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Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
3A. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ i. S. d. Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1 = juris, Rn. 7.
5Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004- 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33, S. 9.
7Die Beklagte stellt die - auf die Rechtsprechung des Senats gestützte - Annahme des Verwaltungsgerichts, § 22 Satz 1 StrWG NRW greife nicht ein, weil die werbliche Nutzung der Schaltkästen hier keine Sondernutzung darstelle, nicht in Frage.
8I. Eine Sondernutzung setzt eine Benutzung der Straße voraus, die über den Gemeingebrauch hinausgeht. Mit anderen Worten muss der Gemeingebrauch anderer Straßennutzer - wenn auch nur kurzfristig - nicht nur unerheblich beeinträchtigt sein.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2019- 11 B 1033/18 -, NVwZ-RR 2019, 502 = juris, Rn. 6 m. w. N.
10Die streitgegenständlichen Schaltkästen sind rechtlich als Bestandteile von Telekommunikationslinien im Sinne des Telekommunikationsgesetzes zu qualifizieren. Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 26 TKG sind Telekommunikationslinien unter- oder oberirdisch geführte Telekommunikationskabelanlagen, einschließlich ihrer zugehörigen Schalt- und Verzweigungseinrichtungen, Masten und Unterstützungen, Kabelschächte und Kabelkanalrohre, sowie weitere technische Einrichtungen, die für das Erbringen von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten erforderlich sind. Die fraglichen Schaltkästen sind Schalt- und Verzweigungseinrichtungen im vorgenannten Sinn.
11Für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien ist der Bund gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 TKG befugt, Verkehrswege unentgeltlich zu benutzen, soweit dadurch nicht der Widmungszweck der Verkehrswege dauernd beschränkt wird (Nutzungsberechtigung). Diese Nutzungsberechtigung überträgt der Bund nach § 69 Abs. 1 TKG durch die Bundesnetzagentur auf Antrag an die Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze oder öffentlichen Zwecken dienender Telekommunikationslinien. Mit Blick auf solche Telekommunikationslinien entsteht zwischen dem Lizenznehmer und dem jeweiligen Baulastträger ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes, das einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des Straßenrechts ausschließt.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2019- 11 B 1033/18 -, NVwZ-RR 2019, 502 = juris, Rn. 10 f., unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 6 B 55.00 -, Buchholz 442.066 § 50 TKG Nr. 1 = juris, Rn. 12, m. w. N.
13Öffentlichen Zwecken dienende Telekommunikationslinien unterfallen damit nicht dem Regime des Straßenrechts. Deshalb gilt die Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsraums durch die streitgegenständlichen Schaltkästen - durch die der Widmungszweck der Verkehrswege regelmäßig nicht dauernd beschränkt wird - nicht als Sondernutzung i. S. d. § 18 StrWG NRW.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2019- 11 B 1033/18 -, NVwZ-RR 2019, 502 = juris, Rn. 12.
15II. Die an dieser Rechtsprechung geäußerte Kritik der Beklagten, die sich im Wesentlichen an den Erwägungen aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Juli 2019 - 7 ME 27/19 -, juris, sowie dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 24. Oktober 2019 - 4 MB 58/19 -, juris, orientiert, greift nicht durch.
161. Es ist zwar richtig, dass das Vorliegen einer wirksamen Übertragung die Voraussetzung dafür ist, dass der Lizenznehmer die Nutzungsberechtigung nach § 68 Abs. 1 TKG ausüben darf.
17Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Juli 2019- 7 ME 27/19 -, NVwZ-RR 2019, 988 (989) = juris, Rn. 10, unter Verweis auf Stelkens, TKG-Wegerecht, Kommentar, 2010, § 69 Rn. 44.
18Die Wirksamkeit dieser Übertragung steht hier indes nicht im Streit.
19Ob die Klägerin und/oder der Lizenznehmer dagegen telekommunikationsrechtlich zur Anbringung von Werbung und Hinzufügung eines weiteren Nutzungszwecks berechtigt sind oder ob sie damit gegen die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes bzw. gegen andere Rechtsvorschriften verstoßen, ist für das vorliegende Verfahren nicht von Belang. Denn selbst wenn diese Verstöße vorlägen und zur Rechtswidrigkeit der Übertragung der Nutzungsberechtigung führten, bliebe diese wirksam. Allein die Wirksamkeit der Übertragung der Nutzungsberechtigung genügt jedoch, um ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes entstehen zu lassen und zur Unanwendbarkeit des Straßenrechts zu führen.
202. Nicht durchgreifend ist ferner das Argument, das Anbringen von Werbung an Schaltkästen diene nicht dem Zweck des Telekommunikationsgesetzes, flächendeckend angemessene und ausreichende Telekommunikationsleistungen zu erbringen, mit der Folge, dass § 68 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht eingreife.
21Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Juli 2019- 7 ME 27/19 -, NVwZ-RR 2019, 988 (989 f.) = juris, Rn. 12, 13; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Oktober 2019 - 4 MB 58/19 -, juris, Rn. 14; Stelkens, TKG-Wegerecht, Kommentar, 2010, § 68 Rn. 100.
22Dabei wird übersehen, dass ein Schaltkasten durch das Anbringen von Werbung weder seinen telekommunikationsrechtlichen Zweck noch seine Eigenschaft als Bestandteil einer Telekommunikationslinie i. S. v. § 3 Nr. 26 TKG verliert. Denn das Anbringen der Werbung berührt die Funktionstüchtigkeit des Schaltkastens nicht. Vielmehr dienen lediglich Teile der Außenhülle des Schaltkastens einem zusätzlichen Zweck, nämlich der Zurverfügungstellung von Flächen zum Abringen von Werbung. Dies ist indes für das in §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 69 TKG wurzelnde Nutzungsrecht und den daraus resultierenden Ausschluss des Straßenrechts ohne Belang. Im Übrigen geht auch der beschließende Senat davon aus, dass an Schaltkästen angebrachte Werbung einer Sondernutzungserlaubnis bedarf, sofern sie ihrerseits ‑ ohne Berücksichtigung des vom Straßenrecht nicht erfassten Schaltkastens ‑ den Gemeingebrauch anderer Straßennutzer nicht nur unerheblich beeinträchtigt.
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2019 ‑ 11 B 1033/18 ‑, NVwZ-RR 2019, 988 (989) = juris, Rn. 18.
24Aus diesem Grund ist auch unerheblich, dass mit der angebrachten Werbung (allein) kommerzielle Zwecke verfolgt werden.
253. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 2001 - 6 B 55.00 -.
26Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung anlässlich der Frage, ob der Begriff der „Benutzung von Verkehrswegen“ auch Bauarbeiten anlässlich des erstmaligen Einbaus von Telekommunikationseinrichtungen erfasse, seine bereits bestehende Rechtsprechung zum Entstehen eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses nach Maßgabe der Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes mit der Folge des Ausschlusses der allgemeinen Regelungen des Straßenrechts bestätigt und klargestellt, dass auch das Verlegen von Telekommunikationslinien einschließlich der damit verbundenen Bauarbeiten aus dem Anwendungsbereich des (Landes)Straßenrechts herausfällt.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2001- 6 B 55.00 -, Buchholz 442.066 § 50 TKG Nr. 1 = juris, Rn. 12, mit Verweis auf das Urteil vom 1. Juli 1999 - 4 A 27.98 -, Buchholz 442.066 § 53 TKG Nr. 1 = juris, 13.
28Daraus folgt gerade nicht, dass Schaltkästen, die telekommunikationsrechtlichen Zwecken dienen und zusätzlich zum Anbringen von Werbung genutzt werden, nicht mehr vom Anwendungsausschluss des Straßenrechts erfasst werden.
29So aber OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Juli 2019 - 7 ME 27/19 -, NVwZ-RR 2019, 988 (989 f.) = juris, Rn. 11; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Oktober 2019 - 4 MB 58/19 -, juris, Rn. 14.
304. Der Hinweis der Beklagten auf den - in einem ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren ergangenen - Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. August 1990 - 1 Ss OWi 31/90 -, juris, Rn. 7, wonach das Aufhängen von Werbeplakaten im öffentlichen Verkehrsraum eine Sondernutzung darstellt, ist bereits deshalb unergiebig, da es hier nicht um Plakatwerbung auf Schalteinrichtungen im Sinne des § 3 Nr. 26 TKG ging.
31B. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Mit der Grundsatzrüge muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf. Diesen Voraussetzungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
32Der von der Beklagten aufgeworfenen Frage,
33„ob Telekommunikationslinien (per se) nicht dem Regime des Straßenrechts unterfallen, selbst bei sachfremden Tätigkeiten, welche in keinerlei Zusammenhang mit der öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinie stehen.“,
34fehlt - soweit sie entscheidungserheblich ist - unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen die Klärungsbedürftigkeit. Denn in der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass das Anbringen von Werbung an Schaltkästen i. S. v. § 3 Nr. 26 TKG keine Sondernutzung darstellt, solange die angebrachte Werbung nicht ihrerseits den Gemeingebrauch anderer Straßennutzer nicht nur unerheblich beeinträchtigt.
35Die grundsätzliche Bedeutung ist auch nicht wegen einer divergierenden Rechtsprechung von Oberverwaltungsgerichten zu einer bundesrechtlichen Frage anzunehmen.
36Vgl. zu einer solchen Konstellation Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 5. Aufl. 2018, VwGO, § 124 Rn. 132.
37Eine bundesrechtliche Frage steht hier nicht in Rede. Ob die Benutzung einer Straße Sondernutzung ist, bemisst sich vielmehr nach der landesrechtlichen Regelung des § 18 StrWG NRW.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
39Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
40Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
41Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).