücke und der in der Umgebung bis 1.000 m gelegenen anzustreben. Ferner ist eine Dokumentation der Betriebs- und Abschaltzeiten sowie der zeitlichen Abfolge der Bearbeitungsvorgänge auf den Flurstücken im 100 m-Umkreis vorgesehen, die mindestens ein Jahr lang aufzubewahren und auf Verlangen der unteren Naturschutzbehörde vorzulegen ist. Auch insoweit handelt es sich um Regelungen, die den Vorgaben des Leitfadens 2017 (dort Seiten 32 f. und 58) hinreichend Rechnung tragen.
173Der Kläger wendet dagegen ohne Erfolg ein, dass es nicht ausreichend sei, eine gleichzeitige Bewirtschaftung von Flurstücken im Umkreis von 1.000 m nur anzustreben. Auch der Leitfaden 2017 macht diesbezüglich lediglich eine nicht in jedem Fall zwingende Zielvorgabe („sollten gleichzeitig bearbeitet werden“, Seite 33). Dies trägt offenkundig dem Umstand Rechnung, dass eine Gleichzeitigkeit in einem derart großen Umkreis von 1.000 m und bei unterschiedlichen Formen der landwirtschaftlichen Nutzung rein praktisch nicht ausnahmslos gewährleistet werden kann. Im Übrigen greift zum Schutz des Rotmilans insoweit jedenfalls die verbindliche und leitfadenkonforme (Seite 58) Vorgabe, dass Maßnahmen der Bodenbewirtschaftung im 100 m-Umkreis nicht früher beginnen dürfen als in der Umgebung von 1.000 m. Auf diesem Wege wird sichergesellt, dass Rotmilane nicht frühzeitig bei einer Maßnahme der Bodenbewirtschaftung in den Nahbereich der Windenergieanlage gelockt werden.
174Zur Sicherung der genannten Maßnahmen gibt die Nebenbestimmung Nr. 8.4 schließlich vor, dass vertragliche Vereinbarungen in Form von Nutzungs- und Pflegeverträgen zwischen dem Betreiber der Windenergieanlage und den Grundstückseigentümern der im genannten 100 m-Umkreis liegenden Flurstücke unter Zustimmung der Bewirtschafter zu schließen sind. Insbesondere ist in den Verträgen jeweils festzulegen, dass die Beigeladene mindestens zwölf Stunden vor Beginn einer Bewirtschaftungsmaßnahme auf den betroffenen Flurstücken von dem jeweiligen Grundstückseigentümer bzw. Bewirtschafter über den Beginn der Maßnahme bzw. den erfolgten Umbruch der Stoppelbrache informiert wird. Daneben ist die Abstimmung mit den Bewirtschaftungsmaßnahmen bis zu einer Entfernung von 1.000 m zu regeln. Die Maßnahmen im 100 m-Umkreis dürfen nicht eher als in der Umgebung bis 1.000 m Entfernung beginnen. Zudem sind die zeitliche Abfolge der Bewirtschaftungsmaßnahmen zu dokumentieren und die Dokumentation jährlich an die untere Naturschutzbehörde des Beklagten weiterzuleiten. Die Nutzungs- und Pflegeverträge sind der unteren Naturschutzbehörde vor der Inbetriebnahme vollständig vorzulegen. Damit werden die Anforderungen nach der Nebenbestimmung Nr. 8.4 gemäß den Vorgaben des Leitfadens 2017 (dort Seite 32) zum Vertragsinhalt gemacht.
175Eine dingliche Sicherung dieser vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Betreiber und den Flächenbewirtschaftern ist nicht erforderlich, um es dem Beklagten zu ermöglichen, die Einhaltung dieser Nebenbestimmung effektiv zu überwachen. Vielmehr genügt es nach Nr. 8.4, dass die Betriebs- und Abschaltzeiten über die Betriebsdatenregistrierung der Windenergieanlage zu erfassen, die zeitliche Abfolge der Bearbeitungsvorgänge auf den betreffenden Flurstücken zu dokumentieren, ein Jahr lang aufzubewahren und auf Verlangen der unteren Naturschutzbehörde des Beklagten vorzulegen sind. Abgesehen davon, dass es sich insoweit um eine rechtliche Bewertung handelt, fordert im Übrigen auch der Leitfaden 2017 eine solche dingliche Sicherung nicht. Er sieht lediglich für Maßnahmenflächen – also für Flächen, auf denen artenschutzrechtliche Maßnahmen im Sinne des Leitfadens „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ durchgeführt werden sollen – eine grundbuchliche Sicherung im Wege der Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit vor (dort Seite 60).
176Nichts anderes folgt aus dem Einwand des Klägers, dass sich eine Sanktionierung für den Fall der ausbleibenden Abschaltung nach Nebenbestimmung Nr. 8.4 unmittelbar aus den Vorgaben der Genehmigung ergeben und geeignet sein müsse, den Artenschutz des Rotmilans unmittelbar und kurzfristig zu gewährleisten. Denn die Nebenbestimmung Nr. 8.4 nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW stellt eine eigenständige behördliche Anordnung dar, die – soweit sie Verhaltenspflichten des Betreibers begründet – nötigenfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung unter Einschluss entsprechender Zwangsmittel durchgesetzt werden kann. Anders als der Kläger meint, bestehen damit bereits unterhalb der Eingriffsintensität einer Betriebsuntersagung nach § 20 Abs. 1 BImSchG oder eines Widerrufs nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG Handlungsmöglichkeiten des Beklagten.
177Vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Stand: Aug. 2020,BImSchG, § 21 Rn. 27.
178Abgesehen davon, dass die Vorlage der Verträge keine Frage der Rechtmäßigkeit der Genehmigung, sondern der behördlichen Überwachung sein dürfte, hat die Beigeladene ausweislich der im vorliegenden Verfahren vorgelegten dienstlichen Erklärung des Beklagten vom 21. August 2020 diesem die mit den Eigentümern und Bewirtschaftern aller betroffenen Grundstücke geschlossenen Verträge jedenfalls vollständig vorgelegt. Nach dem Inhalt des mit Schriftsatz vom 1. September 2020 im Verfahren 8 B 727/20 vorgelegten Vertragsbeispiels betreffend die Grundstücke Gemarkung I., Flur, Flurstücke, und wurden die nach der Nebenbestimmung Nr. 8.4 gestellten Anforderungen umgesetzt.
179(2) Die Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 zur brutzeitbedingten Abschaltung in der hier maßgeblichen Fassung des Änderungsbescheids vom 27. April 2020 bleibt nicht hinter den zur Vermeidung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu stellenden Anforderungen zurück. Dies gilt sowohl mit Blick auf den Gesamtzeitraum der Abschaltung (dazu (a)) als auch mit Blick auf die täglichen Abschaltzeiten (dazu (b)). Ferner ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte für die Prüfung etwaiger Brutvorkommen des Rotmilans einen Radius des Untersuchungsgebietes um die Windenergieanlage von 1.000 m zugrunde gelegt hat (dazu (c)). Auch gegen die Einzelheiten des Mechanismus zur Prüfung der Wiederinbetriebnahme ist artenschutzrechtlich nichts zu erinnern (dazu (d)).
180(a) Die brutzeitbedingte Abschaltung nach Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 erfolgt vom 20. Februar bis zum 20. August eines jeden Jahres, ohne dass es eines weiteren Nachweises bedarf. Sie soll damit die Brutplatzbesetzung, die Balzphase, die Zeit der Eiablage sowie die Jungvogelfütterung umfassen (vgl. den Änderungsbescheid vom 27. April 2020, dort Seite 3).
181Die zeitliche Festlegung von Beginn (20. Februar) und Ende (20. August) der Abschaltung erfasst die maßgeblichen Aufenthaltszeiten brütender Rotmilane in der Horstumgebung und ist naturschutzfachlich nicht zu beanstanden. Sie berücksichtigt das fachgutachterliche Konzept von T. und S. vom 13. Februar 2020 (dort Seite 15), wonach Rotmilane im Regelfall ab Anfang März (teilweise auch ab dem 11. Februar) den Brutplatz besetzen und ihre flüggen Jungen längstens bis zum 17. August eines jeden Jahres füttern. Weiter orientiert sie sich – ebenso wie der Leitfaden 2017 (dort Seite 25, Abs. 1) – an den bei Südbeck u. a., Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands, 2005, (dort Seite 109 bis 113) festgelegten Wertungsgrenzen. Nach der danach im Steckbrief für den Rotmilan festgehaltenen artspezifischen Phänologie (dort Seite 242) beginnt das Brutverhalten mit Balzflügen „sofort nach der Ankunft“ im Brutgebiet frühestens Ende Februar (21. bis letzter Tag) eines jeden Jahres und damit nach der hier vorgesehenen Abschaltung am 20. Februar. Nichts anderes ergibt sich – gemessen an der für ein relevantes Tötungsrisiko erforderlichen Überschreitung der Signifikanzschwelle – nach der von Herrn K. vom LANUV NRW im Rahmen der mündlichen Verhandlung getroffenen sachverständigen Aussage (Protokollabdruck Seite 7), dass die Rotmilane schon schwerpunktmäßig in der zweiten Dekade des Februars einflögen und bis Ende Februar verpaart seien. Auch das Ende der Abschaltung ab dem 21. August eines jeden Jahres ist mit den Wertungsgrenzen nach Südbeck u. a. vereinbar, da das spezifische Jungvogelverhalten spätestens mit Ablauf des Monats Juli endet (dort Seite 243). Weitergehende Abschaltzeiten zugunsten brütender Rotmilane lassen sich im Übrigen auch nicht dem Anhang 5a „Erfassungstermine – Brut- und Rastvögel“ zum Leitfaden „Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung in Nordrhein-Westfalen – Bestandserfassung und Monitoring“ des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. März 2017 entnehmen (im Folgenden: Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung, abrufbar unter https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/downloads).
182Da zur Vermeidung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kein Nullrisiko geboten ist, sind nicht deswegen weitergehende brutzeitbedingte Abschaltvorgaben erforderlich, weil sich einzelne Exemplare des Rotmilans möglicherweise auch vor und nach dem genannten Zeitraum in der Umgebung des Horstes aufhalten.
183(b) Die nach Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 vorgesehenen täglichen Abschaltzeiten vom Anfang der morgendlichen bürgerlichen Dämmerung bis zum Ende der abendlichen bürgerlichen Dämmerung wurden im Änderungsbescheid vom 27. April 2020 (dort Seite 11) ebenfalls nachvollziehbar begründet. Sie berücksichtigen, dass der Rotmilan ein tagaktiver Greifvogel ist und umfassen auch den zweiten Aktivitätsgipfel zwischen 16.00 Uhr und Sonnenuntergang.
184Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. April 2019 ‑ 8 B 1013/18 -, juris Rn. 29 ff., dort auch zum Begriff der bürgerlichen Dämmerung; Südbeck u. a., Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands, 2005, S. 242.
185(c) Es ist ferner naturschutzfachlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte für die Prüfung etwaiger Brutvorkommen des Rotmilans einen Radius des Untersuchungsgebietes um die Windenergieanlage von 1.000 m zugrunde gelegt hat.
186Fachlich allgemein anerkannte Maßstäbe für die Frage, bei welchem Abstand eines besetzten Horstes zu einer Windenergieanlage grundsätzlich ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Rotmilane durch den Anlagenbetrieb in Betracht zu ziehen ist, fehlen.
187A. A. Hess. VGH, Beschluss vom 14. Januar 2021 - 9 B 2223/20 -, juris Rn. 14 f.; VG Gießen, Urteil vom 3. September 2019 - 3 K 250/16.GI -, juris Rn. 83 f., m. w. N. (jeweils unter Hinweis auf die Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten und Gerichtsentscheidungen).
188Nach den aktuellen fachwissenschaftlichen Erkenntnissen ergibt sich vielmehr ein Bewertungsrahmen, der im Bereich zwischen 1.000 m und 1.500 m eines um die Windenergieanlage zu ziehenden Schutz- bzw. Untersuchungsradius liegt.
189Vgl. Umweltministerkonferenz am 11. Dezember 2020, Standardisierter Bewertungsrahmen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Hinblick auf Brutvogelarten an Windenergieanlagen (WEA) an Land – Signifikanzrahmen, S. 5: 1.000 m bis 1.500 m; Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft/Landesamt für Umwelt Baden-Württemberg, Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Vogelvorkommen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, Stand: 15. Januar 2021, Anhang A, S. 159: 1.000 m; Landesamt für Umwelt Brandenburg, Staatliche Vogelschutzwarte, Informationen über Einflüsse der Windenergienutzung auf Vögel, Stand: 25. September 2020, S. 52: 1.000 m; Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Beachtung naturschutzfachlicher Belange bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten und bei der Genehmigung von Windenergieanlagen vom 1. Januar 2011, Anlage 1 (Tierökologische Abstandskriterien für die Errichtung von Windenergieanlagen in Brandenburg), Stand: 15. September 2018 (im Folgenden: Tierökologische Abstandskriterien Brandenburg), S. 7: 1.000 m; VwV „Naturschutz/Windenergie“ Hessen, Anlage 2, Tabelle 2: 1.000 m (1.500 m im Vogelschutzgebiet möglich); Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungshilfe für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen (AAB-WEA), Teil Vögel, Stand: 1. August 2016 (im Folgenden: AAB-WEA Mecklenburg-Vorpommern, Teil Vögel), S. 36: 1.000 m; Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland/Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, Naturschutzfachlicher Rahmen zum Ausbau der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz – Artenschutz (Vögel, Fledermäuse) und NATURA 2000-Gebiete, Stand: 13. September 2012 (im Folgenden: Naturschutzfachlicher Rahmen Rheinland-Pfalz), S. 83: 1.000 m in grünlandreichen Mittelgebirgslagen im begründeten Einzelfall möglich, ansonsten 1.500 m; Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Avifaunistischer Fachbeitrag zur Genehmigung von Windenergieanlagen in Thüringen, Stand: 30. August 2017, S. 6: 1.250 m; Bundesamt für Naturschutz, Methodenvorschlag des Bundes zur Prüfung und Bewertung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos von Vögeln an WEA, (nach März 2020) S. 12, 23 f., 33: 1.500 m (mit Einschränkungen); Leitfaden Artenschutz Sachsen-Anhalt, S. 32: 1.500 m; Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume/Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) innerhalb des Potenziellen Beeinträchtigungsbereiches und des Prüfbereiches bei einigen sensiblen Großvogelarten - Empfehlungen für artenschutzfachliche Beiträge im Rahmen der Errichtung von WEA -, Stand: September 2016, S. 27: 1.500 m; Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Bau und Verkehr, für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, für Umwelt und Verbraucherschutz, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Gesundheit und Pflege über die Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) (Windenergie-Erlass – BayWEE) vom 19. Juli 2016, Anlage 3: 1.500 m; Leitfaden Niedersachsen, Nr. 3: 1.500 m; Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten, Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten, Stand: April 2015, Tabelle 2 und unter Nr. 5 zum Rotmilan: 1.500 m.
190Der vom Beklagten angenommene Radius bewegt sich innerhalb der bundesweit angewandten Bandbreite und entspricht den Annahmen im Leitfaden 2017 (Seiten 18, 42, 47 f.). Dort wird nicht nur ausdrücklich klargestellt, dass die weitergehenden Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW 2014) nicht anzuwenden seien (Seiten 18 und 47). Vielmehr wird der differenzierende Ansatz für den Rotmilan unter Bezugnahme auf den wissenschaftlichen Diskurs ausdrücklich begründet (Seite 42): Die Empfehlung für die Abgrenzung des Untersuchungsgebiets sei in Anlehnung an die Vorgehensweise der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (2014) durch Auswertung verschiedener Telemetrieuntersuchungen vorgenommen worden. Grundannahme sei, dass mindestens 50% der Flugaktivitäten um den Horst abgedeckt werden sollten. Allen Studien gemeinsam sei eine hohe Schwankungsbreite zwischen den telemetrierten Individuen. Beispielsweise seien bei einigen Individuen mit großen Aktionsräumen der Wert von 50% der Ortungen zwischen 1.500 m oder mehr erreicht, bei solchen mit kleineren Aktionsräumen bereits bei deutlich unter 1.000 m. Ein Faktor, der die Aktionsraumgröße wesentlich beeinflusse, sei die Nahrungsverfügbarkeit. Bei guter Nahrungsverfügbarkeit in Horstnähe liege die Aktivität der Tiere näher am Horststandort, bei schlechter Nahrungsverfügbarkeit legten die Tiere regelmäßig größere Strecken zurück. Vor diesem Hintergrund würden unterschiedliche Abgrenzungen des Untersuchungsgebiets für das Bergland in Nordrhein-Westfalen (kontinentale Region; in der Regel stärker Grünland-geprägt und kleinflächiger strukturiert mit besserem Nahrungsangebot während der Brutzeit) und für das Tiefland (atlantische Region; in der Regel großräumige Agrarlandschaften mit schlechterem Nahrungsangebot)– und zwar ein Radius im Tiefland von 1.500 m und im Bergland von 1.000 m (Seite 48) – empfohlen. Bei ernst zu nehmenden Hinweisen darauf, dass sich im Einzelfall die Nahrungssituation abweichend darstelle, könne und solle mit entsprechender Begründung von dieser Regel abgewichen werden. Diese Empfehlungen des Leitfadens 2017 hat der Sachverständige Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar erläutert und begründet.
191Der nach dem Leitfaden 2017 gewählte und nach der jeweiligen Nahrungsverfügbarkeit differenzierende Ansatz, den der Beklagte übernommen hat, erweist sich insoweit jedenfalls als plausibel. Er differenziert für den Rotmilan nachvollziehbar zwischen dem Nahrungsangebot in der kontinentalen Region (Bergland) und in der atlantischen Region (Tiefland). Hierbei handelt es sich um eine anerkannte fachwissenschaftliche Einteilung in biogeografische Regionen, nach denen sich auch das nordrhein-westfälische Landesgebiet eindeutig abgrenzen lässt.
192Vgl. zu den beiden biogeografischen Regionen in Nordrhein-Westfalen die Kartendarstellung unter https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/web/babel/media/biogeografischen_regionen_nrw.pdf.
193Anhaltspunkte für eine von dieser generellen Einteilung abweichende Nahrungssituation ergeben sich für den Vorhabenstandort nicht. Dass der 1.000 m-Untersuchungsradius in der hier betroffenen Mittelgebirgsregion ausreicht, hat der Sachverständige Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung vielmehr ausdrücklich bestätigt (Protokollabdruck Seite 6).
194Die Ausführungen im Leitfaden 2017 und die Erläuterungen des Sachverständigen Dr. Z. legen im Übrigen nahe, dass wegen der Abhängigkeit von den jeweiligen naturräumlichen Verhältnissen bzw. dem daraus resultierenden Nahrungsangebot kein bundesweit einheitlicher Standard mit Blick auf den Untersuchungsradius für Brutvorkommen des Rotmilans bestehen kann. Die unterschiedliche Lebensraumausstattung wird auch von der Umweltministerkonferenz am 11. Dezember 2020, Standardisierter Bewertungsrahmen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Hinblick auf Brutvogelarten an Windenergieanlagen (WEA) an Land – Signifikanzrahmen, Seite 5, als Grund dafür genannt, für Brutvorkommen des Rotmilans einen Regelabstand zwischen 1.000 m und 1.500 m festzulegen.
195(d) Gegen die Einzelheiten des Mechanismus zur Prüfung der Wiederinbetriebnahme nach Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 ist artenschutzrechtlich mit Blick auf § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ebenfalls nichts zu erinnern.
196Die Wiederinbetriebnahme der Windenergieanlage kann frühestens nach Ablauf des 10. Mai eines jeden Jahres erfolgen. Damit wird der von Südbeck u. a. beschriebenen Legeperiode des Rotmilans bis Anfang Mai (dort Seite 242: Legeperiode ab „E 3“ - dritte Monatsdekade März - bis „A 5“ - erste Monatsdekade Mai, vgl. Seite 134) Rechnung getragen.
197Inhaltlich knüpft die Wiederinbetriebnahme an die Voraussetzung an, dass im 1.000 m-Radius um die Windenergieanlage bis zum 10. Mai kein Revier besetzt ist. Die Revierbesetzung soll danach ausdrücklich wie im Leitfaden 2017 (dort Seite 25, Abs. 1) ausgeführt innerhalb der bei Südbeck u. a. genannten artspezifischen Wertungsgrenzen sowie gleichzeitig entsprechend den EOAC-Brutvogelstatus-Kriterien untersucht werden. Dies ist nicht zu beanstanden. Die daneben genannten Kriterien der endgültigen Aufgabe einer begonnenen Brut sowie der nicht mehr bestehenden Bindung des Familienverbandes an den Brutplatz sind als zusätzliche Voraussetzungen zu verstehen. Sie dienen dem Ziel, alle potentiellen Konstellationen, die zu einer erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Rotmilans im näheren Umkreis eines Brutplatzes führen können, zu erfassen. Dies geht zweifelsfrei aus der Begründung zum Änderungsbescheid vom 27. April 2020 (dort Seite 12) hervor. Mit diesen Voraussetzungen ist für eine Wiederinbetriebnahme hinreichend sichergestellt, dass kein Brutgeschehen stattfindet.
198Die Qualifikation des für den fachgutachterlichen Nachweis zu beauftragenden Fachgutachters ist durch die Anforderung „mit einschlägigem Fachwissen und mehrjähriger praktischer Berufserfahrung“ sowie den dazu gelieferten beruflichen Beispielen „Biologe, Landespfleger, Landschaftsökologe, Geoökologe, Ökologe, Umweltwissenschaftler, Umweltgeowissenschaftler bzw. Geograph mit freilandornithologischen Kenntnissen“ in der Nebenbestimmung Nr. 8.5.1 hinreichend klar umgrenzt. Auch die inhaltliche Ausgestaltung des zwischen dem 10. März und dem 10. Mai durchzuführenden Monitorings ist ausreichend bestimmt. So werden die Häufigkeit der Untersuchungen („mindestens 5 Mal mit mindestens 7 Tagen und höchstens 14 Tagen Abstand zwischen den Kartierungen“) sowie die Dauer der Kartierung („Zeitraum von jeweils 5 Stunden“) ausdrücklich angesprochen. Daneben wird die für eine Kartierung geeignete Witterung näher beschrieben und zugleich ein Erfordernis der Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde des Beklagten bei Abweichungen von den regelmäßigen Vorgaben statuiert. Da eine Wiederaufnahme des Betriebs nur dann in Betracht kommt, wenn die untere Naturschutzbehörde den fachgutachterlichen Nachweis als hinreichend aussagekräftig einstuft, bestehen auch keine Bedenken mit Blick auf den Inhalt der Kartierung. Das Verfahren der Entscheidung ist zudem dahingehend ausgestaltet, dass die untere Naturschutzbehörde innerhalb von sieben Tagen nach Vorlage des fachgutachterlichen Nachweises über die Zulässigkeit der Betriebsaufnahme entscheidet. Auch dies ist nicht zu beanstanden.
199Schließlich stellt die zeitliche Begrenzung der Wiederinbetriebnahme bis höchstens einschließlich 19. Februar des Folgejahres sicher, dass jährlich eine neue brutzeitbedingte Abschaltung vorgenommen wird, die mindestens bis zum 10. Mai dieses Jahres andauert.
200(3) Auch die Nebenbestimmung Nr. 8.5.2 zur schlafplatzbedingten Abschaltung verstößt in der maßgeblichen Fassung des Änderungsbescheids vom 27. April 2020 in Verbindung mit der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 21. August 2020 nicht gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Im näheren Umfeld des Vorhabenstandorts befinden sich sog. traditionelle Schlafplätze, die im Spätsommer und Herbst regelmäßig von einer größeren Anzahl von Rotmilanen aufgesucht werden, bevor diese zu ihren Winterquartieren wegziehen. Sowohl der Gesamtzeitraum der Abschaltung im Jahresverlauf (dazu (a)) als auch die täglichen Abschaltzeiten (dazu (b)) sind ausreichend, um eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für den Rotmilan zu vermeiden.
201(a) Der Gesamtzeitraum der schlafplatzbedingten temporären Abschaltung vom 1. August bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres deckt den Zeitraum ab, in dem eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos aufgrund der Nutzung traditioneller Sammelschlafplätze ernstlich in Betracht kommt.
202Die Nebenbestimmung Nr. 8.5.2 in der (diesbezüglich maßgeblichen) Fassung des Änderungsbescheids vom 27. April 2020 (dort Seite 3) bezieht sich auf den Abschaltzeitraum vom 1. August bis zum 10. Oktober eines jeden Jahres. Dieser Zeitraum wurde nach einem Hinweis des Senats vom 7. August 2020 im dazugehörigen Eilverfahren 8 B 727/20 durch eine Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 21. August 2020 auf die Zeit bis einschließlich 31. Oktober erweitert. Durch die Verzichtserklärung hat die Beigeladene unwiderruflich insoweit auf die Rechte aus der Genehmigung verzichtet, als diese einen Anlagenbetrieb vom 11. bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres täglich ab 45 Minuten vor Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang und ab vier Stunden vor Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang zulässt.
203Eine solche Vorgehensweise begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dies gilt zum einen hinsichtlich der Bestimmtheit der Verzichtserklärung, da auch diese zeitlich an im Vorhinein eindeutig bestimmbare astronomische Gesetzmäßigkeiten – nämlich das Über- bzw. Unterschreiten des Horizonts durch die Sonne – anknüpft und damit einen objektiv aus sich heraus definierten Regelungsinhalt besitzt. Zum anderen können zeitliche Betriebsbeschränkungen, die – wie hier – einen hinreichend abgrenzbaren Teil des immissionsschutzrechtlich genehmigten Betriebs einer Anlage betreffen, auch zum Gegenstand eines Teilverzichts gemacht werden. Im Umfang des erklärten Teilverzichts erlischt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Verfügung der zuständigen Behörde bedürfte. Die in § 18 BImSchG aufgeführten Erlöschensgründe sind insoweit nicht abschließend.
204Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 ‑ 4 C 36.86 -, juris Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, juris Rn. 49 f., Beschluss vom 14. September 2006 - 8 A 496/05 -, juris Rn. 36, 38 ff.; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 18 Rn. 14, m. w. N.
205Der Beginn der schlafplatzbedingten Abschaltung ab dem 1. August und das Ende am 31. Oktober sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen den Erkenntnissen in dem für den Rotmilan geltenden Methodensteckbrief „Rastende Greifvögel“ des Anhangs 4 „Artspezifisch geeignete Kartiermethoden (Methodensteckbriefe)“ (dort Seiten 121 und 231) sowie in dem Anhang 5a „Erfassungstermine – Brut- und Rastvögel“ des Methodenhandbuchs zur Artenschutzprüfung, wonach eine Erfassung der nachbrutzeitlichen nächtlichen Sammelplätze und der während des Abzuges genutzten Schlafplätze des Rotmilans ab Anfang August in Form von sechs Halbmonatszählungen bis Ende Oktober vorgesehen ist.
206Vgl. dazu die Anhänge unter „Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung in NRW“ https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/downloads.
207Zudem hat Herr Dr. Z. vom LANUV NRW mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 unter Bezugnahme auf das Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung den Ablauf des Monats Oktober als Endpunkt einer schlafplatzbedingten Abschaltung als sachgerecht angesehen (dort Seite 5), um eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für die vor Ort schlafenden bzw. rastenden Rotmilane zu vermeiden.
208Eine Abschaltung über den 31. Oktober hinaus lässt sich nicht aus den vom Kläger vorgelegten Dokumenten zum Schlafplatzgeschehen von Rotmilanen in der Umgebung des Anlagenstandorts ableiten. Nach der Untersuchung von Herrn P. („Untersuchung der Schlafplatz-Population des Rotmilans (Milvus milvus) im Herbst 2020 bei N.-F. (Hochsauerlandkreis, Nordrhein-Westfalen) vor dem Hintergrund mehrerer Windenergie-Vorhaben“) zeigte sich ein Schlafplatzgeschehen im Raum L/F. durch eine größere Anzahl von Rotmilanen lediglich bis Ende Oktober 2020 (dort Seiten 13 ff.). Entsprechendes gilt nach den in dem zugehörigen Eilverfahren 8 B 727/20 vorgelegten, von der Ortsgruppe N. des Klägers erstellten „Beobachtungen an den Rotmilan-Schlafplätzen nördlich F., 2019“ (dort Seite 5) sowie nach der ebenfalls in diesem Verfahren vorgelegten, von P. erstellten „Untersuchung der Schlafplatz-Population des Rotmilans (Milvus milvus) im Herbst 2018 bei F. (Stadt N., Hochsauerlandkreis, Nordrhein-Westfalen) vor dem Hintergrund zweier Windenergie-Vorhaben sowie im Raum O.-I. (Stadt E., Landkreis Waldeck-Frankenberg, Hessen) vor dem Hintergrund von Bestandsanlagen“ (dort Seite 25). Etwas anderes folgt auch nicht aus den „Beobachtungen an den Rotmilan-Schlafplätzen nördlich F., 2009-2017“ der Ortsgruppe N. des Klägers (dort Seiten 5 ff.). Auch diese Beobachtungen belegen vielmehr, dass ein relevantes Schlafplatzgeschehen im Umfeld der streitgegenständlichen Windenergieanlage typischerweise regelmäßig nur bis spätestens Ende Oktober eines jeden Jahres auszumachen ist. Im Jahr 2014 fand dagegen ersichtlich ein einmaliges außergewöhnliches Schlafplatzgeschehen statt, das nicht zur Grundlage der hier geforderten, an Regelhaftigkeiten auszurichtenden Beurteilung, wie sie auch im Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung festgehalten ist, gemacht werden kann, zumal die Ursachen für ein solches völlig atypisches Schlafplatzgeschehen im Jahr 2014 hier im Nachhinein nicht verlässlich ergründet werden können.
209(b) Auch die täglichen Abschaltzeiten während des Schlafplatzgeschehens ab 45 Minuten vor Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang und ab vier Stunden vor Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang sind nicht zu beanstanden.
210Die Nebenbestimmung, die zeitlich an im Vorhinein eindeutig bestimmbare astronomische Gesetzmäßigkeiten anknüpft, ist hinreichend bestimmt.
211Es bestehen auch keine durchgreifenden inhaltlichen Bedenken. Die Nebenbestimmung trägt dem artenschutzrechtlichen Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auch insoweit hinreichend Rechnung.
212Eine anerkannte Fachmeinung oder ein fachlicher Standard zur Frage, zu welchen Tageszeiten naturschutzfachlich von einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Rahmen des Schlafplatzgeschehens auszugehen ist, ist nicht erkennbar. Der Leitfaden 2017 verhält sich dazu nicht.
213Mit den festgesetzten täglichen Abschaltzeiten wollte der Beklagte ausweislich der Begründung des Bescheides vom 27. April 2020 (dort Seite 15) die primären täglichen An- und Abflugzeiten der Rotmilane an Schlafplätzen vollständig erfassen, weil gerade zu diesen Zeiten mit einer erhöhten Anzahl an Individuen im Raum zu rechnen sei. Die Zeiten beruhen auf dem fachgutachterlichen Konzept von T. und S. vom 13. Februar 2020 (dort Seite 17), das sich seinerseits auf Untersuchungen der Biologischen Station Paderborn/Senne stützt. Danach verlassen die ersten Rotmilane die Schlafplätze morgens ab 45 Minuten vor Sonnenaufgang und kehren die meisten abends ab 240 Minuten vor Sonnenuntergang zurück. Auch die Begründung des Bescheides vom 27. April 2020 (dort Seite 15) bezieht sich auf die Ergebnisse der von der biologischen Station des Kreises Paderborn-Senne durchgeführten Studie „Besenderung junger Rotmilane im Kreis Paderborn 2016“. Nach dieser Studie (dort Seiten 16 und 31) erfolgt der Abflug morgens in den meisten Fällen innerhalb einer halben Stunde vor Sonnenaufgang. Längere Aufenthalte um den Schlafplatz beim morgendlichen Abflug gebe es in der Regel nicht. Die Vögel verließen dann oft sehr zügig und zielgerichtet den Schlafplatz. Nachmittags träfen die Vögel zu sehr unterschiedlichen Zeiten ein. Die meisten Flüge von den Nahrungsflächen zum Schlafplatz lägen zwischen drei und einer Stunde vor Sonnenuntergang. Oft bewegten sich die Vögel dann noch etwas um den späteren Schlafplatz. Mitunter erfolge auch noch ein Wechsel zu einem anderen, dann aber nur wenige hundert Meter entfernten Schlafplatz. Am Ende dieser Studie (dort Seite 34) wird unter „Fazit und Ausblick“ allerdings festgehalten, dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse von lediglich sechs Jungvögeln nur unter wenigen Aspekten (z. B. An- und Abflüge an Schlafplätzen) möglich sei.
214Nach der fachlichen Einschätzung des Sachverständigen Dr. Z. in dessen schriftlicher Stellungnahme vom 17. Dezember 2020 (dort Seite 5) sind die täglichen Abschaltzeiten „gut begründet dargelegt“, da in diesen Zeiträumen die An- und Abflüge zu den Schlafplätzen der Rotmilane stattfänden.
215Die gegen die Festlegung der täglichen Abschaltzeiten vorgebrachten Kritikpunkte und Einwendungen des Klägers sind unbegründet.
216Soweit sich der Kläger gegen die Heranziehung der Studie „Besenderung junger Rotmilane im Kreis Paderborn 2016“ wendet und dazu vorträgt, die Autoren dieser Untersuchung betonten, dass eine Verallgemeinerung der an sechs besenderten Jungvögeln gewonnenen Ergebnisse nicht ohne Weiteres möglich sei, dringt er damit nicht durch. Zwar relativiert die genannte Studie die gewonnenen Ergebnisse mit Blick darauf, dass lediglich sechs Rotmilane besendert, ein Zeitausschnitt von weniger als zwei Monaten betrachtet und lediglich Jungvögel untersucht worden sind (vgl. dort etwa Seite 29). Hinsichtlich der An- und Abflugzeiten an Schlafplätzen macht die Studie jedoch ausdrücklich – gerade unter gleichzeitigem Hinweis auf die im Übrigen gebotenen Relativierungen – deutlich, dass die Ergebnisse der besenderten sechs Jungvögel sowohl auf ältere Individuen als auch populationsübergreifend übertragbar seien (dort Seite 34). Ebenso stellt die Studie heraus, dass sich durch die Ergebnisse der Untersuchung die relevanten Abschaltzeiten morgens und nachmittags im Falle einer Schlafplatzbesetzung nun besser eingrenzen ließen (dort Seite 31). Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg allgemein entgegenhalten, die Studie liefere keine Erläuterung, warum in Bezug auf die An- und Abflugzeiten von einer Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf ältere Tiere und andere Populationen auszugehen sei. Es handelt sich insoweit um eine differenzierte naturschutzfachliche Bewertung, die auf den eigenen Erkenntnissen der Verfasser der Studie zum artspezifischen Verhalten des Rotmilans beruht und denen der Kläger keine gegenteilige naturschutzfachliche Einschätzung entgegensetzt. So macht die Studie etwa auch an anderer Stelle deutlich, dass sie die Jungvögel und die Altvögel nach ihren jeweiligen Verhaltensweisen differenziert betrachtet. Es sei beispielsweise typisch, dass junge Rotmilane früher in die Winterquartiere wegzögen als Altvögel, und dies sei auch bei den besenderten Vögeln anzunehmen (dort Seite 6).
217Auch der Einwand des Klägers, dass die Rotmilane, die die Schlafplätze nutzten, ganz überwiegend im Laufe des Tages auch im Umfeld des Schlafplatzes anzutreffen seien, lässt die naturschutzfachliche Einschätzung des Beklagten nicht als unplausibel erscheinen.
218Die täglichen schlafplatzbedingten Abschaltungen können in ihrer Wirkung nicht isoliert, sondern nur zusammen mit den ergriffenen Vermeidungsmaßnahmen betrachtet werden. Da die Nebenbestimmung Nr. 8.4, wie ausgeführt, vom 20. Februar bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres eine weitreichende Abschaltung bei Ernte, Mahd und bodenwendenden Maßnahmen im 100 m-Umkreis um die Windenergieanlage sowie eine Abstimmung mit den Bewirtschaftungsvorgängen im 1.000 m-Umkreis gewährleistet, wirkt dies auch während der Schlafplatzphase zugunsten des Rotmilans. Denn entweder ist die Windenergieanlage während einer günstigen Nahrungssituation in ihrem Umkreis infolge der Bodenbewirtschaftung abgeschaltet oder die Nahrungssituation stellt sich während des Betriebs der Windenergieanlage weniger günstig dar, was zu einer Ausdehnung des Aktionsraums des Rotmilans führt. Die von dem Kläger angeführten Beispiele von tagsüber in der Nähe von Schlafplätzen ausgemachten Rotmilanexemplaren lassen dies außer Acht, zumal es für ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gerade nicht ausreicht, wenn im Eingriffsbereich überhaupt Exemplare potentiell betroffener Arten festgestellt werden. Zudem wirkt die Gestaltung des Mastfußbereichs der Windenergieanlage nach Nebenbestimmung Nr. 8.6 (dazu (4)) als weitere Vermeidungsmaßnahme einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko des Rotmilans auch während der Schlafplatzphase außerhalb der täglichen Abschaltzeiten entgegen. Eine mit der Brutzeit des Rotmilans vergleichbare Raumnutzung ist insoweit nicht erkennbar.
219Nichts anderes folgt aus dem Vortrag des Klägers, dass der Raum N.-F., wo viel Ackerbau vorherrsche, im Herbst bei einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Aktivitäten sehr gute Beute – auch im Planungsraum – biete. Soweit er in diesem Zusammenhang im vorangegangenen Eilverfahren 8 B 727/20 mit Schriftsatz vom 3. August 2020 auf die Tagesphänologie eines besenderten Rotmilans aus dem Raum N.-N1. Ende Juni 2020 (29. und 30. Juni 2020) verwiesen hat, lässt sich hieraus nichts herleiten. Denn die seinerzeitige Tagesphänologie betraf nicht nur einen anderen Ortsteil von N., sondern bezog sich auch auf einen Zeitpunkt, der nach dem Vorstehenden hier jahreszeitlich für die schlafplatzbedingte Abschaltung schon nicht relevant ist. Im Übrigen verfängt auch der Hinweis auf einzelne Anwesenheitszeiten des Rotmilans tagsüber im Vorhabengebiet – wie sie der Kläger auch mit den mit Schriftsatz vom 3. Februar 2021 vorgelegten Beobachtungen für den 29. August 2020 am Schlafplatz „Sieke“ zum Ausdruck bringt – angesichts dessen Nahrungsverhaltens und der hier nach den Nebenbestimmungen zur Genehmigung getroffenen Vermeidungsmaßnahmen nicht. Der Rotmilan ist ein Nahrungsgeneralist und Nahrungsopportunist. Das heißt, er hat ein breites Nahrungsspektrum (Kleinsäuger, Vögel, Fische, Aas) und passt sich in seinem Nahrungsverhalten der Nahrungssituation an.
220Vgl. Leitfaden 2017, S. 42, sowie unter https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/voegel/kurzbeschreibung/103013.
221Die mit der Brutzeit nicht zu vergleichende Raumnutzung des Rotmilans während des herbstlichen Schlafplatzgeschehens ergibt sich auch aus dem von dem Kläger selbst vorgelegten und von Herrn P. verfassten Bericht „Untersuchung der Schlafplatz-Population des Rotmilans (Milvus milvus) im Herbst 2018 bei F. (Stadt N., Hochsauerlandkreis, Nordrhein-Westfalen) vor dem Hintergrund zweier Windenergie-Vorhaben sowie im Raum O. I. (Stadt E., Landkreis Waldeck-Frankenberg, Hessen) vor dem Hintergrund von Bestandsanlagen“. Dieser Bericht führt unter „4.6.1. Raumnutzung von Rotmilanen im Planungsgebiet ‚Rotes Land‘ und der Windenergieanlage E. sowie der hessischen Bestandsanlagen im Herbst 2018“ (dort Seiten 26 f.) aus: Wenn der Schlafplatz im Raum F.-O. besetzt gewesen sei, sei es im gesamten Vorhabengebiet auf westfälischer Seite und im Bereich der Bestandsanlagen auf hessischer Seite tagsüber zu Nahrungsflügen gekommen. Aufgrund der kaum noch stattfindenden Landbewirtschaftung hätten keine Schwerpunkte bzw. Vorzugsräume notiert werden können. Die Vögel seien häufig bereits ab Sonnenaufgang unterwegs gewesen, hätten sich aber in der Regel etwa schon zwei Stunden vor Sonnenuntergang an den Schlafplätzen niedergelassen.
222(4) Die Nebenbestimmung Nr. 8.6 in der maßgeblichen Fassung des Änderungsbescheids vom 27. April 2020 betreffend die Gestaltung des Mastfußbereichs bleibt ebenfalls nicht hinter den Anforderungen des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zurück.
223Sie verbietet in einem 150 m-Umkreis um den Turmmittelpunkt der Windenergieanlage das Anlegen von Baumreihen, Hecken oder Kleingewässern, die Lagerung von Misthaufen sowie die Schaffung von Brachflächen. Vorzusehen sind eine landwirtschaftliche Nutzung möglichst bis an den Mastfuß bzw. an den nicht landwirtschaftlich zu nutzenden Bereichen außerhalb der durch Teile der Windenergieanlage versiegelten Flächen eine dichte Bepflanzung mit Gehölzen oder Stauden.
224Da – wie auch der Beklagte im Rahmen der Begründung des Bescheides vom 27. April 2020 (dort Seite 15) ausgeführt hat – insoweit die Muster-Nebenbestimmung Nr. 4) des Leitfadens 2017 (dort Seite 59, vgl. auch Seite 33) nahezu wortgleich übernommen wurde, bestehen keine Bedenken gegen diese Nebenbestimmung. Vielmehr handelt es sich um eine sinnvolle und dauerhafte Ergänzung zu den nach den Nebenbestimmungen Nr. 8.4, 8.5.1 und 8.5.2 ergriffenen Vermeidungsmaßnahmen für besondere Sachverhalte (Bodenbewirtschaftung, Brut und Schlafplatzgeschehen).
225(5) Die nach Nebenbestimmung Nr. 8.11 vorgesehene Errichtung einer Maßnahmenfläche ist ebenso wenig zu beanstanden. Da die Nebenbestimmungen Nr. 8.4, 8.5.1, 8.5.2 und 8.6 einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko bereits wirksam entgegenwirken, handelt es sich – wie auch der Beklagte im Bescheid vom 27. April 2020 (dort Seite 15) ausführt – lediglich um eine rein ergänzende Maßnahme zum Schutz des Rotmilans. Sie ist für sich genommen nicht dazu bestimmt zu gewährleisten, dass das Tötungsrisiko unter der Signifikanzschwelle bleibt.
226(6) Das nach Nebenbestimmung Nr. 8.12 in der maßgeblichen Fassung des Änderungsbescheids vom 27. April 2020 vorgesehene „Monitoring und Risikomanagement“ ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
227Das Vorhaben wird durch einen ortskundigen Fachgutachter als ökologischen Baubegleiter begleitet. Dessen Qualifikation wird – wie für den nach Nr. 8.5.1 einzuschaltenden Gutachter – durch die Anforderung „mit einschlägigem Fachwissen und mehrjähriger praktischer Berufserfahrung“ sowie die dazu gelieferten beruflichen Beispiele hinreichend klar umgrenzt. Der ökologische Baubegleiter hat die Umsetzung der artspezifischen Schutzmaßnahmen (Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen) langfristig zu überwachen. Insbesondere überprüft er die Herstellung der Maßnahmenfläche und deren Bewirtschaftung in den ersten drei Jahren und danach grundsätzlich alle fünf Jahre über die gesamte Betriebszeit der Windenergieanlage. Die Überwachung der Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen schließt einen Auflagenvorbehalt im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW ein. Sollten sich die getroffenen Maßnahmen als unzureichend erweisen, können diese damit nachträglich modifiziert werden. Das betrifft namentlich den Zustand sowie die angestrebte Ablenkwirkung der Maßnahmenfläche für den Rotmilan. Klargestellt wird insoweit, dass zu den dann zu ergreifenden Maßnahmen auch flächenmäßige Nachbesserungen bis hin zur Einbeziehung des gesamten Grundstücks Gemarkung I., Flur, Flurstück mit einer Gesamtgröße von 4,3 ha zählen. Die unter Nr. 8.12 getroffenen Regelungen tragen insbesondere den Bedenken Rechnung, die das Verwaltungsgericht Arnsberg noch in seinem Urteil vom 20. Februar 2018 betreffend die Genehmigung vom 9. März 2016 in der Fassung des Abhilfebescheids vom 16. Februar 2018 geäußert hatte (Urteilsabdruck Seite 42).
228dd) Ein Erfordernis weitergehender Nebenbestimmungen lässt sich nicht auf die Annahme stützen, der Vorhabenstandort befinde sich auf der Flugroute zu einem intensiv und häufig genutzten Nahrungshabitat oder in einem solchen Habitat. Beides ist hier nicht der Fall.
229(1) Der Leitfaden 2017 sieht beim Vorliegen ernst zu nehmender Hinweise auf weiter entfernt liegende Nahrungshabitate, die häufig und intensiv genutzt und stets auf einer festen Flugroute, die durch die geplanten Windenergieanlagen verläuft, angeflogen werden, einen Radius des Untersuchungsgebietes von 4.000 m vor (dort Seiten 18 f. und 47 f.). Zugleich wird klargestellt, dass derartige enge räumlich-funktionale Beziehungen zwischen Teilhabitaten nur in seltenen, speziellen Einzelfallkonstellationen gegeben seien. In einem solchen Fall soll keine flächendeckende Kartierung des erweiterten Untersuchungsgebietes nach der Methodik der Kapitel 6.1 bzw. 6.3 (dort Seiten 18 f.) erforderlich sein, sondern geprüft werden, inwiefern beim Durchqueren der geplanten Windenergieanlagen ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko besteht, während es nicht auf die Raumnutzung im Bereich des Nahrungshabitates selbst ankommen soll.
230Um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nach § 44 Abs. 1 Nr.1 BNatSchG durch den Betrieb einer Windenergieanlage wirksam auszuschließen, ist der Leitfaden 2017 wie folgt zu verstehen: Befindet sich eine Windenergieanlage auf einer Flugroute zu einem intensiv und häufig genutzten Nahrungshabitat, ist die Raumnutzung im Bereich der Flugroute zu untersuchen, nicht aber das weiter entfernt liegende Nahrungshabitat. Befindet sich die Windenergieanlage dagegen selbst in einem intensiv und häufig genutzten Nahrungshabitat, ist zu untersuchen, ob deswegen am Vorhabenstandort ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko besteht. Dieses Verständnis hat der Sachverständige Dr. Z. vom LANUV NRW in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2020 (dort Seite 2) bestätigt und hervorgehoben, dass sich besondere Umstände, die für ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko, sprechen, „natürlich durch eine intensive und häufige Nutzung des Anlagenstandortes als Nahrungshabitat“ ergeben könnten.
231(2) Dies zugrunde gelegt, ist hier nicht von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Rotmilan aufgrund der räumlichen Beziehung des Vorhabens zu einem intensiv und häufig genutzten Nahrungshabitat oder aufgrund der Lage in einem solchen Habitat auszugehen.
232Der Beklagte hat in der Begründung zum Änderungsbescheid vom 27. April 2020 (dort Seite 7) etwaige Flugrouten des Rotmilans zu weiter entfernt liegenden Nahrungshabitaten im Sinne des Leitfadens 2017 (dort Seiten 18 f. und 47 f.) am Vorhabenstandort in nicht zu beanstandender Weise verneint. Er hat sich dazu auf die Untersuchungen und Ortskenntnisse seiner regelmäßig vor Ort tätigen Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörde sowie die Aktionsraumanalyse des Ingenieurbüros Dr. M. von August 2016 berufen. Diese Aktionsraumanalyse betrifft den unmittelbar angrenzenden, in derselben Vorrangzone gelegenen Windpark „S“. Mit Blick darauf, dass das hier streitgegenständliche Vorhaben gleichsam zwischen den in der Aktionsraumanalyse zeichnerisch dargestellten Windenergieanlagen 5 und 8 des Windparks liegt (vgl. dort Blatt 1), bestehen keine Bedenken gegen eine Übertragung der dort gewonnenen Ergebnisse. Nach der genannten Aktionsraumanalyse (vgl. dort Seiten 52 f., Blatt 21 bis 23) sind zwar im 1.500 m-Radius zahlreiche Flugbewegungen, aber keine festen Flugkorridore erkennbar. Da der Leitfaden 2017 für Flugrouten zu weiter entfernt liegenden Nahrungshabitaten das „Vorliegen ernst zu nehmender Hinweise“ (Seite 47) fordert und ohnehin „keine flächendeckende Kartierung“ des erweiterten Untersuchungsgebiets (Seite 19) erforderlich ist, ist diese Vorgehensweise nicht zu beanstanden. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine gegenteiligen Erkenntnisse.
233Der Vorhabenstandort selbst stellt außerhalb der Zeiten der Bodenbewirtschaftung kein intensiv und häufig genutztes Nahrungshabitat für Rotmilane dar. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung. Ein regelmäßig und intensiv beflogenes Nahrungshabitat sei mit Blick auf das Nahrungsverhalten des Rotmilans aus sich heraus eher selten, weil diese Art als Nahrungsopportunist überall dort anzutreffen sei, wo es gerade ein Nahrungsangebot gebe. Das könnten am ehesten kurzrasige, häufig auch Naturschutzflächen sein; Ackerland komme nicht in Betracht (Protokollabdruck Seiten 6 f.). In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 17. Dezember 2020 (dort Seite 4) hat Herr Dr. Z. ausgeführt, dass Rotmilane schnell auf kurzfristig zur Verfügung stehende Nahrungsangebote reagierten. Insbesondere in Zeiten der Arbeiten auf Acker- und Grünlandflächen ergäben sich kurzfristige „besondere Umstände“, die Indizien für eine signifikante Erhöhung des Kollisionsrisikos darstellten. Gleiches gelte für die Brutzeit sowie die Zeit der schlafplatzbezogenen An- und Abflüge. Regelmäßigkeiten und/oder eine intensive Nutzung des Untersuchungsgebiets (Vorhabenstandorts) durch einzelne Rotmilanindividuen abseits der genannten Ereignisse ließen sich aus den vorliegenden Daten aber nicht herleiten (dort Seiten 4 f.). Diese Einschätzung ist plausibel und stimmt auch mit den sonstigen dem Senat vorliegenden Erkenntnissen überein.
234Als Nahrungsgeneralist und Nahrungsopportunist passt sich der Rotmilan in seinem Nahrungsverhalten dem jeweiligen Nahrungsangebot an. Die Bindung an bestimmte regelmäßig genutzte Nahrungsflächen ist bei ihm wesentlich schwächer ausgeprägt als zum Beispiel bei fischfressenden Vogelarten. Außerdem kann die Raumnutzung vom einen zum anderen Jahr selbst beim gleichen Brutpaar durchaus unterschiedlich sein, zum Beispiel in Abhängigkeit von der angebauten Ackerkultur, dem Brutverlauf oder dem Auftreten von sogenannten Mäusejahren.
235Vgl. Tierökologische Abstandskriterien Brandenburg, S. 7.
236Der Aktionsraum des Rotmilans ist in Abhängigkeit von einem hinreichenden Beutetierangebot außerordentlich variabel und beträgt zwischen 2 km² und 90 km².
237Vgl. AAB-WEA Mecklenburg-Vorpommern, Teil Vögel, S. 35.
238Eine Abgrenzung von essenziellen Habitaten ist für den Rotmilan aufgrund seines großen Aktionsraumes und der Vielzahl der genutzten Offenland-Habitattypen in der Regel nicht erforderlich.
239Vgl. den Artensteckbrief „Rotmilan“ im Anhang „Maßnahmensteckbriefe Vögel NRW“ unter https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/web/babel/media/m_s_voegel_nrw.pdf, S. 1; sowie https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/voegel/kurzbeschreibung/103013.
240ee) Die vorstehenden Einschätzungen können getroffen werden, ohne dass es einer zusätzlichen Raumnutzungsanalyse hinsichtlich des Rotmilans am Vorhabenstandort bedarf. Von dieser sind keine Erkenntnisse zu erwarten, die eine Verschärfung der artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen erfordern könnten.
241Die Nebenbestimmungen Nr. 8.5.1 und 8.5.2 zu brutzeitbedingten und schlafplatzbedingten Abschaltungen entsprechen der Sache nach einem worst-case-Ansatz, bei dem zunächst eine intensive Nutzung des Vorhabenstandorts während der Brut- und Schlafplatzphase unterstellt wird und ausgehend von dieser Prämisse die zu diesen Zeiten zur Vermeidung des unterstellten signifikanten Tötungsrisikos gebotenen Schutzmaßnahmen angeordnet werden.
242Vgl. zum worst-case-Ansatz: BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 -, juris Rn. 51, m. w. N.
243Insofern stellt sich die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren anders dar als während des Eilverfahrens 8 B 1303/16.
244Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Mai 2017 ‑ 8 B 1303/16 -, juris Rn. 17 ff.
245c) Ferner verstößt das Vorhaben auch hinsichtlich der Fledermäuse nicht gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.
246Die insoweit unverändert geltende Genehmigung vom 9. März 2016 sieht nach ihren Nebenbestimmungen Nr. 8.2 und 8.3 vom 1. April bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres Abschaltalgorithmen mit anschließendem Gondelmonitoring vor. Dabei sind die Nebenbestimmungen insgesamt – insbesondere mit Blick auf die Bedingungen der Abschaltung (Temperaturen > 10° C und Windgeschwindigkeiten im (10-Minuten-)Mittel < 6 m/Sekunde) sowie den Mechanismus des Gondelmonitorings (zweijähriges Monitoring nach der Methodik von Brinkmann et al. 2011) – eng an den Leitfaden 2017 (dort Seiten 33, 36 f. und 59) sowie den vorhergehenden Leitfaden vom 12. November 2013 (dort Seiten 26, 29 f. und 47 f.) angelehnt.
247Dies ist naturschutzfachlich nicht zu beanstanden. Zur Frage, bei welchen Witterungsbedingungen, insbesondere bis zu welcher Windgeschwindigkeit Windenergieanlagen abzuschalten sind, um das Tötungsrisiko für Fledermäuse hinreichend zu verringern, fehlt eine allgemein anerkannte Fachmeinung. Der geregelte Abschaltalgorithmus (< 6 m/s) liegt im Spektrum der fachwissenschaftlich nach dem aktuellen Forschungsstand als vertretbar eingestuften Anschaltwindgeschwindigkeit (ganz überwiegend zwischen 6 m/s und 6,5 m/s) und stellt damit mangels besserer oder gegenteiliger Erkenntnisse für die Zeit bis zum Vorliegen der Ergebnisse des Gondelmonitorings, das die Beigeladene bislang noch nicht durchgeführt hat, hinreichend sicher, dass ein etwaiges Tötungsrisiko unterhalb der Signifikanzschwelle bleibt.
248Vgl. zu den empfohlenen Abschaltalgorithmen: Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Beachtung naturschutzfachlicher Belange bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten und bei der Genehmigung von Windenergieanlagen vom 1. Januar 2011, Anlage 3 (Handlungsempfehlung zum Umgang mit Fledermäusen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Brandenburg), Stand: 13. Dezember 2010, S. 5: < 5 m/s und ≥ 10°C; VwV „Naturschutz/Windenergie“ Hessen, Anlage 6, Tabelle 7: < 6 m/s und ab 10°C; artenschutzrechtliche Vorgaben Schleswig-Holstein, S. 16: < 6 m/s und > 10°C; Bayerisches Landesamt für Umwelt, Arbeitshilfe Fledermausschutz und Windkraft, Teil 1, Stand: März 2017, S. 15, und Teil 3, Stand: November 2016, S. 16: 6 m/s; Leitfaden Niedersachsen, Nr. 7.3: < 6 m/s und > 10°C (u. U. Abschaltung bei höheren Windgeschwindigkeiten für die beiden Abendsegler-Arten und die Rauhautfledermaus); Institut für Tierökologie und Naturbildung, Arbeitshilfe zur Berücksichtigung des Fledermausschutzes bei der Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) in Thüringen, Dezember 2015, S. 41: ≤ 6 m/s und ab 10°C; Naturschutzfachlicher Rahmen Rheinland-Pfalz, S. 136: < 6 m/s und ab 10°C; Leitfaden Artenschutz Sachsen-Anhalt, S. 24: < 6,5 m/s und ≥ 10°C; Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungshilfe für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen (AAB-WEA), Teil Fledermäuse, Stand: 1. August 2016, S. 19: < 6,5 m/s.
249Auch die RENEBAT III-Studie kommt – nach Auswertung eines Datensatzes von 24.942 beprobten Anlagen-Detektor-Nächten in fünf Jahren – zu dem Ergebnis, dass die „am häufigsten verwendeten Kriterien < 6m/s und > 10°C“ nicht zu beanstanden sind. Nach der Studie finden 6 % der Aktivitäten aller Artengruppen bei Windgeschwindigkeiten ≥ 6 m/s statt. Nur der in Brandenburg geltende niedrigere Grenzwert von < 5 m/s wird dahingehend bewertet, dass er nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht.
250Vgl. Bestimmung des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen in der Planungspraxis (RENEBAT III) – Endbericht Juni 2018 der Universität Erlangen-Nürnberg, S. 10, 368, 389, 401.
251Der Sachverständige Dr. Z. hat in der mündlichen Verhandlung den Ansatz der Leitfäden 2013 und 2017 anschaulich und plausibel erläutert. Seine Sachkunde ist – ebenso wie diejenige des Sachverständigen K. – nicht zweifelhaft. Er hat dabei hervorgehoben, dass der nach Nr. 8.2 der Genehmigung gewählte Abschaltalgorithmus auf der Auswertung umfangreichen Datenmaterials beruhe und bei 6 m/s im Mittel über alle Monate 85 bis 95 % der Fledermausaktivitäten in Gondelhöhe erfasst würden (Protokollabdruck Seite 8).
252Vor dem Hintergrund der dargestellten fachwissenschaftlichen Erkenntnisse, die grundsätzlich für sämtliche Fledermausarten gelten, ist die Anschaltwindgeschwindigkeit entgegen der Ansicht des Klägers nicht deswegen zwingend heraufzusetzen, weil die Arten Kleiner Abendsegler, Großer Abendsegler und Rauhautfledermaus auch bei Windgeschwindigkeiten von mehr als 6 m/Sekunde fliegen und am Vorhabenstandort vorkommen können. Im niedersächsischen Leitfaden, auf den sich der Kläger beruft, heißt es in Nr. 7.3, über die empfohlene Abschaltwindgeschwindigkeit (< 6 m/s) hinaus könnten aufgrund von naturräumlichen Gegebenheiten in Niedersachsen für die beiden Abendsegler-Arten und die Rauhautfledermaus unter Vorsorge- und Vermeidungsgesichtspunkten auch bei höheren Windgeschwindigkeiten Abschaltzeiten erforderlich sein. Auch der Sachverständige Dr. Z. hat eingeräumt, dass es Fledermäuse gebe, die bei höheren Windgeschwindigkeiten flögen, was typischerweise dann der Fall sei, wenn sie etwa an der Küste oder in Höhenlagen der Mittelgebirge ohnehin mit höheren Windgeschwindigkeiten konfrontiert seien (Protokollabdruck Seite 8). Daraus folgt jedoch nicht, dass eine Heraufsetzung der Windgeschwindigkeit für die Anschaltung einer Windenergieanlage rechtlich erforderlich ist, um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für diese Fledermausarten zu vermeiden, zumal diese Fledermausarten auch schon bei niedrigeren Windgeschwindigkeiten fliegen und währenddessen durch Abschaltungen von Windenergieanlagen geschützt werden. Dementsprechend wird in der RENEBAT III-Studie (Seite 401) für die Arten Großer Abendsegler, Kleiner Abendsegler und Rauhautfledermaus lediglich aus Vorsorgegrundsätzen in Gebieten, in denen lokale Vorkommen oder Zuggeschehen dieser Arten zu erwarten sind, eine höhere Anlaufwindgeschwindigkeit von 7 bzw. 7,5 m/s begrüßt.
253Ausgehend von diesem Erkenntnisstand war die vom Kläger beantragte Einholung eines – weiteren – Sachverständigengutachtens nicht veranlasst.
254d) Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, nach der zuletzt mit Abhilfebescheid vom 16. Februar 2018 durch Nebenbestimmung Nr. 8.10 eine zusätzliche Maßnahmenfläche für zwei Wachtelbrutpaare vorgesehen war, verstößt hinsichtlich dieser Art nicht gegen das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Danach ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert.
255Die Wachtel wird nach dem Leitfaden 2017 mit folgender Begründung nicht mehr als windenergieempfindlich eingestuft: Es gebe mehrere, teils widersprüchliche Studien zu einem möglichen Meideverhalten von Wachteln gegenüber Windenergieanlagen. Die Wachtel sei nicht im Helgoländer Papier aufgeführt gewesen und sei dies nach wie vor nicht. Auch bei Langgemach und Dürr 2017 fänden sich keine Informationen zur Wachtel. Die Kenntnislage sei daher als zu unsicher für eine Einstufung als windenergieempfindliche Art anzusehen (dort Seite 44).
256Der Sachverständige Dr. Z. hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass die aktuelle Einstufung der Wachtel als nicht windenergiesensibel auf der Auswertung der zu dieser Art verfügbaren Publikationen beruhe. Die Wachtel sei ein sogenannter Invasionsvogel. Dies bedeute, dass der jeweilige Bestand und dementsprechend auch das Meideverhalten sehr stark unterschiedlich seien. Damit hänge die unterschiedliche Bewertung ihres Verhaltens im Umfeld von Windenergieanlagen zusammen. Das LANUV NRW habe sich der durchgehenden Einstufung im Helgoländer Papier und der Vogelschutzwarte Brandenburg angeschlossen (Protokollabdruck Seite 9).
257Diese naturschutzfachliche Einschätzung ist plausibel und vom Kläger nicht substantiell in Frage gestellt worden.
258e) Ein Verstoß gegen das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG liegt auch nicht hinsichtlich des Raubwürgers und des Neuntöters vor.
259Auch diese Arten sind nach dem aktuellen fachwissenschaftlichen Erkenntnisstand, der dem Leitfaden 2017, Anhang 1 zugrunde liegt, nicht windenergiesensibel, d. h. sie sind nicht schlaggefährdet und entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht störungsempfindlich. Das hat der Sachverständige Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläutert und darauf hingewiesen, dass es keine Untersuchungen gebe, die die Windenergieempfindlichkeit dieser Arten belegten (Protokollabdruck Seite 9).
260Eine Windenergieempfindlichkeit von Raubwürger und Neuntöter lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers weder aus der von Garniel und Mierwald verfassten Publikation „Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr – Ausgabe 2010“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung noch aus dem Gutachten von Isselbächer und Isselbächer zu Vogelschutz und Windenergie in Rheinland-Pfalz von April 2001 herleiten.
261Ohne Erfolg will der Kläger aus der in der Publikation „Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr – Ausgabe 2010“ genannten Effektdistanz des Raubwürgers von 300 m und des Neuntöters von 200 m die Windenergieempfindlichkeit dieser Vogelarten ableiten, indem er darauf hinweist, dass der Leitfaden 2017 auch bezüglich anderer Arten einen Analogieschluss anhand dieser Publikation vornehme. Dem ist Herr Dr. Z. überzeugend entgegengetreten: Dieser Analogieschluss beziehe sich auf die Auswirkungen von Windenergieanlagen auf ohnehin windenergiesensible Vögel und erfolge nur dann, wenn in einem ersten Schritt durch einschlägige Untersuchungen die Windenergieempfindlichkeit der Art festgestellt worden sei. Dies gelte etwa für die Bekassine oder den Rotschenkel, nicht aber für Raubwürger und Neuntöter (Protokollabdruck Seite 5). Im Übrigen wurde im Anhang 1 des Leitfadens 2017 nur bei solchen Arten (Bekassine, Rohrdommel, Rotschenkel, Uferschnepfe, Ziegenmelker und Zwergdommel) ein „Analogieschluss Straßenlärm“ unter Bezugnahme auf die genannte Publikation von Garniel und Mierwald vorgenommen, für die diese Publikation jeweils einen kritischen Schallpegel sowie jeweils eine höhere Lärmempfindlichkeit (Gruppe 1 oder 3) als bei Raubwürger und Neuntöter (jeweils Gruppe 4) festschreibt (dort Seiten 97 ff.).
262Zu dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weiter angeführten Gutachten von Isselbächer und Isselbächer hat der Sachverständige Dr. Z. nachvollziehbar erläutert: Dort würden lediglich Möglichkeiten einer Störung des Raubwürgers beschrieben. In allen späteren Untersuchungen zu diesem Thema insbesondere im Helgoländer Papier und auch in den Stellungnahmen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten werde die Erkenntnislage dahin gewertet, dass eine Störempfindlichkeit des Raubwürgers in Bezug auf Windenergieanlagen nicht feststellbar sei. Auch die Vogelschutzwarte Brandenburg habe diese Arten nicht so eingeschätzt (Protokollabdruck Seiten 9 und 18).
263f) Dem Vorhaben steht ferner nicht das Beeinträchtigungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie entgegen, das auch für faktische, noch nicht ausgewiesene Vogelschutzgebiete gilt.
264Vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 ‑ C‑418/04 -, juris Rn. 84, m. w. N.
265Der Vorhabenstandort befindet sich nicht in einem faktischen Vogelschutzgebiet i. S. v. Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie, namentlich nicht im Europäischen Vogelschutzgebiet „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“, für dessen Meldung an die EU-Kommission derzeit das Anhörungsverfahren läuft.
266Dabei kann offen bleiben, ob es insoweit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides vom 9. März 2016, der nachfolgenden Änderungsbescheide oder der mündlichen Verhandlung des Senats ankommt. Der Senat geht davon aus, dass sich das Vorkommen von Grauspecht, Neuntöter und Raubwürger – den ausschlaggebenden Arten für das geplante Vogelschutzgebiet – in dem vom örtlichen Vogelschutzverein V. in den Jahren 2017 bis 2019 und 2020 untersuchten Bereich, das die Grundlage für die Ausweisung des genannten Europäischen Vogelschutzgebiets bildet, seit 2016 nicht in relevantem Umfang verändert hat. Damit können aus diesen Kartierungen Rückschlüsse auf das Vogelvorkommen auch im Jahre 2016 gezogen werden. Diese Annahme beruht auf der Aussage des Sachverständigen K. vom LANUV NRW in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (Protokollabdruck Seite 13), wonach kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass das in den Jahren 2017 bis 2019 kartierte Brutvogelvorkommen dort erst nach 2016 entstanden sein könnte. Herr K. hat dazu unter anderem erläutert, dass für Neuntöter und Raubwürger bezogen auf das Diemel- und Hoppecketal bereits 2005 und danach Hinweise auf ein mögliches Vogelschutzgebiet vorgelegen hätten.
267Der Kläger ist zwar mit seinem Vorbringen zum faktischen Vogelschutzgebiet nicht nach § 6 UmwRG ausgeschlossen (dazu aa)). Die Voraussetzungen für ein faktisches Vogelschutzgebiet sind aber am Vorhabenstandort nicht erfüllt (dazu bb)). Es liegt auch keine „Gebietsbeeinträchtigung von außen“ durch das Vorhaben für das faktische Vogelschutzgebiet vor (dazu cc)).
268aa) Der Kläger ist mit seinem Vortrag zur geplanten Meldung des Europäischen Vogelschutzgebietes nicht wegen Versäumung der Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG ausgeschlossen.
269Der gegenüber der Vorgängerregelung deutlich verschärfte § 6 UmwRG n. F. kann sich schon aus Gründen des prozessualen Vertrauensschutzes nicht auf Rechtsbehelfe erstrecken, die – wie hier – bei Inkrafttreten der Neufassung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes vom 29. Mai 2017 (BGBl. I Seite 1298) bereits erhoben waren.
270Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 ‑ 7 C 5.18 -, juris Rn. 28.
271Ungeachtet dessen wäre die Verspätung auch nach § 6 Satz 2 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO genügend entschuldigt, weil es sich bei der Einleitung des Meldeverfahrens für das Vogelschutzgebiet im Herbst 2020 offenkundig um einen erst nachträglich eingetretenen Umstand handelt.
272bb) Nach den von der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für ein faktisches Vogelschutzgebiet im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie entwickelten Maßstäben (dazu (1)) liegt das immissionsschutzrechtlich genehmigte Vorhaben der Beigeladenen nicht in einem solchen Gebiet (dazu (2)).
273(1) Gebiete, die nach den Kriterien der Vogelschutzrichtlinie förmlich unter Vogelschutz hätten gestellt werden müssen, aber nicht als Vogelschutzgebiet ausgewiesen worden sind, unterliegen dem vorläufigen Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen treffen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Dieses Schutzregime ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass bis zu einem Regimewechsel nach Art. 7 der Richtlinie 92/43/EWG das Spektrum der Gründe, die eine Einschränkung des Vogelschutzes zugunsten eines Infrastrukturvorhabens rechtfertigen können, sehr eingeschränkt ist. Nur überragende Gemeinwohlbelange wie etwa der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit sind geeignet, das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie zu überwinden.
274Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutzrichtlinie erklären die Mitgliedstaaten insbesondere die für die Erhaltung der im Anhang I aufgeführten Vogelarten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten, wobei die Erfordernisse des Schutzes dieser Arten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, zu berücksichtigen sind. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie ergänzt diese Bestimmung dahin, dass die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Schutzerfordernisse in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, die entsprechenden Maßnahmen für die nicht in Anhang I aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten hinsichtlich ihrer Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten treffen.
275Aus diesen Regelungen folgt jedoch nicht, dass sämtliche Landschaftsräume unter Schutz gestellt werden müssen, in denen die in Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie genannten Vogelarten vorkommen. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten die Gebiete auszuwählen, die im Verhältnis zu anderen Landschaftsteilen am besten die Gewähr für die Verwirklichung der Richtlinienziele bieten. Schutzmaßnahmen sind danach zu ergreifen, soweit sie erforderlich sind, um das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I aufgeführten Vogelarten und der in Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie angesprochenen Zugvogelarten sicherzustellen. Die Auswahlentscheidung hat sich ausschließlich an diesen ornithologischen Erhaltungszielen zu orientieren. Eine Abwägung mit anderen Belangen findet nicht statt. Unter Schutz zu stellen sind die Landschaftsräume, die sich nach ihrer Anzahl und Fläche am ehesten zur Arterhaltung eignen. Welche Gebiete hierzu zählen, legt das Unionsrecht nicht im Einzelnen fest. Jeder Mitgliedstaat muss das Seine zum Schutz der Lebensräume beitragen, die sich auf seinem Hoheitsgebiet befinden. Entscheidend ist allein die ornithologische Wertigkeit, die nach quantitativen und nach qualitativen Kriterien zu bestimmen ist. Zu den Bewertungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart unter anderem die Populationsdichte und Artendiversität eines Gebietes, sein Entwicklungspotenzial und seine Netzverknüpfung sowie die Entwicklungsperspektiven der bedrohten Art. Je bedrohter, seltener oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist. Nur Lebensräume und Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung beitragen, gehören zum Kreis der im Sinne des Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie geeignetsten Gebiete.
276Dabei ist das Verzeichnis der „Important Bird Areas“ (IBA) ein bedeutsames Erkenntnismittel für die Gebietsauswahl und ein gewichtiges Indiz bei der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutzrichtlinie gebotenen Eignungsbeurteilung, das als Orientierungshilfe dient.
277Die Identifizierung der für die Erhaltung der Vogelarten nach ornithologischen Kriterien „zahlen- und flächenmäßig“ geeignetsten Gebiete wird gerichtlich nur eingeschränkt überprüft, weil Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutzrichtlinie den Mitgliedstaaten insoweit einen fachlichen Beurteilungsspielraum eröffnet. Ob eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet aus sachfremden Erwägungen unterblieben ist, ist dagegen gerichtlich voll überprüfbar.
278Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa EuGH, Urteile vom 26. April 2018 - C‑97/17 -, juris Rn. 60 ff., vom 14. Januar 2016 - C‑141/14 -, juris Rn. 27 ff., vom 13. Dezember 2007 - C‑418/04 -, juris Rn. 36 ff., vom 19. Mai 1998 - C‑3/96 -, juris Rn. 55 ff., und vom 2. August 1993 - C‑355/90 -, juris Rn. 26; BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 ‑ 4 A 16.16 -, juris Rn. 19, vom 11. August 2016 ‑ 7 A 1.15 -, juris Rn. 88 f., vom 27. März 2014 ‑ 4 CN 3.13 -, juris Rn. 16 ff., vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, juris Rn. 51 ff., und vom 21. Juni 2006 - 9 A 28.05 -, juris Rn. 20 f., Beschlüsse vom 13. März 2008 - 9 VR 9.07 -, juris Rn. 14 f., und vom 24. Februar 2004 - 4 B 101.03 -, juris Rn. 13 f., jeweils m. w. N.
279Werden Regionen mit gleichwertigen Eigenschaften für die Erhaltung der Vogelarten nur teilweise als Vogelschutzgebiet ausgewiesen, muss die Gebietsabgrenzung unter Berücksichtigung der natürlichen Grenzen des betroffenen Ökosystems erfolgen und darf nicht das Ergebnis einer isolierten Prüfung des ornithologischen Wertes jeder einzelnen der in Rede stehenden Flächen sein.
280Vgl. EuGH, Urteile vom 26. April 2018 - C‑97/17 -, juris Rn. 62 (IBA-Gebiet im Gebirge), vom 14. Januar 2016 - C‑141/14 -, juris Rn. 30 (IBA-Gebiet in einer Küstenregion), und vom 13. Dezember 2007 - C-418/04 -, juris Leitsatz und Rn. 142 (Wattgebiet).
281Innerhalb der natürlichen Grenzen des betroffenen Ökosystems kann relevant sein, inwieweit die für die Gebietsausweisung ausschlaggebenden Vogelarten die Flächen in durchschnittlichem oder darüber hinausgehendem Umfang nutzen.
282Vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 ‑ C‑418/04 -, juris Rn. 137, 145 (Wattgebiet), und der Sache nach auch Urteil vom 23. März 2006 ‑ C‑209/04 -, juris Rn. 34 ff.
283An die Behauptung, es gebe ein faktisches Vogelschutzgebiet bzw. die Abgrenzung eines noch auszuweisenden Vogelschutzgebiets sei aus ornithologischer Sicht nicht vertretbar, sind angesichts des fortgeschrittenen Standes des Melde- und Gebietsausweisungsverfahrens besondere und gesteigerte Anforderungen zu stellen.
284Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 2008 ‑ 9 VR 9.07 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Beschluss vom 10. März 2010 - 12 ME 176/09 -, juris Leitsatz 2 und Rn. 20.
285(2) Nach diesen Maßgaben liegt der Vorhabenstandort nicht in einem faktischen Vogelschutzgebiet im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie. Es spricht zwar viel dafür, dass der im Verfahren zur Meldung des Europäischen Vogelschutzgebietes „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ vom LANUV NRW vorgelegte naturschutzfachliche Vorschlag für die Gebietskulisse ein solches faktisches Vogelschutzgebiet ausweist (dazu (a)). Dass der Vorhabenstandort nicht in den bisherigen Gebietsvorschlag einbezogen worden ist, erweist sich aber aus ornithologischer Sicht als vertretbar (dazu (b)).
286(a) Der vom LANUV NRW vorgelegte Vorschlag für die Abgrenzung des Vogelschutzgebietes „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ betrifft nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand – vorbehaltlich der im weiteren behördlichen Verfahren noch zu überprüfenden exakten Gebietsabgrenzung – ein faktisches Vogelschutzgebiet im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass das LANUV NRW hier als nach § 51 Abs. 1 und 3 LNatSchG NRW i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG zuständige Fachbehörde das Gebiet nach eigener naturschutzfachlicher Einschätzung zu den „zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete[n]“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie zählt. Auch die Bezirksregierung Arnsberg führt als höhere Naturschutzbehörde (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LNatSchG NRW) im Rahmen der Bekanntmachung der Auslegung des Entwurfs der Meldeunterlagen zur Meldung des Europäischen Vogelschutzgebiets in ihrem Amtsblatt vom 12. Dezember 2020 (dort Seite 556) ausdrücklich aus, dass es sich um ein faktisches Vogelschutzgebiet handele, das im ursprünglichen Meldeprozess vor 2004 nicht als Vogelschutzgebiet ausgewiesen worden sei, obwohl es aufgrund der Datenlage hätte ausgewiesen werden müssen, weil es ebenfalls zu den für den Vogelschutz „geeignetsten Gebieten“ gehöre.
287Der Vorhabenstandort liegt ausweislich des auf der Internetseite der Bezirksregierung Arnsberg zur Verfügung stehenden (dort insbesondere Karte „Ost“) sowie des von den Beteiligten in das Verfahren eingeführten Kartenmaterials außerhalb der vom LANUV NRW für das Vogelschutzgebiet vorgesehenen Gebietskulisse. Nach einer Messung mithilfe des Programms TIM-online besteht eine Entfernung zu den bisher vorgeschlagenen Grenzen des Vogelschutzgebiets in nordwestlicher Richtung (östlich N.-F) von circa 2.200 m und in südwestlicher Richtung (westlich N.-F.) von circa 2.150 m.
288(b) Dass der hier streitgegenständliche Vorhabenstandort nicht in den Gebietsvorschlag für das zu meldende Europäische Vogelschutzgebiet „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ einbezogen wurde und dementsprechend vom Beklagten nicht als faktisches Vogelschutzgebiet angesehen wird, ist nicht zu beanstanden.
289Weder die genannte Gebietskulisse des zu meldenden Europäischen Vogelschutzgebiets noch der Vorhabenstandort befinden sich – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – innerhalb eines IBA-Gebiets.
290Die in Nordrhein-Westfalen angewandten naturschutzfachlichen Kriterien für die Ausweisung von Europäischen Vogelschutzgebieten entstammen der Publikation „Kriterien zur Auswahl der FFH- und Vogelschutzgebiete für das europäische Schutzgebietssystem ‚NATURA 2000‘“ von Brocksieper und Woike (Mitarbeiter der damaligen Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten (LÖBF) NRW, einer Vorläuferinstitution des LANUV NRW), LÖBF-Mitteilungen 2/99, Seiten 1 ff. Diese Kriterien sind mit Blick auf die in der Rechtsprechung anerkannten ornithologischen Abgrenzungskriterien zur Identifizierung der geeignetsten Gebiete (wie z. B. Seltenheit, Empfindlichkeit, Gefährdung, Populationsdichte und Entwicklungsperspektiven einer Vogelart; Artendiversität, Entwicklungspotenzial und Netzverknüpfung eines Gebietes) rechtlich nicht zu beanstanden.
291Dass diese Kriterien zur Abgrenzung des Europäischen Vogelschutzgebiets„Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ angewandt worden sind, ergibt sich aus dem Dokument „Zusammenfassendes Kurzdokument“ des LANUV NRW, das auch zu den im Rahmen des Anhörungsverfahrens der Bezirksregierung Arnsberg zur Verfügung gestellten Unterlagen zählt, und im Übrigen aus den Angaben von Herrn K. vom LANUV NRW in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (Protokollabdruck Seite 10).
292Nach dem Zusammenfassenden Kurzdokument sieht das LANUV NRW die Kriterien für die Ausweisung eines Europäischen Vogelschutzgebietes auf den vorgeschlagenen Flächen für die Vogelarten Grauspecht, Neuntöter und Raubwürger aus folgenden Gründen als erfüllt an:
293Kriterien a) und d) nach Brocksieper & Woike: Brutplätze und Aktionsräume von mindestens drei Anhang I-Arten oder Arten nach Art. 4 (2) mit mindestens 1 % der deutschen Population
294Diese Kriterien werden für den Raubwürger (nach Art. 4.2) erfüllt (1 % des deutschen Bestandes).
295Kriterien c) und e) nach Brocksieper & Woike: eines der fünf wichtigsten Gebiete in NRW für Anhang I-Arten oder Arten nach Art. 4 (2)
296Diese Kriterien werden bei den folgenden Arten für den Brutvogelbestand erfüllt:
297• Grauspecht (8-10 % des Bestandes von NRW)
298• Neuntöter (4-7 % des Bestandes von NRW)
299• Raubwürger (32-53 % des Bestandes von NRW)
300Zusatzkriterien 1) und 3) nach Brocksieper & Woike: 1) Gebiet unterscheidet sich in Charakter, Habitat oder ornithologischem Wert von der Umgebung; 3) das Gebiet bietet eigenständig oder mit anderen Gebieten die nötigen Lebensgrundlagen für die zu schützenden Arten
301Diese Kriterien werden durch die reichhaltige Habitatausstattung des Gebietes erfüllt.
302Zusatzkriterium 2) nach Brocksieper & Woike: Das Gebiet ist ein bestehendes oder potenzielles Schutzgebiet oder eine Region, in der Maßnahmen für den Naturschutz möglich sind
303Dieses Kriterium wird erfüllt. Die Flächen sind in großen Teilen als FFH- oder/und Naturschutzgebiete ausgewiesen.
304Es ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass das LANUV NRW in Ausübung seines naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraums den nahe an der Landesgrenze zu Hessen und nordöstlich von N.-F. gelegenen Vorhabenstandort nicht zu den geeignetsten Gebieten für die Ausweisung eines Vogelschutzgebietes zählt.
305Ausweislich des ebenfalls zu den Anhörungsunterlagen zählenden Dokuments „Erhaltungsziele und -maßnahmen“ des LANUV NRW sind die Lebensräume der für die Ausweisung dieses Vogelschutzgebietes maßgeblichen Vogelarten Grauspecht, Neuntöter und Raubwürger sehr unterschiedlich. Der Grauspecht ist ein Waldbewohner in Laub- und Mischwäldern. Dagegen sind Raubwürger und Neuntöter in extensiv genutzten halboffenen (beim Neuntöter zusätzlich: gebüschreichen) Kulturlandschaften zu finden. Die Auswahl der Flächen und die Abgrenzung des Gebiets insbesondere auch bezogen auf den Vorhabenstandort haben Herr K. und Herr Dr. Z., die das Ausweisungsverfahren für das Vogelschutzgebiet beim LANUV NRW maßgeblich bearbeiten, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat näher erläutert. Nach den Angaben von Herrn K. war für die Auswahl der Flächen nicht nur das Vorkommen der nach der ersten Auswertung der Kartierung wichtigsten drei Vogelarten Grauspecht, Neuntöter und Raubwürger maßgebend, sondern auch, ob es in bestimmten Bereichen stabile Habitate gibt, die dauerhaft dem Schutz und der Bestandsentwicklung dieser Vögel dienen (Protokollabdruck Seite 10) und sich in Bereichen befinden, in denen sich Schutzmaßnahmen auch gut umsetzen lassen (so Herr Dr. Z., Protokollabdruck Seite 12). Grundlage für die Abgrenzung der Flächen war nach den Angaben von Herrn Dr. Z. das Brutvorkommen der Vogelarten (Protokollabdruck Seite 14). Aufgrund der besseren Habitateignung der vorgeschlagenen Flächen spricht nach seiner Einschätzung sehr viel dafür, dass es dort stabile Brutvorkommen des Raubwürgers gibt (Protokollabdruck Seite 17). Auf den Flächen nördlich von F. in der Nähe des Anlagenstandorts ist das Brutvorkommen des Raubwürgers laut Aussage von Herrn K. dagegen instabil und hat es dort in den Jahren 2017 bis 2019 nach Auswertung sämtlichen bislang vorliegenden Datenmaterials nicht jährlich eine Brut gegeben (Protokollabdruck Seite 12). Herr Dr. Z. hat dies für den Bereich des Vorhabenstandorts ausdrücklich bestätigt und erklärt, er habe eine entsprechende telefonische Auskunft der Vogelkartierer erhalten (Protokollabdruck Seite 16 f.), bei denen es sich nach Einschätzung des Sachverständigen K. um „erstklassige Ornithologen“ handelt (Protokollabdruck Seite 10). Der Hinweis des Prozessbevollmächtigten zu 2. des Klägers, die Erwähnung von Raubwürger und Neuntöter im Text zu der schon im Jahre 2002 erfassten Biotopverbundfläche „Grünlandgeprägte Biotopinseln und Kleinbiotope auf der O. Hochfläche (mit Randzone)“ (VB-A-4519-008) indiziere ein stabiles Brutvorkommen, steht der Bewertung der Umgebung des Vorhabenstandorts als instabiles Brutvorkommen des Raubwürgers aufgrund der Daten aus den Vogelkartierungen in den Jahren 2017 bis 2019 nicht entgegen. Dieser Text bezieht sich zum einen auf die NO.Hochfläche und nicht gesondert auf den Bereich nördlich von F. oder den Vorhabenstandort und besagt zum anderen nichts dazu, in welcher Regelmäßigkeit Raubwürger dort anzutreffen sind. Herr Dr. Z. hat weiter erklärt, sich die Vorhabenfläche vor Ort selbst angesehen zu haben, und erläutert, dass für die vom Raubwürger benötigte Habitatqualität vor allem Heckenlandschaften und Heckenbereiche entscheidend sind (Protokollabdruck Seite 13), nicht aber Ackerflächen, die im Gegensatz zu mesophilen Grünlandflächen für Raubwürger und Neuntöter eine geringe Bedeutung besitzen (Protokollabdruck Seite 11). Die Nichteinbeziehung von Flächen, die aus ornithologischer Sicht für die zu schützenden Vogelarten nur eingeschränkt geeignet sind, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
306Vgl. zum rechtmäßigen Ausschluss von Flächen mit einer nennenswerten Gänsepopulation aus einem Vogelschutzgebiet mit der Begründung, die Fläche besitze für den Rastbestand der Gänse keine herausragende Bedeutung und sei für diese Vögel als Ackerland mit wechselnden Nutzungen nur eingeschränkt geeignet, BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, juris Rn. 125.
307Ackerflächen wie am Vorhabenstandort sind nach der Gebietsabgrenzung des LANUV NRW grundsätzlich nicht in die Kulisse einbezogen worden, es sei denn, eine Ackerfläche befindet sich zwischen dem Wald und einer für die geschützten Arten interessanten Grünlandfläche (Protokollabdruck Seite 17). Ausgehend davon ist die Aussage von Herrn K. in der mündlichen Verhandlung plausibel, dass (nur) die Ausweisung von weiteren, insbesondere an Waldflächen angrenzenden Offenlandflächen im weiteren Verfahren geprüft werde. Angesichts der genannten Entfernung des Vorhabenstandorts zu den Grenzen der derzeit vorgeschlagenen Gebietskulisse von circa 2.150 m bzw. 2.200 m liegt eine solche, auch den Vorhabenstandort, eine Ackerfläche, umfassende Arrondierung hier aber fern. Unter dem Gesichtspunkt der Habitatqualität bzw. des Entwicklungspotenzials für den Vogelschutz fällt für den Vorhabenstandort zudem negativ ins Gewicht, dass er am alleräußerten Rand des ornithologisch untersuchten Gebiets liegt und nur gut 300 m von der nächstgelegenen Bestandsanlage entfernt ist, die zu dem in südöstlicher Richtung auf hessischer Seite entlang der Grenze zu Nordrhein-Westfalen verlaufenden Windpark „E.-O./Bad B.-L.“ mit über 20 Windenergieanlagen gehört.
308Der Umstand, dass der Vorhabenstandort Teil einer schon im Jahre 2002 erfassten Biotopverbundfläche „Grünlandgeprägte Biotopinseln und Kleinbiotope auf der O. Hochfläche (mit Randzone)“ (VB-A-4519-008) ist, gebietet nicht seine Einbeziehung in das geplante Vogelschutzgebiet. Bei dem Standort handelt es sich nicht um Grünland, sondern um fruchtbares Ackerland, das auch nicht zu den zum Biotopverbund gehörenden Kalkäckern oder sonstigen Magerflächen zählt. Mit Blick auf die wertgebenden Elemente der genannten Biotopverbundfläche hat Herr Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ferner ausgeführt, dass es sich dabei um eine Fläche handele, die die Bewertung „besondere Bedeutung“ und nicht – wie die auf dem vom Prozessbevollmächtigten zu 2. des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Kartenauszug dunkler bzw. fetter schraffierten Flächen – die Bewertung „herausragende Bedeutung“ erhalten habe. Bei der Abgrenzung des Vogelschutzgebietes habe man sich an den Kernflächen orientiert, zu denen mit Blick auf die Biotopverbundflächen nur diejenigen von herausragender Bedeutung zählten. Solche Flächen seien für eine Berücksichtigung in der Regionalplanung dargestellt und sollten als Bereiche für den Schutz der Natur vorgesehen werden (Protokollabdruck Seite 18). Diese Vorgehensweise des LANUV NRW bei der Gebietsabgrenzung geht auf das im Zusammenfassenden Kurzdokument des LANUV NRW genannte Zusatzkriterium 1) nach Brocksieper und Woike zurück, wonach sich ein Gebiet in seinem Charakter, als Habitat oder in seinem ornithologischem Wert von der Umgebung unterscheidet, und ist nicht zu beanstanden.
309Selbst wenn man entgegen der überzeugenden Einschätzung der Sachverständigen Dr. Z. und K. zur Instabilität des Brutvorkommens davon ausginge, dass der Standort und dessen nähere Umgebung von Raubwürger und Neuntöter im Vergleich zu den Flächen des Vorschlagsgebietes des LANUV NRW in mindestens durchschnittlichem Umfang zur Reproduktion genutzt würden, führte dies nach den oben dargestellten Maßstäben der Rechtsprechung nicht zur Annahme eines faktischen Vogelschutzgebietes. Denn ausgehend von den oben genannten sehr unterschiedlichen Habitatansprüchen der drei wertgebenden Vogelarten Grauspecht, Neuntöter und Raubwürger hat das LANUV NRW für das Vogelschutzgebiet keinen einheitlichen Naturraum mit gleichwertigen Eigenschaften für die Erhaltung der Vogelarten vorgeschlagen und existiert dort auch über diese Gebietsabgrenzung hinaus kein sich von der übrigen Umgebung unterscheidendes, annähernd homogenes Ökosystem (wie z. B. Watt, Mündungsdelta). Für derart verschiedene Naturräume sehr unterschiedlicher Größe ohne natürliche Grenzen zu benachbarten andersartigen Naturräumen bieten sich im Übrigen keine geeigneten Flächen für einen Vergleich innerhalb und außerhalb des Gebietsvorschlags an.
310Die Winterreviere des Raubwürgers in der Feldflur nördlich von F. führen nicht zur Annahme eines faktischen Vogelschutzgebietes in diesem Bereich, auch wenn es sich nach der Einschätzung von Herrn K. vom LANUV NRW um ein deutschland- und NRW-weit bedeutendes Überwinterungsquartier handelt (Protokollabdruck Seite 11). Im Zusammenfassenden Kurzdokument heißt es dazu:
311Kriterien b) und d) nach Brocksieper & Woike: Rast- und Überwinterungsräume mindestens einer Anhang I-Art oder Art nach Art. 4 (2) mit mindestens 1 % des Flyway- bzw. deutschen Bestands
312Diese Kriterien werden möglicherweise erfüllt. Das Gebiet weist mit 20 (‑25) Individuen einen bedeutenden Winterbestand des Raubwürgers auf; es liegen jedoch keine Daten zum bundesdeutschen Winterbestand des Raubwürgers vor.
313Ergänzend dazu hat Herr Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar erläutert, dass die Winterreviere des Raubwürgers deswegen nicht relevant für die Gebietsabgrenzung seien, weil solche Reviere in diesem Bereich nicht standardisiert erfasst seien und mangels bundesweiter Daten Kriterien wie von Brocksieper und Woike für die Abgrenzung fehlten (Protokollabdruck Seite 14). Solche Vergleichsdaten hat auch der Kläger nicht benannt.
314Der Rotmilan und seine Raumnutzung im näheren Umfeld des Vorhabenstandorts führen schon deshalb nicht zur Annahme eines faktischen Vogelschutzgebietes, weil er nicht zu den drei Vogelarten gehört, die für die Ausweisung des Vogelschutzgebietes nach den anerkannten Kriterien von Brocksieper und Woike ausschlaggebend waren. Nach diesen Kriterien gilt ausdrücklich, dass es in dem Gebiet auf einen Verbreitungsschwerpunkt der jeweiligen Art in Nordrhein-Westfalen ankommt und für annähernd gleichmäßig in bestimmten Regionen vorkommende Arten keine Schutzgebiete gemeldet werden.
315Vgl. Brocksieper und Woike, LÖBF-Mitteilungen 2/99, S. 9 f.
316Herr Dr. Z. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat diese Praxis des LANUV NRW für den Rotmilan ausdrücklich bestätigt und ausgeführt, dass dieser sich wegen seiner großflächigen Verbreitung im gesamten ostwestfälischen Bereich (Hochsauerlandkreis, Siegerland, Höxter, Paderborn, Lippe) nicht zur Gebietsabgrenzung eigne (Protokollabdruck Seite 14). Dies ist mit Blick auf die in der Rechtsprechung anerkannten ornithologischen Abgrenzungskriterien zur Identifizierung der geeignetsten Gebiete nicht zu beanstanden und vom insoweit bestehenden fachlichen Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten gedeckt. Daran ändert sich nichts dadurch, dass das LANUV NRW nach den Angaben von Herrn K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dieses im Jahr 1999 von Brocksieper und Woike formulierte Kriterium für den Grauspecht modifiziert hat. Herr K. hat zur Begründung angegeben, es handele sich zwar um eine weit verbreitete Art; deren Bestände seien aber massiv zurückgegangen, so dass ausnahmsweise auch der Grauspecht als wertgebende Art eines Vogelschutzgebietes angesehen werde. Vergleichbares ist für den Rotmilan in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht erkennbar.
317Auch nach der Rechtsprechung des Gerichthofs der Europäischen Union kommt es für die Abgrenzung eines (faktischen) Vogelschutzgebietes ausschließlich auf die dafür ausschlaggebenden ornithologischen Kriterien – einschließlich der wertbestimmenden Vogelarten, derentwegen das Gebiet als Gebiet von ornithologischer Bedeutung eingestuft wird – an.
318Vgl. EuGH, Urteile vom 13. Dezember 2007 ‑ C‑418/04 -, juris Rn. 145, und vom 13. Juli 2006 - C‑191/05 -, juris Rn. 12, 16.
319Dies umfasst nicht alle Vogelarten, die im Rahmen eines Ausweisungsverfahrens im sogenannten Standard-Datenbogen als schützenswert angeführt werden.
320Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 -, juris Rn. 29, und Beschluss vom 17. Juli 2008 - 9 B 15.08 -, juris Rn. 12.
321Hätte das Vorkommen des Rotmilans, für den der ostwestfälische Raum (Hochsauerlandkreis, Siegerland, Höxter, Paderborn, Lippe) nach den Angaben des Sachverständigen Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in seiner Gesamtheit ein Schwerpunktvorkommen darstellt, eine solche übergreifende Verbindungswirkung für andere, nach den oben genannten Kriterien schützenswerte Vorkommen, wäre eine ornithologisch begründete Gebietsabgrenzung nicht mehr möglich.
322Vor diesem Hintergrund ist kein Grund dafür ersichtlich, warum der Senat diesbezüglich entsprechend der Anregung des Klägers eine Vorlagefrage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV richten sollte.
323cc) Es liegt auch keine „Gebietsbeeinträchtigung von außen“ durch das Vorhaben für das faktische Vogelschutzgebiet im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie vor. Die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Beeinträchtigung (dazu (1)) sind hier nicht gegeben (dazu (2)).
324(1) Projekte, die außerhalb eines Schutzgebietes realisiert werden sollen, können gemessen an den gebietsbezogenen Erhaltungszielen und Schutzzwecken ein solches Gebiet etwa durch Immissionen erheblich beeinträchtigen, wenn sie auf den geschützten Raum selbst einwirken und sich auf den Lebensraum in den Schutzgebieten – das „Gebiet als solches“ – auswirken.
325Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, juris Rn. 36, m. w. N.
326Dies gilt auch für faktische Vogelschutzgebiete.
327Bei einem faktischen (noch nicht erklärten) Vogelschutzgebiet ist zwischen erheblichen und unerheblichen Beeinträchtigungen gemäß Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie nach den Zielsetzungen dieses Artikels, das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Vogelarten in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen, abzugrenzen. Mangels konkretisierender Festlegungen gebietsspezifischer Erhaltungsziele ist ergänzend auf die allgemeinen Zielsetzungen in Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie zurückzugreifen, nach denen diese Richtlinie dem Zweck dient, durch die Einrichtung von Schutzgebieten eine ausreichende Artenvielfalt und eine ausreichende Flächengröße ihrer Lebensräume zu erhalten und wiederherzustellen. Das Gewicht von Beeinträchtigungen und Störungen beurteilt sich jeweils nach Art und Ausmaß der negativen Auswirkungen auf diese Zielsetzungen.
328Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 -, juris Rn. 67, und vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 -, juris Rn. 41 f.
329Im Regelfall beeinträchtigen Windenergieanlagen, die außerhalb eines Europäischen Vogelschutzgebiets errichtet werden sollen, Gebietsbestandteile, die für dessen Erhaltungsziele und Schutzzweck maßgebend sind, allerdings nicht mittels der von ihnen ausgehenden Emissionen erheblich. Durch die Errichtung der Windenergieanlagen kann aber ein Funktionsverlust des Schutzgebiets zu besorgen sein, etwa wenn sie die Gefahr einer möglichen Verriegelung des Gebiets mit sich bringen oder wenn sie eine Barrierewirkung dergestalt entfalten, dass die Vögel daran gehindert werden, das Schutzgebiet zu erreichen oder zwischen Nahrungs- und Rastplätzen, die sich jeweils in einem Schutzgebiet befinden, zu wechseln.
330Vgl. OVG NRW, Urteile vom 3. August 2010 - 8 A 4062/04 -, juris Rn. 117 ff. (zu § 34 Abs. 2 BNatSchG), und vom 30. Juli 2009 - 8 A 2357/08 -, juris Rn. 118 ff. (zu § 48d des damaligen Landschaftsgesetzes NRW), jeweils m. w. N.
331Zur Beurteilung dieser Frage bieten die – wenngleich auf die Planungsebene ausgerichteten und das Gericht nicht bindenden – Empfehlungen in Windkrafterlassen und anderen auf fachkundigen Stellungnahmen beruhenden Verwaltungsanweisungen zu Schutzabständen eine Orientierungshilfe.
332Vgl. OVG NRW, Urteile vom 3. August 2010 - 8 A 4062/04 -, juris Rn. 170, und vom 30. Juli 2009 ‑ 8 A 2357/08 -, juris Rn. 135.
333(2) Dies zugrunde gelegt, kommt es durch die streitgegenständliche Windenergieanlage nicht zu einer „Gebietsbeeinträchtigung von außen“ im beschriebenen Sinne. Die Anlage liegt so weit vom faktischen Vogelschutzgebiet entfernt, dass sie sich auch nach den Abstandsempfehlungen fachkundiger Stellen weder durch ihren Baukörper als solchen noch durch ihren Betrieb auf die gebietsbezogenen Erhaltungsziele und Schutzzwecke auswirkt.
334Nach Nr. 8.2.2.2 des Gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie - VI.A-3 – 77-30 Windenergieerlass -, des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz - VII.2-2 – 2017/01 – Windenergieerlass - und des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen - 611 – 901.3/202 - vom 8. Mai 2018 (Erlass für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung - Windenergie-Erlass) ist bei Europäischen Vogelschutzgebieten aus Vorsorgegründen in der Regel eine Pufferzone von 300 m naturschutzfachlich begründet. Eine entsprechende Empfehlung findet sich im Leitfaden 2017 (Seite 28).
335Einen deutlich größeren Abstand (10‑fache Anlagenhöhe, mindestens jedoch 1.200 m) fordern die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten in ihren Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten, Stand: April 2015, Tabelle 1, sowie der bayerische Windenergie-Erlass – BayWEE in Nr. 8.2.1; ähnlich die „Hinweise zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie zur Durchführung der Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung bei Standortplanung und Zulassung von Windenergieanlagen (Stand: Oktober 2011)“ des Niedersächsischen Landkreistages (Nr. 4.1): 1.200 m. Auch diese Abstände sind hier für die 149,50 m hohe Anlage bei Weitem eingehalten und zwar auch dann, wenn man von einer Einbeziehung weiterer Offenlandflächen im Wege der Arrondierung (namentlich in Waldrandnähe) ausginge. Es gibt keine erkennbaren Anhaltspunkte dafür, dass noch größere Abstände zu einem faktischen Vogelschutzgebiet naturschutzfachlich geboten sein könnten.
336Dass die Windenergieanlage gleichwohl geeignet sein könnte, das auszuweisende Europäische Vogelschutzgebiet – gerade im Hinblick auf die in dem Dokument „Erhaltungsziele und ‑maßnahmen“ sowie in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführte Art Rotmilan – zu beeinträchtigen, ist nicht ersichtlich. Dies gilt zum einen mit Blick auf die umfangreichen Abschaltregelungen der Anlage. Zum anderen geht von ihr auch keine Barrierewirkung in dem Sinne aus, dass die zu schützenden Vögel von dem Vogelschutzgebiet geradezu abgeschnitten und so von der Benutzung des Gebietes ausgeschlossen sein könnten, weil sie es nicht erreichen könnten. Eine etwaige Barrierewirkung des Windparks „E.-O./Bad B.‑L.“ mit über 20 Windenergieanlagen würde durch die streitgegenständliche einzelne Windenergieanlage nicht erheblich verstärkt.
337g) Das Vorhaben widerspricht auch nicht den Darstellungen des maßgeblichen Landschaftsplans „N.“ von Mai 2008 (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB), wonach am Vorhabenstandort ein Bauverbot gilt.
338Es kann dahinstehen, ob die Festsetzung eines Landschaftsschutzgebiets im Bereich der im Flächennutzungsplan der Stadt N. in der Fassung der 60. Änderung dargestellten Windvorrangzone mit dessen Inkrafttreten im Januar 2017 gemäß § 20 Abs. 4 Satz 4 LNatSchG NRW außer Kraft getreten ist, was ggf. als nachträgliche Rechtsänderung zugunsten des Beigeladenen zu berücksichtigen ist, oder ob dieser Flächennutzungsplan, wie der Kläger geltend macht, an Mängeln leidet, die zu seiner Unwirksamkeit führen.
339Der Beklagte hat die bei Erlass des Genehmigungsbescheids am 9. März 2016 jedenfalls noch erforderliche Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG mit diesem Bescheid bereits erteilt. Dem steht nicht entgegen, dass diese Entscheidung unter Ziffer I. 4. (Eingeschlossene Genehmigungen) nicht erwähnt ist. Abgesehen davon, dass die Konzentrationswirkung gemäß § 13 BImSchG grundsätzlich unabhängig davon eintritt, ob sich die Behörde der Reichweite der Konzentrationswirkung hinreichend bewusst war,
340vgl. Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Februar 2020, § 13 BImSchG Rn. 36,
341hat der Beklagte auf Seite 34 des Bescheids Ausführungen zu § 67 BNatSchG gemacht und die Gründe für die Erteilung der Befreiung dargelegt. Soweit es dort heißt, die untere Landschaftsbehörde habe die Befreiung erteilt, folgt daraus nicht, dass der Beklagte sich bei seiner (Ermessens‑)Entscheidung an die Entscheidung einer anderen Behörde gebunden gefühlt hätte. Denn untere Landschaftsbehörde ist ebenfalls der hier beklagte Kreis. Darüber hinaus hat der Beklagte mit dem weiteren Änderungsbescheid vom 26. Februar 2021 vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der 60. Änderung des Flächennutzungsplans ausdrücklich klargestellt, dass die Befreiung vom Bauverbot im Landschaftsschutzgebiet erteilt wird, und diese Entscheidung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG ausführlich begründet. Die Befreiung ist rechtmäßig.
342Die Erteilung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG setzt voraus, dass diese aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Durch Gründe des Wohls der Allgemeinheit gedeckt sind alle Maßnahmen, an denen ein öffentliches Interesse besteht. Liegt ein solches vor, ist zu prüfen, ob es die Befreiung erfordert. Eine Befreiung ist nicht erst dann erforderlich, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf keine andere Weise als durch die Befreiung entsprochen werden könnte, sondern schon dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses vernünftigerweise geboten ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Es genügt nicht, wenn die Befreiung dem allgemeinen Wohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist.
343Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. September 2017 ‑ 8 A 1125/14 -, juris Rn. 107 f., sowie Beschlüsse vom 20. November 2017 - 8 A 2389/14 -, juris Rn. 5 f., vom 8. November 2017 - 8 A 2454/14 -, juris Rn. 6 f., und vom 27. Oktober 2017 - 8 A 2351/14 -, juris Rn. 28 f., jeweils m. w. N.
344Ausgehend von diesen allgemeinen Grundsätzen ist der Widerspruch zu den Darstellungen des Landschaftsplans „N.“, (dazu aa)) im vorliegenden Einzelfall durch die erteilte Befreiung behoben (dazu bb)).
345aa) Der Anlagenstandort liegt innerhalb des Landschaftsschutzgebiets (LSG) „D. und X.“ (Typ C), das in Nr. 2.3.3.11 des Landschaftsplans „N.“ festgesetzt wurde. Innerhalb des Landschaftsschutzgebiets ist die Errichtung einer baulichen Anlage oder ihre Änderung in einer das Landschaftsbild beeinträchtigenden Weise, wovon auch Windenergieanlagen erfasst werden, nach Maßgabe des § 26 BNatSchG grundsätzlich verboten (vgl. Nr. 2.3 Buchst. a des Landschaftsplans).
346bb) Für das dem generellen Bauverbot des Landschaftsplans widersprechende Vorhaben des Klägers, das von den im Landschaftsplan vorgesehenen Ausnahmeregelungen nicht erfasst wird, konnte eine rechtmäßige Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt werden. Ausgehend von dem Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes (dazu (1)) besteht die allgemeine Möglichkeit einer Befreiung (dazu (2)) und überwiegt das öffentliche Interesse an der Windenergienutzung den Landschaftsschutz im vorliegenden Einzelfall (dazu (3)). Ermessensfehler bestehen nicht (dazu (4)).
347(1) Für das Landschaftsschutzgebiet „D. und Q.“ ist der Schutzzweck unter Nr. 2.3.3 des Landschaftsplans durch allgemein für den Typ C geltende Festsetzungen wie folgt bestimmt: „Erhaltung, Ergänzung und Optimierung eines Grünlandbiotop-Verbundsystems in den Talauen und den Magergrünland-Gesellschaften, das durch etliche in diesem Plan festgesetzte NSG vorgezeichnet ist, Tieren und Pflanzen Wanderungs- und Ausbreitungsmöglichkeiten schafft und damit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts dient; Sicherung der gliedernden und belebenden Wirkung der offenen Talauen im Landschaftsbild des waldreichen Plangebiets-Teiles; Erhaltung der Nutzungsfähigkeit der Naturgüter durch den Schutz fruchtbarer Talböden vor Erosion; Schutz von Feucht- und Magergrünlandstandorten, die zumindest eine potenzielle Bedeutung für den Biotop- und Artenschutz haben, aber aktuell nicht als NSG festzusetzen waren; Umsetzung der Entwicklungsziele 1.1 [Erhaltung einer mit naturnahen Lebensräumen oder sonstigen natürlichen Landschaftselementen reich oder vielfältig ausgestatteten Landschaft], 1.4. [Sicherung und Entwicklung besonders schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft] und tlw. 1.5 [Pflege und Entwicklung der Ortsränder] zur Erhaltung und Verbesserung des landschaftsökologischen und ‑ästhetischen Wertes der einbezogenen Freiflächen; entsprechend dem Schutzzweck unter 2.3.1 auch Ergänzung von strenger geschützten Teilen dieses Naturraums durch den Schutz ihrer Umgebung vor Eingriffen, die den herausragenden Wert dieser Naturschutzgebiete und Schutzobjekte mindern könnten (Pufferzonenfunktion).“
348(2) Die Erteilung der Befreiung scheidet hier nicht von vornherein deshalb aus, weil der Landschaftsplan (Nr. 2.3 Buchst. a) eine Ausnahme insbesondere nur für solche Vorhaben vorsieht, die § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB in der bei Erlass des Landschaftsplans geltenden Fassung unterfielen. Die Voraussetzungen für Ausnahmen, die im Landschaftsplan selbst vorgesehen sind, und einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG sind verschieden. Wäre bei allen Fallgestaltungen, die im Landschaftsplan nicht ausdrücklich als Ausnahme genannt sind, ein atypischer Fall als ungeschriebene Voraussetzung für eine Befreiung ausgeschlossen, bliebe für den Befreiungstatbestand kein Anwendungsfall mehr. Dies ist gesetzlich nicht gewollt.
349Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2017 - 8 A 2389/14 -, juris Rn. 13 ff., m. w. N.
350(3) Der Beklagte hat ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass am konkreten Standort ein überwiegendes öffentliches Interesse zugunsten der Windkraft im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG anzunehmen ist.
351Eine Befreiung setzt eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall voraus, bei der zu prüfen ist, ob die Gründe des Allgemeinwohls so gewichtig sind, dass sie sich gegenüber den Belangen des Landschaftsschutzes durchsetzen. Das allgemeine Interesse am Ausbau regenerativer Energien stellt ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG dar, begründet jedoch keinen allgemeinen Vorrang vor dem Landschaftsschutz. Insbesondere ist es nicht geeignet, Landschaftsschutzgebietsfestsetzungen bzw. -verordnungen und die mit ihnen verfolgten Ziele im Wege der Befreiung generell zu Gunsten von energiepolitischen Zwecken zu relativieren. Umgekehrt ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Windenergie in besonders gelagerten Einzelfällen gegenüber den Belangen des Landschaftsschutzes durchsetzt, wenn die Landschaft am vorgesehenen Standort weniger schutzwürdig, die Beeinträchtigung geringfügig ist und das durch die Landschaftsschutzfestsetzung unter besonderen Schutz gestellte Ziel der dauerhaften Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit wie des Erholungswerts der Landschaft nicht beeinträchtigt wird.
352Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. November 2017 - 8 A 2389/14 -, juris Rn. 17 f., vom 8. November 2017 - 8 A 2454/14 -, juris Rn. 14 f., und vom 27. Oktober 2017 - 8 A 2351/14 -, juris Rn. 28 f., jeweils m. w. N.
353Das kommt insbesondere in Betracht, wenn der Landschaftsplan – wie hier – weite Teile des Außenbereichs einer Gemeinde unter Schutz stellt.
354Dies zugrunde gelegt, überwiegt am geplanten Anlagenstandort das öffentliche Interesse an der Windenergienutzung die Belange des Landschaftsschutzes. Wegen der deutlichen anthropogenen Überformung des näheren, am äußersten Rand des Gemeinde- und des Landschaftsschutzgebiets gelegenen Umfelds ist das Landschaftsbild an dieser Stelle nicht verstärkt schutzbedürftig, außerdem steht die konkrete Flächenbeschaffenheit mit Blick auf die Ziele der Unterschutzstellung der Befreiung nicht entgegen. Der Vorhabenstandort und seine nähere Umgebung sind durch den großen Bestandswindpark mit (bislang) über 20 Windenergieanlagen auf hessischer Seite vorbelastet, dessen nächstgelegene Anlage etwa 300 m von der streitbefangenen Anlage entfernt steht. In circa 670 m bis 730 m Entfernung (Messung bei TIM-online) zur Anlage verlaufen zudem zwei Hochspannungsleitungen. Der Vorhabenstandort selbst liegt auf einer Ackerfläche, die nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch nicht zu den wertigen Kalkäckern geschweige denn zu den ausdrücklich geschützten Feucht- und Magergrünlandstandorten zählt. Die im Landschaftsplan geschützten offenen Talauen befinden sich an anderen Stellen. Auch die Umgebung wird weitgehend landwirtschaftlich genutzt. Bodenerosionen sind durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage nicht zu befürchten. Der Vorhabenstandort ist auch nach dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Kartenmaterial nicht Teil der im Landschaftsplan geschützten Grünlandflächen, so dass die Entwicklung der Grünlandstrukturen durch das Vorhaben daher allenfalls geringfügig beeinträchtigt wird, zumal die Anlage und ihre Erschließungsflächen in quantitativer Hinsicht nur einen äußerst geringen Teil des Schutzgebietes „D. und Q.“ mit einer Gesamtgröße von circa 91 ha in Anspruch nehmen. Bei einer Gesamtwürdigung dieser einzelfallbezogenen Aspekte besteht durch die Zulassung dieses Vorhabens auch nicht die vom Kläger befürchtete (Protokollabdruck Seite 24) negative Vorbildwirkung.
355(4) Ermessensfehler nach § 40 VwVfG NRW, § 114 Satz 1 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
356Die zur Entscheidung berufene Behörde „kann“ nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG eine Befreiung erteilen. Ihr steht ein Befreiungsermessen zu. Sie ist daher grundsätzlich berechtigt, unter Wahrung der gesetzlichen Ermessensgrenzen eine beantragte Befreiung aus Gründen der Zweckmäßigkeit zu versagen. Da die für die Ermessensausübung entscheidungsrelevanten Aspekte in der Regel bereits im Rahmen der Prüfung der tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen zu berücksichtigen sind, verbleiben auf der nachgelagerten Ebene der Ermessenausübung allerdings nur noch „Ermessensreste“.
357Vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Aug. 2020, § 67 BNatSchG Rn. 24; Teßmer, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 57. Edition, Stand: 1. Januar 2021, § 67 BNatSchG Rn. 18; Sauthoff, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 67 Rn. 30.
358Dies zugrunde gelegt, sind hier keine über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen hinausgehenden (und damit nicht bereits berücksichtigten) ermessensrelevanten Gesichtspunkte ersichtlich, aus denen eine Befreiung hätte versagt werden können.
359h) Die streitgegenständliche Genehmigung weist auch in Bezug auf die naturschutzrechtliche Abwägung bei Eingriffen in Natur und Landschaft gemäß § 15 Abs. 5 BNatSchG keinen Rechtsfehler auf. Nach dieser Vorschrift darf ein Eingriff nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range vorgehen.
360Die naturschutzrechtliche Abwägung bei Eingriffen in Natur und Landschaft gemäß § 15 Abs. 5 BNatSchG ist bipolarer Art im Sinne einer Ja‑/Nein-Entscheidung,
361vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 C 1.06 -, juris Rn. 22 (zu § 8 Abs. 3 BNatSchG a. F.); Guckelberger in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 15 Rn. 99 ff.,
362vollzieht sich in den Fällen einer gesetzlich gebundenen Zulassungsentscheidung – wie hier nach § 6 Abs. 1 BImSchG – ebenfalls in gesetzlicher Bindung und ist zumindest in solchen Fällen deshalb von den Gerichten uneingeschränkt zu überprüfen.
363Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2001 ‑ 4 C 3.01 -, juris Rn. 22 (zu § 8 Abs. 3 BNatSchG a. F.).
364Nach diesen Maßgaben ist die Entscheidung des Beklagten zugunsten der Genehmigung des streitgegenständlichen Vorhabens rechtmäßig. Denn nach dem Vorstehenden stellt der mit dem Vorhaben verbundene nicht kompensierbare Eingriff – insbesondere auch mit Blick auf das Landschaftsbild – hier keinen das Interesse am Ausbau der Windenergie überwiegenden Belang dar.
365Die in § 15 Abs. 6 BNatSchG vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzleistungen sind in dem Bescheid geregelt. Bedenken sind insoweit weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
366i) Schließlich stehen dem Vorhaben auch sonst keine Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen. Nach dieser Vorschrift liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, wenn das Vorhaben Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet.
367Ein solcher (eigenständiger) bauplanungsrechtlicher Verstoß aufgrund des Entgegenstehens der genannten Belange ist für das nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierte Vorhaben hier nicht ersichtlich. Auch der Kläger hat dazu nicht im Einzelnen vorgetragen.
368Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind, aufzuerlegen. Die notwendig Beigeladene hat sich mit der Einlegung der Berufung einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
369Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
370Die Voraussetzungen für die vom Kläger angeregte Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere sind die abstrakten Voraussetzungen für die Annahme eines faktischen Vogelschutzgebiets in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt.