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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11.8.2016 geändert und der Bescheid des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 11.3.2014 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die teilweise Rückforderung einer Zuwendung, die der Klägerin im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (nachfolgend: BMBF) ausgegebenen Förderprogramms „Mikrosysteme 2004 - 2009“ gewährt worden ist.
3Auf Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 9.1.2007 eine nicht rückzahlbare Zuwendung im Wege der Anteilfinanzierung in Höhe von 54,00 v. H. der tatsächlich entstehenden, auf Grund einer Nachkalkulation zu ermittelnden zuwendungsfähigen Selbstkosten, höchstens jedoch 402.462,00 Euro für das Verbundprojekt „Q. “. Dabei wollte die Klägerin in der Zusammenarbeit mit zwei weiteren Verbundpartnern ein Testsystem zur Diagnose von mikrobiell verursachten Erkrankungen entwickeln, das direkt vom Zahnarzt in der eigenen Praxis eingesetzt werden kann. Der Bewilligungszeitraum wurde zunächst auf die Zeit vom 1.2.2007 bis zum 31.12.2009 festgelegt und mit Änderungsbescheid vom 17.11.2009 bis zum 30.6.2010 verlängert. Die dem Zuwendungsbescheid beigefügten Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des BMBF – NKBF 98 – (Stand: April 2006) wurden nach Maßgabe der im Bescheid genannten Bestimmungen zum Bestandteil des Bescheids erklärt. Die Kosten waren nach dem pauschalierten Verfahren gemäß Nr. 5.6 NKBF 98 abzurechnen. Die Verwendung der Zuwendung war spätestens mit Ablauf des sechsten auf den Bewilligungszeitraum folgenden Monats dem Zuwendungsgeber nachzuweisen, Nr. 19.1 Satz 1 NKBF 98.
4Die Beklagte bevollmächtigte die W. GmbH als Projektträger, die Zuwendung im Namen und für Rechnung des BMBF abzuwickeln und im Rahmen der BMBF-Regelungen die hierzu erforderlichen Rechtshandlungen selbständig vorzunehmen.
5Der Zuwendungsbescheid enthielt den Hinweis, dass die Zuwendung erst ausgezahlt werden könne, wenn der Bescheid nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bestandskräftig geworden sei und alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt seien. Die Klägerin könne die Bestandskraft des Zuwendungsbescheids vorher herbeiführen, wenn sie auf der beiliegenden Empfangsbestätigung erkläre, dass sie auf einen Rechtsbehelf verzichte. Die Klägerin sandte die „Empfangsbestätigung“, die unter anderem den Satz „Ich verzichte auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs“ enthielt, von ihrem Geschäftsführer unterschrieben an den Projektträger zurück.
6Mit Schreiben vom 29.6.2010 forderte der Projektträger die Klägerin auf, den Verwendungsnachweis bis zum Jahresende einzureichen. Daraufhin übermittelte die Klägerin im August 2010 zunächst eine Kostenrechnung für das erste Quartal 2010. Sie erklärte, ihre Abrechnung sei damit abgeschlossen, weil bereits jetzt der Bundesanteil die verfügbaren Mittel übersteige. Sie fragte an, ob sie für das zweite Quartal 2010 noch eine „Null-Kostenabrechnung“ vorlegen müsse. Die Klägerin übersandte die Abschlussunterlagen für das geförderte Projekt, darunter den Verwendungsnachweis, dem Projektträger unter dem 24.12.2010. Der Projektträger wies die Klägerin mit Schreiben vom 14.1.2011 darauf hin, dass der vorgelegte Verwendungsnachweis unvollständig sei, insbesondere Dokumente zu den Personalkosten fehlten. Er gab ihr Gelegenheit, diese bis zum 21.1.2011 nachzureichen, andernfalls werde der Verwendungsnachweis auf Basis der vorliegenden Unterlagen geprüft. Mit Schreiben vom 20.1.2011, eingegangen am 24.1.2011, legte die Klägerin Berechnungen der Jahresstundensätze für die Monate Januar bis März 2010 vor. Sie erklärte, dass ihre Mitarbeiter teilweise auch noch in den Folgemonaten an dem Projekt gearbeitet hätten. Da die Zuschüsse jedoch bereits erschöpft gewesen seien, habe sie insoweit auf eine Abrechnung verzichtet. Sollte dies noch gewünscht sein, könne die Klägerin sie gerne erstellen.
7Mit Schreiben vom 21.7.2011 übermittelte der Projektträger der Klägerin einen Bescheid der Beklagten vom 29.6.2011, wonach die Prüfung des Verwendungsnachweises – vorbehaltlich der Prüfung durch weitere Prüfungsinstanzen (z. B. Bundesrechnungshof, Landesrechnungshof, Rechnungsprüfungsamt, Preisüberwachungsstelle) – keine Beanstandungen ergeben habe. Als zuwendungsfähige Gesamtausgaben seien 768.614,68 Euro anerkannt, so dass der Bundesanteil (54,00 v. H.) grundsätzlich 415.051,93 Euro betrage. Angesichts von bereits ausgezahlten Bundesmitteln in Höhe von 399.772,79 Euro habe sich im Hinblick auf den nach dem Zuwendungsbescheid höchstens auszuzahlenden Bundesanteil in Höhe von 402.462,00 Euro ein zuwendungsfähiger Fehlbetrag in Höhe von 2.689,21 Euro ergeben, der zwischenzeitlich durch Überweisung ausgeglichen worden sei. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid wurde der Klägerin zusammen mit einem Vordruck „Empfangsbestätigung“ übermittelt, der demjenigen zum Zuwendungsbescheid vom 9.1.2007 entsprach und ebenfalls eine Rechtsbehelfsverzichtserklärung enthielt. Die Klägerin sandte diese „Empfangsbestätigung“ von ihrem Geschäftsführer unterschrieben an den Projektträger zurück.
8Der Projektträger ersuchte die Bezirksregierung Münster (nachfolgend: Bezirksregierung) anschließend mit der Kostenprüfung. Diese kam in ihrem Kostenprüfungsbericht vom 23.1.2014 zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtkosten des Projekts auf 708.276,24 Euro beliefen und nicht wie von der Klägerin im Verwendungsnachweis angegeben auf 782.530,54 Euro oder wie vom Projektträger berechnet auf 768.614,68 Euro. Ursache für die nach der Prüferkalkulation festgestellten geringeren Gesamtkosten des Projekts seien im Wesentlichen Abweichungen bei den Personalkosten. Die Klägerin sei vom Gesamt-Brutto anstatt vom steuerpflichtigen Bruttoentgelt ausgegangen, im Jahr 2010 habe sie 48 vorhabenbezogene Stunden zu viel aufgeschrieben und in den Jahren 2009 und 2010 habe sie bei einigen Mitarbeitern deutlich höhere Jahresgehälter angesetzt als in den Gehaltsabrechnungen ausgewiesen. Ausweislich des Prüfberichts fand die Kostenprüfung vom 20.1. bis 23.1.2014 mit einer Schlussbesprechung am 23.1.2014 statt. Auskunftspersonen der Klägerin waren ihr Geschäftsführer und ihre Buchhalterin.
9Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 11.3.2014 unter Bezugnahme auf ihren Bescheid vom 29.6.2011 über die Prüfung des Verwendungsnachweises und den Kostenprüfungsbericht der Preisüberwachungsstelle vom 23.1.2014 mit, „aufgrund des o. a. Prüfungsberichts ergibt sich – vorbehaltlich weiterer Prüfungen – folgende endgültige Berechnung“. Ausgehend von anzuerkennenden Selbstkosten in Höhe von 708.276,24 Euro berechnete sie einen Bundesanteil in Höhe von 382.469,17 Euro. Angesichts der bereits in Höhe von 402.462,00 Euro ausgezahlten Bundesmittel forderte sie die Klägerin auf, den entstandenen Differenzbetrag in Höhe von 19.992,83 Euro unverzüglich zurückzuüberweisen. Nach Eingang der Rückzahlung werde eine gesonderte Zinsberechnung übersandt. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid wurde der Klägerin unter dem 12.3.2014 vom Projektträger mit der Bitte zugesandt, die beigefügte Empfangsbestätigung, die dem auch zuvor verwendeten Vordruck einer Empfangsbestätigung glich, umgehend zurückzureichen. In dem mit „Empfangsbestätigung“ in Fettdruck überschriebenen Vordruck, der oben rechts mit dem fett gedruckten Zusatz „Bitte sofort zurücksenden!“ versehen war, hieß es:
10„Hiermit bestätige ich, dass ich den Vermerk zum Verwendungsnachweis (nach Prüfung durch die Preisüberwachungsstelle)
11Förderungskennzeichen: 16SV3325
12am _________ erhalten habe.
13Ich verzichte auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs.
14__________________, den
15___________________________
16(Rechtsverbindliche Unterschrift)“
17Der Geschäftsführer der Klägerin trug als Empfangsdatum den 17.3.2014 ein, unterschrieb unter dem 20.3.2014 im Unterschriftsfeld und sandte die „Empfangsbestätigung“ an den Projektträger zurück.
18Die Klägerin hat gegen den Rückforderungsbescheid Klage erhoben.
19Sie hat dem Einwand der Beklagten widersprochen, die Klage sei unzulässig. Sie habe keinen wirksamen Rechtsbehelfsverzicht erklärt. Ein solcher müsse angesichts seiner prozessualen Tragweite unter Anlegung eines strengen Maßstabs eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich sein. Der Klägerin bzw. ihrem Geschäftsführer sei jedoch erstmals durch den Klageerwiderungsschriftsatz der Beklagten aufgefallen, dass die Empfangsbestätigung den Passus „Ich verzichte auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs“ enthalte. Bis dahin sei sie davon ausgegangen, dass es sich bei dem unterschriebenen Dokument ausschließlich um eine Empfangsbestätigung gehandelt habe. Die fett gedruckte Überschrift „Empfangsbestätigung“ führe den Leser in die Irre, was durch den Zusatz „bitte sofort zurücksenden!“ verstärkt werde.
20Die Klage sei auch begründet, weil die dem Rückforderungsbescheid zu Grunde liegende Berechnung der Personalkosten für das Jahr 2010 unrichtig sei. Zwar habe sie, die Klägerin, – wie in dem Prüfbericht von der Bezirksregierung festgestellt – die Personalkosten abweichend von den Zuwendungsbedingungen irrtümlich nicht mit dem steuerpflichtigen Bruttoentgelt, sondern mit dem Gesamt-Brutto berechnet. Unabhängig davon beliefen sich die förderfähigen und angemeldeten Personalkosten für die Monate Januar bis März 2010 aber auf 53.439,83 Euro und nicht – wie die Beklagte angenommen habe – auf 38.846,61 Euro. Damit habe die Beklagte schon 7.880,34 Euro zu viel [(53.439,83 Euro - 38.846,61 Euro) / 100 x 54] zurückgefordert. Aber auch der noch verbliebene Rückforderungsanspruch bestehe nicht. Die während der Förderzeit für die Monate April, Mai und Juni 2010 angefallenen Personalkosten seien von der Beklagten zu Unrecht nicht in die förderfähigen Kosten einbezogen worden. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie, die Klägerin, die entsprechenden Nachweise erst im Klageverfahren nachgereicht habe. Aus ihrem Schreiben vom 20.1.2011 ergebe sich, dass sie von der Beklagten einen Hinweis erwartet habe, ob es sinnvoll sei, die Stundennachweise für die Monate April bis Juni 2010 einzureichen. Eine entsprechende Hinweispflicht folge aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden öffentlichen Rechtsverhältnis. Die demnach für das Jahr 2010 insgesamt zu berücksichtigenden Personalkosten in Höhe von 80.797,02 Euro begründeten einen Zuwendungsanspruch in Höhe von 43.630,39 Euro. Die Differenz zu den von der Beklagten für 2010 in Höhe von 20.977,17 Euro anerkannten Personalkosten übersteige den Rückforderungsbetrag.
21Die Klägerin hat beantragt,
22den Bescheid der Beklagten vom 11.3.2014 aufzuheben.
23Die Beklagte hat beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie hat geltend gemacht: Der Rückforderungsbescheid sei bestandskräftig, weil die Klägerin gegenüber der Beklagten einen wirksamen Rechtsbehelfsverzicht erklärt habe. Ein Rechtsbehelfsverzicht müsse nicht in einer gesonderten Erklärung aufgeführt sein, sondern könne in eine Empfangsbestätigung integriert werden. Die Klägerin sei von dem Rechtsbehelfsverzicht auch nicht überrascht worden. Der entsprechende Vordruck sei ihr im Zusammenhang mit den vorherigen Bescheiden und aus anderen Förderprojekten der Beklagten, bei denen der gleiche Vordruck genutzt werde, hinreichend bekannt gewesen.
26Ungeachtet dessen wäre die Klage auch unbegründet. Die angefallenen Personalkosten seien zutreffend berechnet worden. Die Klägerin lege bei der Berechnung der Personaleinzelkosten für das Jahr 2010 irrtümlich die anteiligen Gehälter für die Monate Januar bis März 2010 zu Grunde und berechne hierauf beruhend die jeweiligen Stundensätze. Dies widerspreche jedoch den Vorgaben der NKBF 98. Die Beklagte habe sämtliche prüffähigen Unterlagen berücksichtigt, die fristgerecht beim Projektträger eingegangen gewesen seien. Nach den NKBF 98 treffe den Zuwendungsempfänger die Pflicht, für die Einreichung der Belege über seine entstandenen Kosten Sorge zu tragen. Die Klägerin habe im Schreiben vom 20.1.2011 auch nicht der Beklagten die Frage gestellt, ob die Stundennachweise für April, Mai und Juni 2010 noch vorgelegt werden müssten. Vielmehr habe sie deutlich gemacht, auf die Abrechnung für diese Monate zu verzichten, und die Stundennachweise nur, sofern gewünscht, noch vorlegen zu können.
27Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin habe durch ihre schriftliche Erklärung vom 20.3.2014 ausdrücklich, eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie auf die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen den Bescheid vom 11.3.2014 verzichte. Die auf einem Vordruck der Beklagten vorgesehene Verzichtserklärung habe bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise nicht überlesen werden können. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin bereits in zwei Fällen zuvor gleichlautende Erklärungen unterschrieben habe. Einer gesonderten Erklärung des Rechtsbehelfsverzichts habe es nicht bedurft. § 354 Abs. 2 Satz 1 AO finde keine Anwendung. Ein derartiger Rechtsbehelfsverzicht sei nur unwirksam, wenn er etwa durch Drohung, Täuschung oder sonstige unzulässige Beeinflussung herbeigeführt worden sei, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestünden. Der Klageverzicht sei auch nicht wegen einer Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB unwirksam. Sollte der Geschäftsführer der Klägerin bei Unterzeichnung der „Empfangsbestätigung“ den Satz zum Verzicht nicht gelesen haben, sei auszuschließen, dass er sich über den Inhalt und die Tragweite seiner Verzichtserklärung im Irrtum befunden habe (Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Jedenfalls habe die Klägerin die Anfechtung nicht unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt. Zwischen dem Klageerwiderungsschriftsatz der Beklagten vom 4.8.2014 und der konkludenten Anfechtungserklärung im Schriftsatz der Klägerin vom 24.9.2014 hätten mehr als sechs Wochen gelegen.
28Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens geltend: Durch die Aussage ihres Geschäftsführers und die fristgerechte Klageerhebung werde belegt, dass sie nicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs habe verzichten wollen. Selbst wenn ein Rechtsbehelfsverzicht, der durch ein Empfangsbekenntnis an versteckter Stelle erklärt werde, bei begünstigenden Bescheiden zulässig wäre, müsse für in die Rechte des Adressaten eingreifende Rückforderungsbescheide etwas anderes gelten. Der von der Beklagten in einer Vielzahl von Fällen verwendete Vordruck sei in entsprechender Anwendung der Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, weil der darin enthaltene Rechtsbehelfsverzicht überraschend sei. Jedenfalls sei es angesichts der Gestaltung der Empfangsbestätigung und der fehlenden Belehrung über Bedeutung und Tragweite des Rechtsbehelfsverzichts treuwidrig und arglistig, sich auf den Rechtsbehelfsverzicht zu berufen. Die Klage sei auch begründet, weil die Fördersumme erreicht werde. Insoweit werde auf den gesamten erstinstanzlichen Vortrag einschließlich der Beweisantritte Bezug genommen.
29Die Klägerin beantragt,
30das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11.8.2016 zu ändern und den Bescheid des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 11.3.2014 aufzuheben.
31Die Beklagte beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht im Wesentlichen geltend: Die unterschriebene Erklärung „Ich verzichte auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs“ sei hinsichtlich ihres Erklärungsinhalts – auch für den juristischen Laien – nicht missverständlich, sondern eindeutig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme es auf die konkrete Lage des Falles und die Möglichkeit des Rechtsbehelfsberechtigten an, den Umfang des Verzichts zu erkennen. Bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise sei der Rechtsbehelfsverzicht vorliegend nicht zu übersehen gewesen. Hierfür sprächen die räumliche Trennung des Rechtsbehelfsverzichts durch Absatz und Leerzeichen, die Verortung der Passage unmittelbar vor der Unterschrift, der überschaubare Aussagegehalt auf einer DIN-A4-Seite, die nicht überraschende und nicht überrumpelnde Erklärungssituation auf schriftlichem Wege sowie die Vorbefassung der Klägerin mit dem gleichen Vordruck. Dass sich der Geschäftsführer der Klägerin für die Durchsicht des Textes der Empfangsbestätigung tatsächlich auch Zeit genommen habe, lege der zeitliche Ablauf nahe. Als Eingangsdatum sei der 17.3.2014 auf der Empfangsbestätigung eingetragen und als Unterschriftsdatum der 20.3.2014 aufgeführt. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet. Der rechtzeitige Nachweis von Belegen sei gemäß der NKBF 98 eine zwingende Obliegenheit des Zuwendungsempfängers. Auf den gesamten erstinstanzlichen Vortrag – einschließlich der Beweisangebote – werde insofern verwiesen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (ein Band) und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Ordner mit vier Heftern) Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
37I. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat insbesondere nicht wirksam auf die Erhebung der Klage verzichtet (dazu 1.). Im Übrigen könnte sich die Beklagte vorliegend auch nicht auf einen Klageverzicht berufen (dazu 2.).
381. Die Klägerin hat mit der Unterschrift ihres Geschäftsführers auf der Empfangsbestätigung für den angefochtenen Rückforderungsbescheid vom 11.3.2014 nicht wirksam auf einen Rechtsbehelf verzichtet.
39Nach den gemäß den §§ 133, 157 BGB für die Auslegung von Willenserklärungen auch im öffentlichen Recht geltenden Maßstäben ist bei der Auslegung einer empfangsbedürftigen Erklärung nicht auf den inneren Willen der erklärenden Person, sondern darauf abzustellen, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erkennbar wird.
40Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.7.2018 – 6 B 75.17 –, Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 201 = juris, Rn. 8, sowie Urteile vom 27.6.2012 – 9 C 7.11 –, BVerwGE 143, 222 = juris, Rn. 11, 18, und vom 12.12.2001 – 8 C 17.01 –, BVerwGE 115, 302 = juris, Rn. 40; OVG NRW, Beschluss vom 17.1.2019 – 4 E 779/18 –, juris, Rn. 10 f., m. w. N.
41Ein den Erlass eines Sachurteils ausschließender Klageverzicht ist darüber hinaus nur dann beachtlich, wenn er sich angesichts seiner prozessualen Tragweite ‒ unter Anlegung eines strengen Maßstabs ‒ als eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich darstellt.
42Vgl. BVerwG, Urteile vom 27.2.2002 – 8 C 20.01 –, Buchholz 428 § 31 VermG Nr. 9 = juris, Rn. 17, vom 18.5.1990 – 8 C 40.88 –, Buchholz 448.11 § 24 ZDG Nr. 8 = juris, Rn. 10 ff., und vom 28.4.1978 ‒ VII C 50.75 ‒, BVerwGE 55, 355 = juris, Rn. 13.
43Dies kann aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers nur dann angenommen werden, wenn für ihn die Erklärung hinreichend bestimmt und für ihn zweifelsfrei erkennbar ist, dass der Verzichtende sich der Bedeutung eines Rechtsbehelfsverzichts bewusst war.
44Ähnlich VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.2.2002 – 11 S 2734/01 –, InfAuslR 2002, 289 = juris, Rn. 14, unter Hinweis unter anderem auf BVerwG, Urteil vom 18.5.1990 – 8 C 40.88 –, NVwZ-RR 1990, 581 = juris, Rn. 12.
45Daran fehlt es. Der Empfänger der zurückgesandten Empfangsbestätigung konnte den darin mitunterschriebenen Satz „Ich verzichte auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs“ unter der gebotenen Berücksichtigung seines Kontexts und der Interessenlage der Beteiligten nicht eindeutig, unmissverständlich und unzweifelhaft als einen dem Erklärenden in seiner Bedeutung bewussten Rechtsbehelfsverzicht verstehen.
46Zwar lässt der in der Empfangsbestätigung enthaltene Satz „Ich verzichte auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs“ isoliert betrachtet angesichts seines eindeutigen Wortlauts auf einen Klageverzicht schließen. Jedoch begründen sowohl der textliche Rahmen dieser Erklärung als auch die übrigen Umstände unter Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs ausreichende Zweifel daran, dass ein Unterzeichner einer derartigen Erklärung auf die Erhebung der Klage gegen den ihn belastenden Bescheid in jedem Fall verzichten wollte. Der Unterzeichner, der den Empfang eines belastenden Verwaltungsakts bestätigt, erwartet in der Regel nicht, damit zugleich einen Rechtsbehelfsverzicht zu erklären. Dies gilt umso mehr, wenn er – wie hier – einerseits zur Möglichkeit der Klageerhebung belehrt wird, andererseits jedoch nicht auf den in der Empfangsbestätigung enthaltenen Rechtsbehelfsverzicht hingewiesen und über dessen Bedeutung und Tragweite aufgeklärt wird. Deshalb ist anhand der bloßen „rechtsverbindlichen“ Unterschrift unter der „Empfangsbestätigung“ für einen objektiven Empfänger nicht eindeutig erkennbar, ob sich der Erklärende auch darüber bewusst war, zugleich einen Rechtsbehelfsverzicht zu erklären, oder ob er lediglich den Empfang des Bescheids bestätigen wollte und die weitergehende Verzichtserklärung möglicherweise übersehen hat.
47Siehe zu ähnlichen FallkonstellationenVG Karlsruhe, Urteil vom 6.3.2014 ‒ 2 K 1932/13 ‒, InfAuslR 2015, 14 = juris, Leitsatz 2, Rn. 25; LVG Hamburg, Urteil vom 14.1.1955 ‒ IXa VG L 875/54 ‒, DVBl. 1955, 265.
48Die Möglichkeit, dass der Verzicht vom Erklärenden übersehen und nicht gewollt gewesen sein könnte, liegt für den Empfänger besonders nahe, wenn er – wie hier die Beklagte – die eine Rechtsbehelfsverzichtserklärung enthaltene Empfangsbestätigung selbst vorformuliert hat. Denn der Verwender eines solchen Vordrucks muss in Rechnung stellen, dass die Rechtsbehelfsverzichtserklärung den Erklärenden nach den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten würde. Im Rechtsverkehr ist auch für einen Unternehmer nicht ohne Weiteres damit zu rechnen, dass im Auftrag einer Behörde eine solche Erklärung vorformuliert abverlangt wird. Nach dem Rechtsgedanken aus dem § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB, der nach § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB auch gegenüber Unternehmern Anwendung findet, war hier eine solche Verzichtserklärung mit dem wesentlichen Grundgedanken des gesetzlich eingeräumten Klagerechts sowie mit dem Zweck eines auf einen belastenden Verwaltungsakt bezogenen vorformulierten Empfangsbekenntnisses jedenfalls deshalb nicht mehr zu vereinbaren, weil für ein mögliches Eigeninteresse des Erklärenden an einem Rechtsbehelfsverzicht oder gar für eine Gegenleistung der Behörde nichts ersichtlich war.
49Vgl. BAG, Urteil vom 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 –, BAGE 124, 59 = juris, Rn. 17 ff., 29 ff., 34 ff., 37; zur Unwirksamkeit nach § 307 BGB eines nur nachteiligen formularmäßigen Verzichts auf die Wirkungen der Restschuldbefreiung nach § 1 InsO BGH, Urteil vom 25.6.2015 – IX ZR 199/14, NJW 2015, 2029 = juris, Rn. 7 ff.
50Auch vor dem Hintergrund dieser unangemessenen Benachteiligung des Erklärenden kann der Empfänger der unterschriebenen Empfangsbestätigung nicht eindeutig, unmissverständlich und unzweifelhaft davon ausgehen, dass der Erklärende sich des mitunterschriebenen Rechtsbehelfsverzichts in jedem Fall bewusst war. Vielmehr wäre damit zu rechnen gewesen, dass der Erklärende den Satz „Ich verzichte auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs“ durchgestrichen hätte, wenn er ihn bemerkt und richtig erfasst hätte. Unterlässt er dies hingegen, spricht aus objektiver Empfängersicht alles dafür, dass der Rechtsbehelfsverzicht entweder übersehen oder jedenfalls in seiner Bedeutung und Tragweite verkannt worden sein muss. Angesichts dessen ändert der Aufbau des Empfangsbekenntnisses mit dem durch Absatz und Leerzeichen räumlich abgesetzten Rechtsbehelfsverzicht nichts an der obigen Einschätzung. Nach dem oben bezeichnetem Erfordernis einer Erklärung, die sich aus Empfängersicht eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich als Rechtsbehelfsverzicht darstellt, ist ebenfalls unerheblich, ob die Klägerin bei Anwendung der bei Abgabe sonstiger Willenserklärungen im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den in der Empfangsbestätigung enthaltenen Rechtsbehelfsverzicht hätte erkennen können.
51Das von der Beklagten angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.1.1967 – VII C 191.64 –, BVerwGE 26, 50 = NJW 1967, 2027 stellt keinen abweichenden rechtsgrundsätzlichen Maßstab auf. Es betraf unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse einer Steuererhebung im Wege der Selbsterrechnung ausschließlich den Sonderfall, in dem durch einen Verzicht auf die Einlegung des Einspruchs ein förmlicher Steuerbescheid entbehrlich wird. Hierauf hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich in Abgrenzung zu seiner Rechtsprechung zu einem Rechtsmittelverzicht in einem Verwaltungsverfahren hingewiesen, für das die Zustellung einer mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheidung vorgeschrieben ist. Durch diese soll eine Partei im Verwaltungsverfahren vor einem unklaren und übereilten Rechtsbehelfsverzicht wegen seiner großen Tragweite bewahrt werden.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.1964 – IV C 105.63 –, DVBl. 1964, 874 f. = WKRS 1964, 11817, Rn. 13.
532. Unabhängig von dem Vorstehenden kann sich die Beklagte nach Treu und Glauben jedenfalls nicht auf den in der Empfangsbestätigung enthaltenen Klageverzicht berufen.
54Ein außerprozessual erklärter Rechtsbehelfsverzicht führt nicht unmittelbar zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs, sondern begründet lediglich eine Einrede, die im Prozess erhoben werden muss.
55Vgl. BGH, Beschluss vom 8.5.1985 ‒ IVb ZB 56/84 ‒, NJW 1985, 2334 = juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 18.1.2013 – 17 A 1537/12 –, juris, Rn. 5, VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.2.2002 – 11 S 2734/01 –, InfAuslR 2002, 289 = juris, Rn. 14.
56Nach dem als allgemeiner Rechtsgedanke auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben kann sich die Erhebung einer Einrede im Einzelfall als unzulässige Rechtsausübung darstellen.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2018 – 5 C 9.17 –, BVerwGE 163, 256 = juris, Rn. 9 f.; OVG NRW, Urteil vom 14.11.2012 – 1 A 1579/10 –, NWVBl. 2013, 137 = juris, Rn. 43.
58Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verstößt es zwar für sich genommen nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Behörde bei Aushändigung eines Bescheids den Betroffenen dazu bewegt, auf die Einlegung von Rechtsmitteln zu verzichten, insbesondere wenn ein solcher Verzicht es der Behörde ermöglichen soll, einen Betrag an den Betroffenen alsbald auszuzahlen. Wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn die Interessenlage hiervon grundverschieden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht hingegen ausdrücklich offen gelassen.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 8.2.1957 – IV C 318.56 –, NJW 1957, 1374, 1375.
60Eine grundverschiedene Interessenlage im vorstehenden Sinne sowie eine treuwidrige unangemessene Benachteiligung liegen hier wie ausgeführt vor. Der Rechtsbehelfsverzicht sollte der Beklagten nicht ermöglichen, unmittelbar einen Geldbetrag auszuzahlen oder der Klägerin einen anderen Vorteil zu verschaffen. Er war vielmehr ohne ersichtliche „Gegenleistung“ mit einer Rückzahlungsforderung und damit einer belastenden Regelung für die Klägerin verbunden und auf einem primär als Empfangsbekenntnis dienenden Formular von der Beklagten eingeholt worden.
61Bei dieser Interessenlage erscheint es treuwidrig, sich auf einen Klageverzicht zu berufen, zumal wenn er dem Erklärenden ohne vorherige Belehrung über den Umfang und die Bedeutung des darin geforderten Verzichts in einer vorformulierten umfassenderen Formularerklärung für eine Empfangsbestätigung angetragen wird.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 8.2.1957 – IV C 318.56 –, NJW 1957, 1374, 1375.
63Vorliegend hat die Beklagte die durch keine Gründe zu rechtfertigende Gefahr hervorgerufen, dass die Klägerin einen für sie nur nachteiligen Rechtsbehelfsverzicht erklärt. Damit wird die Klägerin objektiv unangemessen benachteiligt, unabhängig davon, ob die Beklagte die Klägerin gezielt benachteiligen und ihr den Klageverzicht „unterschieben“ wollte. Durch die Aufforderung des Projektträgers in seinem Anschreiben zur Bescheidübermittlung, die Empfangsbestätigung umgehend zurückzureichen, und den entsprechenden Hinweis auf dem Vordruck selbst wird der Erklärende zumindest beeinflusst, die Empfangsbestätigung rasch zu unterschreiben und gleichsam ungewollt einen Rechtsbehelfsverzicht zu erklären. Im Unterschied zu dieser Aufforderung in Bezug auf die Empfangsbestätigung findet sich weder in dem Anschreiben noch im Rückforderungsbescheid geschweige denn in dem Vordruck der Empfangsbestätigung eine Belehrung, die den Betroffenen über Bedeutung und Tragweite des Rechtsbehelfsverzichts aufklärt. Stattdessen wird durch die dem Rückforderungsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung vordergründig der Eindruck erweckt, es bestehe die Möglichkeit, den Rückforderungsbescheid binnen eines Monats anzufechten. Tatsächlich gibt die Empfangsbestätigung den Rechtsbehelfsverzicht ohne Weiteres vor. Sie gibt dem Erklärenden nicht einmal die Wahlmöglichkeit, den Rechtsbehelfsverzicht bewusst und ausdrücklich zu erklären oder hierauf zu verzichten. Darüber hinaus unterscheidet sich der Rückforderungsbescheid vom Zuwendungsbescheid nicht nur hinsichtlich seines abweichenden belastenden Charakters. Nur der Zuwendungsbescheid enthielt – den in diesem Zusammenhang sachlich gerechtfertigten – Hinweis, dass die Klägerin durch Erklärung des Rechtsbehelfsverzichts auf der anliegenden Empfangsbestätigung in ihrem eigenen Interesse die Auszahlung der Zuwendung beschleunigen könne.
64II. Die Klage ist auch begründet. Der Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 11.3.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
65Als Ermächtigungsgrundlage für die von der Beklagten gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 11.3.2014 festgesetzte Erstattung in Höhe von 19.992,83 Euro kommt ausschließlich § 49a Abs. 1 VwVfG in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.
66§ 49a Abs. 1 VwVfG ist auf Grund derselben Interessenlage zu den gesetzlich benannten Fällen entsprechend anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird, der die Zuwendung endgültig in geringerer Höhe festsetzt („Schlussbescheid“). Die Wirkung des Vorbehalts liegt gerade darin, dass die Behörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 49, 48 VwVfG gebunden zu sein.
67Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.1.2019 – 10 C 5.17 –, BVerwGE 164, 237 = juris, Rn. 24, und vom 19.11.2009 – 3 C 7.09 –, BVerwGE 135, 238 = juris, Rn. 14 ff., 24, 28; OVG NRW, Urteil vom 17.6.2020 – 4 A 436/17 –, GewArch 2020, 407 = juris, Rn. 41 f., m. w. N.
68Bei dem angefochtenen Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 11.3.2014 handelt es sich jedoch nicht um einen Schlussbescheid im vorgenannten Sinne. Die Beklagte hat die Festsetzung der Zuwendung vom 29.6.2011 mit dem Rückforderungsbescheid vielmehr konkludent teilweise zurückgenommen und war deshalb an die Vorgaben des § 48 VwVfG und des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts gebunden (dazu 1.), ohne dass die rechtlichen Anforderungen, die sich hieraus ergeben, eingehalten worden sind (dazu 2.).
691. Der Rückforderungsbescheid vom 11.3.2014 kann nicht als Schlussbescheid verstanden werden, der die Zuwendung nach nur vorläufiger Bewilligung endgültig in geringerer Höhe festsetzt, wovon die Beklagte hingegen ausgegangen ist.
70Eine vorläufige Regelung des Zuwendungsverhältnisses dient der Bewältigung von Situationen, bei denen im Zeitpunkt der Regelung über die zu treffende endgültige Entscheidung noch Ungewissheit besteht, sei es, weil die Rechtslage noch ungeklärt ist, sei es, weil eine endgültige Ermittlung des Sachverhalts noch nicht möglich ist. Das Subventionsverhältnis wird dabei zunächst durch den Zuwendungsbescheid geregelt, der aber unter den Vorbehalt der späteren Festsetzung gestellt wird und damit auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt angelegt ist, durch den die Zuwendung in den offen gehaltenen Punkten abschließend geregelt werden sollte. In diesen Fällen wird nach dem Regelungsgehalt des Zuwendungsbescheids die Regelung getroffen, dass der Begünstigte die empfangene Leistung nur vorläufig bis zum Erlass der endgültigen Regelung behalten darf.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.2009 ‒ 3 C 7.09 ‒, BVerwGE 135, 238 = juris, Rn. 16; OVG NRW, Urteil vom 17.6.2020 – 4 A 436/17 –, GewArch 2020, 407 = juris, Rn. 63 ff., m. w. N.
72So lag der Fall hier bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 11.3.2014 nicht. Vorliegend hat die Beklagte die Zuwendungshöhe zwar in ihrem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 9.1.2007 unter den Vorbehalt der späteren Festsetzung gestellt. Der nur vorläufige Charakter der Mittelzuweisung folgte nach der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers bereits aus der im Tenor des Zuwendungsbescheids geregelten, zukunftsoffenen Festlegung auf „eine nicht rückzahlbare Zuwendung von 54,00 v. H. der tatsächlich entstehenden, auf Grund einer Nachkalkulation zu ermittelnden zuwendungsfähigen Selbstkosten, höchstens 402.462,00 Euro (Anteilfinanzierung)“ sowie aus dem Erfordernis einer Verwendungsnachweisführung.
73Den Schlussbescheid, der den ursprünglichen vorläufigen Bewilligungsbescheid ersetzt, hat die Beklagte allerdings bereits in Form des Bescheids vom 29.6.2011 erlassen. Denn der Grund für die Zuwendungsbewilligung unter Vorbehalt, nämlich die bei Bewilligung bestehende Unsicherheit über die Höhe der tatsächlich entstehenden und fristgemäß nachgewiesenen Kosten, war mit der Vorlage des Verwendungsnachweises und dessen Prüfung im Bescheid vom 29.6.2011 weggefallen.
74Daran ändert nichts, dass der Bescheid vom 29.6.2011 seinerseits unter den Vorbehalt der Prüfung durch weitere Prüfungsinstanzen (z. B. Bundesrechnungshof, Landesrechnungshof, Rechnungsprüfungsamt, Preisüberwachungsstelle) gestellt war.
75Die Behörde darf eine Regelung nicht beliebig nur vorläufig treffen, sondern nur, wenn ihr eine bestehende Ungewissheit hierzu sachlichen Grund gibt. Das ist bei einer tatsächlichen Ungewissheit nur dann der Fall, wenn sie Umstände betrifft, die erst künftig eintreten und die nach dem Gesetz auch nicht im Wege einer Prognose zu schätzen sind.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.2009 – 3 C 7.09 –, BVerwGE 135, 238 = juris, Rn. 21.
77Gemessen daran löste der als solcher bezeichnete Vorbehalt der Kostenprüfung nicht erneut das Recht auf Erlass eines Schlussbescheids im vorgenannten Sinne unter der Befreiung der Erfordernisse der §§ 48, 49 VwVfG aus. Die bestehende Ungewissheit über die zuwendungsfähigen Kosten war tatsächlich bereits nach Vorlage des Verwendungsnachweises und Ablauf der dafür vorgesehenen Frist ausgeräumt. Die Beklagte war zwar nicht daran gehindert, die selbst bzw. vom Projektträger durchgeführte Prüfung des Verwendungsnachweises nach Erlass des Schlussbescheids nochmals extern sachverständig überprüfen zu lassen. Die Ungewissheit, ob die vom Projektträger durchgeführte Prüfung dieses Verwendungsnachweises rechnerisch und rechtlich zutreffend war, betraf aber anders als die tatsächliche Verwendung der Fördermittel keinen Umstand, der erst künftig eintreten würde oder nach dem Gesetz im Wege einer Prognose zu schätzen wäre. Deshalb konnte die bereits mit Bescheid vom 29.6.2011 erfolgte Schlussfestsetzung bei später auffallenden Rückforderungsgründen nur noch im Rahmen der §§ 48 und 49 VwVfG zurückgenommen oder widerrufen werden.
78Die Beklagte hat durch ihr Rückforderungsverlangen vom 11.3.2014 ihren Bescheid vom 29.6.2011 mithin konkludent teilweise zurückgenommen.
79Bei der Rückforderung gewährter Geldleistungen ist regelmäßig anzunehmen, dass die Behörde mit der Festsetzung der zu erstattenden Leistung auch die Rücknahme des gewährten Verwaltungsakts erklärt hat. Für diese Annahme reicht es aus, wenn in dem Rückforderungsbescheid auf den früheren Bewilligungsbescheid Bezug genommen wird.
80Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.4.1999 – 8 B 87.99 –, VwRR BY 1999, 290 = juris, Rn. 6, und Urteil vom 13.12.1984 – 3 C 79.82 –, Buchholz 451.90 EWR-Recht Nr. 52 = juris, Rn. 49.
81So liegt es hier. Die Beklagte hat in ihrem Rückforderungsbescheid vom 11.3.2014 ausdrücklich auf ihren Bescheid vom 29.6.2011 über die Prüfung des Verwendungsnachweises Bezug genommen, der als Schlussbescheid den ursprünglichen vorläufigen Zuwendungsbescheid ersetzte und damit die Grundlage für die vollständige Auszahlung und das Behalten der zurückgeforderten Geldsumme bildete. Deshalb kann angenommen werden, dass neben der Teilrückforderung der zuvor bewilligten Zuwendung die vorgelagerte Teilrücknahme gleichsam konkludent miterklärt worden ist.
822. Ausgehend davon liegen allerdings die Voraussetzungen für die Festsetzung der Erstattung nicht vor. Die mitangefochtene Teilrücknahme ist formell und materiell rechtswidrig und deshalb nicht Grundlage für die festgesetzte Erstattung. Die Beklagte hat die Klägerin weder zu der Teilrücknahme angehört (dazu a) noch das ihr eingeräumte Rücknahmeermessen ausgeübt (dazu b).
83a) Die Teilrücknahme ist bereits formell rechtswidrig, weil die Beklagte die Klägerin vor der Entscheidung nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG angehört hat (dazu aa). Die fehlende Anhörung ist auch nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nachgeholt worden (dazu bb) oder nach § 46 VwVfG unschädlich (dazu cc).
84aa) Die Klägerin ist entgegen § 28 Abs. 1 VwVfG nicht vor Erlass des Bescheids angehört worden. Nach dieser Vorschrift ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies erfordert auch, dass die Behörde den Betroffenen darüber in Kenntnis setzt, dass sie beabsichtigt, ihm gegenüber einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen.
85Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.3.2012 – 3 C 16.11 –, BVerwGE 142, 205 = juris, Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 17.7.2019 – 4 A 1990/17 –, NWVBl. 2020, 31 = juris, Rn. 24 f., m. w. N.
86Daran fehlt es. Die Beklagte hat, nachdem der Prüfbericht der Bezirksregierung am 11.2.2014 beim Projektträger eingegangen war, sogleich unter dem 11.3.2014 konkludent die Teilrücknahme verfügt.
87Eine Anhörung der Klägerin lag nicht darin, dass die Bezirksregierung als externe Preisprüfungsstelle der Klägerin nach der durchgeführten Kostenprüfung in einem Abschlussgespräch die festgestellten niedrigeren Gesamtkosten näher erläutert haben soll. Unabhängig davon, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt ein solches Abschlussgespräch tatsächlich stattgefunden hat, entspricht dies nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG.
88Für die Durchführung der Anhörung ist allein die mit Außenwirkung handelnde Behörde zuständig, die auch für den Erlass des belastenden Verwaltungsakts zuständig ist.
89Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2013 – 7 B 18.13 –, DVBl. 2014, 303 = juris, Rn. 12.
90Dies war vorliegend nicht die Bezirksregierung, sondern das BMBF. Ein Handeln der Bezirksregierung kann dem BMBF auch nicht zugerechnet werden. Es kann dahinstehen, ob das BMBF die Bezirksregierung überhaupt zur Durchführung des Verwaltungsverfahrens bzw. eines Teils davon wie der Anhörung zulässigerweise hätte ermächtigen können. Ein entsprechender Auftrag war der Bezirksregierung schon nicht erteilt worden. Der Projektträger hatte die Bezirksregierung mit Schreiben vom 28.7.2011 lediglich um Kostenprüfung gebeten.
91Vor diesem Hintergrund konnte die Bezirksregierung der Klägerin im Übrigen auch gar nicht Gelegenheit geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Denn der Bezirksregierung konnte nicht bekannt sein, welchen Verwaltungsakt das BMBF zu erlassen beabsichtigte. Allein schon deshalb ist das etwaig von der Bezirksregierung mit der Klägerin durchgeführte Abschlussgespräch auch kein Grund, im Rahmen des Ermessens nach § 28 Abs. 2 VwVfG von einer Anhörung abzusehen.
92Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 20.12.2013 – 7 B 18.13 –, DVBl. 2014, 303 = juris, Rn. 12.
93bb) Die unterlassene Anhörung ist nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden. Hiernach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird.
94Eine solche Heilung setzt voraus, dass die Behörde nachträglich die Anhörung ordnungsgemäß durchführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird.
95Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.3.2012 – 3 C 16.11 –, BVerwGE 142, 205 = juris, Rn. 18, und vom 24.6.2010 – 3 C 14.09 –, BVerwGE 137, 199 = juris, Rn. 37.
96Diese Funktion besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt vielmehr ein, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren reichen als solche zur Heilung einer zunächst unterbliebenen Anhörung nicht aus. Eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung setzt vielmehr voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken.
97Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 ‒ 7 C 5.14 ‒, BVerwGE 153, 367 = juris, Rn. 17, m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 17.7.2019 – 4 A 1990/17 –, NWVBl. 2020, 31 = juris, Rn. 30 f., m. w. N.
98Dies ist vorliegend unterblieben. Die Beklagte hat die getroffene Sachentscheidung vielmehr in erster Linie als Schlussbescheid verteidigt und dabei deutlich gemacht, dass sie nicht bereit war, ihre Entscheidung anhand von Einwänden der Klägerin ergebnisoffen kritisch zu überdenken.
99cc) Schließlich war die unterbliebene Anhörung auch nicht nach § 46 VwVfG unschädlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
100Es ist nicht offensichtlich, dass die fehlende Anhörung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es handelt sich nämlich nicht um eine Entscheidung der Beklagten, zu der sie verpflichtet war. Die Teilrücknahme ist vielmehr auch materiell rechtswidrig, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt.
101b) Die Teilrücknahme in dem Bescheid vom 11.3.2014 ist materiell rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr eingeräumte Rücknahmeermessen nicht ausgeübt hat.
102Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der – wie hier – eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist, § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG.
103Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen vor. Der bestandskräftige Bescheid der Beklagten vom 29.6.2011 über die Prüfung des Verwendungsnachweises, mit dem der Klägerin der Zuwendungsbetrag in voller Höhe bewilligt wurde, ist rechtswidrig. In Höhe des zurückgeforderten Betrags von 19.992,83 Euro sind geringere Selbstkosten der Klägerin rechtzeitig nachgewiesen als zuvor an sie maximal bewilligt und ausgezahlt worden waren. Maßgeblich für die Schlussabrechnung sind nach den Nrn. 5.1, 19.1 NKBF 98 (April 2006) die rechtzeitig nachgewiesenen Kosten. Personalkosten sind nach näherer Bestimmung der Nr. 5.6.1 NKBF 98 zuwendungsfähig. Ausgehend davon hat die Beklagte auf der Grundlage des Kostenprüfungsberichts der Bezirksregierung insbesondere die Personalkosten und die übrigen darauf beruhenden Kosten für das Jahr 2010 anders als noch in ihrem Bescheid vom 29.6.2011 zutreffend berechnet. In dem Bescheid vom 29.6.2011 war die Beklagte auf der Grundlage der mit dem Verwendungsnachweis gemachten Angaben der Klägerin bei der Berechnung der Personalkosten noch vom Gesamt-Brutto anstatt vom steuerpflichtigen Bruttoentgelt ausgegangen, hatte im Jahr 2010 48 vorhabenbezogene Stunden zu viel aufgeschrieben und in den Jahren 2009 und 2010 bei einigen Mitarbeitern deutlich höhere Jahresgehälter angesetzt als in den Gehaltsabrechnungen ausgewiesen waren.
104Die von der Klägerin für die Monate Januar bis März 2010 im Klageverfahren als förderfähig veranschlagten Personalkosten in Höhe von 53.439,83 Euro sind hingegen nicht nachvollziehbar und auch nicht maßgeblich. Bei den in ihrer Klagebegründung vorgelegten Bescheinigungen zur Ermittlung der Jahresstundensätze für ihren Geschäftsführer X. und ihre Mitarbeiter T. , N. , I. , H. und F. I1. ergeben sich Abweichungen im Vergleich zu den von der Beklagten im Bescheid vom 11.3.2014 letztlich zu Grunde gelegten Zahlen hinsichtlich der vorhabenbezogenen produktiven Stunden ihres Geschäftsführers X. (124 statt der rechtzeitig nachgewiesenen 119 Stunden), hinsichtlich der Jahresarbeitsstunden ihrer Mitarbeiter H. und F. I1. (866,67 statt 693,67 Stunden bzw. 2.080,00 statt 1.821,00 Stunden) sowie hinsichtlich des Jahresgehalts ihres Mitarbeiters F. I1. (16.635,30 Euro statt 11.817,68 Euro). Auf diese abweichenden Angaben kommt es jedoch zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Festsetzung vom 29.6.2011 nicht an. Sie ergaben sich nämlich nicht aus den Angaben, die die Klägerin innerhalb der Frist für die Vorlage eines Verwendungsnachweises abgegeben hatte. Die Berücksichtigung der nachträglich von der Bezirksregierung bei der Prüfung erstmals festgestellten Zahlen erfolgte ausschließlich zu Gunsten der Klägerin.
105Die Beklagte hat jedoch das ihr eröffnete Rücknahmeermessen nicht erkannt und folglich nicht ausgeübt, vgl. § 114 Satz 1 VwGO.
106Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob für den Fall der (teilweisen) Rücknahme eines Zuwendungsbescheids auch auf der Grundlage von § 48 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VwVfG grundsätzlich kein intendiertes Ermessen in Betracht kommt, und dies auch gilt, wenn sich der Betroffene nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, etwa weil er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig waren.
107So die neuere Rspr. des BVerwG, Urteil vom 16.6.2015 – 10 C 15.14 –, BVerwGE 152, 211 = juris, Rn. 29, unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BVerwG zu § 45 SGB X, der eine dem § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG vergleichbare Regelung nicht enthält; BVerwG, Beschluss vom 11.12.2019 – 8 B 51.19 –, NVwZ-RR 2020, 238 = juris, Rn. 3, Zulassung der Revision wegen Divergenz. Dagegen die ältere Rspr. des BVerwG, Urteile vom 26.6.2002 ‒ 8 C 30.01 ‒, BVerwGE 116, 332 = juris, Rn. 37, zum Widerrufsermessen, vom 16.6.1997 ‒ 3 C 22.96 ‒, BVerwGE 105, 55 = juris, Rn. 14, zum Widerrufs- und Rücknahmeermessen, und vom 23.5.1996 ‒ 3 C 13.94 ‒, Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1 = juris, Rn. 51, zum Rücknahmeermessen.
108Dies zu Grunde gelegt wäre die Teilrücknahme vom 11.3.2014 ohne Weiteres materiell rechtswidrig, weil die Beklagte kein Ermessen ausgeübt hat. Weder in dem angefochtenen Bescheid noch sonst sind für die Teilrücknahme der Zuwendung maßgebliche Ermessenserwägungen dokumentiert.
109Aber auch wenn man vorliegend mit Blick auf die Regel nach § 48 Abs. 2 Satz 4, Satz 3 Nr. 2 VwVfG von einem in Richtung einer Rücknahme intendierten Ermessen der Beklagten ausginge, läge ein rechtsfehlerhafter Ermessensnichtgebrauch vor.
110Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG wird in den Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Vorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG in der Vergangenheit gerade im Zuwendungsrecht als im Sinne eines intendierten Ermessens ermessenslenkende Vorschrift angesehen.
111Vgl. BVerwG, Urteile vom 16.6.1997 – 3 C 22.96 –, BVerwGE 105, 55 = juris, Rn. 14 f., und vom 23.5.1996 – 3 C 13.94 –, Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1 = juris, Rn. 51.
112Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG erfüllt, wonach sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen kann, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Denn die zunächst erfolgte Schlussfestsetzung mit Bescheid vom 29.6.2011 ist jedenfalls auch darauf zurückzuführen, dass die Klägerin die Nachweise über die Jahresgehälter und -stunden ihrer für das Fördervorhaben im Jahr 2010 eingesetzten Mitarbeiter mit dem Verwendungsnachweis nicht vorgelegt bzw. fehlerhafte Angaben über die Jahresgehälter und die vorhabenbezogenen Stunden gemacht hatte. So wurde die Beklagte erst auf der Grundlage des diese Fehler aufdeckenden Kostenprüfungsberichts der Bezirksregierung zur Teilrücknahme veranlasst. Bei Vorlage insoweit vollständiger und richtiger Nachweise wäre die Schlussfestsetzung anders ausgefallen.
113Im Falle eines Verwaltungsakts, der eine Ermessensbetätigung der Behörde vorsieht, deren Richtung bereits vom Gesetz vorgezeichnet ist (sog. intendiertes Ermessen), bedarf es besonderer Gründe, um eine von der intendierten Ermessensausübung abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein von dem gesetzlich angenommenen Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, so versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst. In diesem Fall ist auch eine –das Selbstverständliche darstellende – Begründung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG entbehrlich. Nur für den Fall, dass außergewöhnliche Umstände des Falles, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, erkennbar oder der Behörde bekannt geworden sind, übt diese ihr Ermessen rechtsfehlerhaft aus, wenn sie die betreffenden Umstände nicht erwogen hat.
114Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.3.2017 – 5 C 4.16 –, BVerwGE 158, 258 = juris, Rn. 40, m. w. N., und vom 23.5.1996 – 3 C 13.94 –, Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1 = juris, Rn. 51.
115Die vollständige Kenntnis auch von den für die Ausübung des Rücknahme- oder Widerrufsermessens maßgeblichen Umständen erlangt die Behörde regelmäßig nur infolge einer – mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme verbundenen – Anhörung des Betroffenen.
116Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.1.2019 – 10 C 5.17 –, BVerwGE 164, 237 = juris, Rn. 32, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 15.8.2019 – 15 A 2792/18 –, NVwZ-RR 2020, 333 = juris, Rn. 16 f., m. w. N., 22.
117In Anwendung dieser Grundsätze ist der Bescheid selbst bei Zugrundelegung eines intendierten Ermessens ermessensfehlerhaft ergangen. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer (konkludenten) Rücknahmeentscheidung die außergewöhnlichen Umstände des vorliegenden Falles nicht ermittelt und infolgedessen nicht erwogen. Eine ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung hätte der Klägerin Gelegenheit gegeben, die mit der Klagebegründung nachgereichten Übersichten über die bis Juni 2010 geleisteten Jahresstunden, einschließlich der projektbezogenen Stunden, bereits vor Bescheiderlass vorzulegen. Dann hätte die Beklagte berücksichtigen können und müssen, ob die Klägerin – wie sie mit ihrer Klage geltend gemacht hat – im Bewilligungszeitraum bis Juni 2010 Aufwendungen im Rahmen des Zuwendungszwecks tatsächlich in voller Höhe der festgesetzten Zuwendung erbracht hat, die lediglich nicht vollständig fristgerecht nachgewiesen worden waren, weil dieser Nachweis zunächst als nicht mehr erforderlich angesehen worden war. Insoweit handelte es sich möglicherweise nicht um einen Fall materieller Zweckverfehlung. Darüber hinaus wären die außergewöhnlichen Umstände für die verspätete Vorlage der Übersichten über die bis Juni 2010 geleisteten Jahresstunden unter Berücksichtigung des bisherigen Ablaufs des Verwaltungsverfahrens von der Beklagten näher zu würdigen gewesen. Ob ungeachtet dieser atypischen Besonderheiten die Teilrücknahme letztlich eine von mehreren möglichen ermessensgerechten Entscheidungen gewesen wäre, ist unerheblich.
118Eine Heilung der unterbliebenen, aber erforderlichen Ermessensausübung scheidet aus. Im gerichtlichen Verfahren dürfen nach § 114 Satz 2 VwGO nur Ermessenserwägungen ergänzt werden, wenn das Ermessen zuvor schon in irgendeiner Weise betätigt worden ist.
119Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.6.2015 – 6 B 60.14 –, Buchholz 442.066 § 61 TKG Nr. 3 = juris, Rn. 20, m. w. N.
120Da es daran fehlt, sind insbesondere die schriftsätzlichen Stellungnahmen der Beklagten und die Äußerungen ihres Vertreters in der mündlichen Verhandlung, in denen er sich zu den vorgenannten außergewöhnlichen Umständen verhalten hat, von vornherein nicht geeignet, den Ermessensausfall zu korrigieren.
121Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
122Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
123Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Es bedarf der grundsätzlichen Klärung der Wirksamkeit eines im Zusammenhang mit einem Empfangsbekenntnis für einen belastenden Verwaltungsakt formularmäßig erklärten Rechtsbehelfsverzichts. Das BMBF verwendet derartige Verzichtserklärungen entsprechend in ständiger Praxis, hält diese für wirksam und meint, sich hierauf im Prozess berufen zu können.