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Bei einer Stadthalle handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung. Stellt eine Kommune diese im Rahmen der durch ihre bisherige Vergabepraxis geformten konkludenten Widmung für die Durchführung von Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung, entsteht dadurch ein Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG. Das Recht auf Chancengleichheit einer Partei ist danach verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat.
Die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang sie Zugang zu ihrer Stadthalle gewährt, ist ausgehend davon begrenzt. Die jeweilige Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
Dass die Nutzung einer Stadthalle durch eine politische Partei möglicherweise von demonstrationsbedingten Störungen begleitet sein wird, die sich auch nachteilig auf eine zeitgleich stattfindende andere Veranstaltung in der Stadthalle auswirken können, rechtfertigt es nicht ohne weiteres, der politischen Partei die Nutzung entgegen der sonstigen Vergabepraxis zu versagen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
3der Antragstellerin den „Großen Saal“ der „T. “ (L. Straße, T1. ) nebst der „Tribüne/Empore“ sowie das „Foyer“ und drei weitere Räume im Zeitraum vom 14. Mai 2021 bis zum 16. Mai 2021 und vom 21. Mai 2021 bis zum 23. Mai 2021 (jeweils freitags von 17.00 Uhr bis 22.00 Uhr, samstags von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr, sonntags von 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr) für ein Wahlaufstellungsverfahren für Kandidaten für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag nach den allgemeinen für die Vergabe geltenden Bestimmungen zur Verfügung zu stellen.
4Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
5Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
6Das Verwaltungsgericht hat einen Anordnungsanspruch bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung zutreffend bejaht.
7Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, das heißt, wenn der geltend gemachte materielle Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht.
8Vgl. insoweit etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 30. April 2020 - 15 B 606/20 -, juris Rn. 10 f., und vom 28. Juni 2018 - 15 B 875/18 -, juris Rn. 6 f., jew. m. w. N.
9Dies ist hier der Fall.
10Bei einer Stadthalle handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung. Stellt eine Kommune diese im Rahmen der durch ihre bisherige Vergabepraxis geformten konkludenten Widmung für die Durchführung von Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung, entsteht dadurch ein Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG. Das Recht auf Chancengleichheit einer Partei ist danach verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat.
11Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. August 2016 - 2 BvQ 46/16 -, juris Rn. 7, und vom 7. März 2007 - 2 BvR 447/07 -, juris Rn. 3; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 1 S 1855/14 -, juris Rn. 11 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2011 ‑ 10 ME 47/11 -, juris Rn. 30; Bay. VGH, Beschluss vom 29. April 2010 - 4 CE 10.835 -, juris Rn. 20 f.; ThürOVG, Beschluss vom 16. September 2008 - 2 EO 490/08 -, juris Rn. 30.
12Die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang sie Zugang zu ihrer Stadthalle gewährt, ist ausgehend davon begrenzt. Die jeweilige Vergabepraxis und ‑entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
13Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2018 - 15 B 875/18 -, juris Rn. 13; Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2011 - 10 ME 47/11 -, juris Rn. 30.
14Dies zugrunde gelegt, steht der Antragstellerin ein Zulassungsanspruch dem Grunde nach zu. Die Antragsgegnerin hat die Stadthalle in der Vergangenheit politischen Parteien für politische Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Sie hat damit eine entsprechende Vergabepraxis bzw. konkludente Widmung der Stadthalle begründet, von der sie nicht ohne sachlichen Grund zu Ungunsten der Antragstellerin abweichen darf.
15Einen tragfähigen sachlichen Grund hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Sie begründet die Ablehnung der Überlassung der begehrten Räumlichkeiten der T. an den Wochenenden vom 14. bis 16. Mai 2021 sowie vom 21. bis 23. Mai 2021 im Wesentlichen (noch) damit, dass ein anderer Saal der T. , der M. -H. -Saal, für den 22. Mai 2021 von 8 bis 10 Uhr bereits zeitlich vor der Buchungsanfrage der Antragstellerin an die Firma C. F. T1. GmbH vermietet worden sei, die dort ihre vierteljährliche Betriebsversammlung durchzuführen beabsichtige. Die Mieterin habe einen Anspruch auf eine störungsfreie Nutzung. Gerade bei langjährigen Geschäftsbeziehungen sei der Antragsgegnerin daran gelegen, den Mietern attraktive Räumlichkeiten und ein entsprechendes Veranstaltungsumfeld bieten zu können. Dies sei Bestandteil einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Betriebsführung und sei deshalb ein rechtlich legitimes Interesse. Es bestehe die Gefahr, dass Mieter, die sich durch andere Veranstaltungen gestört fühlten, künftig nicht mehr die T. nutzten, sondern auf andere Anbieter auswichen. Die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang in den Raum gestellte Monopolstellung komme der T. für Veranstaltungen mit 200 bis 300 Teilnehmenden nicht zu. Im Außenbereich der Halle habe sie, die Antragsgegnerin, auch keine Möglichkeit, die Besucher der anderen Veranstaltung so zu steuern, dass sie nicht durch Gegendemonstranten oder ein massives Polizeiaufgebot hindurchgehen müssten.
16Eine Beeinträchtigung der Veranstaltung am 22. Mai 2021 im M. -H. -Saal sei auch konkret zu befürchten. Die von der Antragstellerin geplante Großveranstaltung erhalte überregionales Medieninteresse und provoziere Gegendemonstrationen und Störungen im direkten Umfeld der Veranstaltungsörtlichkeit. So sei für den 15. Mai 2021 bereits eine Demonstration mit 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf dem Parkplatz der T. angemeldet. Zwar komme der Parkplatz als Versammlungsfläche nicht in Betracht, allerdings sei in Ansehung des Versammlungsgrundrechts damit zu rechnen, dass die Demonstration vor der T. und damit auch vor dem Eingangsbereich des M. -H. -Saals stattfinden werde. Besucher der dortigen Betriebsversammlung müssten deshalb mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch ein hohes Personenaufkommen von Polizei und Versammlungsteilnehmenden hindurch gehen und die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten ‑ bis hin zu Pöbeleien - in Kauf nehmen.
17Diese Einwände tragen die Versagung des Zulassungsanspruchs der Antragstellerin bei summarischer Betrachtung nicht.
18Das grundsätzlich legitime Interesse der Antragsgegnerin an der Erfüllung ihrer mietvertraglichen Pflichten gegenüber anderen Dritten, die zeitlich parallel zur Antragstellerin Räumlichkeiten der T. nutzen, wird durch die von der Antragstellerin beabsichtigte Nutzung voraussichtlich nicht beeinträchtigt. Zu den berücksichtigungsfähigen mietvertraglichen Pflichten der Antragsgegnerin gegenüber der C. F. T1. GmbH dürften lediglich die Zurverfügungstellung der entsprechenden Räumlichkeiten sowie deren zweckgerechte Erreich- und Nutzbarkeit gehören. Dass die Erfüllung dieser Pflichten vereitelt würde, wenn die Antragstellerin zeitgleich andere Räumlichkeiten der T. nutzt, hat die Antragsgegnerin nicht konkret dargelegt und dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass aufgrund von Protestveranstaltungen - sollten solche neben dem 15. Mai 2021 auch am 22. Mai 2021 stattfinden - die T. nicht zugänglich und/oder nutzbar sein wird. Insoweit wäre es zudem Aufgabe der (Polizei- und Ordnungs-)Behörden, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und unzumutbare Störungen zu verhindern bzw. zu beseitigen.
19Ein darüber hinausgehender (vertrags-)rechtlicher Anspruch der anderen Nutzerin darauf, ihre Veranstaltungsräume gänzlich „unbehelligt“ von politischen Kundgebungen erreichen und nutzen zu können, ist indes fernliegend und wird von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet. Ein „attraktives Veranstaltungsumfeld“ mag zwar bei der Auswahl der Veranstaltungsräume für die weitere Mieterin eine gewisse Rolle gespielt haben und die Antragsgegnerin mag ein - im Wesentlichen erwerbswirtschaftlich begründetes - anerkennenswertes Interesse daran haben, ein „ungestörtes“ Umfeld für die Nutzerinnen und Nutzer der T. bereit zu stellen. Diese Interessen müssen indes gegenüber dem Nutzungsanspruch der Antragstellerin in gewissem Umfang zurücktreten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin in den Räumlichkeiten der T. Aufstellungsversammlungen durchzuführen beabsichtigt, auf der ihre Kandidaten und Kandidatinnen für die Bundestagswahl 2021 gewählt werden sollen. Die Beteiligung der politischen Parteien, zu denen auch die Antragstellerin gehört, an Parlamentswahlen gehört zu den diesen durch Art. 21 Abs. 1 GG zugewiesenen, besonders hervorgehobenen Aufgaben von besonderer Bedeutung und ist für das Funktionieren einer demokratischen Ordnung des Gemeinwesens schlechthin unerlässlich.
20Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 -, juris Rn. 150.
21Der nach § 27 Abs. 5 i. V. m. § 21 BWahlG für die Wahlteilnahme grundsätzlich rechtlich notwendigen Veranstaltung kommt deshalb im demokratischen Rechtsstaat besondere Bedeutung zu. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Aufstellungsversammlungen nach § 5 Abs. 1 der COVID-19-Wahlbewerberaufstellungsverordnung ganz oder teilweise im Wege der elektronischen Kommunikation durchgeführt werden können. Denn die Nutzung dieser alternativen Möglichkeit zu Präsenzveranstaltungen ist nicht verpflichtend und steht den Parteien frei.
22Auch wenn - wie die Antragsgegnerin mit der Beschwerde sinngemäß geltend macht - der aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG folgende Zugangsanspruch dem Grunde nach keine prioritären oder besonders hervorgehobenen Veranstaltungen kennt, muss die dargestellte besondere Bedeutung der von der Antragstellerin beabsichtigten Veranstaltung bei der Zulassungsentscheidung der Antragstellerin und der in diesem Rahmen herzustellenden Konkordanz zwischen dem Zulassungsanspruch und diesem widerstreitenden Interessen Berücksichtigung finden. Insbesondere ist es der Antragsgegnerin in einem Fall wie dem vorliegenden eher zuzumuten, Beeinträchtigungen anderer Nutzer und Nutzerinnen in erster Linie durch flankierende organisatorische Maßnahmen - wie etwa eine Zugangssteuerung durch Einrichtung getrennter Laufwege, Absperrungen etc. - zu begegnen. Zudem hat sie gleichwohl verbleibende Beeinträchtigungen ihrer gewerblichen Attraktivität in größerem Ausmaß hinzunehmen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin als öffentlich-rechtliche Körperschaft im Rahmen des Widmungszwecks weitergehenden (öffentlich-)rechtlichen Bindungen unterliegt als private Vermieter von Veranstaltungsräumlichkeiten. Insofern müssen Nutzerinnen und Nutzer einer öffentlichen Einrichtung - je nach Anzahl der verfügbaren Räumlichkeiten - stets damit rechnen, dass zeitgleich auch andere Veranstaltungen stattfinden, die mit gewissen Störungen der eigenen Veranstaltung einhergehen können.
23Ausgehend davon ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die begehrte Nutzung der T. durch die Antragstellerin unzumutbare Beeinträchtigungen für die Antragsgegnerin oder Dritte mit sich bringt. Die einzige betroffene weitere Veranstaltung in der T. ist die o. g. Betriebsversammlung eines örtlichen Unternehmens, die lediglich an einem Tag über einen Zeitraum von zwei Stunden stattfindet. Dem von der Antragsgegnerin befürchteten Szenario, dass die Teilnehmenden dieser Veranstaltung nur durch eine große Menschenmenge hindurch die Halle erreichen können und dabei - weil sie nicht von den Teilnehmenden der Veranstaltung der Antragstellerin unterschieden werden (können) - Pöbeleien ausgesetzt sind, lässt sich durch organisatorische Vorkehrungen begegnen. Die Antragsgegnerin hat insoweit nicht plausibel gemacht, wieso es nicht möglich sein soll, für die Veranstaltungen ‑ die in unterschiedlichen Bereichen der T. stattfinden - getrennte Zuwegungen und Eingänge einzurichten und die jeweiligen Teilnehmergruppen insoweit schon beim Einlass zu separieren. In ihrer Intensität als geringfügig einzustufende verbleibende Unannehmlichkeiten bei der Anreise - etwa wegen vorhandener Polizeikräfte und ggf. Protestveranstaltungen in der Nähe der T. - unterfallen dem allgemeinen Lebensrisiko und sind von allen Nutzern und Nutzerinnen der Halle hinzunehmen. Gleiches gilt für eventuelle - hier nicht weiter substantiierte - negative Auswirkungen auf die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Antragsgegnerin.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
25Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).