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Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 2.4.2019 wird verworfen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu gleichen Teilen.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen jeweils auf 22.500,00 Euro festgesetzt
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ist unzulässig.
2Die Antragsteller haben die Beschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 2.4.2019 zugestellt worden. Die Beschwerdebegründung ist aber erst am Freitag, den 3.5.2019 bei Gericht eingegangen.
3Den Antragstellern kann wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist auch nicht nach § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet verhindert war, die Frist einzuhalten. Seinem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Beschwerdebegründung noch rechtzeitig zu übermitteln.
4Die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, dürfen nicht überspannt werden. Insbesondere dürfen die aus den technischen Gegebenheiten eines zulässigen Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Liegt die Ursache für die Fristversäumnis in der technischen Störung eines Gerätes des Betroffenen, kann grundsätzlich Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn dargelegt und glaubhaft gemacht wird, dass ein technischer Defekt aufgetreten ist, der nicht vorhersehbar war. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist jedoch abzulehnen, wenn die Störung zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, als noch eine Übermittlung des Schriftsatzes auf einem anderen Wege möglich und zumutbar war.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.5.2010 – 7 B 18.10 –, juris, Rn. 5.
6Gemessen hieran ist ein Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller macht geltend, die Verspätung beruhe auf einem technischen Fehler im Zusammenhang mit der Versendung des Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Er habe die Beschwerdebegründung am Abend des 2.5.2019 bei sich zu Hause fertiggestellt und anschließend – nach seiner Erinnerung zwischen 22.00 und 22.30 Uhr – versucht, sie über das beA auf elektronischem Weg an das Oberverwaltungsgericht zu übersenden. Dies sei nicht gelungen, weil die Verbindung zum Kanzleiserver abgebrochen gewesen sei. In der Kanzlei sei zu dieser Zeit niemand mehr zu erreichen gewesen. Über eine Möglichkeit, ein Telefax zu versenden, verfüge er zu Hause nicht. Eine Versendung aus den Kanzleiräumen durch ihn selbst sei zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht möglich gewesen, weil er zu dieser Zeit aus medizinischen Gründen nicht habe Auto fahren können. Wegen einer kürzlich durchgeführten Operation sei die Drehung des Oberkörpers und des Kopfes eingeschränkt, ein Schulterblick nicht möglich gewesen.
7Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hat aber nicht dargelegt, weshalb es ihm vorliegend nicht möglich oder zumutbar gewesen sein sollte, mit einem Taxi zu den Kanzleiräumen in E. oder Lage zu fahren, um die Beschwerdebegründung von dort aus auf elektronischem Weg oder per Telefax zu übersenden. Die einem Rechtsanwalt zur rechtzeitigen Übermittlung eines Schriftsatzes an das Gericht abverlangten Maßnahmen dürfen das Maß des Zumutbaren nicht übersteigen. Bei einer überschaubaren Entfernung ist es jedoch nicht unzumutbar, ein Taxi zu nutzen.
8Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.11.2007 – 3 B 60.07 –, DÖV 2008, 253 = juris, Rn. 12.
9Überdies hätte es nahegelegen zu versuchen, einen von mehreren anderen in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälten privat zu erreichen, um diesen bei der Übermittlung des Schriftsatzes über eine andere Internetverbindung oder durch Fahrt in die Kanzlei um Hilfe zu bitten. Auch hierzu hat der Prozessbevollmächtigte nichts vorgetragen.
10Die Beschwerde wäre auch unbegründet.
11Das Verwaltungsgericht hat die sinngemäß gestellten Anträge,
12die aufschiebende Wirkung der Klagen 3 K 3368/18, 3 K 3369/18 und 3 K 3377/18 (VG Minden) gegen die Ordnungsverfügungen des Antragsgegners vom 24.7.2018 hinsichtlich der Gewerbeuntersagung wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen,
13bezogen auf die Antragsteller zu 1. und 2. im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Verfügungen des Antragsgegners erwiesen sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Untersagung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO lägen vor, weil den Antragstellern zu 1. und 2. die für ihre Tätigkeit erforderlich Erlaubnis nach § 12 ProstSchG fehle. Der Antragsgegner sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragsteller zu 1. und 2. als geschäftsführungs- und vertretungsberechtigte Gesellschafter der Antragstellerin zu 3. ein Prostitutionsgewerbe im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes betrieben, indem sie Räume gezielt zum Zwecke der Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellten und damit einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Prostitution anderer zögen. Die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners genannten Wohnungen würden möbliert an Prostituierte vermietet und von diesen zur Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt. Zwei der Wohnungen würden bereits seit längerem an dieselben Prostituierten und eine der Wohnungen kurzfristig wechselnd an unterschiedliche Prostituierte vermietet. Der Mietzins liege deutlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete und werde wöchentlich abgeholt. Die Antragsteller böten zudem auf die Nutzung für die Prostitution bezogenen Nebenleistungen an, insbesondere Hilfestellungen bei Behördenangelegenheiten, wie der in einer der Wohnungen aufgefundene Zettel mit Hinweisen zu steuerlichen Pflichten und dem Angebot, hierzu nähere Auskunft zu geben, und die Aussage einer Mieterin belege. Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Untersagungsverfügung, weil sie dazu diene, die Schutzpflichten des Prostituiertenschutzgesetzes durchzusetzen. Der Antrag der Antragstellerin zu 3. sei bereits unzulässig, weil sie nicht Adressatin der streitgegenständlichen Ordnungsverfügungen sei.
14Diese Einschätzung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht erschüttert.
15Die Antragsteller machen geltend, dass es sich bei den drei streitgegenständlichen Wohnungen nicht um Prostitutionsstätten im Sinne des Prostitutiertenschutzgesetzes handele. Die Nutzung der Wohnung bestimmten selbständig und weisungsunabhängig ausschließlich die Mieter. Deshalb liege eine erlaubnisfreie Wohnungsprostitution vor. Die ausschließliche Vermietung von Wohnraum an Prostituierte könne keine Genehmigungspflicht nach dem Prostitutiertenschutzgesetz begründen. Die Höhe des Mietzinses sei für die Genehmigungspflicht ebenfalls unerheblich. Im Übrigen werde ein ortsüblicher Mietzins erhoben. Sie selbst seien weder an den Einnahmen der Prostituierten beteiligt noch tätigten sie irgendwelche Unterstützungsarbeiten oder gäben sonstige Hilfe. Der Hinweis auf steuerliche Pflichten und/oder das Angebot, mit ihnen zu sprechen, stellten keine Hilfeleistung im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes dar. Im Übrigen fehle jeder Vortrag dazu, wann und unter welchen Umständen der in einer der Wohnungen aufgefundene Zettel von wem dort hinterlassen worden sei. Schließlich fehle es an differenzierten Feststellungen zu den verschiedenen Wohnungen und Mietverhältnissen.
16Dieses Beschwerdevorbringen stellt weder die rechtlichen noch die tatsächlichen Würdigungen des Verwaltungsgerichts in Frage. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die streitgegenständlichen Wohnungen als Prostitutionsstätten einzustufen sind, die von den Antragstellern zu 1. und 2. im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 ProstSchG betrieben werden.
17Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass nach der Gesetzesbegründung bereits derjenige eine Prostitutionsstätte betreibt, der sich professionell darauf ausrichtet, Wohnungen gezielt an Prostituierte zur Ausübung ihrer Tätigkeit zu vermieten. Denn dadurch wird zielgerichtet ein wirtschaftlicher Vorteil aus der Prostitution anderer gezogen.
18Vgl. BT-Drs. 18/8556, S. 61; ebenso Bay. VGH, Beschluss vom 29.3.2019 – 22 CS 19.297 –, GewArch 2019, 249 = juris, Rn. 18.
19Die Antragsteller haben nicht bestritten, dass die streitgegenständlichen Wohnungen ausschließlich an Prostituierte vermietet werden sowie in ihnen der Prostitution nachgegangen wird. Dies wird auch durch die im Verwaltungsvorgang dokumentierten Ortsbesichtigungen und Internetrecherchen des Antragsgegners belegt. Selbst wenn sie an den Aktivitäten der Mieter nicht selbst beteiligt sind, vermieten sie als ihre Lebensgrundlage, also geschäftsmäßig, diese Wohnungen an Prostituierte und ziehen damit aus der Prostitution anderer einen wirtschaftlichen Nutzen. Nach den Feststellungen des Antragsgegners besteht kein Zweifel, dass die Antragsteller die Nutzung der Wohnung durch die Akquise von Prostituierten als Nutzerinnen maßgeblich steuern, worauf es für die Eigenschaft als Prostitutionsstätte lediglich ankommt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, bereits die ausschließliche Vermietung der Wohnungen an Prostituierte sei vorliegend ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Räumlichkeiten gezielt an Prostituierte vermietet werden. Hinzu kommen die Höhe des Mietzinses und Zahlungsmodalitäten sowie die angebotenen Hilfestellungen bei Behördenangelegenheiten.
20Die Antragsteller erläutern nicht, inwiefern zwischen den streitgegenständlichen Wohnungen unterschieden werden müsse. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich begründet, warum – in Bezug auf alle drei Wohnungen – davon auszugehen ist, dass der erhobene Mietzins die ortsübliche Miete für Wohnraum übersteigt. Die bloße Behauptung, es werde ein ortsüblicher Mietzins erhoben, stellt diese überzeugend begründete Würdigung nicht in Frage, zumal die Antragsteller in der Antragsschrift selbst noch angegeben haben, die Miethöhe liege im Rahmen von für eine „gewerbliche“ Nutzung ‒ nicht etwa eine Wohnnutzung ‒ vermieteten Flächen. Das Verwaltungsgericht hat zudem im Einzelnen dargelegt, warum aufgrund des aufgefundenen Zettels und der Aussage einer der Mieterinnen nach dem derzeitigen Erkenntnisstand davon auszugehen ist, dass die Antragsteller, ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankommt, auch auf die Ausübung der Prostitution bezogene Hilfeleistungen anbieten. Jedenfalls gehen die Antragsteller ausweislich des Zettels gerade nicht davon aus, dass die Mieter die Wohnung nur bewohnen. Unter den Stichworten „Steuer Finanzamt“ sehen sie für die Mieter in erster Linie die Alternative, entweder ein Gewerbe anzumelden oder 10,00 Euro pro Frau am Tag zu zahlen.
21Es spricht danach alles dafür, dass die Vermietung an Prostituierte nicht zufällig, sondern zielgerichtet erfolgt, weil bei einer Vermietung von bloßem Wohnraum nur ein geringerer Mietzins zu erzielen wäre. Die nach den Angaben der Antragsteller angebotenen kurzfristig kündbaren Mietverträge über vollständig möblierte Wohnungen sind auf die Bedürfnisse der Prostituierten zugeschnitten. Ihr Vorbringen lässt zudem nicht erkennen, dass die für Wohnraum geltenden zwingenden gesetzlichen Regelungen zum Mieterschutz erfüllt werden. Die Antragsteller ziehen einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Prostitution ihrer Mieterinnen, weil die Einnahmen aus der Prostitution die Mieterinnen in die Lage versetzen, den vereinbarten Mietzins zu zahlen.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. In Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58) sind im Hauptsacheverfahren für jeden der drei Antragsteller 15.000,- Euro anzusetzen. Für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gesamtbetrag zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).
24Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.