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Vollständig umschlossene Räume von Gaststätten, für die das Rauchverbot nach dem Nichtraucherschutzgesetz NRW gilt, sind überdachte Räume, die nach allen Seiten von Wänden eingegrenzt werden.
Für das Vorliegen eines vollständig umschlossenen Raums im nichtraucherschutzrechtlichen Sinne ist unerheblich, ob ein Teil der (einzelnen) Wände oder des Dachs durch (Schiebe-)Türen, Fenster oder andere Maßnahmen weitflächig geöffnet wird oder werden kann.
Auch bei einem Zelt kann es sich um einen solchen vollständig umschlossenen Raum handeln.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 3.1.2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat dem sinngemäß gestellten Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.8.2019 gerichteten Klage 19 K 3903/19 (VG Gelsenkirchen) anzuordnen,
5im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die Zwangsgeldfestsetzung sei aller Voraussicht nach rechtswidrig, weil der Antragsteller am 4.8.2019 nicht gegen die bestandskräftige Ordnungsverfügung vom 7.1.2019 verstoßen habe. Nicht erkennbar sei, dass der Konsum von Tabak enthaltenden Shishas in Räumen seines Gaststättenbetriebs stattgefunden habe. Die vom Antragsteller im Innenhof seiner Gaststätte aufgestellten Zelte stellten keine vollständig umschlossenen Räume im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW dar. Sowohl die „Partyzelte“ als auch die „Beduinenzelte“ seien so gut geöffnet und belüftet gewesen, dass sie bei wertender Betrachtung keine von der Freiluft getrennten Räume mehr dargestellt hätten und der beim Rauchen der Shishas entstehende Tabakqualm habe abziehen können.
6Die Ergebnisrichtigkeit dieser Wertung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht durchgreifend in Frage gestellt.
7Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW besteht in Gaststätten, d. h. in Schank- und Speisewirtschaften, unabhängig von der Betriebsart, Größe und Anzahl der Räume (§ 2 Nr. 7 NiSchG NRW), Rauchverbot. Das Rauchverbot gilt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW allerdings nur in Gebäuden oder sonstigen vollständig umschlossenen Räumen.
8Die Formulierung der letztgenannten Norm bringt dabei zum Ausdruck, dass sich die im Gesetz aufgeführten Rauchverbote grundsätzlich auf alle vollständig umschlossenen Räume erstrecken und dem dort aufgeführten Begriff „Gebäude“ lediglich die Bedeutung eines Regelbeispiels zukommt.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11.11.2009 – 4 B 512/09 –, GewArch 2010, 122 = juris, Rn. 7 ff., und – 4 B 657/09 –, juris, Rn. 6 ff., unter Hinweis auf LT-Drs. 14/4834, S. 17, und Reich, Nichtraucherschutzgesetz NRW, 2008, § 1 Rn. 2; siehe zu vergleichbaren Regelungen ferner BGH, Urteil vom 16.1.2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023 = juris, Rn. 25; BVerfG, Urteil vom 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 –, BVerfGE 121, 317 = juris, Rn. 122; Reich, Nomos-BR, BNichtrSchG, 2016, § 1 Rn. 25.
10Erforderlich ist, dass die Räume nach allen Seiten von Wänden mit oder ohne Fenster eingegrenzt werden. Auf Material oder Beschaffenheit der den Raum umgrenzenden Wände, Türen und Fenster kommt es grundsätzlich nicht an. Umfasst sind damit Wände aus Beton ebenso wie aus leichteren Materialien. Fenster können aus Glas, Kunststoff oder sonstigen Materialien bestehen. Für das Vorliegen eines vollständig umschlossenen Raums im nichtraucherschutzrechtlichen Sinne ist unerheblich, ob ein Teil der (einzelnen) Wände oder des Dachs durch (Schiebe-)Türen, Fenster oder andere Maßnahmen weitflächig geöffnet wird oder werden kann. Auch bei einem Zelt kann es sich um einen solchen vollständig umschlossenen Raum handeln. Keine solchen Räume sind demgegenüber Freibereiche, wie nicht vollständig überdachte Innenhöfe, überdachte, aber nicht geschlossene Sportstadien und insbesondere der Frei- und Außenbereich der Gastronomie. Dort ist das Rauchen weiterhin erlaubt.
11Vgl. LT-Drs. 14/4834, S. 17; LT-Drs. 16/125, S. 15; Breitkopf/Stollmann, Nichtraucherschutzrecht, Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: Mai 2013, H 12, Anm. 4.1.1.3, S. 20 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 21.1.2014 – 3 K 4778/13 –, juris, Rn. 22 ff.; siehe auch Hess. VGH, Urteil vom 29.2.2012 – 6 A 69/11 –, ESVGH 62, 193 = juris, Rn. 42 f.
12Weitere Differenzierungen, etwa nach Maßgabe des von dem Raum umschlossenen Luftvolumens im Verhältnis zur Bodenfläche, dem Grad der Durchlüftung des Raumes oder dem Anteil der vom gesetzlichen Rauchverbot betroffenen Schank- und Speisewirtschaft an der Gesamtnutzung eines Raumes, hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen.
13Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.11.2009 – 4 B 512/09 –, GewArch 2010, 122 = juris, Rn. 20.
14Er ist dabei von einer typisierenden Betrachtung ausgegangen. Hierzu war er berechtigt, weil es sich bei den Regelungen zum Nichtraucherschutz um die Ordnung von Massenvorgängen handelt.
15Vgl. BVerfG, Urteil vom 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 –, BVerfGE 121, 317 = juris, Rn. 165; konkret zum Nichtraucherschutz: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.2011 – 10 S 2533/09 –, VBlBW 2012, 149 = juris, Rn. 37.
16Für die von der Antragsgegnerin im Anschluss an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und eine von diesem herangezogene Literaturmeinung,
17vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21.1.2014 – 3 K 4778/13 –, juris, Rn. 22 f.; Breitkopf/Stollmann, Nichtraucherschutzrecht, Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: Mai 2013, H 12, Anm. 4.1.1.3, S. 20 f.,
18vertretene Auslegung, wonach ein Zelt schon dann ein vollständig umschlossener Raum sein soll, wenn der Innenraum durch Zeltwände und -decken (insgesamt nur) überwiegend, also zu mehr als 50 %, gegenüber dem Freiraum abgegrenzt ist, ist kein Raum. Sie lässt sich mit dem Gesetzeswortlaut, der einen „vollständig umschlossenen“ Raum voraussetzt, auch unter dem Gesichtspunkt der Vollzugstauglichkeit nicht mehr vereinbaren. Ein überdachter Raum ist nur dann vollständig umschlossen, wie in der oben zitierten Gesetzesbegründung für jeden Normadressaten klargestellt, wenn er nach allen Seiten von Wänden eingegrenzt wird. Ausgeschlossen ist eine Rechtsanwendung, die tatbestandsausweitend über den Inhalt der Norm hinausgeht, wobei der mögliche Wortsinn, der aus Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist, die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation bildet.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.7.2021 – 8 C 28.20 –, GewArch 2021, 457 = juris, Rn. 18, m. w. N.
20Hieran gemessen liegen, wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist, die Voraussetzungen für die streitgegenständliche Zwangsgeldfestsetzung in der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 8.8.2019 nicht vor. Der Antragsteller hat nicht gegen Ziffer 1 lit. e) der bestandskräftigen Ordnungsverfügung vom 7.1.2019 verstoßen, mit der ihm aufgegeben wurde um- und durchzusetzen, dass weder den mit der Geschäftsführung betrauten Personen, dem Personal noch den Gästen in den Räumen der Gaststätte Tabakprodukte zum Verbrauch zur Verfügung gestellt werden. Ein Konsum von Tabakprodukten in Räumen der Gaststätte im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW war am 4.8.2019 nicht festgestellt worden. Ausweislich des Einsatzberichts der Antragsgegnerin vom 4.8.2019 befanden sich im Innenraum der Betriebsstätte keine Gäste. In dem in der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin angenommenen Konsum von in Shishas befindlichem Tabak in im Innenhof aufgestellten Zelten lag kein Konsum von Tabakprodukten in sonstigen vollständig umschlossenen Räumen der Gaststätte. Diese Zelte, in denen insgesamt ca. 100 Personen Platz finden konnten, waren sämtlich nicht vollständig umschlossen. Bereits im Einsatzbericht der Antragsgegnerin heißt es, die Zelte seien zum Teil nur an einer Seite geöffnet. Nach den im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin enthaltenen Lichtbildern waren sämtliche Zelte jedenfalls zu einer Seite vollständig geöffnet, weil die Zelte an dieser Seite nicht über eine Wand verfügten und auch nicht unmittelbar an eine solche grenzten. Die miteinander verbundenen beiden „Partyzelte“ waren wenigstens an einer Seite zur Hälfte, an der anderen Seite vollständig geöffnet. Ob bei einigen der „Beduinenzelte“ die zum Schließen der Öffnung erforderlichen Stoffbahnen zumindest teilweise seitlich an den Eckpfeilern gehangen haben bzw. aufgerollt waren, ist unerheblich. Selbst wenn die Öffnung nur temporär gewesen wäre und jederzeit hätte geschlossen werden können, fehlte es zum Zeitpunkt der Kontrolle auch hier an einer seitlichen Begrenzungswand als notwendiger Voraussetzung für einen vollständig umschlossenen Raum. Eine Wand, in der – was für die Annahme eines vollständig umschlossenen Raums unschädlich gewesen wäre – lediglich eine Öffnung, etwa in Form eines geöffneten Fensters oder einer geöffneten Tür gewesen wäre, war jedenfalls zu einer Seite bei sämtlichen Zelten nicht mehr vorhanden.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
22Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.
23Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.