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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit ihr dargelegten Gründe geben keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern oder aufzuheben (vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO).
3Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller weiter vorläufig am Auswahlverfahren beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst zum 1. September 2020 teilnehmen zu lassen, weil der die Voraussetzungen für eine Einstellung versagende Bescheid des Antragsgegners vom 21. November 2019 rechtswidrig sei und den Antragsteller in seinen Rechten verletze. Die Tätowierung des Antragstellers könne seiner Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst nicht entgegen gehalten werden.
4Diese Entscheidung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller hat entgegen dem Beschwerdevortrag die tatsächlichen Voraussetzungen sowohl eines Anordnungsgrundes als auch einer Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs und damit eines Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920, 294 ZPO). Der Antragsgegner hat seinen Beurteilungsspielraum überschritten, indem er die für die Bewerbungsablehnung angeführten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers allein aus der Existenz eines auf die Brust des Antragstellers tätowierten Löwenkopfes mit geöffnetem Maul (22 cm x 18 cm) hergeleitet hat.
5Der Dienstherr ist verpflichtet, seine Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG und den Regelungen in § 9 BeamtStG auszurichten. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dieser auch bei Einstellungen in das Beamtenverhältnis auf Widerruf nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Laufbahn der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen (LVOPol) gegebene Bewerbungsverfahrensanspruch vermittelt dem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht darauf, dass über seinen Antrag auf Zugang zu öffentlichen Ämtern nur nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ermessensfehlerfrei entschieden wird. Der Bewerber kann verlangen, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz oder andere verfassungsmäßige Vorgaben gedeckt sind.
6Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Dezember 2015 ‑ 2 BvR 1958/13 -, BVerfGE 141, 56 = juris Rn. 31, und vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 -, BVerfGE 139, 19 = juris Rn. 76; OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 6 B 1109/16 -, NVwZ 2017, 807 = juris Rn. 14.
7Mit dem Begriff der „Eignung“ ist ebenso wie mit den Begriffen der Befähigung und fachlichen Leistung ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn eröffnet, der nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist insoweit auf die Überprüfung beschränkt, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.
8Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 ‑ 2 BvR 2453/15 -, BVerfGE 143, 22 = juris Rn. 18 f.; BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 -, NVwZ 2013, 1227 = juris Rn. 34; OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 6 B 1109/16 -, a. a. O., Rn. 10.
9„Geeignet“ ist nach Art. 33 Abs. 2 GG derjenige, der dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013
11- 2 C 16.12 -, ZBR 2014, 162 = juris Rn. 10.
12Dabei kommt die Ablehnung der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf nicht nur und erst dann in Betracht, wenn die Einstellungsbehörde festgestellt hat, dass der Bewerber die erforderliche charakterliche Eignung nicht besitzt. Vielmehr genügen auch berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Bewerbers.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. September 2019 - 6 B 651/19 -, juris Rn. 6; vom 13. September 2018
14- 6 B 1176/18 -, juris Rn. 10; vom 17. August 2017
15- 6 B 751/17 -, juris Rn. 8; vom 2. Dezember 2016
16- 1 B 1194/16 -, juris Rn. 13 ff.; vom 2. November 2016 - 6 B 1172/16 -, juris Rn. 9 f; vom 19 November 2014 - 6 A 1896/13 -, juris Rn. 42 und vom 18. Oktober 2013 - 1 B 1131/13 -, juris Rn. 7 ff., 14; Sächs. OVG , Beschluss vom 20. September 2017 - 2 B 180/17 -, juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10. März 2017 - 4 S 124/17-, juris Rn. 5.
17Solche die Einstellung hindernden berechtigten Zweifel können gegeben sein, wenn Art und Inhalt vorhandenen Körperschmucks auf eine innere Einstellung oder Gesinnung des Bewerbers schließen lassen, die mit den Grundpflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist, insbesondere der Bewerber nicht die durch § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG geforderte Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten.
18Hierbei ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass Tätowierungen als eine Form des Körperschmucks, trotz ihrer Zunahme in der Gesamtbevölkerung, Aussagekraft in Bezug auf die Persönlichkeit, insbesondere die innere Einstellung ihres Trägers haben können und je nach gewähltem Motiv einen Mangel der charakterlichen Eignung erkennen lassen können. Dies ist insbesondere bei der Betätigung einer verfassungsfeindlichen Gesinnung durch entsprechend symbolträchtige Tätowierungen der Fall, unabhängig davon ob sie beim Tragen von Dienstkleidung sichtbar sind oder nicht.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017
20- 2 C 25.17 -, BVerwGE 160, 370 = juris- Rn. 27, 50.
21Die Löwenkopftätowierung des Antragstellers lässt jedoch für sich genommen den Schluss auf eine in diesem Sinne bedenkliche Einstellung nicht zu. Die fein konturierte, realitätsgetreue Abbildung eines männlichen Löwenkopfes in brüllender Manier dient ersichtlich nicht dem Zweck, eine Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe oder zu einer politischen Partei oder eine sonstige inneren Haltung, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspricht, sichtbar zu machen. Der Tätowierung kommt kein in ihrem Deutungsgehalt eindeutiger, die Grundsätze der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Frage stellender Inhalt zu, weshalb es für die vom Antragsgegner getroffene Feststellung weiterer Anhaltspunkte bedürfte, um aus dem vom Antragsteller gewählten Motiv auf eine Eignungszweifel begründende, hier insbesondere gewaltverherrlichende Einstellung seiner Person schließen zu können. An solchen fehlt es jedoch.
22Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass das realitätsnahe Bild eines brüllenden oder zähnefletschenden Löwen mit geöffnetem Maul und angriffsbereit wirkendem Gesichtsausdruck vielfältiger, darunter auch einer mit dem an einen Polizeivollzugsbeamten gestellten Anforderungsprofil vereinbaren Deutung zugänglich ist. Für die Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Antragstellers ist die vom Verwaltungsgericht angeführte Bedeutung von Löwenköpfen an Gebäuden und Portalen in den unterschiedlichen Stilepochen der Architektur allerdings ebenso wenig von Belang wie das vom Antragsteller zur Begründung seines Rechtsschutzgesuchs gezeichnete Charakterbild bestimmter Löwen in Fernseh- und Kinofilmen, wie etwa in dem Film „König der Löwen“. Maßgeblich ist die Aussagekraft der konkreten Tätowierung und die Frage, ob mit ihr eine Gesinnung zum Ausdruck gebracht werden soll, die berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung ihres Trägers begründet. Angesichts der Intensität des mit der Ablehnung der Einstellung verbundenen Eingriffs in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG genügt es dabei entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht, dass die Art der Darstellung des Löwenkopfes überhaupt eine Interpretation dergestalt zulässt, der Träger sei Kampf und Macht im negativen Sinne nicht abgeneigt. Sofern der Bedeutungsgehalt der Tätowierung nicht für sich genommen hinreichend sicher auf eine eignungshinderliche, etwa gewaltverherrlichende Einstellung schließen lässt, bedarf es vielmehr zusätzlicher Anhaltspunkte dafür, dass eine solche anzunehmen ist. Es genügt nicht, eine von vielen denkbaren Deutungsvarianten der Tierdarstellung zu mutmaßen und der Bewertung zugrunde zu legen.
23Ausgehend hiervon genügt die in der Beschwerdebegründung nochmals erläuterte Annahme des Antragsgegners nicht, die Art der Darstellung des Löwen in Drohgebärde, in abschreckender und furchterregender Angriffshaltung, schließe eine Affinität des Antragstellers zur Gewalt nicht aus. Die Symbolik der Darstellung eines brüllenden Löwen ist ambivalent und ermöglicht eine Reihe von Interpretationen; dem Träger könnten ebenso gut Eigenschaften wie Lebenswille, Mut, Durchsetzungskraft zugesprochen werden, und damit Eigenschaften, die seine charakterliche Eignung für das angestrebte Statusamt nicht in Frage stellen. Die Angaben des Antragstellers zu der Bedeutung der von ihm getragenen Tätowierung geben auch keinen Anlass zu der Befürchtung, er billige oder befürworte generell (illegale) Gewalt oder ihre Ausübung als mögliches Konfliktlösungsmittel. Er hat sich in seinem Schreiben vom 25. August 2019 ausdrücklich von einer solchen Intention distanziert, eine gewaltverherrlichende Einstellung dementiert und auf im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Trainer erworbene soziale Kompetenzen hingewiesen. Für ihn stehe der Löwe für Stärke, Mut und Macht.
24Der Antragsteller hat auch die Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts verwiesen. Der Antragsteller möchte an der im September 2020 beginnenden Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst teilnehmen, weshalb ein Verweis auf den Klageweg einer Rechtsschutzvereitelung gleich käme.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
26Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).