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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
2Die vom Antragsteller fristgerecht angeführten Gründe, auf deren Überprüfung der beschließende Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keine Veranlassung, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,
4die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die bislang gewährten Leistungen zum Aufenthalt in der Intensivwohngruppe B. G. einschließlich der autismusspezifischen Einzelförderung, der Einzelfallhilfe sowie der begleiteten Elternkontakte über den 27. September 2020 hinaus weiter zu gewähren,
5mit folgender Begründung abgelehnt: Der am 28. September 2002 geborene Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Er habe gegen die Antragsgegnerin jedenfalls aktuell keinen Anspruch auf Bewilligung der für die Zeit nach Volljährigkeit begehrten Hilfen. Denn die Antragsgegnerin sei nicht mehr zuständig, da sie sowohl den mündlich am 23. September 2020 gestellten als auch den schriftlich am 7. Oktober 2020 eingereichten Antrag des Antragstellers gemäß § 14 SGB IX fristgerecht an den Beigeladenen weitergeleitet habe. Dadurch sei der Beigeladene unabhängig von der Frage, ob die Antragsgegnerin aufgrund der Regelung in § 10 Abs. 4 SGB VIII vorrangig leistungsverpflichtet sei, vorrangig zuständig geworden. Es liege nicht (bloß) ein Folgeantrag vor, für den § 14 SGB IX nicht gelten solle und bei dem eine Weiterleitung unwirksam oder unzulässig sei. Wie sich aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 2020 - 12 B 704/20 - ergebe, handele es sich bei der Fortführung einer Hilfe über die Volljährigkeit hinaus um ein neues Leistungsverhältnis und damit bei dem Hilfeantrag nicht um einen Folgeantrag. Es sei auch keine frühere Antragstellung durch den Antragsteller erfolgt, hinsichtlich derer die Weiterleitungsfrist mit der Folge versäumt worden wäre, dass die Antragsgegnerin zuständig bliebe. Ob in der Person des Antragstellers die Voraussetzungen für Hilfen nach § 41 i. V. m. § 35a SGB VIII vorlägen, sei mithin ohne Bedeutung.
6Die mit der Beschwerde fristgerecht erhobenen Einwendungen, mit denen der Antragsteller sich gegen die die Ablehnung begründenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts wendet, führen nicht zum Erfolg des Antrags.
7Der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bezugnahme auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 13. Juli 2020 - 12 B 704/20 - unberücksichtigt gelassen, dass der in jenem Beschluss entschiedene Fall insofern anders gelagert gewesen sei, als dort die Antragstellerin tatsächlich einen inhaltlich neuen Antrag gestellt habe. Mit dieser verkürzten Darstellung der Gründe des Senatsbeschlusses zeigt der Antragsteller nicht unter weiterer Auseinandersetzung mit der zitierten Entscheidung auf, warum vorliegend eine andere Beurteilung geboten sein könnte. Der Senat hat in der angeführten Entscheidung nämlich nicht lediglich darauf abgestellt, dass die Antragstellerin jenes Verfahrens in ihrem Antrag selbst von einer Beendigung der zuvor erbrachten Leistung gemäß § 35a SGB VIII ausgegangen sei und den Antrag auf Hilfe für junge Volljährige demnach offen (wie einen Neuantrag) formuliert habe. Zusätzlich zu dieser mit "Zum einen" angeführten Erwägung hat der Senat nämlich weiter - selbständig tragend - ausgeführt:
8"Zum anderen ist die Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß § 35a Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII gesetzlich auf den Zeitraum bis zur Vollendung der Volljährigkeit beschränkt. Demnach erledigt sich der die Hilfe bewilligende Verwaltungsakt durch Zeitablauf (§ 39 Abs. 2 SGB X), ohne dass es einer formellen Beendigung der Hilfen durch das Jugendamt bedarf. Soll die Hilfe über die Volljährigkeit hinaus fortgeführt werden, wird ein neues Leistungsverhältnis begründet.
9Vgl. Schmid-Oberkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 5. Auflage 2015, § 41 Rn. 16.
10Es handelt sich bei der Volljährigenhilfe um eine eigenständige Hilfe, die als integrierten Bestandteil Leistungen gemäß § 35a Abs. 2 SGB VIII beinhalten kann.
11Vgl. Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Auflage 2018, § 41 Rn. 13; Stähr, in: Hauck/ Noftz/Stähr, SGB VIII, § 41 (Stand: 01/18) Rn. 17b.
12Dem entspricht, dass für eine Hilfegewährung nach § 41 SGB VIII andere Voraussetzungen erfüllt sein müssen."
13Hinsichtlich dieser Voraussetzungen hat der Senat weiter ausgeführt:
14"[…] in Bezug auf ein jugendhilferechtliches Tätigwerden für einen jungen Volljährigen [wird] verlangt, dass ein Bedarf an Förderung seiner Persönlichkeitsentwicklung und der eigenverantwortlichen Lebensführung die Hilfe notwendig macht und dass die Hilfeleistung dergestalt geeignet ist, dass sie im Hinblick auf die Entwicklung ein Mindestmaß an Erfolg verspricht, wobei es auch auf die Mitwirkungsbereitschaft des betroffenen jungen Menschen ankommt.
15Vgl. Kepert/Dexheimer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Auflage 2018, § 35a Rn. 7; von Koppenfels-Spies, in: jurisPK-SGB VIII, 2. Auflage, § 41 (Stand: 02.06.2020), Rn. 9 ff.; Stähr, in: Hauck/Noftz/ Stähr, SGB VIII, § 41 (Stand: 01/18) Rn. 5 ff. Zur Frage, inwieweit neben den Voraussetzungen nach § 41 SGB VIII weiterhin auch die Voraussetzungen der entsprechend herangezogenen Hilfeart erfüllt sein müssen vgl. ferner: ablehnend OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Mai 2018 - 12 B 1613/17 -, juris Rn. 5 und 10, und vom 11. März 2014 - 12 A 2751/13 - juris Rn. 4 ff.; a. A. Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Auflage 2019, § 41 Rn. 13.
16Dementsprechend unterscheiden sich die Hilfeformen gemäß § 35a und § 41 SGB VIII auch hinsichtlich ihrer Zielrichtung. Dass der Teilhabebedarf sich bei beiden Hilfeformen regelmäßig […] in weiten Teilen überschneidet, schließt die Einordnung als neue Leistung im Sinne von § 14 SGB IX nicht aus. Ebenso ist es für die Frage, ob es sich um einen Neuantragoder eine bloße Verlängerung handelt, ohne Belang, inwieweit eine zunächst gemäß § 35a SGB VIII gewährte Hilfe und eine diese Leistung nach Eintritt der Volljährigkeit unverändert fortsetzende Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII im Hinblick auf die jugendhilferechtlichen Zuständigkeitsnormen der §§ 86 ff. SGB VIII als einheitliche Leistung anzusehen sein können."
17Diese Erwägungen zur - auch bei unveränderter Fortführung einer vor Volljährigkeit gewährten Hilfe eintretenden - Änderung der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen und der maßgeblichen Voraussetzungen verkennt der Antragsteller, soweit er meint, wegen der bloß begehrten unveränderten Fortbewilligung der bisherigen Ausgestaltung der Hilfe handele es sich um einen einheitlichen Leistungsfall.
18Auch der Verweis des Antragstellers auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage eines einheitlichen Leistungsgeschehens führt insoweit nicht weiter. Diese betraf Fälle, in denen eine Teilhabeleistungsgewährung nicht - wie hier mit Eintritt der Volljährigkeit - kraft Gesetzes endete. Es ging vielmehr um die Frage, ob bei Teilhabeleistungen, die theoretisch auf gleicher Grundlage auch länger hätten gewährt werden können, eine nur zeitabschnittweise Gewährung (auflösende Bedingung) dazu führt, dass die bewilligende Behörde nach Ablauf des (selbst gesetzten) Zeitabschnitts im Fall eines Fortsetzungsantrags zur erneuten Zuständigkeitsprüfung und ggf. Weiterleitung des nach § 14 SGB IX berechtigt ist.
19Vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2019 - B 8 SO 8/18 R -, juris Rn. 18, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 12/17 R -, juris Rn. 24; zur Frage, ob hinsichtlich eines vom erstangegangenen und daraufhin selbst leistenden Rehabilitationsträger geltend gemachten Erstattungsanspruchs (§ 104 SGB X i. V. m. § 14 Abs. 1 SGB IX) die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X wegen einer zwischenzeitlichen Beendigung der - sodann fortgeführten - Leistung greift oder ob es sich um eine einheitliche Leistung handelt, vgl. ferner BSG, Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 11/17 R -, juris Rn. 22.
20Die insoweit vom Bundessozialgericht aufgestellten Maßgaben, die der erkennende Senat grundsätzlich teilt, sind auf die weitere Bewilligung von Teilhabeleistungen für einen jungen Volljährigen, der vor Eintritt der Volljährigkeit jugendhilferechtliche Teilhabeleistungen erhalten hat und für den jugendhilferechtlich nur noch eine Bewilligung auf anderer Grundlage (§ 41 SGB VIII) in Betracht käme, aus den vorstehend wiedergegebenen Erwägungen des Senats nicht übertragbar. Obgleich das in direkter Anwendung von § 35a SGB VIII gewährte Leistungsspektrum auch Gegenstand von Hilfeleistungen für junge Volljährige i. S. v. § 41 SGB VIII sein kann, unterscheiden sich Voraussetzungen und Zielrichtung der Anspruchsgrundlagen. Mit Blick darauf, dass Leistungen nach dem SGB VIII, die nur für Kinder und Jugendliche vorgesehen sind (z. B. § 35a SGB VIII) von Gesetzes wegen mit Eintritt der Volljährigkeit enden, geht es - anders als in den angeführten Entscheidungen des Bundessozialgerichts - um mehr als eine bloß "zeitabschnittsweise Bewilligung", auch wenn die tatsächliche Ausgestaltung einer Leistung nach § 41 SGB VIII mit der vor Eintritt der Volljährigkeit gewährten Hilfe identisch sein kann.
21Ob die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 41 SGB VIII vorliegen, wozu der Antragsteller auf sein bisheriges Vorbringen verweist, bedarf bei einer hier anzunehmenden zulässigen Weiterleitung des Antrags keiner Entscheidung.
22Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass seine nach Eintritt der Volljährigkeit neu eingesetzte Betreuerin nur bedingt Kenntnis der Vorkommnisse vor ihrer Einsetzung gehabt habe und ihm bis zur Beschwerdeerhebung keine Akteneinsicht gewährt worden sei, ist die gerügte Beeinträchtigung jedenfalls durch die seitens des Senats gewährte Akteneinsicht rechtzeitig vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist behoben worden. Gleichwohl ist innerhalb der mit dem 3. Mai 2021 (Montag) abgelaufenen Begründungsfrist kein weiterer berücksichtigungsfähiger Vortrag - insbesondere auch nicht zur Frage, ob bereits früher ein Antrag auf Leistungen nach Eintritt der Volljährigkeit gestellt und nicht fristgerecht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX weitergeleitet worden ist - erfolgt. Das außerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021 zu weiteren Aspekten eingegangene Beschwerdevorbringen kann vor diesem Hintergrund zu keiner anderen Entscheidung führen. Hinsichtlich des darin thematisierten Umstands, dass nicht bereits vorab seitens der Antragsgegnerin eine Fallübergabe erfolgt ist, merkt der Senat gleichwohl ergänzend an, dass es sich bis zum Eintritt der Volljährigkeit tatsächlich um ein einheitliches Leistungsgeschehen gehandelt haben dürfte. In einem solchen Fall wäre auch auf Basis der vom Antragsteller angeführten sozialgerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen einer Hilfeplanfortschreibung keine Weiterleitung eines konkludenten Verlängerungsantrages nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX in Betracht gekommen. Soweit der Antragsteller meint, dass in der Stellungnahme des Fachamtes, soweit diese sich zu seiner "Mehrfachbehinderung" verhält, die Anforderungen an das notwendige Maß an Verselbständigung im Sinne des § 41 SGB VIII von der Antragsgegnerin erkennbar überspannt worden seien, zeigt er nicht auf, dass das Vorgehen der Antragsgegnerin (Zuständigkeitsprüfung und Abgabe) als offensichtlich unzutreffend und somit als bewusste Falschbehandlung oder als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könnte.
23Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
24Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.