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Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 25. und 26. April 2019 werden geändert. Zugunsten des Klägers sind über den jeweils festgesetzten Betrag von Euro hinaus weitere jeweils Euro ( Euro zu je ½) als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung des Klägers anzusetzen.
Die dem Kläger im Erinnerungsverfahren entstandenen Kosten sowie die Gerichtskosten tragen die Beklagte und der Beigeladene zu je ½. Im Übrigen findet ein Kostenausgleich nicht statt.
Gründe:
2Die Beschwerde mit dem sinngemäß gestellten Antrag,
3unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Kostenfestsetzungsverfahren zugunsten des Klägers auch die für die Einholung eines Privatgutachtens des Gutachterbüros V. und Partner GmbH angefallenen Kosten in Höhe von Euro anzusetzen,
4hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich hierbei nicht um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung des Klägers handelt.
5Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO sind die im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 164 VwGO erstattungsfähigen Gerichtskosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Aufwendungen für private, das heißt nicht vom Gericht bestellte, Sachverständige zählen nur ausnahmsweise zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein. Dies kann besonders dann der Fall sein, wenn das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen einen mit der Materie nicht vertrauten Laien überfordert. Dann kann es notwendig sein, dass sich ein Kläger im Rahmen der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht notfalls mit Hilfe eines selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens sachkundig macht, dessen Kosten je nach Ausgang des Verfahrens erstattungsfähig sein können.
6Vgl. dazu insbesondere BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 4 KSt 1008.07, 4 A 1073.04 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2001 ‑ 10a D 191/96.NE -, juris Rn. 9.
7Maßstab ist insoweit, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung.
8Vgl. dazu auch BVerwG, Beschlüsse vom 24. Juli 2008 - 4 KSt 1008.07, 4 A 1073.04 -, juris Rn. 8,und vom 13. März 1992 - 4 B 39.92 -, NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 6; OVG NRW, Beschlüsse vom3. September 2001 - 10a D 191/96.NE -, NVwZ-RR 2002, 902 = juris Rn. 7 ff., und vom 25. Juni 2001 - 7 E 747/99 -, juris Rn. 5 ff.
9Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß § 86 VwGO vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Die Einholung eines Privatgutachtens durch eine Partei ist daher nur, aber auch immer dann als notwendig anzuerkennen, wenn sich dieses mit einer im maßgeblichen Zeitpunkt potenziell entscheidungserheblichen und schwierigen Fachfrage befasst, zu der auch eine rechtlich beratene und vertretene Partei nicht genügend sachkundig Stellung nehmen kann. Zudem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen.
10Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 7. April 2011 – 22 C 10.1854 – juris; BVerwG, Beschluss vom 20. April 2010 - 9 KSt 19.09 -, juris.
11In diesem Kontext kommt auch dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit Bedeutung zu, wenn nämlich eine Partei, die selbst fachunkundig ist, einer Partei gegenübersteht, die ihrerseits die den Rechtsstreit entscheidenden Fragen sachverständig zu beurteilen vermag oder hat beurteilen lassen. Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn an dem Rechtsstreit ein Dritter beteiligt ist, der selbst zur Unterstützung seiner Rechtsposition ein Sachverständigengutachten beigebracht hat.
12Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 4 KSt 1008.07, 4 A 1073.04 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2001 – 7 E 747/99 -, juris Rn. 10; Bay. VGH, Beschluss vom 7. April 2011 – 22 C 10.1854 – juris.
13In einer Situation wie der Vorliegenden liegt dies umso näher, als die grundsätzlich als fachkundig anzusehende Genehmigungsbehörde eine solche vom Bauantragsteller beigebrachte Begutachtung nach eigener Prüfung zum Bestandteil ihrer Genehmigung gemacht hat.
14Vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 4 KSt 1008.07, 4 A 1073.04 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2001 – 7 E 747/99 -, juris Rn. 10.
15Die Prozesslage kann die Einholung eines Privatgutachtens schließlich auch dann herausfordern, wenn dies aus der Sicht des verständigen Beteiligten erforderlich erscheint, um mit einiger Aussicht auf Erfolg das Gericht zu einer förmlichen Beweisaufnahme zu veranlassen.
16Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2002 ‑ 2 BvR 2099/01 ‑, juris; VG München, Beschluss vom 11. Februar 2019 - 8 M 18.3067 -, juris.
17Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte der Kläger bei verständiger Würdigung zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigenbüros V. und Partner GmbH im Mai 2017 von der Notwendigkeit einer Begutachtung ausgehen. Die Frage, ob von dem Vorhaben des Beigeladenen insbesondere für das Grundstück des Klägers unzumutbare Geruchsimmissionen zu befürchten waren, war zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbar entscheidungsrelevant,
18vgl. zu diesem Aspekt auch BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 4 KSt 1008.07, 4 A 1073.04 -, juris Rn. 10,
19wie die Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts in dem am 11. Juli 2017 durchgeführten Ortstermin noch einmal eigens festgestellt hat (Protokollabdruck S. 8). Zugleich handelte es sich bei dieser Frage um den Kern des Vortrags des Klägers, dem es ersichtlich maßgeblich darauf ankam, nicht unzumutbaren Geruchsbelastungen ausgesetzt zu werden. Zugleich konnte er diesen Aspekt angesichts des Ergebnisses des bisher vorliegenden Gutachtens nur dann mit hinreichender Aussicht auf Erfolg geltend machen, wenn die dortigen Feststellungen substantiiert in Zweifel gezogen werden konnten. Die insoweit maßgeblichen Problemstellungen (insbesondere die Auswahl und Verwertbarkeit sowie Vergleichbarkeit von Wetterdaten, Strömungsverhältnisse und Geländegegebenheiten) beinhalteten jedoch schwierige fachliche Fragen, zu denen auch ein (fach-)anwaltlich vertretener Kläger ohne Hinzuziehung geeigneten Sachverstandes nicht qualifiziert Stellung nehmen konnte. Um insoweit Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens, das ausdrücklich zum Bestandteil der erteilten und angefochtenen Baugenehmigung gemacht worden war, wecken zu können, durfte der Kläger deshalb die Beauftragung eines Privatgutachters in der fraglichen Situation für erforderlich halten.
20Dem steht nicht entgegen, dass er zunächst die Durchführung des gerichtlichen Ortstermins, der auch der Erörterung der Sach- und Rechtslage diente, am 11. Juli 2017 hätte abwarten müssen. Denn angesichts des erforderlichen Vorlaufes für eine solche Begutachtung lag es jedenfalls nahe, dass eine nachträgliche Einreichung eines Gutachtens buchstäblich zu spät bekommen wäre.
21Vgl. zu diesem Aspekt auch Bay. VGH, Beschluss vom 7. April 2011 – 22 C 10.1854 –, juris Rn. 13.
22Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht nur vom Amtsermittlungs- sondern auch vom Beschleunigungsgrundsatz mitgeprägt wird. Aus der Sicht einer auch hieran orientierten verständigen Partei war es daher zumindest sinnvoll, wenn nicht geboten, die entscheidungserhebliche Frage der zu erwartenden Geruchsbelastung bereits im Vorfeld des Erörterungstermins so aufzubereiten, dass hierzu in diesem Termin sinnvoll erörtert werden konnte.
23Vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 4 KSt 1008.07, 4 A 1073.04 –, juris Rn. 11.
24Dies ist hier auch geschehen, wobei zumindest als Indiz für die Erforderlichkeit der Einholung eines Privatgutachtens anzusehen sein mag, dass das Verwaltungsgericht die Teilnahme des Erstellers des Gutachtens, das der Baugenehmigung zugrunde gelegt worden war, am Ortstermin ebenfalls für sachdienlich erachtet und am 21. Juni 2017 (nachträglich) explizit hierum gebeten hat. Die im Zusammenhang hiermit aufgeworfenen Fragen wurden sodann im Erörterungstermin auch ausführlich diskutiert, die Niederschrift des Ortstermins befasst sich hiermit über 4 der insgesamt 8 Seiten.
25Wie bereits ausgeführt, war Ergebnis dieser Erörterung unter anderem die Feststellung, dass die aufgeworfenen Fragen der Geruchsbelastung namentlich des Grundstücks des Klägers ausdrücklich als entscheidungserheblich bewertet wurden. Hierzu passt auch, dass im unmittelbaren Anschluss im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich auch die Teilnahme des Erstellers des vom Kläger eingereichten Gutachtens seitens des Verwaltungsgerichts nahegelegt wurde. Dass dies - aus welchen Gründen auch immer - nicht im Verfahren des Klägers selbst, sondern in dem der unter gleicher Adresse wohnenden G. K. geschah, ändert hieran nichts, zumal die Verfahren - wie bereits im Ortstermin - gemeinsam verhandelt und entschieden wurden.
26Ebenfalls nur, aber immerhin indizielle Bedeutung hat dann auch, dass infolge der Einreichung des Gutachtens durch den Kläger sich der Beigeladene veranlasst gesehen hat, eine erneute Begutachtung beizubringen, die wiederum die Beklagte statt des bisher zugrunde gelegten Gutachtens zum Gegenstand der Genehmigung gemacht hat. In diesem Rahmen wurde auch eine Sonderfallbetrachtung des Wohnhauses des Klägers vorgenommen, für die bisher von den Beteiligten offenbar niemand eine Veranlassung gesehen hatte. Auch insofern liegt es zumindest nicht nahe, dass dies auch ohne Vorlage eines Privatgutachtens durch den Kläger geschehen wäre.
27Soweit der Beigeladene erstinstanzlich seine Annahme, eine gutachterliche Stellungnahme der Klägerin sei nicht veranlasst gewesen, zudem auf den Senatsbeschluss vom 24. April 2019 – 2 A 1906/18 – gestützt hat, aus dem sich ergebe, dass es allein Aufgabe eines Bauantragstellers sei, im Rahmen der notwendigen Bauvorlagen den Nachweis der Zumutbarkeit zu führen, geht dies fehl. Mit der hier in Rede stehenden Problematik hat dies schon im Ansatz nichts zu tun. Denn hier geht es allein um die Frage, ob ein solcher Nachweis geführt ist und ob der Kläger zur Erschütterung des behördlich übernommenen Gutachtens seinerseits fachlichen Rat für notwendig halten darf. Im Übrigen bezieht sich die zitierte Passage - wie zumindest der auch im dortigen Verfahren mandatierte Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen wissen müsste - gerade auf den im dortigen Verfahren Einwand des Genehmigungsinhabers, der vom Kläger (privat) beauftragte Gutachter habe keine vollständige Geruchsimmissionsprognose erstellt, sondern sich darauf beschränkt, das behördlich akzeptierte Gutachten in einzelnen Punkten anzugreifen. Wie daraus auf die fehlende Erforderlichkeit fachgutachterlich gestützter Einwände geschlossen werden könnte, vermag der Senat nicht im Ansatz nachzuvollziehen.
28Vor diesem Hintergrund scheitert die Festsetzungsfähigkeit der – notwendigen – Kosten für das Privatgutachten nicht daran, dass der Kläger nicht dessen Auftraggeber sein könnte. Insofern hat der Kläger unwidersprochen darauf hingewiesen, dass er als solcher in dem Gutachten bezeichnet ist, dieses vorgelegt hat und auch Adressat der Kostenrechnungen ist. Dass auch die – unter der gleichen Anschrift wohnende - Klägerin des Parallelverfahrens 8 K 4145/16 sich auf dieses Gutachten berufen und sich möglicherweise selbst als Auftraggeberin bezeichnet hat, ändert hieran nichts. Es ist im Übrigen weder dargelegt noch ersichtlich, dass diese (oder einer der weiteren Kläger in den insgesamt sieben verbundenen Verfahren) in ihrem Kostenfestsetzungsverfahren entsprechende Gutachterkosten geltend gemacht hätte. Angesichts des Umstandes, dass die Kostenschuldner dieses Verfahrens mit denjenigen in jenem Verfahren identisch sind, wäre ein entsprechender Vortrag mit Sicherheit – und dann zu Recht – erfolgt.
29Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 4 KSt 1008.07, 4 A 1073.04 -, juris Rn. 4 ff.
30Im Übrigen sind seitens der Beklagten und des Beigeladenen Einwände hinsichtlich des tatsächlich durch den Kläger erfolgten Ausgleichs der Gutachterkosten nach Vorlage einer detaillierten Kostenaufstellung nicht mehr erhoben worden. Solche Bedenken hegt der Senat ebenfalls nicht. Für Privatgutachten gelten die Stundensätze des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen nicht unmittelbar. Die für ein notwendiges Privatgutachten entstandenen Kosten sind in der Regel in vollem Umfang zu ersetzen, wenn die Überschreitung der Stundensätze des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen nicht offensichtlich unangemessen ist.
31OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2001 - 7 E 747/99 -, juris Rn. 13; Bay. VGH, Beschluss vom 7. April 2011 - 22 C 10.1854 -, juris Rn. 16.
32Hierfür bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte, zumal sich der angesetzte Stundensatz noch im Rahmen (wenn auch am oberen Ende) der Vergütungssätze des Justizvergütungs- und – entschädigungsgesetzes (JVEG) hält. Im Hinblick auf die erstinstanzlich erhobenen Einwände bezüglich der aus Sicht des Beigeladenen mangelnden Qualität des Privatgutachtens genügt bereits der Hinweis auf die im Anschluss auch aus Sicht des Beigeladenen erforderlich gewordene Neubegutachtung. Der Umstand, dass wegen des Wegfalls der ursprünglichen Baugenehmigung das Verfahren seine Erledigung gefunden und sich die vom Verwaltungsgericht ausdrücklich angeregte Teilnahme des Gutachters an der mündlichen Verhandlung deshalb als letztlich nutzlos herausgestellt hat (vgl. dazu auch den Senatsbeschluss vom 21. September 2019 – 2 A 209/18 – S. 15), ändert nichts daran, dass der Kläger diese kostenauslösende Teilnahme nach dem Inhalt der Ladung für notwendig halten musste.
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den unterlegenen Beigeladenen an den Kosten des Erinnerungsverfahrens zu beteiligten, da er sich im Verfahren detailliert zur Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten geäußert und den die Einbeziehung ablehnenden Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 26. April 2019 eingehend verteidigt hat.
34Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da lediglich die Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfällt.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 GKG.