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Bei der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG handelt es sich nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt.
Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst beginnen kann, gehört regelmäßig das Anhörungsverfahren, und zwar unabhängig von dessen Ergebnis.
Bei der Aufhebung öffentlicher Zuwendungsbescheide ist das Widerrufsermessen regelmäßig intendiert. Damit ist indes nicht gesagt, dass in diesen Fallkonstellationen jede weitere Sachaufklärung entbehrlich und die Entscheidungsreife eingetreten ist, sobald die Behörde die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf festgestellt hat. Denn auch bei einem intendierten Ermessens ist zu verlangen, dass die Behörde den ihr verbleibenden Ermessensspielraum erkennt und prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der Widerruf des Zuwendungsbescheids in Betracht kommt. Diesem Erfordernis wird die Behörde grundsätzlich nur dann gerecht werden können, wenn dem beabsichtigten Widerruf eine ordnungsgemäße Anhörung vorangeht.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 2.059.900,- € festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch führen sie auf besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) oder deren grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.).
41. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
5Ernstliche Zweifel sind gegeben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
6Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Januar 2017 ‑ 2 BvR 2615/14 -, juris Rn. 19, und vom 9. Juni 2016 ‑ 1 BvR 2453/12 -, juris Rn. 16, jeweils mit weiteren Nachweisen.
7Dies ist nicht der Fall.
8Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
9den Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 2016 aufzuheben,
10zu Recht abgewiesen.
111.1 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte die Widerrufsfrist der § 49 Abs. 3 Satz 2, § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW gewahrt hat.
12Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf rechtfertigen, so ist der Widerruf danach nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.
13Bei der Jahresfrist handelt es sich nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr Zeit eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme bzw. den Widerruf des Verwaltungsakts zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. Erst wenn die Behörde auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Tatsachen den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Aufhebungsbefugnis zusteht, muss sie innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht. Sie muss zu der Erkenntnis gelangt sein, dass die weiteren Voraussetzungen des § 48 VwVfG oder des § 49 VwVfG zweifelsfrei gegeben sind. Dies ist anzunehmen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung imstande ist, diese gesetzlichen Voraussetzungen zutreffend zu beurteilen, und daraus die richtigen Schlüsse zieht.
14Vgl. zu alledem BVerwG, Urteile vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 -, juris Rn. 30 f., vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 -, juris Rn. 27 ff., vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 -, juris Rn. 12, vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 -, juris Rn. 10 ff., und vom 20. Dezember 1999 - 7 C 42.98 -, juris Rn. 21, Beschluss vom 19. Dezember 1984 - GrSen 1.84, 2.84 -, juris Rn. 8 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Oktober 2018 ‑ 4 A 2093/16 -, juris Rn. 8, vom 11. August 2017 ‑ 15 A 359/16 -, und vom 29. Mai 2017 ‑ 4 A 516/15 ‑, juris Rn. 9 ff., Urteile vom 20. April 2012 ‑ 4 A 2005/10 -, juris Rn. 58, und vom 22. Februar 2005 - 15 A 1065/04 -, juris Rn. 86.
15Daraus folgt, dass jede Form der Nichtkenntnisnahme entscheidungserheblicher Umstände den Fristlauf hindert, weil es im Rahmen des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG auf ein „(qualifiziertes) Kennenmüssen“ der die Rücknahme bzw. den Widerruf rechtfertigenden Gründe nicht ankommt.
16Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. August 2014 - 4 B 1.14 -, juris Rn. 8, und vom 12. September 1997 ‑ 3 B 66.97 -, juris Rn. 3.
17Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst beginnen kann, gehört regelmäßig das Anhörungsverfahren, und zwar unabhängig von dessen Ergebnis. Denn die Einwände des Anzuhörenden können nur dann ernstlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Behörde ihre Entscheidung bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens offen hält. Dies gilt auch und gerade, wenn es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der zudem die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen. Unterlässt die Behörde die Anhörung, so läuft die Frist nicht. Verzögert sie sie, so läuft die Frist gleichwohl nicht früher.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 ‑, juris Rn. 32, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - 2 B 60.08 -, juris Rn. 7, Urteile vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 -, juris Rn. 13, und vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 -, juris Rn. 13, Beschlüsse vom 7. November 2000 - 8 B 137.00 -, juris Rn. 5, und vom 19. Dezember 1984 - GrSen 1.84, 2.84 -, juris Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 29. Mai 2017 - 4 A 516/15 -, juris Rn. 17, Urteil vom 20. April 2012 - 4 A 2005/10 -, juris Rn. 58.
19Ist die Sache allerdings bei Anlegung eines objektiven Maßstabs zur Entscheidung reif, so beginnt die Jahresfrist auch dann zu laufen, wenn die Behörde weitere Schritte zur Sachaufklärung unternimmt, die objektiv nicht mehr erforderlich sind. So liegt es insbesondere, wenn das Ermessen der Behörde auf Null reduziert oder doch im Sinne eines intendierten Ermessens regelhaft gebunden ist.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 ‑ 10 C 5.17 ‑, juris Rn. 31, Beschluss vom 19. Dezember 1984 - GrSen 1.84, 2.84 -, juris Rn. 21.
21Bei der Aufhebung öffentlicher Zuwendungsbescheide ist das Widerrufsermessen regelmäßig intendiert. Dies folgt aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis von selbst und bedarf keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung.
22Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2002 - 8 C 30.01 ‑, juris Rn. 37, vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 -, juris Rn. 14, und vom 23. Mai 1996 - 3 C 13.94 -, juris Rn. 51; OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2015 - 15 A 121/15 -, juris Rn. 12, Urteile vom 20. April 2012 - 4 A 1055/09 -, juris Rn. 109 ff., und vom 22. Februar 2005 - 15 A 1065/04 -, juris Rn. 90; anders nur BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2015 - 10 C 15.14 -, juris Rn. 29.
23Damit ist indes nicht gesagt, dass in diesen Fallkonstellationen jede weitere Sachaufklärung entbehrlich und die Entscheidungsreife eingetreten ist, sobald die Behörde die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf festgestellt hat. Denn auch bei einem intendierten Ermessens ist zu verlangen, dass die Behörde den ihr verbleibenden Ermessensspielraum erkennt und prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der Widerruf des Zuwendungsbescheids in Betracht kommt. Diesem Erfordernis wird die Behörde grundsätzlich nur dann gerecht werden können, wenn dem beabsichtigten Widerruf eine ordnungsgemäße Anhörung vorangeht.
24Von einer Anhörung im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG kann dabei nur dann gesprochen werden, wenn dem Anhörungsschreiben die Ankündigung entnommen werden kann, dass in einem konkreten Einzelfall der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt sei.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 -, juris Rn. 12.
26Gemessen an diesen Maßstäben ist der streitgegenständliche Widerrufsbescheid vom 29. Juli 2016 innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVG NRW ergangen. Dies gilt auch unter der Prämisse, dass der Bescheid unterschiedliche Zuwendungsbescheide bzw. -sachverhalte betrifft, für die unterschiedliche Widerrufsfristen galten.
27Vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Beschluss vom 11. August 2017 - 15 A 359/16 -, n. v., mit weiteren Nachweisen.
281.1.1 Im Hinblick auf den (Teil-)Widerruf der Zuwendungen für das Förderverfahren OM 78 26 50 „K 22n, Zubringer zur L 116 in H. “ (Zuwendungsbescheid vom 10. November 2010) ist die Jahresfrist selbst dann gewahrt, wenn man - ohne Rücksicht auf das spätere Anhörungsverfahren - Entscheidungsreife bereits am 31. Juli 2015 unterstellte, als die (zweite) Stellungnahme des Klägers vom 24. Juli 2015 zum Förderverfahren K 22n beim Beklagten einging. Denn der Beklagte erließ den Widerrufs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2016 innerhalb eines Jahres nach diesem Zeitpunkt. Der Bescheid wurde dem Kläger am Montag, den 1. August 2016, zugestellt.
291.1.2 Aber auch unbeschadet dessen hat der Beklagte die Widerrufsfrist hinsichtlich beider Zuwendungsbescheide eingehalten, weil für deren Beginn jeweils der Abschluss des Anhörungsverfahrens maßgeblich war.
30Der Beklagte hat den Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf mit Schreiben vom 12. Juli 2016 bzw. vom 19. Juli 2016 angehört. Diese Anhörung betraf sowohl den besagten (Teil-)Widerruf der Zuwendungen für das Förderverfahren K 22n als auch den (Teil-)Widerruf der Zuwendungen für das Förderverfahren OM 03 11 50 „Radweg an der K 4 von H1. - L. “ (Zuwendungsbescheid vom 19. November 2010). Eine die Jahresfrist auslösende Entscheidungsreife konnte insgesamt erst mit dem Abschluss des Anhörungsverfahrens eintreten. Denn ob die im - hinsichtlich der Höhe des Widerrufs- und Erstattungsbetrags korrigierten - Anhörungsschreiben vom 19. Juli 2016 bezifferten Summen dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt sind, konnte der Beklagte abschließend erst entscheiden, nachdem dem Kläger die Gelegenheit gegeben worden war, sich zu diesen konkreten Beträgen und deren Begründung durch den Beklagten zu äußern. Diese Gelegenheit bestand vorher nicht und konnte daher vom Kläger auch mit seinen Schreiben an den Beklagten vom 15. April 2015 und vom 24. Juli 2015 nicht wahrgenommen worden sein. Erst mit den förmlichen Anhörungsschreiben hat der Kläger dem Beklagten im konkreten Einzelfall den Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts in Aussicht gestellt.
31Ein (Ausnahme-)Fall der Entscheidungsreife vor Abschluss des Anhörungsverfahrens ist nicht gegeben.
32Dass der Beklagte - wie etwa aus seinem Schreiben an den Kläger vom 29. Juli 2016 hervorgeht - von einem Ende der Widerrufsfrist schon am 1. August 2016 ausging, ist für die Fristbestimmung unerheblich. Hat der Beklagte danach eine Entscheidungsreife (vorsorglich) seit dem 31. Juli 2015 - dem Tag des Eingangs der Stellungnahme des Klägers vom 24. Juli 2015 bei ihm - zugrunde gelegt, ist dies nach den obigen Ausführungen rechtsirrig gewesen. Rechtsirrtümer der Behörde haben aber auf den Lauf der - objektiv zu bemessenden - Jahresfrist keinen Einfluss.
33Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 ‑ 10 C 5.17 -, juris Rn. 48.
34Auch der oben erwähnte Umstand, dass das Widerrufsermessen im öffentlichen Zuwendungsrecht mit Blick auf die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall intendiert ist, führt nach Lage der Dinge nicht zum vorzeitigen Eintritt der Entscheidungsreife nebst Ingangsetzung der Jahresfrist. Bevor der Beklagte den Kläger nicht in den förmlichen, ausdrücklich als solchen gekennzeichneten Anhörungsschreiben mit der konkreten Erstattungsforderung konfrontiert hatte, war seine Entscheidungsgrundlage noch nicht vollständig. Dies erfasst die Frage der Berechtigung der einzelnen, in diversen Prüfungsmitteilungen verkörperten Widerrufsgründe ebenso wie die damit - auf Rechtsfolgenseite - verknüpfte Klärung, in welcher Höhe die Rückforderung letzten Endes gerechtfertigt ist.
351.2.1 Die vom Kläger in Zweifel gezogene Annahme des Verwaltungsgerichts, dass hinsichtlich der Fördermaßnahme K 22n ein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW vorliegt, weil das ausgewählte Angebot der Bietergemeinschaft I. /E. mit Blick auf § 25 Nr. 1 Abs. 1b) VOB/A hätte ausgeschlossen werden müssen (PM 1.2.1), ist nicht zu beanstanden.
36Gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW darf ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit nur widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
37Der im Hinblick auf die Fördermaßnahme K 22n (teil-)widerrufene Zuwendungsbescheid vom 10. November 2010 ist - ebenso wie die vorhergehenden Zuwendungsbescheide - mit der Auflage der Nr. 3.1 ANBest-G - bzw. zuvor Nr. 3 ANBest-G - versehen. Danach sind bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten.
38Ob ein Vergabe- und damit ein Auflagenverstoß im Sinne von § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW in Verbindung Nr. 3.1 ANBest-G gegeben ist, richtet sich dabei nach der im Zeitpunkt der Auftragsvergabe geltenden objektiven Rechtslage. (Ggf. divergierende) Rechtsmeinungen über diese Rechtslage können sich nicht auf der Tatbestandsebene des Vorliegens eines Widerrufsgrunds, sondern allenfalls auf Ermessensseite bei der Bewertung des Schweregrads des Vergabeverstoßes auswirken.
39In diesem Sinne auch VG Düsseldorf, Urteil vom 20. Oktober 2006 - 1 K 3293/05 -, juris Rn. 29 ff.
40Danach hat der Kläger bei der Auftragsvergabe an die Bietergemeinschaft aufgrund der Submissionsniederschrift vom 8. Dezember 1992 unter dem Aspekt des § 25 Nr. 1 Abs. 1b) VOB/A - in der im Jahr 1992/93 gültigen Fassung - nicht genügt.
41Die Regelung schreibt für die Wertung der Angebote vor, dass Angebote ausgeschlossen werden, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A 1992 nicht entsprechen. Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A 1992 sollen die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten.
42Der Ausschlusstatbestand ist nicht erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Erklärungen im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter - etwa die aufgegliederte Angabe von Einheitspreisen in Lohn- und Materialkosten - bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert ist, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen.
43Vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2005 - X ZR 19/02 -, juris Rn. 13; BayObLG, Beschluss vom 18. September 2001 - Verg. 10/01 -, juris Rn. 17 ff.
44Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen nach den Formblättern EFB-Preis 1 und 2 gefordert, sind diese Erklärungen als Umstände ausgewiesen, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen, so dass die Nichtabgabe dieser Erklärungen mit dem Angebot zwingend zum Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1b) VOB/A 1992 führt. Die gegenteilige Auffassung ist mit dem von § 25 Nr. 1 Abs. 1b), § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A 1992 angestrebten Zweck, ein transparentes und alle Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren zu gewährleisten, in dem ohne Weiteres vergleichbare Angebote auf der Grundlage der Ausschreibungsunterlagen vorliegen, nicht zu vereinbaren.
45Vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2005 - X ZR 19/02 -, juris Rn. 15.
46Dies gilt bei geforderten Preisangaben zu Lohn- und Materialkosten in besonderer Weise, weil mit Hilfe dieser Preisangaben das Nachtragsrisiko bei einzelnen Positionen gesicherter kalkuliert und leichter kontrolliert werden kann. Außerdem sind diese Preisangaben für die Ermittlung veränderter Preise nach Vertragsabschluss von Bedeutung.
47Vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. September 2001 - Verg. 10/01 -, juris Rn. 20.
48Dies zugrunde gelegt, hätte der Kläger das Angebot der Bietergemeinschaft zwingend aufgrund von § 25 Nr. 1 Abs. 1b), § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A 1992 von der Wertung ausschließen müssen. Im - für die vorliegende Ausschreibung verbindlichen - Leistungsverzeichnis waren die Einheitspreise unter anderem in einen Material- und in einen Lohnanteil aufzuschlüsseln. Die Formblätter EFB-Preis 1 und 2 waren auszufüllen. Diese Anforderungen erfüllte das Angebot der Bietergemeinschaft im Submissionsverfahren nicht. Damit lag kein hinreichend bewertbares Angebot der Bietergemeinschaft vor, auf dessen Basis eine tragfähige Vergabeentscheidung hätte getroffen werden können. Ein sachgerechter Vergleich mit den anderen eingereichten Angeboten war infolgedessen von vornherein nicht möglich. Der Kläger konnte nicht ordnungsgemäß beurteilen, ob das Angebot der Bietergemeinschaft das annehmbarste war. Wegen der fehlenden Aufgliederung der Preise konnte er insbesondere etwaige Kostensteigerungsrisiken nicht adäquat beurteilen. Auf die Differenz der Angebotssummen der in der Submissionsniederschrift vom 8. Dezember 1992 aufgeführten Angebote kann es deswegen ebensowenig ankommen wie auf die Frage, welche Rechtsfolge es hat, dass der Kläger die Konkurrenzangebote nicht aufbewahrt hat. Dass alle anderen Angebote gleichermaßen unzulänglich waren, behauptet der Kläger selbst nicht. Unerheblich ist dann auch das Vorbringen des Klägers, eine Aufschlüsselung der Einheitspreise in Material- und Lohnkosten sei im Hinblick auf eine Vielzahl der einzelnen Positionen nicht aussagekräftig gewesen. Fallen für einzelne Positionen keine Materialkosten an - der Kläger nennt hierzu die OZ 4.1.1 des Leistungsverzeichnisses (Kurztext) mit der Leistungsbeschreibung „Planum herstellen und verdichten“ sowie die OZ 1.1.2 („Baustelle räumen“) und die OZ 1.1.8 („Bauschild abbauen“) -, sondern anteilige Kosten für den Geräteeinsatz und Lohnkosten, sind eben diese Preiszusammensetzungen aufzuschlüsseln.
491.2.2 Der Kläger legt nicht dar, dass in Bezug auf das Förderverfahren K 4 kein Widerrufsgrund vorliegt. Das Förderverfahren K 4 ist Gegenstand der PM 2.2. Der Kläger macht keine Ausführungen dazu, aus welchem Grund der Widerruf insofern rechtswidrig sein könnte.
501.3 Der streitbefangene Widerrufs- und Erstattungsbescheid ist auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nicht im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerhaft.
51Wie bereits unter 1.1 angesprochen, ist das Widerrufsermessen bei der Aufhebung öffentlicher Zuwendungsbescheide intendiert.
52Vgl. dazu nochmals BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2002 - 8 C 30.01 -, juris Rn. 37, vom 16. Juni 1997 ‑ 3 C 22.96 -, juris Rn. 14, und vom 23. Mai 1996 - 3 C 13.94 -, juris Rn. 51; OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2015 - 15 A 121/15 -, juris Rn. 12, Urteile vom 20. April 2012 - 4 A 1055/09 -, juris Rn. 109 ff., und vom 22. Februar 2005 - 15 A 1065/04 -, juris Rn. 90.
53Ausgehend davon ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in der Begründung des streitigen Bescheids lediglich ausgeführt hat, aufgrund seiner Bewertungen sei er - unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Ermessensspielraums - gehalten, die in Rede stehenden Absetzungen von den bisher als zuwendungsfähig anerkannten Ausgaben vorzunehmen und die Zuwendung neu zu berechnen. Das Widerrufsermessen ist nämlich aus den unter 1.2 dargestellten Gründen intendiert, eine weitergehende Begründung nicht von § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG NRW verlangt. Überdies ist der dem Bescheid beigefügten Synopse im Einzelnen zu entnehmen, warum der Beklagte welche Absetzung vorgenommen hat und warum er von einem schweren Verstoß gegen die VOB/A im Sinne der Nr. 3 des Runderlasses des Finanzministeriums vom 18. Dezember 2003 - I 1 - 0044 - 3/8 - über die Rückforderung von Zuwendungen wegen Nichtbeachtung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) und der Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - (VOL/A) - (MBl. NRW. 2005 S. 1310) ausgegangen ist. In der Synopse hat der Beklagte auf Seite 13 auch dokumentiert, dass er einen Härtefall im Sinne von Nr. 2 des Erlasses des Finanzministeriums vom 26. August 2013 ‑ I C 2‑0044‑3‑8 ‑ über die Rückforderung von Zuwendungen wegen Nichtbeachtung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) - Anwendung der Härtefallklausel bei Gemeinden sowie einzelfallbezogene Ermessensprüfung - verneint. Dass sich diese Aussage auf die PM 2.2 und damit auf das Förderverfahren K 4 beschränkt, führt nicht auf einen Ermessensfehler. Aus dem Gesamtzusammenhang ist ohne Weiteres erkennbar, dass der Beklagte auch im Übrigen keinen Härtefall annimmt, der nach dem Erlass vom 26. August 2013 grundsätzlich erst bei einer Existenzgefährdung vorliegt, die nach derzeitiger Rechtslage bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft wie dem Kläger nicht eintreten kann.
54Auch sonst spricht nichts gegen die Einstufung als schwerer Vergabeverstoß, etwa weil der Kläger gestützt auf eine gefestigte Rechtsmeinung in gutem Glauben an die Vergaberechtmäßigkeit der Auftragsvergabe vom 2. Februar 1993 gehandelt hätte.
55Der Kläger selbst ging offenbar von einer nicht hinreichenden Bewertbarkeit des Angebots der Bietergemeinschaft aus. Ansonsten hätte er diese nicht nach der Submission mit Schreiben vom 11. und vom 26. Januar 1993 zur Aufgliederung der Einheitspreise durch Ausfüllen des Formblattes EFB-Preis 1 aufgefordert. Dieser Aufforderung kam die Bietergemeinschaft daraufhin auch nach.
56Im Übrigen heißt es in der vom Kläger zitierten Kommentarstelle bei Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, in der 13. Auflage von 1996 zu § 21 Nr. 1 VOB/A, Rn. 3, ebenfalls, dass eine fehlende Aufgliederung von Einheitspreisen zum Beispiel in Lohn- und Materialkosten oftmals ein Ausschlussgrund nach § 25 Nr. 1 Abs. 1b) VOB/A 1992 wird sein müssen, weil sonst eine ordnungsgemäße Wertung nicht möglich sei. Eine gefestigte Rechtsmeinung, die die Auftragsvergabe durch den Kläger gestützt hätte, kann auch mit Blick darauf nicht festgestellt werden. Dass später die Vergabekammer Nordbayern in ihrem Beschluss vom 15. Juni 2001, der dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 18. September 2001 ‑ Verg. 10/01 - vorausging, oder das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 8. Januar 2002 - 21 U 82/01 -, juris, das dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 2005 - X ZR 19/02 - vorausging, zwischenzeitlich eine abweichende Auffassung zu diesem Problemkreis vertreten haben, vermag einen durchsetzungsfähigen Vertrauensschutz zugunsten des Klägers nicht zu begründen.
572. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen.
58Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe des Klägers gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dass der Ausgang des Rechtsstreits in dem vorgenannten Sinn offen ist, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens aus den unter 1. genannten Gründen nicht feststellen. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten wirft die Rechtssache auch ansonsten nicht auf.
593. Die Berufung ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
60Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
61Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
62Die Frage
63„Welcher Zeitpunkt ist für die Frage, ab wann die die Jahresfrist gemäß §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG NRW in Gang setzende Entscheidungsreife eintritt und wann die Jahresfrist abläuft, maßgeblich: Der Zeitpunkt, von dem die Widerrufsbehörde (aktenkundig) zum Zeitpunkt vor bzw. bei Erlass des Widerrufsbescheides ausgeht, oder ein Zeitpunkt, den die Widerrufsbehörde oder ein Gericht erst im Nachhinein, also nach Erlass des Widerrufsbescheides, als für die Erlangung der Entscheidungsreife bzw. den Ablauf der Jahresfrist maßgeblich erklärt?“
64hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie lässt sich auf der Grundlage der unter 1.1 zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Lauf der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW beantworten. Danach beginnt die Jahresfrist erst dann, wenn objektiv keine entscheidungserheblichen Umstände mehr aufgeklärt werden müssen. Einen weitergehenden Klärungsbedarf legt der Kläger nicht dar.
65Entsprechendes gilt für die Frage
66„Auf welchen Stand der Rechtsmeinung bzw. Rechtsprechung ist für die Frage, ob ein (schwerer) Verstoß gegen Vergaberegelungen oder Vergabegrundsätze vorliegt, der zum (Teil-)Widerruf eines Zuwendungsbescheides berechtigt, abzustellen: Auf den Stand zum Zeitpunkt des Ausschreibungsverfahrens bzw. der Auftragsvergabe oder auf den Stand zum Zeitpunkt des (Teil-)Widerrufs des Zuwendungsbescheides?“
67Auch sie wirft keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Wie unter 1.2.1 ausgeführt, kann es für den Widerruf eines Zuwendungsbescheids auf der Grundlage von § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW in Verbindung mit Nr. 3.1 ANBest-G im Hinblick auf das Vorliegen eines Widerrufsgrunds - das heißt eines Auflagen- bzw. Vergabeverstoßes - nur auf die objektive Rechtslage im Zeitpunkt der Auftragsvergabe ankommen. Etwaige Rechtsirrtümer oder von der objektiven Rechtslage abweichende subjektive Vorstellungen des Zuwendungsempfängers können allenfalls im Rahmen des Ermessens Bedeutung erlangen.
684. Soweit der Kläger pauschal auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt, genügt dies den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.
69Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
70Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
71Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
72Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).