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1. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG setzt voraus, dass die Benachteiligungshandlung sich nach Inkrafttreten des Gesetzes am 18. August 2006 ereignet hat.
2. Eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG wegen Benachteiligung im Stellenbesetzungsverfahren kann nur beanspruchen, wer sich beworben hat, selbst wenn aufgrund einer gesetzlichen Regelung von der Erfolglosigkeit der Bewerbung auszugehen war.
3. Ein unionsrechtlicher Entschädigungsanspruch gegen das beklagte Land besteht nicht deshalb, weil die Richtlinie 2000/78/EG erst nach Ablauf ihrer Umsetzungsfrist mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt worden ist.
4. Das beklagte Land ist nicht nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs deshalb zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, weil es § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. nicht an die Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG angepasst hat. Insoweit fehlte es bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10 u. a. - an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht.
5. Ein unionsrechtlicher Schadensersatzanspruch - gerichtet auf eine Entschädigung - kommt auch dann in Betracht, wenn ein Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis unter Verstoß gegen unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschriften abgelehnt worden ist.
6. Voraussetzung für einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist, dass tatsächlich und sicher ein Schaden eingetreten ist.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die am 6. April 1975 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige muslimischen Glaubens und trägt aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ein Kopftuch. Die Lehrerin begehrt eine Entschädigung mit der Begründung, sie sei wegen des Kopftuchs nicht in das Beamtenverhältnis übernommen worden.
3Die Klägerin legte am 13. November 2001 die 1. Staatsprüfung für die Lehrämter für die Sekundarstufe II und für die Sekundarstufe I ab. Am 30. April 2004 bestand sie im Bundesland Hessen die 2. Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien.
4Mit Schreiben vom 28. Juli 2004 teilte die Bezirksregierung L. der Klägerin auf deren Bewerbung vom 1. März 2004 mit, dass in Aussicht genommen sei, sie zum 6. September 2004 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in den öffentlichen Schuldienst des Landes NRW einzustellen, sofern sie die laufbahn- und sonstigen dienstrechtlichen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis insgesamt erfülle. Mit Arbeitsvertrag vom 2. September 2004 wurde sie als tarifbeschäftigte Lehrerin am O. -D. -Gymnasium der Stadt C. eingestellt. Hintergrund für das Angebot eines Arbeitsvertrages war, dass die Klägerin ausweislich des im Bewerbungsverfahren eingereichten Lichtbildes ein Kopftuch trug und deshalb Zweifel an der Eignung für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis bestanden. Unter dem 2. Dezember 2004 teilte die Bezirksregierung unter dem Betreff "Kopftuchtragende Lehrerin" dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule, Jugend und Kinder mit, es sei damit zu rechnen, dass die Klägerin nach Ablauf der Probezeit im Angestelltenverhältnis einen Antrag auf Verbeamtung stellen werde. Rechtlich verwertbare Anhaltspunkte, die eine Verbeamtung hinderten, seien zur Zeit nicht ersichtlich.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. April 2005 beantragte die Klägerin ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Mit Schreiben vom 10. August 2005 an das Ministerium für Schule, Jugend und Kinder teilte die Bezirksregierung L. mit, sie beabsichtige den Antrag positiv zu bescheiden, und bat um Weisung, wenn von einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe abgesehen werden solle. Am 30. August 2005 erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht Köln (Untätigkeits-)Klage (3 K 5168/05).
6Unter dem 6. September 2005 teilte das Ministerium der Bezirksregierung L. mit, im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung über die Ernennung sei es zulässig und geboten, die im nordrhein-westfälischen Landtag abgegebenen Erklärungen über die Schaffung eines gesetzlichen Kopftuchverbots zu berücksichtigen. Wenn danach das Kopftuchtragen in der Schule eine Dienstpflichtverletzung darstelle, so sei die Ermessensentscheidung, eine Verbeamtung abzulehnen, nicht zu beanstanden. Wenn absehbar sei, dass Dienstpflichten nicht erfüllt werden könnten oder zumindest begründete Zweifel daran bestünden, sei die Eignung nur bedingt gegeben. Auch aus Fürsorgepflichtgesichtspunkten sei es nicht vertretbar, eine Lehrerin in dem Wissen zu verbeamten, dass in Kürze ‑ nach Verabschiedung des Gesetzes - mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Disziplinarverfahren wegen einer Dienstpflichtverletzung anzustrengen wäre, das letztlich auf die Entfernung aus dem Dienst hinauslaufen würde. Es werde gebeten, die Entscheidung über den Antrag auf Verbeamtung unter Beachtung der gegebenen rechtlichen Hinweise zu treffen.
7Unter dem 29. September 2005 beantragte das beklagte Land, die Klage abzuweisen und gab zur Begründung im Wesentlichen die vorstehenden Erwägungen wieder. Nachdem das Verwaltungsgericht Köln mit Verfügung vom 24. November 2006 unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2004 - 2 C 45.03 - zu einer entsprechenden Regelung im baden-württembergischen Schulgesetz darauf hingewiesen hatte, dass die Klage mangels Verfassungswidrigkeit des (am 18. August 2006 in Kraft getretenen und damit zu diesem Zeitpunkt Geltung beanspruchenden) § 57 Abs. 4 SchulG NRW keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, sodann am 7. Februar 2007 ein Erörterungstermin stattfand, wurde das Klageverfahren schließlich im Juni 2007 durch Klagerücknahme beendet.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Mai 2015 machte die Klägerin Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgrund der erfahrenen Benachteiligung durch das Kopftuchverbot in Nordrhein-Westfalen nach § 57 Abs. 4 SchulG NRW geltend. Sie wies auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 hin, mit welchem das pauschale Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärt worden war.
9Mit Schreiben vom 24. Mai 2015 beantragte die Klägerin erneut ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis. Diese ist daraufhin im September 2015 erfolgt.
10Mit Bescheid vom 6. August 2015 lehnte die Bezirksregierung L. den Antrag auf Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche ab. Zur Begründung führte sie an, dass als Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG die auf § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. gestützte dienstliche Maßnahme - Nichtverbeamtung - in Betracht komme. Für den Ersatz eines Vermögensschadens nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG fehle es am Verschulden, da die zugrunde liegende Rechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden und im Ergebnis vertretbar sei. Der Anspruch auf Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 AGG sei verschuldensunabhängig. Zwar sei bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot grundsätzlich das Entstehen eines immateriellen Schadens beim Arbeitnehmer anzunehmen. Nach § 15 Abs. 3 AGG gelte jedoch die Haftungsprivilegierung. Danach sei der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handele. Nach dem Wortlaut der Norm seien hier in erster Linie Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen erfasst, für die der Gesetzgeber eine höhere „Richtigkeitsgewähr“ angenommen habe. Dieser Intention folgend gelte ein entsprechendes Haftungsprivileg erst Recht in einem Fall, in dem der Arbeitgeber Gesetzesvorschriften anwende. Zum Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin zum 6. September 2004 sei es zu zulässig und geboten gewesen, im Rahmen der Ermessenentscheidung die im nordrhein-westfälischen Landtag abgegebenen Erklärungen über die Schaffung eines gesetzlichen Kopftuchverbotes zu berücksichtigen. Daher sei das Angebot an die Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrages und die Nichtverbeamtung zum damaligen Zeitpunkt der herrschenden Rechtsauffassung geschuldet und könne nunmehr keine Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche auslösen.
11Die Klägerin hat am 11. August 2015 beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 i. V. m. §§ 7, 1 AGG zu. Das beklagte Land habe sie aus Gründen der Religion in ihrem beruflichen Fortkommen benachteiligt. Es liege eine unmittelbare Diskriminierung gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor, da sie nach ihrem Referendariat allein wegen des Tragens eines Kopftuches nicht in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen worden sei. Gemäß § 15 Abs. 2 AGG könne sie daher verlangen, dass ihr eine angemessene Entschädigung in Geld gezahlt werde. Da sie bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre, sei der Entschädigungsanspruch auch nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG beschränkt. Bei der Höhe der zu gewährenden Entschädigung sei die erlittene Persönlichkeitsverletzung zu berücksichtigen. Eine Haftungsprivilegierung nach § 15 Abs. 3 AGG bestehe nicht. Bei einer kollektivrechtlichen Vereinbarung handele es sich um eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, der entsprechende Verhandlungen der Parteien vorausgegangen seien. Eine gesetzliche Regelung sei hingegen eine einseitige Vorgabe und könne hiermit nicht gleichgesetzt werden.
12Die Klägerin hat beantragt,
13den Beklagten zu verurteilen, eine Entschädigung nebst Zinsen i. H. v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, sollte aber 7.800 Euro nicht unterschreiten.
14Das beklagte Land hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 18. November 2016 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die auf eine Verletzung der Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gestützte Klage habe keinen Erfolg, da zum Zeitpunkt des behaupteten Verstoßes - Ablehnung der Übernahme ins Beamtenverhältnis im Jahr 2005 - das Gesetz noch nicht existiert habe. Es sei erst am 18. August 2006 und damit nach dem behaupteten Rechtsverstoß in Kraft getreten. Die Anwendbarkeit dieses Gesetzes unterstellt, sei zudem die Ausschlussfrist von zwei Monaten zur Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten. Dem könne die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie stütze ihren Anspruch auch auf europarechtliche Vorschriften, denn die Richtlinie 2004/113 EG des Rates vom 13. Dezember 2004 weise durch Art. 8 dem nationalen Gesetzgeber die Regelung des Rechtsschutzes und damit auch der einzuhaltenden Fristen zu.
17Auf Antrag der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 7. Februar 2019 die Berufung zugelassen. In ihrer fristgerechten Begründung führt die Klägerin aus: Sie habe einen Entschädigungsanspruch vor dem Hintergrund der nicht erfolgten Verbeamtung nach ihrem Antrag vom 28. April 2005. Zwar seien bei Stellung des Antrags die §§ 57, 58 SchulG NRW in der bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltenden Fassung noch nicht in Kraft gewesen. Ihr Antrag sei aber ausweislich der Verwaltungsvorgänge im Vorgriff auf die anstehende Regelung nicht beschieden worden. Während des gerichtlichen Verfahrens sei dann die Neuregelung im Schulgesetz in Kraft getreten. Noch mit Schriftsatz vom Juni 2007 habe das beklagte Land damals ausgeführt, es halte an seinem Klageabweisungsantrag fest. Die Benachteiligung habe daher bei Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes noch angedauert. Die Klagerücknahme sei der damaligen Rechtslage geschuldet gewesen und ihr deshalb nicht vorzuwerfen. Es sei zudem ausreichend, dass die Diskriminierung durch die gesetzliche Regelung des § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. erfolgt sei. Selbst wenn sie nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes weitere Anträge auf Verbeamtung gestellt hätte, wären diese erfolglos geblieben. Diese seien deshalb unzumutbar gewesen. Eine Haftungsprivilegierung des beklagten Landes nach § 15 Abs. 3 AGG scheide aus, weil eine gesetzliche Regelung nicht einer ausgehandelten kollektivrechtlichen Vereinbarung gleichgesetzt werden könne. Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG sei eingehalten, weil sie, die Klägerin, erst mit Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 mit Pressemitteilung vom 13. März 2015 Kenntnis von der Benachteiligung durch das verfassungswidrige Gesetz erlangt habe. Gehe man mit dem Verwaltungsgericht davon aus, der zeitliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sei nicht eröffnet, so bestehe ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch. Sie könne sich auf die Richtlinien 2004/113/EG sowie 2000/78/EG berufen. Die Haftung ergebe sich daraus, dass die letztgenannte, unmittelbar anwendbare Richtlinie nicht rechtzeitig vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 3. Dezember 2003 in nationales Recht umgesetzt worden sei. Bei der Höhe der Entschädigung sei die erlittene Persönlichkeitsverletzung zu berücksichtigen. Aufgrund der verzögerten Verbeamtung, die bereits im Jahr 2004 zugesagt, aber erst im Jahr 2015 erfolgt sei, habe sie Nachteile nicht nur in Bezug auf das Ansehen ihrer Person in der Öffentlichkeit, sondern auch im Hinblick auf ihre spätere Altersversorgung erlitten.
18Die Klägerin beantragt,
19unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
20Das beklagte Land beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Zur Begründung führt es aus: Die Tatsache, dass die Klägerin ihre Klage auf Übernahme in das Beamtenverhältnis 2007 zurückgenommen habe, möge ihr zwar nicht zum Nachteil gereichen. Daraus könne ihr aber auch kein Vorteil erwachsen. Aufgrund der damaligen Rechtslage habe keine Aussicht auf Erfolg bestanden, die Klage wäre ohne Rücknahme voraussichtlich rechtskräftig abgewiesen worden. Aufgrund der seinerzeitigen eindeutigen Rechtslage seien auch die Ausführungen zur Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht überzeugend.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
26Die Leistungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
27A. Ein auf die Erstattung eines Vermögensschadens gerichteter Schadensersatzanspruch - sei es aus § 15 Abs. 1 AGG, aus Unionsrecht oder aus nationalem Beamtenrecht - ist nicht Gegenstand des klägerischen Antrags, der ausdrücklich auf eine ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung gerichtet ist. Die Klägerin macht auch keinen konkreten materiellen Schaden, etwa Verdienstausfall für einen bestimmten Zeitraum, geltend. Dies hat sie in der Berufungsverhandlung auf Nachfrage bestätigt.
28B. Hinsichtlich der danach allein begehrten Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens ist die Leistungsklage zwar zulässig, aber unbegründet.
29I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig.
301. Er ist im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO hinreichend bestimmt.
31Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin keinen - grundsätzlich, auch mit Blick auf § 103 Abs. 3 VwGO, erforderlichen - bezifferten Klageantrag formuliert, sondern die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Es ist anerkannt, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG diese Möglichkeit eröffnet und den Gerichten damit hinsichtlich der Bemessung der Entschädigung einen Spielraum einräumt. Ein solcher besteht auch bei der Gewährung einer Entschädigung wegen immaterieller Schäden nach dem weiter in Betracht kommenden unionsrechtlichen Haftungsanspruch. Die Klägerin hat die für die Bemessung der Höhe des Anspruchs erforderlichen Tatsachen benannt und mit der Aufnahme eines Mindestbetrags in ihren Klageantrag, der sich an den Bezügen und der Obergrenze in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG orientiert, auch eine Größenordnung angegeben.
32Vgl. zum Ganzen BAG, Urteil vom 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 -, NJW 2011, 550 = juris Rn. 16 m. w. N.; BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 -, BVerwGE 158, 344 = juris Rn. 7 und 44, vom 26. Februar 2015 - 5 C 5.14 D -, NVwZ-RR 2015, 641 = juris Rn. 15, vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, BVerwGE 150, 234 = juris Rn. 62, und vom 7. September 1989 ‑ 7 C 4.89 -, NVwZ 1990, 162 = juris Rn. 26; Weth, in: Herberger/Martinek u.a., jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 15 AGG Rn. 41 und 74.
332. Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens vor Klageerhebung war (jedenfalls) gemäß § 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG i. V. m. § 104 Abs. 1 LBG NRW 2009 entbehrlich.
343. Die Klagefristbestimmung des § 61b Abs. 1 ArbGG ist im Verwaltungsprozess nicht analog anwendbar. Ihr zufolge muss vor den Arbeitsgerichten eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Eine entsprechende Regelung sehen weder die Verwaltungsgerichtsordnung noch beamtenrechtliche Bestimmungen vor. Für eine analoge Anwendung des § 61b Abs. 1 ArbGG im Verwaltungsprozess fehlt es jedenfalls an einer planwidrigen Regelungslücke.
35Vgl. etwa VG Osnabrück, Urteil vom 18. Januar 2017 - 3 A 24/16 -, juris Rn. 19; VG Trier, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 K 556/15.TR -, juris Rn. 40 f.
36Die Frist wäre im Übrigen eingehalten, da die Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 2015 bei der Bezirksregierung L. den Anspruch geltend gemacht und am 11. August 2015 Klage erhoben hat.
37II. Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat weder nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG (dazu 1.) noch aus Unionsrecht (2.) einen Anspruch auf eine Entschädigung.
381. Der Klägerin steht nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens zu.
39Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (Satz 1), die bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (Satz 2).
40a. Der Anwendungsbereich des hier allein in Betracht kommenden § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist in zeitlicher Hinsicht nicht eröffnet. Die möglichen Benachteiligungen der Klägerin wegen ihrer Religion haben sich vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am 18. August 2006 (vgl. Art. 4 Satz 1 des Gesetzes, BGBl. I vom 17. August 2006, S. 1897) ereignet.
41Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet keine Anwendung auf Benachteiligungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt sind. Es regelt - mit Ausnahme der in der Übergangsvorschrift des § 33 AGG genannten Fälle - nicht rückwirkend Sachverhalte, die am 18. August 2006 bereits abgeschlossen waren. Dies entspricht dem Grundsatz, dass Gesetze frühestens mit ihrem Inkrafttreten gelten, sofern eine Rückwirkung nicht angeordnet ist.
42Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 54 und 57, sowie ‑ 2 C 3.13 -, BVerwGE 150, 255 = juris Rn. 22, und vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, BVerwGE 139, 135 = juris Rn. 11; BAG, Urteile vom 25. März 2015 ‑ 5 AZR 458/13 -, NZA 2015, 1059 = juris Rn. 24, vom 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 -, NZA 2010, 383 = juris Rn. 30 ff., vom 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 -, NZA 2010, 387 = juris Rn. 21, vom 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 -, BAGE 129, 105 = juris Rn. 55, und vom 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 -, BAGE 129, 72 = juris Rn. 33; VG Bayreuth, Urteil vom 24. Mai 2016 - B 5 K 14.106 -, juris Rn. 24; s. auch BT-Drs. 16/1780, S. 53; Armbrüster, in: Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 33 AGG Rn. 2; Weth, in: Herberger/Martinek u. a., jurisPK-BGB, a. a. O. § 15 AGG Rn. 1.
43Maßgeblich für die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist der Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung. Abzustellen ist auf die Maßnahme, die eine Benachteiligung darstellen soll, also etwa die negative Entscheidung des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, a. a. O. Rn. 11; BAG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 -, a. a. O. Rn. 32.
45Auf die Kenntnis von der Benachteiligung kommt es hingegen nicht an. Diese ist für den Fristbeginn nach § 15 Abs. 4 AGG maßgeblich. Für den zeitlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist hingegen allein der Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 7 Abs. 1 AGG von Bedeutung.
46Vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2009 ‑ 8 AZR 705/08 -, a. a. O. Rn. 21.
47Die mögliche Benachteiligung der Klägerin dadurch, dass durch das Angebot eines Arbeitsvertrags im Sommer 2004 die Übernahme ins Beamtenverhältnis konkludent abgelehnt worden ist, hat sich vor Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ereignet.
48Die Entscheidung des beklagten Landes, dem Übernahmeantrag der Klägerin vom 28. April 2005 nicht stattzugeben, ist ebenfalls keine in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG fallende Benachteiligungshandlung.
49Die Entscheidung, die als angestellte Lehrerin beschäftigte Klägerin wegen der erwarteten gesetzlichen Regelung eines pauschalen Kopftuchverbots nicht in das Beamtenverhältnis zu übernehmen, war intern spätestens mit Eingang des Erlasses des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 6. September 2005 bei der Bezirksregierung L. gefallen, der dieser lediglich formal, nicht aber in der Sache einen Spielraum ließ.
50Selbst wenn man dies wegen der zunächst unterbliebenen Umsetzung des Erlasses nicht für ausreichend hält und eine Benachteiligungshandlung erst in der negativen Entscheidung der Bezirksregierung L. sieht, ist der zeitliche Anwendungsbereich nicht eröffnet. Denn jedenfalls mit dem Klageabweisungsantrag im Schriftsatz vom 29. September 2005 im damaligen Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Köln - 3 K 5168/05 -, in dem sie zur Begründung im Wesentlichen die Ausführungen aus dem ministeriellen Erlass wiedergegeben hat, hat die Bezirksregierung den Übernahmeantrag der Sache nach abschlägig beschieden. Auch zu diesem Zeitpunkt war das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz noch nicht in Kraft getreten.
51Entgegen der Auffassung der Klägerin wird der zeitliche Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht dadurch eröffnet, dass dieses Klageverfahren erst im Juni 2007 und damit nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beendet worden ist. Dies vermag nichts daran zu ändern, dass die Benachteiligungshandlung, die negative Entscheidung des Dienstherrn über das Übernahmebegehren, bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes getroffen worden ist.
52Die Antragsablehnung entfaltet auch keine Dauerwirkung. Die abschlägige Bescheidung eines Antrags - hier mit dem Klageabweisungsantrag im September 2015 - regelt keinen Dauersachverhalt. Der sogenannte Verwaltungsakt mit Dauerwirkung weist die Besonderheit auf, dass seine Wirkung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintritt.
53Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. November 1979 - 3 C 103.79 -, BVerwGE 59, 148 = juris Rn. 75 ff., sowie Beschluss vom 5. Januar 2012 ‑ 8 B 62.11 -, NVwZ 2012, 510 = juris Rn. 13, m. w. N.
54Mit einer behördlichen Entscheidung, mit dem die Übernahme in das Beamtenverhältnis versagt wird, wird hingegen über den Anspruch des Betroffenen nur aktuell, nicht auch mit Wirkung für die Zukunft entschieden. Für Änderungen der Sach- oder Rechtslage beansprucht ein solcher Verwaltungsakt gerade keine Wirkung,
55vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 20. Auflage 2019, § 51 Rn. 7a und 27, § 43 Rn. 14; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 47,
56weshalb der Betroffene jederzeit einen neuen Antrag stellen kann, der sodann ohne Aufhebung der früheren Versagung beschieden werden kann. Dass der Antragsteller im Anschluss an die Ablehnung eines Antrags über die begehrte Vergünstigung nicht verfügt, ist eine lediglich faktische Auswirkung der Versagung.
57Eine nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfolgte Benachteiligungshandlung ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht darin zu sehen, dass das beklagte Land mit Schriftsatz vom 29. Juni 2007 am Klageabweisungsantrag festgehalten hat. Darin liegt keine erneute Entscheidung über das Übernahmebegehren. Dazu bestand auch keine Veranlassung, da sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hatte.
58Es ist schließlich kein Fall einer - nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfolgten - Benachteiligung durch Unterlassen gegeben. Denn es bestand keine gesetzliche oder anderweitig begründete Handlungspflicht des beklagten Landes, die Klägerin in das Beamtenverhältnis zu übernehmen. Dies geschieht weder automatisch mit der Beendigung des Referendariats oder der Einstellung als Lehrerin noch besteht ein Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.
59b. Nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zählt die Klägerin nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, weil sie weder Beschäftigte noch Bewerberin für ein Beamtenverhältnis war.
60Als anspruchsberechtigte Beschäftigte im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG gelten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Denn nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, vom sachlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfasst. Dabei liegt § 6 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. AGG ein formaler Bewerberbegriff zugrunde; die - hier allerdings nicht in Frage stehende - subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung ist nicht erforderlich.
61Vgl. BAG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 -, BAGE 155, 149 = juris Rn. 62.
62Dass die Klägerin nicht Zugang zu einem Arbeitsverhältnis, sondern die Übernahme in das Beamtenverhältnis erstrebte, steht der Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht entgegen. Gemäß § 24 Nr. 1 AGG gelten die Vorschriften des Gesetzes unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für Beamtinnen und Beamte der Länder.
63Hiervon ausgehend war die Klägerin nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes keine Bewerberin, weil sie nach Beendigung des Klageverfahrens 2007 nicht erneut ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis beantragt hat. Der erst wieder im Jahr 2015 gestellte Antrag wurde positiv beschieden.
64Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht ausreichend für die Anspruchsberechtigung, dass sie dem durch eine gesetzliche Regelung benachteiligten Personenkreis unterfiel und Bewerbungen deshalb nicht erfolgreich gewesen wären. Angesichts des vorstehend beschriebenen, gesetzlich vorgegebenen formalen Verständnisses setzt der Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG - wie bei diskriminierenden Stellenanzeigen - in jedem Fall eine Bewerbung voraus.
65Vgl. auch BAG, Urteile vom 21. Februar 2013 ‑ 8 AZR 68/12 -, NJW 2013, 2699 = juris Rn. 40 f., und vom 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 -, NZA 2011, 200 = juris Rn. 31; Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 6 AGG Rn. 3.
66Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des zweiten Abschnitts des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Betroffene in einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis oder beim angebahnten Zugang zu einem solchen vor Benachteiligungen zu schützen. Abgesehen davon setzt § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG das Vorhandensein konkret benachteiligter Personen voraus, denn sowohl diese Sanktionsregelung als auch das mit ihr durchzusetzende Benachteiligungsverbot des § 7 AGG knüpfen an eine Benachteiligung an und nicht an die Gefahr einer solchen.
67Vgl. Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, a. a. O. § 6 AGG Rn. 4 und 5.
68Ohne Bewerbung lässt sich weder eine konkrete Benachteiligung der Klägerin durch den Dienstherrn noch die Einhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG, die mit Ablehnung der Bewerbung bzw. Kenntnis von der Benachteiligung beginnt, feststellen. Die von der Klägerin vertretene Auffassung führte im Übrigen zu einer unüberschaubaren und gerade für private Arbeitgeber unvertretbaren Ausdehnung des Kreises der Anspruchsberechtigten.
69Dies zugrunde gelegt, kann die Klägerin auch mit ihrem Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB nicht durchdringen, wonach ein Amtshaftungsanspruch nicht besteht, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Während es dabei der Sache nach um mitwirkendes Verschulden geht, ist die Bewerbereigenschaft nach der gesetzlichen Regelung anspruchsbegründende Voraussetzung für den - verschuldensunabhängigen - Haftungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG.
702. Der weiter geltend gemachte unionsrechtliche Haftungsanspruch besteht ebenfalls nicht. Dieser ist nicht wegen legislativen Unrechts unter dem Gesichtspunkt der verspäteten Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG (a.) oder im Hinblick auf die unterbliebene Anpassung des § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. an die Vorgaben dieser Richtlinie (b.) gegeben. Ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch steht der Klägerin auch nicht deshalb zu, weil das beklagte Land ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis in den Jahren 2004 und 2005 abgelehnt und dadurch gegen unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschriften verstoßen hat (c.).
71a. Ein Haftungsanspruch besteht nicht unter dem von der Klägerin - allein - angeführten Gesichtspunkt legislativen Unrechts, dass die Richtlinie 2000/78/EG erst nach Ablauf ihrer Umsetzungsfrist mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt worden ist.
72Zwar kommt nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich ein unionsrechtlicher, auf eine Entschädigung gerichteter Haftungsanspruch einer natürlichen Person bei nicht rechtzeitiger Umsetzung von Richtlinien in Betracht.
73Vgl. grundlegend EuGH, Urteile vom 19. November 1991 - C-6/90 (Francovich) -, Slg. 1991, I-5357 = juris Rn. 38 ff., vom 5. März 1996 - C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) -, Slg. 1996, I‑1029 = juris Rn. 21, und vom 8. Oktober 1996 ‑ C-178/94 (Dillenkofer) -, Slg. 1996, I-4845 = juris Rn. 22, 27 ff.
74Die Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78/EG lief nach deren Art. 18 Abs. 1 am 2. Dezember 2003 ab. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist, wie oben ausgeführt, erst am 18. August 2006 in Kraft getreten.
75Richtiger Anspruchsgegner ist aber die Bundesrepublik Deutschland, in deren Zuständigkeit die Gesetzgebung zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG fällt, nicht das beklagte Land.
76Abgesehen davon vermag der Umstand, dass es in der Zeit zwischen dem Ablauf der Umsetzungsfrist und dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes keine nach Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG erforderlichen Sanktionen, etwa eine nationale Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch wegen unzulässiger Diskriminierung gegeben hat, keinen Anspruch der Klägerin auf eine solche Entschädigung zu begründen.
77Dies ergibt sich schon daraus, dass die Richtlinie die von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Sanktionsmaßnahmen nicht konkret vorgibt, insbesondere deren Art. 17 keinen Entschädigungsanspruch vorsieht,
78vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 33,
79und damit der Inhalt der dem Einzelnen verliehenen Rechte bei einer Diskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie nicht bestimmt werden kann.
80Vgl. KG Berlin, Urteil vom 6. Februar 2009 - 9 U 10/08 -, NVwZ 2009, 1445 = juris Rn. 8 ff. (zur Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG); siehe auch EuGH, Urteil vom 28. Januar 2015 ‑ C‑417/13 (Starjakob) -, NZA 2015, 217 = juris Rn. 44.
81Insbesondere fehlt es damit an der Festlegung der Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch. Erst Art. 18 der Richtlinie 2006/54/EG, die bis zum 15. August 2008 umzusetzen war, macht zu den vorzusehenden Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nähere Vorgaben.
82b. Ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch steht der Klägerin auch nicht wegen legislativen Unrechts mit der Begründung zu, das beklagte Land habe § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F., der seit seinem Inkrafttreten ihrer Verbeamtung entgegengestanden habe, nicht an die Vorgaben der Richtlinie angepasst.
83Dieser Staatshaftungsanspruch kommt zwar neben dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in Betracht (aa.). Die Anspruchsvoraussetzungen liegen aber nicht vor (bb.).
84aa. Dass die Rechte Einzelner aus der Richtlinie 2000/78/EG unionsrechtskonform im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt sind, schließt eine Haftung mitgliedstaatlicher Stellen nach Unionsrecht nicht aus. Vielmehr sind die Ansprüche parallel anwendbar, weil sie an verschiedene, aus dem Unionsrecht folgende Verpflichtungen anknüpfen.
85Vgl. hierzu im Einzelnen Hess. VGH, Urteil vom 11. Mai 2016 - 1 A 1927/15 -, juris Rn. 40, sowie nachgehend BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 ‑ 2 C 12.16 -, Schütz BeamtR ES/C I 1 Nr. 56 = juris Rn. 16 ff. und 48 ff.
86Möglicher Anknüpfungspunkt für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist hier ein Verstoß des beklagten Landes gegen Art. 16 lit. a) Richtlinie 2000/78/EG dadurch, dass es § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. nicht an die Vorgaben dieser Richtlinie angepasst hat. Nach Art. 16 lit. a) Richtlinie 2000/78/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Richtlinie (Art. 2 Abs. 1) zuwiderlaufenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufgehoben werden. Während es sich dabei um die Haftung für legislatives Unrecht handelt, wird mit § 15 Abs. 2 AGG die Vorgabe des Art. 17 der Richtlinie umgesetzt, wonach die Mitgliedstaaten wirksame Sanktionen festlegen müssen, um den Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte zu gewährleisten. Geht es um ein Unterlassen des Gesetzgebers im Sinne von Art. 16 lit. a) Richtlinie 2000/78/EG, besteht der unionsrechtliche Haftungsanspruch gegen diejenige Körperschaft, die insoweit innerstaatlich zur Gesetzgebung befugt und deshalb für die Umsetzung der Richtlinie verantwortlich ist.
87Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 12.16 -, a. a. O. Rn. 20 ff. und 49, zur altersdiskriminierenden Besoldung.
88bb. Die gegenüber § 15 Abs. 2 AGG höheren Anspruchsvoraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs sind im Streitfall aber nicht erfüllt. Dieser setzt voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen diesem Verstoß und dem Schaden des Geschädigten ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
89St. Rspr., vgl. nur EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u. a. -, a. a. O. Rn. 99, und vom 5. März 1996 - C-46/93 (Brasserie du Pecheur) -, a. a. O. Rn. 51 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 26.
90Hier fehlt es jedenfalls an einem hinreichend qualifizierten Verstoß des beklagten Landes gegen Unionsrecht. Ein solcher ist gegeben, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt. Ein hinreichend qualifizierter Verstoß liegt etwa dann vor, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung oder die des EuGH offensichtlich verkannt wird.
91Vgl. EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u. a. -, a. a. O. Rn. 102, und vom 5. März 1996 ‑ C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) -, a. a. O. Rn. 55 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 30, jeweils m. w. N.
92Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Das beklagte Land musste bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 nicht davon ausgehen, dass es sich bei der Regelung in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW a. F. nicht um eine zulässige berufliche Anforderung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG, sondern um eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie handelte. Vielmehr durfte es angesichts der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 57 SchulG NRW a. F.,
93vgl. BAG, Urteil vom 20. August 2009 - 2 AZR 499/08 -, BAGE 132, 1 = juris Rn. 19 ff.,
94sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur ähnlichen baden-württembergischen Regelung,
95vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 2 B 46.08 -, NJW 2009, 1289 = juris Rn. 5 ff., sowie Urteil vom 24. Juni 2004 - 2 C 45.03 -, BVerwGE 121, 140 = juris Rn. 20 ff.,
96das Gegenteil annehmen. Auch fehlte es an EuGH-Rechtsprechung, die offenkundig hätte verkannt werden können.
97Da nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. zeitnah - mit Gesetz vom 25. Juni 2015 - aufgehoben worden ist, besteht auch für diesen kurzen Zeitraum kein unionsrechtlicher Haftungsanspruch.
98c. Ein unionsrechtlicher Schadensersatzanspruch - gerichtet auf eine Entschädigung - steht der Klägerin auch nicht deshalb zu, weil das beklagte Land ihre Anträge auf Übernahme in das Beamtenverhältnis in den Jahren 2004 und 2005 abgelehnt und dadurch gegen unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschriften verstoßen hat. Ein solcher Anspruch kommt zwar grundsätzlich in Betracht (aa.). Die Voraussetzungen der Staatshaftung liegen aber nicht vor (bb.).
99aa. Ohne Bedeutung ist, dass sich die Klägerin im behördlichen wie im gerichtlichen Verfahren nicht unter dem Gesichtspunkt administrativen Unrechts auf diese unionsrechtliche Anspruchsgrundlage berufen hat. Das Gericht ist nicht an die vom Kläger bezeichneten Rechtsnormen gebunden, sondern hat den geltend gemachten Anspruch im Rahmen des Streitgegenstandes aus jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (iura novit curia).
100St. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 32.
101Ein unionsrechtlicher Entschädigungsanspruch kommt auch in Betracht, wenn das einem Einzelnen unmittelbar durch eine Unionsrechtsnorm verliehene Recht, auf das er sich auch vor den nationalen Gerichten berufen kann, verletzt worden ist. Insoweit stellt der Entschädigungsanspruch die notwendige Ergänzung der unmittelbaren Wirkung dar, die den unionsrechtlichen Vorschriften zukommt, auf deren Verletzung der entstandene Schaden beruht.
102Vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) -, a. a. O. Rn. 22; siehe im Einzelnen EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09 (Fuß) -, Slg. 2010, I-12167 = juris Rn. 45 ff.
103Der Anspruch erfasst alle Staatsorgane und alle Handlungsformen, auch unionsrechtswidrige administrative Einzelakte.
104Vgl. Jacob/Kottmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Stand 67. Ergänzungslieferung Juni 2019, Art. 340 AEUV Rn. 155 und 165.
105Der unionsrechtliche, gegen einen Mitgliedstaat gerichtete Haftungsanspruch kann auch auf die Zahlung einer Entschädigung zur Wiedergutmachung eines immateriellen Schadens gerichtet sein.
106Vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) -, a. a. O. Rn. 65, 81; siehe auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 ‑ 2 C 11.16 -, a. a. O. Rn. 44, 66 ff.; Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 340 AEUV Rn. 59.
107bb. Die Voraussetzungen des vorstehend beschriebenen unionsrechtlichen Entschädigungsanspruchs liegen aber nicht vor. Diese unterscheiden sich nicht von denjenigen der Haftung für legislatives Unrecht: Es bedarf also einer unionsrechtlichen Norm, die die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (dazu (1)). Gegen diese muss eine mitgliedstaatliche Stelle verstoßen haben ((2)), der Verstoß muss hinreichend qualifiziert sein ((3)) und zu einem dem Geschädigten entstandenen Schaden geführt haben ((4)). Während die ersten drei Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind, fehlt es an der letztgenannten. Überdies scheitert der Anspruch hinsichtlich der Verletzung im Jahr 2004 daran, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer Verbeamtung gerichtlichen Rechtsschutz nicht in Anspruch genommen hat ((5)). Demgegenüber steht Verjährung nicht entgegen, weil das beklagte Land die Einrede nicht erhoben hat ((6)).
108(1) Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, wonach es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf, bezweckt - in Verbindung mit den weiteren konkretisierenden Regelungen - die Verleihung von Rechten an die geschädigten Arbeitnehmer, die sie gegenüber den Mitgliedstaaten geltend machen können.
109Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a. -, NVwZ 2014, 749 = juris Rn. 101; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 27.
110Die Richtlinie ist auch unmittelbar anwendbar. Sie belässt den Mitgliedstaaten, was das Diskriminierungsverbot angeht, keinen Umsetzungsspielraum und die Umsetzungsfrist ist, wie ausgeführt, am 2. Dezember 2003 abgelaufen.
111(2) Das beklagte Land hat gegen diese unionsrechtlichen Vorgaben verstoßen, weil es die Klägerin wegen des aus religiösen Gründen getragenen Kopftuchs in den Jahren 2004 und 2005 nicht in das Beamtenverhältnis übernommen hat. Im Sommer 2004 hat es durch das bloße Angebot eines Arbeitsvertrags konkludent die zunächst in Aussicht gestellte Übernahme in das Beamtenverhältnis abgelehnt. Den Antrag aus April 2005 hat es nicht beschieden, aber jedenfalls durch den Klageabweisungsantrag im September 2005 der Sache nach abgelehnt. Grund dafür war jeweils, dass die Bezirksregierung L. bzw. das von ihm eingeschaltete Ministerium für Schule, Jugend und Kinder allein wegen des Tragens eines Kopftuchs Zweifel daran hatten, dass bei der Klägerin die Eignung für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis vorlag. Dies hat das beklagte Land im Schriftsatz vom 29. September 2005 im Klageverfahren ‑ 3 K 5168/05 ‑ VG Köln näher ausgeführt. Die damit verbundene Ungleichbehandlung bedeutete einen Eingriff in die Religionsfreiheit, der mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 = juris, mangels gesetzlicher Regelung nicht gerechtfertigt war. Dass ein Gesetz geplant war bzw. sich im Gesetzgebungsverfahren befand, vermag den Grundrechtseingriff nicht zu rechtfertigen.
112Es lag damit zugleich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG vor. Mangels gesetzlicher Regelung - die zudem den Anforderungen des Diskriminierungsverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätte genügen müssen - fehlte es an einer beruflichen Anforderung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG, die die Ungleichbehandlung erlaubte. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Art. 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
113(3) Dies zugrunde gelegt, war der Verstoß auch im oben ausgeführten Sinne hinreichend qualifiziert, weil das beklagte Land abweichend von den klaren Vorgaben einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gehandelt hat. Den bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis, insbesondere bei der Beurteilung des Kriteriums der Eignung nach Art. 33 Abs. 2 GG bestehenden Spielraum hat die Bezirksregierung L. damit offenkundig und erheblich überschritten. Dass darin zugleich eine Verletzung des Unionsrechts liegt, war zwar dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar zu entnehmen. Es ließ sich daraus aber ohne Weiteres ableiten, dass sich auch unionsrechtlich die unterschiedliche Behandlung wegen der Religion ohne eine Vorgabe im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG keinesfalls rechtfertigen ließ.
114(4) Im Streitfall fehlt es aber an einem konkreten (immateriellen) Schaden, der der Klägerin durch diesen Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben entstanden ist. Materielle Schäden sind, wie ausgeführt, ausdrücklich nicht Gegenstand des Verfahrens.
115Die Festsetzung einer Entschädigung durch das Gericht setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund eines einem Mitgliedstaat zuzurechnenden Verstoßes gegen Unionsrecht einen Schaden erleidet, wobei zwischen dem Verstoß und dem eingetretenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen muss.
116Vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) -, a. a. O. Rn. 65; siehe auch EuGH, Urteil vom 30. Mai 2017 - C-45/15 -, juris Rn. 50.
117Die Besonderheiten des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, bei dem ein immaterieller Schaden bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe angenommen wird, ohne dass dieser nachgewiesen werden müsste, gelten für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch nicht. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist auf die Entschädigung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens wegen des sogenannten Inklusionsinteresses gerichtet. Das diskriminierende Verhalten wird auch ohne konkreten Schadensnachweis sanktioniert, um so in einem abgestuften Sanktionssystem den wirksamen Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte zu gewährleisten. Es soll sichergestellt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot auch im Falle fehlenden - für § 15 Abs. 1 AGG erforderlichen - Verschuldens nicht sanktionslos bleibt. Die Feststellung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Art einer Herabwürdigung des Bewerbers oder von sonstigen persönlich belastenden Folgen einer Benachteiligung ist nicht erforderlich.
118Vgl. BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 -, a. a. O. Rn. 18 und 29, vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 34 und 45, und vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 -, BVerwGE 147, 244 = juris Rn. 58, sowie Beschluss vom 16. April 2013 - 2 B 145.11 -, juris Rn. 9 f.; OVG NRW, Urteil vom 8. Februar 2017 - 3 A 80/16 -, juris Rn. 38; BAG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 -, BAGE 129, 181 = juris Rn. 70 ff.; BT-Drs. 16/1780, S. 38; Belling/Riesenhuber, in: Erman, BGB, a. a. O. § 15 AGG Rn. 13; Rupp, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, Kommentar, 8. Auflage 2018, § 15 AGG Rn. 6; von Roetteken, AGG, 63. Update September 2019, § 15 Rn. 152.
119Maßgeblich ist der unionsrechtliche Schadensbegriff; ob nach nationalem Recht ein Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts vorliegt, ist unerheblich. Schäden sind danach auch etwa der Verlust von Freizeit oder ein entgangener Gewinn.
120Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juli 2017 - 2 C 31.16 -, DVBl. 2018, 248 = juris Rn. 15.
121Welche Anforderungen an den Schaden zu stellen sind, für den Ersatz oder eine Entschädigung begehrt wird, ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH zur Haftung der Union nach Art. 340 Abs. 2 AEUV, die wegen der grundsätzlichen Parallelität der Haftungsregime auch für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch der Mitgliedstaaten herangezogen werden kann.
122Vgl. Jacob/Kottmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, a. a. O., Art. 340 AEUV Rn. 139 und 169; Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV, a. a. O., Art. 340 AEUV Rn. 42.
123Danach muss der eingetretene Schaden tatsächlich und sicher sein.
124Vgl. EuGH, Urteile vom 30. Mai 2017 - C-45/15 -, a. a. O. Rn. 61 ff., vom 4. April 2017 - C-337/15 (Staelen) -, juris Rn. 91, vom 14. Mai 1998 - C‑259/96 P -, Slg. 1998, I-2915 = juris Rn. 10, 23 und 25 f., sowie vom 7. Februar 1990 - C-343/87 (Culin) -, Slg. 1990, I-225 = juris Rn. 27.
125Dies zugrunde gelegt, fehlt es im Streitfall an einem Schaden. Die naheliegenden finanziellen Nachteile des Angestelltenverhältnisses gegenüber dem Beamtenstatus macht die Klägerin mit ihrer Klage, wie ausgeführt, erklärtermaßen nicht geltend. Es ist daher unerheblich, dass sie im Zusammenhang mit der Frage, wie hoch die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu bemessen sei, auf die Nachteile in Bezug auf die Altersversorgung verwiesen hat.
126Dass und welcher immaterielle Schaden der Klägerin dadurch entstanden ist, dass sie zwar als Lehrerin eingestellt, nicht aber in das Beamtenverhältnis übernommen worden ist, ist ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen. Ihr nicht näher konkretisierter Vortrag, die erlittene Persönlichkeitsverletzung sei bei der Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu berücksichtigen, reicht zur Feststellung von persönlich belastenden Folgen der Verletzung von Unionsrecht ebensowenig aus wie die pauschale Behauptung, sie habe Nachteile in Bezug auf das Ansehen ihrer Person in der Öffentlichkeit erlitten.
127Das tatsächliche Vorliegen eines immateriellen Schadens ist auch nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Klägerin in ihrer Religionsfreiheit verletzt und dadurch diskriminiert worden ist, begründet die Pflichtverletzung, nicht aber den nach den obigen Ausführungen weiter erforderlichen, dadurch erlittenen Schaden. Dass das Vorgehen des beklagten Landes, insbesondere die negative Beurteilung ihrer Eignung für das Beamtenverhältnis wegen ihrer religiösen Bekleidung, die Klägerin psychisch beeinträchtigt hätte oder sonst von ihr als erheblich belastend empfunden worden wäre, ist nicht erkennbar. Der Zugang zur erwünschten Beschäftigung war ihr eröffnet, ihr blieb lediglich der Beamtenstatus verwehrt. Sie konnte entsprechend ihrer Ausbildung als Lehrerin auf demselben Dienstposten tätig sein, auf dem sie als Beamtin beschäftigt worden wäre. Die später, nach Inkrafttreten des § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. angestellten - erfolglosen bzw. wegen Mutterschutz- und Elternzeiten der Klägerin nicht weiterverfolgten - Bemühungen des beklagten Landes, das Kopftuchtragen der Klägerin im Unterricht zu verhindern, sind im Streitfall schon deshalb unerheblich, weil sie in keinerlei Zusammenhang mit dem hier angenommenen unionsrechtlichen Verstoß durch Nichtverbeamtung in den Jahren 2004 und 2005 stehen.
128Woraus sich angesichts dessen die von der Klägerin angeführte Ansehensbeeinträchtigung ergeben soll, ist nicht erkennbar. Es ist überdies schon nichts dafür vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, dass die wegen der religiösen Bekleidung versagte Übernahme in das Beamtenverhältnis nach außen, etwa Kollegen der Klägerin, Schülern oder Eltern, bekannt geworden ist.
129Vgl. zu einem solchen Gesichtspunkt auch EuGH, Urteil vom 7. Februar 1990 - Rs. 343/87 (Culin) -, a. a. O. Rn. 27.
130Dass die Klägerin ihren Beruf nur im Angestelltenverhältnis ausüben konnte, bedeutet für sich genommen weder eine Diskriminierung noch eine Stigmatisierung oder Rufschädigung. Bei weitem nicht alle Lehrer sind im Beamtenverhältnis, sondern viele - aus ganz unterschiedlichen Gründen - im Angestelltenverhältnis tätig; sie sind damit nicht etwa geringer geachtete Lehrer zweiter Klasse.
131Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2019 - 6 A 286/19 -, juris Rn. 8.
132Im Übrigen ist die Klägerin im September 2015 in das Beamtenverhältnis übernommen worden, nachdem § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. aufgehoben worden war. Etwaige immaterielle Schäden sind damit jedenfalls hinreichend wiedergutgemacht. Ein weiteres Kompensationsbedürfnis, das die Zahlung einer Entschädigung erforderte, ist zur Überzeugung des Senats nicht mehr erkennbar.
133(5) Soweit der Haftungsanspruch an die Pflichtverletzung durch konkludente Ablehnung des Übernahmebegehrens im Jahr 2004 anknüpft, steht ihm überdies der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB entgegen.
134Dieser Anspruchsausschluss gilt auch beim unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, soweit dem Geschädigten der Gebrauch des Rechtsmittels zumutbar ist. Der Geschädigte muss sich in angemessener Form um die Verhinderung des Schadenseintritts oder um die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht haben, insbesondere rechtzeitig von allen ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben.
135Vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) -, a. a. O. Rn. 84; BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 -, a. a. O. Rn. 64; BGH, Urteile vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05 -, BGHZ 181, 199 = juris Rn. 23, und vom 9. Oktober 2003 - III ZR 342/02 -, BGHZ 156, 294 = juris Rn. 12.
136Der Klägerin wäre es zumutbar gewesen, nach dem bloßen Angebot eines Arbeitsvertrags im September 2004 ihr Übernahmebegehren gerichtlich weiter zu verfolgen, wie sie dies nach ihrem nicht beschiedenen Antrag aus April 2005 getan hat. Sie hat jedoch die konkludente Ablehnung bestandskräftig werden lassen.
137(6) Dass der unionsrechtliche Haftungsanspruch, der an die unionsrechtswidrige Ablehnung der Übernahmeanträge in den Jahren 2004 und 2005 anknüpft, gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung verjährt ist,
138zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 -, ZBR 2016, 199 = juris Rn. 42 ff., m. w. N.; Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, a. a. O., Art. 340 AEUV Rn. 180,
139kann der Klägerin hingegen nicht entgegengehalten werden. Denn das beklagte Land hat die Einrede der Verjährung - trotz Hinweises des Senats auf die Verjährungsproblematik in der Berufungsverhandlung - nicht erhoben.
140Der bloße Eintritt der Verjährung hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Bestehen oder die Durchsetzbarkeit des Anspruchs; der Schuldner muss entscheiden, ob er von der ihm nach Verjährungseintritt gemäß § 214 Abs. 1 BGB zustehenden Einrede der Verjährung Gebrauch macht. Dies gilt entsprechend für den Dienstherrn im Beamtenrecht, wo allerdings regelmäßig sogar aus Gründen der sparsamen Haushaltsführung eine Verpflichtung angenommen wird, die Verjährungseinrede zu erheben.
141Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 -, a. a. O. Rn. 52, und vom 25. November 1982 - 2 C 32.81 -, BVerwGE 66, 256 = juris Rn. 14 ff.
142Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
143Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO und des § 127 BRRG nicht vorliegen.