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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der in einer nordrhein-westfälischen Gemeinde wohnende Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie verordnete Verpflichtung, in bestimmten sozialen Situationen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen.
3§ 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung - CoronaSchVO) vom 1. Juli 2020 (GV. NRW. S. 456b), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. Juli 2020 (GV. NRW. S. 698), lautet wie folgt:
4§ 2Abstandsgebot, Mund-Nase-Bedeckung
5(1) Außerhalb der nach § 1 zulässigen Gruppen ist im öffentlichen Raum zu allen anderen Personen grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.
6(2) Wenn die Einhaltung des Mindestabstands aus medizinischen, rechtlichen, ethischen oder baulichen Gründen nicht möglich ist, wird das Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung (zum Beispiel Alltagsmaske, Schal, Tuch) empfohlen. Die vorstehenden Regelungen gelten nicht, wenn Einsatzsituationen von Sicherheitsbehörden, Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz eine Unterschreitung des Mindestabstands erforderlich machen.
7(3) Inhaber, Leiter und Beschäftigte sowie Kunden, Nutzer und Patienten sind zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Sinne von Absatz 2 Satz 1 verpflichtet
81. in geschlossenen Räumlichkeiten bei Konzerten und Aufführungen außer am Sitzplatz,
91a. in geschlossenen Räumlichkeiten von sonstigen Veranstaltungen und Versammlungen nach § 13 Absatz 1 und 2,
101b. in geschlossenen Räumlichkeiten von Museen, Ausstellungen, Galerien, Schlössern, Burgen, Gedenkstätten und ähnlichen Einrichtungen,
112. in geschlossenen Räumlichkeiten von Tierparks, Zoologischen und Botanischen Gärten sowie von Garten- und Landschaftsparks,
122a. in Innenbereichen von Ausflugsschiffen, Kutschen, historischen Eisenbahnen und ähnlichen Einrichtungen,
133. beim praktischen Fahrunterricht und der Fahrprüfung,
144. in Verkaufsstellen und Handelsgeschäften, auf Wochenmärkten, auf sämtlichen Allgemeinflächen von Einkaufszentren, „Shopping Malls“, „Factory Outlets“ und vergleichbaren Einrichtungen sowie in Wettvermittlungsstellen,
155. auf Messen und Kongressen außer am Sitzplatz,
166. in sämtlichen Verkaufs- und Ausstellungsräumen von Handwerkern und Dienstleistern sowie bei der Erbringung und Inanspruchnahme von Handwerks- und Dienstleistungen, die ohne Einhaltung eines Sicherheitsabstands von 1,5 Metern zum Kunden erbracht werden,
177. in geschlossenen Räumlichkeiten von gastronomischen Einrichtungen außer am Sitzplatz,
188. in Arztpraxen und ähnlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens,
199. bei der Nutzung von Beförderungsleistungen des Personenverkehrs und seiner Einrichtungen sowie
2010. in Warteschlangen vor den vorgenannten Einrichtungen.
21Dies gilt nicht für Kinder bis zum Schuleintritt und Personen, die aus medizinischen Gründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können. Die Verpflichtung nach Satz 1 kann für Inhaber, Leiter und Beschäftigte durch gleich wirksame Schutzmaßnahmen (Abtrennung des Arbeitsplatzes durch Glas, Plexiglas o.ä.), hilfsweise - falls das dauerhafte Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung zu Beeinträchtigungen führt - durch das Tragen eines das Gesicht vollständig bedeckenden Visiers ersetzt werden. Die Mund-Nase-Bedeckung kann vorübergehend abgelegt werden, wenn das zur Ermöglichung einer Dienstleistung oder ärztlichen Behandlung oder aus anderen Gründen (z.B. Kommunikation mit einem gehörlosen oder schwerhörigen Menschen, zur Einnahme von Speisen und Getränken in Zügen des Personenverkehrs) zwingend erforderlich ist. Personen, die eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht beachten, sind von der Nutzung der betroffenen Angebote, Einrichtungen und Dienstleistungen durch die für das Angebot, die Einrichtung oder Dienstleistung verantwortlichen Personen auszuschließen.
22(4) Die nach dem Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden können für bestimmte Bereiche des öffentlichen Raums, in denen das Abstandsgebot nicht sicher eingehalten werden kann, aufgrund örtlicher Erfordernisse (räumliche Situation, lokales Infektionsgeschehen usw.) die Geltung der vorstehenden Regelungen zusätzlich anordnen.
23Der Antragsteller hat am 27. Mai 2020 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
24Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung werde von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 28, 32 IfSG nicht gedeckt. Schutzmaßnahmen gegenüber sog. Nichtstörern könnten nur soweit und solange ergriffen werden, wie ein Vorgehen gegenüber sog. Störern nicht möglich sei. Zudem sei die Regelung zu unbestimmt, insbesondere gebe es keine Vorgaben darüber, wie lange sie getragen werden dürfe, bis sie gereinigt oder desinfiziert werden müsse. Darüber hinaus sei die Maßnahme unverhältnismäßig. Es liege keine Gefahrenlage vor, die eine Maskenpflicht rechtfertige. Die vom Robert Koch-Institut vermutete Gefahrenlage habe sich zu keinem Zeitpunkt realisiert. In der Gesamtschau sei festzustellen, dass es an einer methodisch und statistisch verlässlichen und ausreichend transparenten Datengrundlage fehle. Es sei auch nicht zu erkennen, dass die Pflicht zum Tragen eine Mund-Nase-Bedeckung Einfluss auf die Zahl der Neuinfektionen habe, da diese bereits vor Einführung der Maskenpflicht rückläufig gewesen sei. Alltagsmasken seien zudem ungeeignet, Ansteckungsgefahren zu minimieren oder auszuschließen, da sie die Viren hustender Menschen nicht aufhalten könnten. Sie vermittelten ferner eine trügerische Sicherheit, die dazu veranlasse, Sicherheitsabstände nicht mehr einzuhalten. Auch entstünden Gesundheitsgefahren für die Träger der Masken, die eine Hyperkapnie erleiden könnten. Überdies seien die auf dem Markt angebotenen Masken mit Chemikalien belastet.
25Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
26im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug von § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO bis zu einer Entscheidung über einen noch zu erhebenden Normenkontrollantrag auszusetzen.
27Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Regelung und beantragt,
28den Antrag abzulehnen.
29II.
30Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - der sich nach verständiger Würdigung des Antragsvorbringens gegen die in der aktuellen Fassung der Coronaschutzverordnung weiterhin vorgesehene Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung richtet - hat keinen Erfolg. Der gemäß § 47 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet. Die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung ist nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten (§ 47 Abs. 6 VwGO). Ein - noch zu erhebender - Normenkontrollantrag in der Hauptsache bliebe voraussichtlich ohne Erfolg, weil sich der angegriffene § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO bei einer wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweist (1.). Auch unter Berücksichtigung etwaig verbleibender Unsicherheiten bei der rechtlichen Bewertung erscheint eine Außervollzugssetzung der streitgegenständlichen Norm nicht dringend geboten (2.).
31Vgl. zu den Entscheidungsmaßstäben BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 ‑ 4 VR 5.14 ‑, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 6. April 2019 ‑ 13 B 398/20.NE ‑, juris, Rn. 32, und vom 26. August 2019 - 4 B 1019/19.NE ‑, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 ‑ 2 MN 379/19 ‑, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.
321. Rechtsgrundlage für § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO ist § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020 (BGBl. I 587). Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können gemäß § 32 Satz 2 IfSG die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Satz 1 der Vorschrift durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
33a. § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO findet in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 6. April 2020 - 13 B 398/20.NE -, juris,
34vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 15. April 2020- 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 46, sowie vom 16. April 2020 - 13 B 452/20.NE -, juris, Rn. 33 ff., und - 13 B 471/20.NE -, juris, Rn. 34 ff.,
35auf den er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, entschieden, dass die Verordnungsermächtigung hinsichtlich der Regelungen der Coronaschutzverordnung voraussichtlich den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt (juris, Rn. 37 ff.), etwaige verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes jedenfalls im vorliegenden Pandemiefall nicht durchgreifen (juris, Rn. 50 ff.) und ein Verstoß gegen das Zitiergebot voraussichtlich nicht vorliegt (juris, Rn. 62 ff.). Hieran hält er auch mit Blick auf das Antragsvorbringen fest.
36b. An der formellen Rechtmäßigkeit des § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO bestehen keine Bedenken. Die Verpflichtung, in bestimmten sozialen Situationen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, erweist sich voraussichtlich auch als materiell rechtmäßig.
37aa. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die durch Rechtsverordnung normierte streitgegenständliche Regelung nach § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG liegen voraussichtlich vor.
38Vgl. dazu bereits Senatsbeschlüsse vom 30. April 2020 - 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 23 ff., und vom 19. Mai 2020 - 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 51 ff.
39Für die Anordnung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen ist es nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine übertragbare Krankheit aufgetreten ist, deren Weiterverbreitung verhindert werden soll. Das ist vorliegend der Fall, da in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen, eine Vielzahl von Infektionsfällen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 bestätigt wurden.
40Vgl. Robert Koch-Institut, COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 29. Juli 2020, vgl. auch Dashboard der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zur Corona-Pandemie, abrufbar unter: https://www.giscloud.nrw.de/corona-dashboard.html.
41Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Bestimmtheit der Regelung. Der Begriff der textilen Mund-Nase-Bedeckung, der durch die in § 2 Abs. 2 Satz 1 CoronaSchVO benannten Beispiele Alltagsmaske, Schal und Tuch konkretisiert wird, erfasst jede Form einer textilen Barriere, und zwar unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie.
42Die in § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO normierte Verpflichtung, unter bestimmten Bedingungen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, stellt auch eine Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.
43Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 - 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 25 ff.
44bb. Es spricht weiter Überwiegendes dafür, dass der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat, soweit er unter den in § 2 Abs. 3 CoronaSchVO konkretisierten Voraussetzungen zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung verpflichtet.
45(1) Unzweifelhaft können Schutzmaßnahmen nicht nur gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern (sog. „Störer“) erlassen werden, sondern auch gegenüber der Allgemeinheit oder (sonstigen) Dritten (sog. „Nichtstörer“), wenn ein Tätigwerden allein gegenüber „Störern“ eine effektive Gefahrenabwehr nicht gewährleistet, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; Senatsbeschlüsse vom 6. April 2020 - 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70, sowie vom 15. April 2020 - 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 82 ff.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. März 2020 - OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 - 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 24.
47So verhält es sich hier schon deshalb, weil aus tatsächlichen Gründen vielfach gar nicht klar ist, ob eine Person „Störer“ oder „Nichtstörer“ ist. Nach aktuellem Erkenntnisstand kann nämlich eine Übertragung des Virus durch eine infizierte Person schon bis zu drei Tage vor Symptombeginn oder auch bei einem asymptomatischen Verlauf der Erkrankung, den der Betroffene selbst gar nicht wahrgenommen hat, stattfinden. Darüber hinaus ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, wie regelhaft, robust und dauerhaft ein etwaiger Immunstatus nach einer durchgestandenen Infektion zu bewerten ist. Es reicht mithin nicht aus, im Zusammenhang mit bevölkerungsbezogenen Maßnahmen, die darauf abzielen, infektionsrelevante soziale Kontakte zu unterbinden oder zumindest zu beschränken, allein „Störer“ in die Pflicht zu nehmen.
48Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 - 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 30 f.; Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise - Die (Neu-) Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, in: NJW 2020, 1097 (1101); Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Immunität, abrufbar unter: https://www.rki.de /DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText7, Stand: 24. Juli 2020.
49(2) Auch Art und Umfang der hier in Rede stehenden Verpflichtung sind nicht erkennbar ermessensfehlerhaft. § 2 Abs. 3 CoronaSchVO genügt voraussichtlich dem in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zum Ausdruck kommenden Gebot strikter Verhältnismäßigkeit.
50Die Verpflichtung, in bestimmten sozialen Situationen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, dient dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen. Der Verordnungsgeber darf noch immer davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung weiterhin gebietet.
51Vgl. zu dieser Schutzpflicht BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82 u. a. -, juris, Rn. 69, m. w. N.
52Auch wenn sich das Infektionsgeschehen aufgrund der ergriffenen Maßnahmen in insgesamt verlangsamt hat, besteht die Gefahr der Verbreitung der Infektion und daran anknüpfend einer Überlastung des Gesundheitswesens mit gravierenden Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung fort. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Robert Koch-Instituts handelt es sich immer noch um eine sehr dynamische Situation. Die Gefährdung für die Bevölkerung wird deshalb nach wie vor als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch. Dabei variiert die Gefährdung von Region zu Region. Die Belastung für das Gesundheitswesen hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Behandlungskapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen wie Isolierung, Quarantäne und physischer Distanzierung ab. Sie ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands gering, kann aber örtlich hoch sein.
53Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Aktualisierter Stand für Deutschland, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html, Stand: 28. Juli 2020.
54Angesichts dieser Risikobewertung lässt der Vergleich der aktuellen Mortalitätsrate mit der Mortalitätsrate vergangener Jahre und Monate, anders als der Antragsteller meint, nicht auf eine Verminderung oder gar einen Wegfall der Gefährdungssituation schließen.
55Ebenso wenig ist die vom Antragsteller geäußerte Kritik an der Datenlage, auf deren Grundlage das Robert Koch-Institut die aktuelle epidemische Lage bewertet, geeignet, durchgreifende Zweifel an der Gefahreneinschätzung zu begründen. Die Grundlagen werden in den aktuellen Situationsberichten, in denen tageweise unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden, nachvollziehbar dargelegt. Dass die Risikobewertung des Robert Koch-Instituts im Übrigen teils auf Annahmen und Modellrechnungen beruht, ist nicht zu beanstanden. Dieser Umstand ist unvermeidbare Folge der nach wie vor unsicheren Erkenntnis- und Datenlage, die sich unter den Bedingungen seriöser Wissenschaft nicht beliebig schnell verdichten lässt.
56Eine andere Bewertung der Lage ergibt sich auch nicht daraus, dass die Zahl der an das Robert Koch-Institut übermittelten Neuinfektionen ab Mitte März rückläufig war. Zwar trifft der Einwand des Antragstellers zu, dass sich kein unmittelbarerer Zusammenhang zwischen der Einführung der sog. Maskenpflicht und der Entwicklung der Neuinfektionszahlen feststellen lässt. Dies ist aber allein dem Umstand geschuldet, dass die Verbreitung des Virus zunächst durch den sogenannten Lockdown und daran anschließend durch die Anordnung weitgehender Betriebsuntersagungen eingedämmt worden ist. Nachdem diese Maßnahmen überwiegend aufgehoben worden sind, soll der Wiederanstieg von Neuinfektionen vor allem durch Kontaktbeschränkungen, Hygienemaßnahmen und die Maskenpflicht verhindert werden.
57Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber die seit dem sogenannten Shutdown zugelassenen Lockerungen schrittweise und unter Beachtung der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens vollzieht, um die errungenen Erfolge - mit nicht absehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen - nicht wieder zu verspielen.
58Vgl. dazu die Pressemitteilung der Landesregierung vom 6. Mai 2020, Ministerpräsident Armin Laschet stellt Nordrhein-Westfalen-Plan vor, abrufbar unter: https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerpraesident-armin-laschet-stellt-nordrhein-westfalen-plan -vor.
59Dabei ist ihm wegen der Fragilität der Lage und wegen der fortbestehenden tatsächlichen Ungewissheiten nach wie vor eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen, soweit und solange sich nicht andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellen.
60So im Einzelnen z. B. bereits die Senatsbeschlüsse vom 29. April 2020 - 13 B 512/20.NE -, juris, Rn. 44 ff., und vom 19. Mai 2020 - 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 71 ff.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Mai 2020 - 1 BvR 1021/20 -, juris, Rn. 10; VerfGH Saarl., Beschluss vom 28. April 2020 - Lv 7/20 -, juris, Rn. 32.
61Nach dieser Maßgabe dürfte sich die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung als geeignet zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erweisen, die Ansteckungsgefahr trotz der stufenweisen (Wiederer-)Öffnung nahezu aller Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens weiterhin einzudämmen.
62Dabei ist ein Mittel bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.
63Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 - 2 BvL 45/92 -, juris, Rn. 61, m. w. N.
64Dass der Verordnungsgeber die Grenzen seines Einschätzungsspielraums überschritten haben könnte, ist nicht festzustellen. Die streitgegenständliche Regelung beruht im Wesentlichen auf der Grundannahme, dass sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion oder über Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1 bis 2 Metern um eine infizierte Person herum erhöht.
65Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html#doc13776792bodyText1, Stand: 24. Juli 2020.
66Zwar dürfte der wissenschaftliche Diskurs über die Eignung sog. Behelfsmasken als Mittel zur Verringerung der Infektionszahlen bisher nicht abgeschlossen sein. Nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, denen der Verordnungsgeber gefolgt ist, ist bei dem derzeitigem Erkenntnisstand aber davon auszugehen, dass auch privat hergestellte textile Mund-Nase-Bedeckungen eine (wenn auch im Vergleich zu einem chirurgischen Mund-Nasen-Schutz geringere) Filterwirkung auf feine Tröpfchen und Partikel entfalten können, die als Fremdschutz zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft führen kann. Hierdurch erscheint es wiederum möglich, dass ihr Tragen einen Beitrag zur weiteren Verlangsamung der Ausbreitung des von Mensch zu Mensch übertragbaren Coronavirus leistet.
67Vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Was ist beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zu beachten?, abrufbar unter: https://www.rki.de/Shared Docs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html?nn=13490888, Stand: 15. Juli 2020, und Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/Infekt/EpidBull/Archiv/ 2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020; vgl. auch WHO, Q&A: Masks and COVID-19, What is WHO’s view on masks?, abrufbar unter: https://www.who.int/emergencies/diseases/ novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/ q-a-detail/q-a-on-covid-19-and-masks, Stand: 7. Juni 2020; Tagesschau, Coronavirus - Studie bestätigt Schutzwirkung von Masken, 8. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/corona-masken-schutz-studie-101.html; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 20 NE 20.1477 -, juris, Rn. 16 ff.; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 6. Juli 2020 - 6 B 10669/20 -, juris, Rn. 30; Thür. OVG, Beschluss vom 3. Juli 2020 - 3 EN 391/20 -, juris, Rn. 66 ff.
68Diese Beurteilung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass das Robert Koch-Institut zu Beginn der Pandemie noch keine allgemeine Empfehlung zum Tragen einer Maske abgegeben und mitgeteilt hatte, es gebe keine hinreichende Evidenz dafür, dass der Mund-Nase-Schutz das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trage, signifikant verringere. Diese Einschätzung über die Schutzwirkung sog. Behelfsmasken steht zu der jetzigen Empfehlung nicht im Widerspruch, die anders als zunächst den Fokus nicht in erster Linie auf den Aspekt des Eigenschutzes richtet, sondern vorrangig den Gesichtspunkt des Fremdschutzes in den Blick nimmt. Die Neubewertung von Schutzmaßnahmen, auch unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse über das Virus, ist notwendiger Bestandteil eines wissenschaftlichen Diskurses.
69Vgl. dazu den Senatsbeschluss vom 19. Mai 2020 - 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 92 f., m. w. N.
70Der Einschätzung des Robert Koch-Instituts steht auch nicht entgegen, dass es unter der Vielzahl wissenschaftlicher Meinungen andere Stimmen gibt, die die Wirksamkeit einer einfachen Mund-Nase-Bedeckung gänzlich verneinen. Der Verordnungsgeber verletzt seinen Einschätzungsspielraum grundsätzlich nicht dadurch, dass er bei mehreren vertretbaren Auffassungen einer den Vorzug gibt, solange er dabei nicht feststehende, hiermit nicht vereinbare Tatsachen ignoriert.
71Vgl. so schon den Senatsbeschluss vom 30. April 2020 - 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 45 f., m. w. N.
72Im Übrigen ist anerkannt, dass der Einschätzung des Robert Koch-Instituts nach dem in den einschlägigen Regelungen im Infektionsschutzgesetz (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG) zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht zukommt.
73Vgl. Senatsbeschluss vom 6. April 2020 ‑ 13 B 398/20.NE ‑, juris, Rn. 76 f., m. w. N.
74Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht ersichtlich, dass Gefahren, die durch eine nicht sachgerechte Anwendung der Mund-Nase-Bedeckung im Einzelfall,
75vgl. dazu Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020,
76entstehen können, die Eignung der sog. Maskenpflicht in Gänze in Frage stellen. Es ist schon zweifelhaft, ob Gefahren durch eine nicht sachgerechte Anwendung ernsthaft zu befürchten sind, da diese unschwer möglich ist. Leicht zugängliche Hilfestellung bieten zudem zahlreiche Institutionen, aber auch der Antragsgegner auf seiner Internetseite an. Diese enthalten Anleitungen zur Benutzung und Reinigung der Alltagsmasken und den Hinweis, dass die Maske gewechselt werden soll, wenn sie durch Atemluft feucht geworden ist.
77Vgl. MAGS NRW, Sonderseite des Gesundheitsministeriums zum Coronavirus in Nordrhein-Westfalen, Informationen zum Mund-Nasen-Schutz in Leichter Sprache, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/coronavirus, letztes Update: 15. Juli 2020.
78Auf etwaige Risiken hat der Verordnungsgeber damit ausreichend reagiert.
79Vgl. bereits Senatsbeschluss vom 19. Mai 2020 - 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 100 f., m. w. N.
80Ferner geht der Senat unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnislage davon aus, dass die Mund-Nase-Bedeckung keine allgemeinen Gesundheitsgefahren für den Träger hervorruft. Insbesondere ergeben sich aus der vom Antragsteller in Bezug genommenen Dissertation von Butz mit dem Titel „Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an Fachpersonal“ aus dem Jahr 2004/2005 (abrufbar unter: http://mediatum.ub.tum.de/doc/ 602557/602557.pdf) keine zuverlässigen Anhaltspunkte für solche Gefahren. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Mainz in dem Beschluss vom 28. April 2020 - 1 L 276/20.MZ -, juris, Rn. 17 f., auf die er Bezug nimmt. Darüber hinaus hat die Autorin zwischenzeitlich selbst erklärt, dass aus ihrer Arbeit in Bezug auf die hier maßgebliche Fragestellung seriöserweise keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen abgeleitet werden könnten.
81Vgl. dazu schon Senatsbeschluss vom 19. Mai 2020 - 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 102, m. w. N.
82Dem Antragsteller ist auch nicht in der Auffassung zu folgen, dass sich Gesundheitsgefahren aus der möglichen Schadstoffbelastung der für die Herstellung der Masken verwendeten Textilien ergeben, da insoweit dieselben rechtlichen Vorgaben gelten wie bei anderen Kleidungsstücken, und es diesem im Übrigen frei steht, unter den vorhandenen (schadstofffreien) Masken zu wählen. Angesichts der anhaltenden Berichterstattung in den Medien zum Schutzzweck der Mund-Nase-Bedeckung ist auch nicht davon auszugehen, dass diese den Träger in eine „trügerische Sicherheit“ wiegt, vielmehr dürfte allgemein bekannt sein, dass weitere Schutzvorkehrungen, wie etwa die Einhaltung des Sicherheitsabstands, durch das Tragen der Maske nicht obsolet werden. Unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO konkretisierten Situationen, in der eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen ist und der in § 2 Abs. 3 Sätze 2 und 4 CoronaSchVO niedergelegten Ausnahmen teilt der Senat insbesondere nicht die Befürchtung des Antragstellers, die Alltagsmaske begründe erhebliche Probleme für Kinder, Gehörlose und Sportler.
83Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung dürfte auch erforderlich sein. Untersuchungen zeigen, wie bereits erwähnt, dass ein hoher Anteil von Übertragungen asymptomatisch bzw. präsymptomatisch und unbemerkt erfolgt, sodass diese durch eine Verhaltensänderung des Betroffenen (wie eine Selbstquarantäne) nicht verhindert werden können.
84Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragung durch asymptomatische/präsymptomatische und symptomatische Infizierte, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_ Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792body Text23, Stand: 24. Juli 2020.
85Überdies geht die schrittweise Aufhebung von Schutzmaßnahmen, wie sich in den letzten Wochen gezeigt hat, mit einem Anstieg an persönlichen und sozialen Kontakten einher. Deshalb ist es aller Voraussicht nach unbedenklich, wenn der Verordnungsgeber angesichts dessen davon ausgeht, dass die unbemerkte Übertragung von infektiösen Tröpfchen im öffentlichen Raum, wo mehrere Menschen zusammentreffen und der physische Abstand von mindestens 1,5 m (vgl. § 2 Abs. 1 CoronaSchVO) nicht immer eingehalten werden kann (z. B. beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln), allein durch kontaktbeschränkende Maßnahmen nicht hinreichend zu vermeiden ist, sondern es flankierend zusätzlich des Tragens einer Mund-Nase-Bedeckung bedarf.
86Vgl. noch einmal Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Was ist beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zu beachten?, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html?nn=13490888, Stand: 15. Juli 2020; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 20 NE 20.1477 -, juris, Rn. 18; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 6. Juli 2020 - 6 B 10669/20 -, juris, Rn. 28 ff.
87Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber in der gegenwärtigen Situation seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, weil er anderen Regelungsmodellen nicht den Vorzug gegeben hat. Soweit der Antragsteller insbesondere darauf hinweist, dass Abstandsregeln und die Einhaltung von Hygieneanforderungen weniger einschneidende Mittel darstellten, mag dies zwar zutreffen. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung gilt flankierend aber gerade in Fällen, in denen die vorbenannten Maßnahmen nicht ausreichen oder umgesetzt bzw. - bei generalisierender Betrachtung - nicht eingehalten werden (können).
88Schließlich ist die streitgegenständliche Regelung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen derzeit auch noch angemessen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es das einzig objektiv richtige angemessene Abwägungsergebnis nicht gibt. Dies gilt schon deshalb, weil der Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers eine von zahlreichen Unbekannten gekennzeichnete und stetig fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnislage zu Grunde liegt, Folgen von bereits erfolgten Lockerungen der Schutzmaßnahmen erst mit Zeitverzögerungen ersichtlich werden und die einzelnen Schutzmaßnahmen ohnehin nicht isoliert betrachtet werden können, sondern Teil eines Gesamtpakets zur Reduzierung der Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus sind. Lockerungen an einer Stelle können deswegen Beschränkungen an anderer Stelle zur Folge haben und umgekehrt. Hinzu tritt, dass der Verordnungsgeber bei seiner Entscheidung neben dem infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrad des jeweils zu regelnden Lebensbereichs auch alle sonstigen relevanten Belange etwa medizinischer, psychologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Art zu bewerten und gewichten hat.
89Ausgehend hiervon steht der beabsichtigte Verordnungszweck nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Die Maßnahme führt zwar unverkennbar (insbesondere) zu Beschränkungen des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Diese Rechte gelten jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten hier im Ergebnis angesichts der drohenden Überforderung des Gesundheitswesens gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO keine generelle Maskenpflicht im öffentlichen Raum vorsieht, sondern die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung räumlich und zeitlich auf bestimmte soziale Situationen beschränkt. Auch wird nicht das Tragen eines chirurgischen Mund-Nasen-Schutzes oder einer sog. partikelfiltrierenden Halbmaske verlangt, sondern lediglich einer einfachen Bedeckung, wie sie zum Beispiel eine Alltagsmaske, ein Schal oder ein Tuch darstellen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 CoronaSchVO). Diese Bedeckungen sind üblicherweise in jedem Haushalt vorhanden oder können selbst hergestellt bzw. im örtlichen Handel kostengünstig erworben werden. Abgemildert wird die Pflicht zudem durch die Ausnahmebestimmung in § 2 Abs. 3 Satz 2 CoronaSchVO für Kinder bis zum Schuleintritt und für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können. Dass die dadurch ggf. entstehende Notwendigkeit für den Betroffenen, die in seiner Person begründete Ausnahme durch Vorlage einer ‑ allgemein gehaltenen, lediglich den Umstand als solchen attestierenden ‑ ärztlichen Bescheinigung nachzuweisen ist, eine Stigmatisierung hervorruft, erkennt der Senat nicht. Überdies kann die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Beschäftigte durch gleich wirksame Schutzmaßnahmen, wie einer Abtrennung durch eine Glasscheibe oder das Tragen eines das Gesicht vollständig bedeckenden Visiers, ersetzt werden, sodass auch diese nicht während der gesamten Arbeitszeit die mit der Maske einhergehenden subjektiven Unannehmlichkeiten hinnehmen müssen (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 3 CoronaSchVO). § 2 Abs. 3 Satz 4 CoronaSchVO bestimmt zudem, dass die Mund-Nase-Bedeckung vorübergehend abgelegt werden kann, wenn das zur Ermöglichung einer Dienstleistung oder ärztlichen Behandlung oder aus anderen Gründen (z. B. Kommunikation mit einem gehörlosen oder schwerhörigen Menschen, zur Einnahme von Speisen und Getränken in Zügen des Personennahverkehrs) zwingend erforderlich ist.
90Hinzu kommt, dass die Verordnung in ihrer zeitlichen Geltung nach wie vor eng befristet ist und aktuell bis zum 11. August 2020 gilt. Damit ist jedenfalls sichergestellt, dass die streitgegenständliche Coronaschutzverordnung unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse und Entwicklungen, insbesondere mit Blick auf die schrittweisen und versetzt vorgenommenen Lockerungen, fortgeschrieben werden muss.
912. Der Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung erscheint auch unter Berücksichtigung etwaig verbleibender Unsicherheiten bei der rechtlichen Bewertung der aus § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO folgenden Verpflichtung in bestimmten sozialen Situationen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Die mit dem weiteren Vollzug der Regelung einhergehende Beschränkung ist angesichts ihrer weiterhin zeitlich eng befristeten Geltungsdauer sowie der dargelegten Erfolgsaussichten des - noch zu erhebenden - Normenkontrollantrags, insbesondere unter Beachtung der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommenen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und den aus der Maskenpflicht resultierenden Folgen, zumutbar.
92Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da die angegriffene Regelung mit Ablauf des 11. August 2020 außer Kraft tritt, zielt der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.
93Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).