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Erfolgreiche Beschwerde einer Fachlehrerin, deren Eilantrag auf Fortführung eines Stellenbesetzungsverfahrens gerichtet ist.
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, das im Dezember 2019 abgebrochene, die Beförderung von Fachlehrerinnen und Fachlehrern betreffende Stellenbesetzungsverfahren (Besetzung von vier Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 10 LBesO/Vergütungsgruppe EG 9 TV-L) fortzusetzen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat Erfolg. Die mit ihr fristgerecht erhobenen Einwände gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem mit der Beschwerde weiter verfolgten Antrag stattzugeben, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das im Dezember 2019 abgebrochene, die Beförderung von Fachlehrerinnen und Fachlehrern betreffende Stellenbesetzungsverfahren (Besetzung von vier Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 10 LBesO/Vergütungsgruppe EG 9 TV-L) fortzusetzen. Der Antrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).
3I. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er binnen eines Monats nach Zugang der Mitteilung über den Abbruch des Verfahrens und damit fristgerecht gestellt worden.
4Vgl. zur Monatsfrist: BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 -, BVerwGE 151, 14 = juris Rn. 24.
5Die Antragstellerin ist unter dem 8. Januar 2020 über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens informiert worden. Sie hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung am 31. Januar 2020 gestellt.
6II. Der Antrag ist auch begründet. Der Antragstellerin steht ein Anordnungsgrund zur Seite. Sie hat überdies die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs auf Fortsetzung des abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
71. Der erforderliche Anordnungsgrund folgt aus dem Umstand, dass im Interesse der Rechtssicherheit umgehend zu klären ist, ob die streitbefangenen Stellen doch in dem vom Antragsgegner abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahren zu vergeben sind oder ein weiteres Verfahren eingeleitet werden darf.
8Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2020 - 2 VR 3.20 -, juris Rn. 11, und vom 10. Dezember 2018 ‑ 2 VR 4.18 -, NVwZ 2019, 724 = juris Rn. 11, sowie Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 -, a. a. O., Rn. 22 ff.
92. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie kann die Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens verlangen. Die Entscheidung des Antragsgegners, das Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen, verletzt ihren Bewerbungsverfahrensanspruch.
10Der Dienstherr ist bei der Entscheidung über den Abbruch eines nach Maßgabe der Grundsätze der Bestenauswahl begonnenen Auswahlverfahrens zur Besetzung einer Beförderungsstelle je nach betroffener Fallkonstellation in unterschiedlichem Maße rechtlich gebunden. Im Hinblick auf die rechtlichen Anforderungen, denen der Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens genügen muss, kommt es darauf an, ob sich der Dienstherr entschieden hat, die konkrete Stelle (jedenfalls zunächst und so, wie sie zugeschnitten ist) nicht mehr zu besetzen, oder aber zwar das eingeleitete Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen wird, die Stelle aber in einem neuen Verfahren weiterhin besetzt werden soll. Bei der Entscheidung, eine Stelle nicht mehr besetzen zu wollen, ist der Dienstherr auch dann, wenn er ein Stellenbesetzungsverfahren bereits begonnen hatte, keinen strengeren Bindungen unterworfen, als sie für personalwirtschaftliche Entscheidungen darüber, ob und welche Ämter geschaffen werden und wie Dienstposten zugeschnitten werden sollen, auch ansonsten gelten. Eine solche Entscheidung unterfällt dem weiten, dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsermessen des Dienstherrn. Die gerichtliche Kontrolle ist insoweit regelmäßig darauf beschränkt zu prüfen, ob die Abbruchentscheidung sich als willkürlich oder rechtsmissbräuchlich darstellt.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2018 ‑ 2 VR 4.18 -, a. a. O., Rn. 15 ff., sowie Urteile vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 -, a. a. O., Rn. 26, 37, und vom 22. Juli 1999 - 2 C 14.98 -, ZBR 2000, 40 = juris Rn. 31; OVG NRW, Beschlüsse vom 18. August 2020 - 6 B 319/20 -, juris Rn. 4, vom 26. April 2018 ‑ 6 B 355/18 -, NWVBl. 2018, 415 = juris Rn. 11 m. w. N.; Hess. VGH, Beschluss vom 1. Oktober 2020 ‑ 1 B 1552/20 -, juris Rn. 12.
12Anders liegt es in der Fallgestaltung, in der der Dienstherr unbeschadet der getroffenen Abbruchentscheidung die Stelle weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Da die Stelle in diesem Fall unverändert bestehen bleiben und auch besetzt werden soll, ist - und bleibt - in einem solchen Fall Art. 33 Abs. 2 GG Prüfungsmaßstab. Die Entscheidung, das in Gang gesetzte Auswahlverfahren abzubrechen, bezieht sich insofern nicht auf Zuschnitt und Gestaltung des Amtes, sondern auf die organisatorische Ausgestaltung seiner Vergabe, die als wesentliche Weichenstellung für die nachfolgende Auswahlentscheidung bereits selbst den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen muss. Deswegen bedarf es in einer solchen Fallgestaltung für die Abbruchentscheidung in materieller Hinsicht eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügt.
13Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2018 ‑ 2 VR 4.18 -, a. a. O., Rn. 18, und vom 10. Mai 2016 ‑ 2 VR 2.15 -, BVerwGE 155, 152 = juris Rn. 16 ff., sowie Urteile vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 -, a. a. O. Rn. 17 ff., und vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 -, BVerwGE 145, 185 = juris Rn. 16 f., sowie Beschluss vom 27. Februar 2014 - 1 WB 7.13 -, BVerwGE 149, 153 = juris Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2020 - 6 B 319/20 -, a. a. O., Rn. 6; Hess. VGH, Beschluss vom 1. Oktober 2020 ‑ 1 B 1552/20 -, a. a. O., Rn. 12.
14Zudem setzt die Rechtmäßigkeit der Abbruchentscheidung in formeller Hinsicht voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird. Die Bewerber werden grundsätzlich nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Erwägungen in die Lage versetzt, etwa anhand von Akteneinsicht sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob Rechtsschutz in Anspruch genommen werden soll.
15Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 ‑ 2 BvR 1181/11 -, NVwZ 2012, 366 = juris Rn. 23; BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, BVerwGE 141, 361 = juris Rn. 28, vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 -, a. a. O., Rn. 19, und vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 -, a. a. O., Rn. 20, sowie Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2.15 -, a. a. O., Rn. 19; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Mai 2017 - 6 B 403/17 -, NVwZ-RR 2017, 924 = juris Rn. 4, und vom 20. Juli 2016 - 1 B 628/16 -, juris Rn. 7.
16Gemessen hieran ist die streitbefangene Abbruchentscheidung rechtswidrig.
17a) Allerdings bestehen entgegen der Auffassung der Antragstellerin in formeller Hinsicht keine rechtlichen Bedenken. Der Antragsgegner hat sie mit Schreiben vom 8. Januar 2020 über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens informiert. Außerdem hat er im Vermerk vom 13. Dezember 2019 die Abbruchgründe im Einzelnen dokumentiert. Dass hier weitere, im vorgenannten Schreiben nicht erwähnte Gründe genannt werden, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abbruchentscheidung. Ausreichend ist, dass sich der Betroffene weitergehende Kenntnisse zumutbar durch Akteneinsicht verschaffen kann.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2017 - 6 B 403/17 -, a. a. O., Rn. 6.
19Dass es der Antragstellerin nicht möglich gewesen wäre, sich durch Akteneinsicht Kenntnis über den Inhalt des Vermerks zu verschaffen, legt die Beschwerde nicht dar und ist auch nicht anzunehmen.
20b) Die Abbruchentscheidung ist jedoch materiell rechtswidrig und damit unwirksam.
21Nach den vorstehenden Maßgaben muss die vom Antragsgegner getroffene Abbruchentscheidung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein, der den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügt. Denn er beabsichtigt weiterhin, die in Rede stehenden Beförderungsstellen zu vergeben, und hält hierfür ein neues Auswahlverfahren für erforderlich.
22Bei der gerichtlichen Prüfung, ob die Gründe für den Abbruch vor Art. 33 Abs. 2 GG Bestand haben, ist - wie auch sonst bei im Ermessen der Behörde stehenden Entscheidungen - allein auf die in der Begründung angegebenen Erwägungen abzustellen. Ob diese die wahren Beweggründe des Antragsgegners wiedergibt, ist ebenso ohne Belang wie die Frage, ob sich der Abbruch durch einen anderen Sachgrund rechtfertigen ließe.
23Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. April 2020 ‑ 6 B 1543/19 -, n. v., vom 4. Februar 2020 - 1 B 1519/19 ‑, juris Rn. 11, vom 13. Mai 2019 - 6 B 1753/18 -, juris Rn. 19, vom 26. April 2018 - 6 B 355/18 -, a. a. O., Rn. 17, und vom 12. Juli 2018 ‑ 1 B 1160/17 -, juris Rn. 13; Bay. VGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 - 3 CE 18.2608 -, juris Rn. 30; Hess. VGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2020 - 1 B 1552/20 -, a. a. O., Rn. 12, und vom 28. Mai 2018 ‑ 1 B 27/18 -, juris Rn. 23.
24Abzustellen ist somit vorliegend auf die im Abbruchvermerk vom 13. Dezember 2019 enthaltenen Erwägungen. Die Abbruchmitteilung vom 8. Januar 2020 enthält keine weitergehenden Erwägungen. Es handelt sich um eine verkürzte bzw. nur teilweise Wiedergabe der im Abbruchvermerk enthaltenen Ausführungen.
25Ein sachlicher Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens, der den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügt, ist diesem Vermerk nicht zu entnehmen.
26Der Antragsgegner stützt die Abbruchentscheidung in erster Linie auf den Umstand, dass (insgesamt) vier Klagen bei den Arbeitsgerichten Münster, Gelsenkirchen und Herne anhängig gemacht worden sind, die das vorliegend in Rede stehende Stellenbesetzungsverfahren betreffen (vgl. Nr. 1 des Vermerks). Allein die Tatsache, dass sich Mitbewerber/innen gegen die zu ihren Ungunsten ausgefallene Auswahlentscheidung wenden, stellt jedoch keinen hinreichenden sachlichen Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens dar.
27Zwar kann der Abbruch eines Auswahlverfahrens sachlich gerechtfertigt sein, wenn dieses Verfahren gerichtlich beanstandet und dem Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt wird, den von ihm ausgewählten Bewerber zu ernennen.
28Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2015 ‑ 2 BvR 1686/15 -, NVwZ 2016, 237 = juris Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 26. November 2012 - 2 C 6.11 -, a. a. O., Rn. 20 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 - 3 CE 18.2608 -, a. a. O., Rn. 30; OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2012 - 6 B 596/12 -, juris Rn. 17.
29Dem Vermerk ist jedoch bereits kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass eines der genannten Arbeitsgerichte die Auswahlentscheidung tatsächlich beanstandet hat. Vielmehr hat der Antragsgegner in dem Vermerk lediglich die Möglichkeit einer gerichtlichen Beanstandung erwogen (vgl. Nr. 1 des Vermerks) bzw. eine dahingehende Befürchtung geäußert (vgl. Nr. 3 des Vermerks). Dass eines der Arbeitsgerichte einen zur Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung führenden Mangel festgestellt hätte, geht im Übrigen auch aus dem weiteren dem Senat vorliegenden Akteninhalt nicht hervor. Bekannt ist lediglich, dass die Verfahren durch Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden sind; dies spricht nicht dafür.
30Unabhängig von einer gerichtlichen Beanstandung der getroffenen Auswahlentscheidung kann, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, ein Auswahlverfahren aber auch dann abgebrochen werden, wenn das bisherige Verfahren nach der Einschätzung des Dienstherrn an nicht behebbaren Mängeln mit der Folge leidet, dass eine den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werdende Auswahlentscheidung allein in einem weiteren Verfahren denkbar erscheint.
31Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2020 - 2 VR 3.20 -, a. a. O., Rn. 13, und vom 10. Dezember 2018 - 2 VR 4.18 -, a. a. O., Rn. 18.
32Dass dies der Fall ist, lässt sich dem Vermerk allerdings ebenfalls nicht entnehmen.
33Der Antragsgegner gelangt in dem Vermerk schon nicht zu der Einschätzung, dass das Stellenbesetzungsverfahren infolge der Durchführung von zwei Maßstabsbesprechungen mit einem Mangel behaftet ist. Er stellt unter Nr. 2 des Vermerks lediglich fest, dass „2018 und 2019 zwei Maßstabsbesprechungen mit den Schulleitungen durchgeführt“ worden sind, und weist damit darauf hin, dass ein Teil der für die Beurteilung der Bewerber zuständigen Schulleiter an der Maßstabsbesprechung vom 5. Juni 2018 und der andere Teil an der Maßstabsbesprechung vom 8. April 2019 teilgenommen hat. Dies lässt indes nicht ohne Weiteres darauf schließen und der Antragsgegner geht auch nicht davon aus, dass den Beurteilern in den Maßstabsbesprechungen unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe vermittelt worden sind bzw. die der Auswahlentscheidung zu Grunde gelegten Beurteilungen nicht auf einem einheitlichen Maßstab beruhen. Hierfür gibt auch der im Vermerk in diesem Zusammenhang angeführte Umstand nichts her, eine Klägerin habe bemängelt, dass „in einer Maßstabsbesprechung die Schulleitungen angehalten worden seien, nur drei Punkte zu vergeben“. Diese Behauptung findet in den Ausführungen des Antragsgegners keine Grundlage. Jener hat im Schriftsatz vom 7. April 2020 vielmehr lediglich erklärt, es habe nicht „zweifelsfrei bewiesen werden“ können, dass in den Konferenzen ein exakt einheitlicher Bewertungsmaßstab vermittelt worden sei. Daraus geht nicht hervor, dass der Antragsgegner selbst von der Vermittlung differierender Maßstäbe ausgeht; das Vorliegen eines hier liegenden Fehlers hätten die ein Konkurrentenstreitverfahren führenden Mitbewerberinnen zu beweisen bzw. zumindest glaubhaft zu machen. Auch den Protokollen der Maßstabsbesprechungen ist nichts Hinreichendes dafür zu entnehmen, dass die Behauptung zutreffen könnte. Insoweit fügt sich, dass die Hälfte der Bewerber, die im Anschluss an die Maßstabsbesprechung vom 5. Juni 2018 beurteilt worden sind, und der überwiegende Teil der Bewerber, die im Anschluss an die Maßstabsbesprechung vom 8. April 2019 beurteilt worden sind, ein Gesamturteil von mindestens 4 Punkten erzielt hat.
34Im Weiteren führt der Antragsgegner aus, bei der Mitbewerberin S. sei anstatt der Anlage 2 „Beurteilung durch die Schulleitung“ die Anlage 5 „Leistungsbericht“ von der Schulleitung genutzt worden (vgl. Nr. 3 des Vermerks). Es sei dahingestellt, ob der Vermerk hinreichend verlässlich erkennen lässt, dass der Antragsgegner aufgrund dieses Umstands angenommen hat, das Stellenbesetzungsverfahren sei mit einem Rechtsmangel behaftet. Jedenfalls gibt der Vermerk nichts Konkretes dafür her, dass er zu der Einschätzung gelangt ist, es handele sich um einen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand behebbaren Mangel. Eine solche Einschätzung wäre auch nicht plausibel zu begründen gewesen. Denn dieser Mangel hätte im laufenden Stellenbesetzungsverfahren unschwer durch die Anfertigung einer Beurteilung unter Verwendung des hierfür nach den Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung des für Schule zuständigen Ministeriums (RdErl. d. Ministeriums für Schule und Bildung vom 19. Juli 2017 – 213-1.1807.03-624 -, im Folgenden: BRL) vorgesehenen Vordrucks (Anlage 2 der BRL) behoben werden können.
35Abgesehen davon ist es nicht verständlich, wenn der Antragsgegner in Bezug auf die Verwendung des falschen Vordrucks weiter ausführt, auch wenn die Beurteilungsmerkmale dieselben seien, sei zu befürchten, dass „das Gericht die Vergleichbarkeit in Frage stellen“ werde. Die Bewerberin S. ist im Auswahlverfahren nicht zum Zuge gekommen. Es ist nicht ersichtlich, dass sie sich gegen die zu Gunsten anderer Bewerberinnen ausgefallene Auswahlentscheidung gewandt hat. Weder eines der unter Nr. 1 des Vermerks genannten Gerichte noch ein anderes Gericht hatte somit Veranlassung, Rechtsfragen zu erörtern, die die Beurteilung der Bewerberin S. betreffen.
36Schließlich hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Mitbewerberin E. rechtlichen Bedenken unterliege, weil „das Gesamtergebnis von dem Schulleiter falsch gebildet und begründet“ worden sei (vgl. Nr. 4 des Vermerks). Auch diesbezüglich lässt sich dem Vermerk nicht entnehmen, dass er die Einschätzung vertreten hat, diese Mängel seien nicht behebbar. Diese wäre überdies ebenfalls nicht plausibel. Mängel, die die Gewichtung der Beurteilungsmerkmale (vgl. hierzu Nrn. 7.5 und 7.6 BRL) und/oder die Begründung des Gesamturteils (vgl. hierzu Nr. 7.9 BRL) betreffen, hätten vielmehr ohne Weiteres durch die Anfertigung einer neuen Beurteilung im laufenden Stellenbesetzungsverfahren behoben werden können.
37Nach alledem kommt es im vorliegenden Verfahren nicht darauf an und ist von den Beteiligten auch nicht thematisiert worden, ob dem Dienstherrn ein Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Frage zuzuerkennen ist, ob ein von ihm festgestellter Mangel noch im laufenden Auswahlverfahren behoben werden kann.
38Vgl. hierzu in Bezug auf gerichtlich festgestellte Mängel einerseits: Sächs. OVG, Beschluss vom 2. September 2020 - 2 B 247/20 -, juris Rn. 21 m. w. N.; andererseits OVG NRW, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 1 B 1519/19 -, a. a. O., Rn. 13 ff., Hess. VGH, Beschluss vom 1. Oktober 2020, a. a. O., Rn. 15 ff.; Bay VGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 - 3 CE 18.2608 -, a. a. O., Rn. 27 ff.
39Was mit der „unzulässigen Binnendifferenzierung“ gemeint ist, die im Abbruchvermerk (vgl. Nr. 4) noch erwähnt ist, ist nicht nachvollziehbar. Soweit damit die Unzulässigkeit von Zwischenbewertungen angeführt werden soll,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 16.02 -, DÖD 2003, 202 = juris Rn. 13,
41geht dies ins Leere. In der dienstlichen Beurteilung der Frau E. ist - den Beurteilungsrichtlinien entsprechend, die dies in Nr. 7.4 Satz 1 BRL ausschließen - keine Zwischenbewertung vorgenommen.
42Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass mit Blick auf die Bewertungen der einzelnen Beurteilungsmerkmale die Bewerberin E. (5, 3, 4, 5, 5, 5 Punkte) auch dann den Klägerinnen der arbeitsgerichtlichen Verfahren N. (4, 3, 4, 5, 4 , 4 Punkte), B. (4, 3, 4, 3, 4, 4 Punkte), T. (3, 3, 4, 3, 4, 3 Punkte) und N1. (3, 3, 3, 3, 4, 3 Punkte) vorzuziehen gewesen wäre, wenn ihre Beurteilung nicht mit dem Gesamturteil „5 Punkte“, sondern nur mit dem Gesamturteil „4 Punkte“ geendet hätte. Auch auf die Frage, welchen Merkmalen bei der Bildung des Gesamturteils besondere Bedeutung beizumessen gewesen wäre bzw. ob der Beurteiler der Bewerberin E. den in Nr. 7.6 BRL enthaltenen Vorgaben Rechnung getragen hat, wäre es somit nicht angekommen.
43Ein sonstiger Grund, der den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens sachlich rechtfertigen könnte, ergibt sich aus dem Vermerk nicht. Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Grund weder aus dem Umstand folgt, dass ein Abbruch die Möglichkeit eröffnen würde, das gesamte Auswahlverfahren im Jahr 2020 „neu aufzurollen“ (vgl. Nr. 5 des Vermerks), noch aus dem Umstand, dass im Haushaltsjahr 2020 mehr „Beförderungsstellen nach A 10“ zur Verfügung stehen könnten (vgl. Nr. 6 des Vermerks).
44Einer tragfähigen Grundlage entbehrt nach alledem die den Vermerk abschließende Folgerung des Antragsgegners (vgl. Nr. 7 des Vermerks), es bestehe „daher ein sachlicher Grund für den Abbruch des Verfahrens - auch vor dem Hintergrund, dass das Verfahren nicht (mehr) zu einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung führen“ könne.
45Nicht maßgeblich für die gerichtliche Prüfung, weil nicht in der Begründung für die Abbruchentscheidung enthalten, sind die mit Schriftsatz vom 7. April 2020 erfolgten Ausführungen im gerichtlichen Verfahren. Dies gilt insbesondere auch, soweit der Antragsgegner dort ausführt, Gegenstand der von den Mitbewerberinnen B. und T. anhängig gemachten arbeitsgerichtlichen Verfahren seien u. a. die Behauptungen der betreffenden Schulleiter gewesen, „dass diese in den Maßstabskonferenzen angehalten worden seien, kein ‚sehr gut‘ zu erteilen bzw. nicht mehr als drei bis vier Punkte zu verteilen“ und restriktiv vorzugehen. Diese (angeblichen) Äußerungen sind in den Verwaltungsvorgängen nicht dokumentiert. Im Übrigen ist dieses Vorbringen schon nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Denn die Beurteilungen der an der D. -C. -Schule in I. tätigen Mitbewerberinnen B. und T. sind vom selben Schulleiter, nämlich von Herrn C1. -E1. erstellt worden. Dieser hat weder an der Maßstabsbesprechung vom 8. April 2019 noch an der Maßstabsbesprechung vom 5. Juni 2018 teilgenommen. Nur an letzterer hat der Konrektor der D. -C. -Schule teilgenommen.
46Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
47Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).