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Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens auf Zulassung der Berufung.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Verfahren auf Zulassung der Berufung auf 7.500,- € festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der zulässige, mit Fax vom 17.1.2019 rechtzeitig gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
4Dies gilt zunächst für das Vorbringen der Klägerin, die Aufsichtsarbeit Z III habe unzulässigen Prüfungsstoff enthalten. Es kann offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, die Klägerin hätte die von ihr angenommene Unzulässigkeit des Prüfungsstoffes jedenfalls vor der Bekanntgabe der Bewertung gegenüber dem Prüfungsamt rügen müssen. Denn der Klausur liegt - worauf das Verwaltungsgericht selbständig tragend abgestellt hat - kein unzulässiger Prüfungsstoff zugrunde.
5Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Juristenausbildungsgesetzes Nordrhein-Westfalen ‑ JAG NRW - sind die Gegenstände der staatlichen Prüfung die Pflichtfächer. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b JAG NRW sind Pflichtfächer aus dem Gesellschaftsrecht im Überblick: aus dem Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Abschnitte 1 bis 3 (Errichtung der Gesellschaft, Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter sowie Vertretung und Geschäftsführung). Nach § 11 Abs. 4 JAG NRW müssen einem Prüfling, soweit Kenntnisse "im Überblick" verlangt werden, lediglich die gesetzlichen Grundstrukturen ohne vertieftes Wissen der Rechtsprechung und Literatur bekannt sein. Wie sich aus der Formulierung „ohne vertieftes Wissen der Rechtsprechung und Literatur“ ergibt, gehören zu den Überblickskenntnissen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur Kenntnisse der gesetzlichen Grundstrukturen, sondern auch der Rechtsprechung und Literatur. Eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass nur Kenntnisse der gesetzlichen Grundstrukturen verlangt werden dürfen, ist zur Gewährleistung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - nicht erforderlich. Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung von § 11 Abs. 4 JAG NRW ist davon auszugehen, dass das Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung eine subjektive Zulassungsvoraussetzung unter anderem für die Ausübung des Berufs als Rechtsanwalt und Richter ist, durch die in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingegriffen wird. Eine Einschränkung dieses Grundrechts ist wegen des hohen Werts der Freiheit der Berufswahl nur gerechtfertigt, soweit dadurch ein überragendes Gemeinschaftsgut, das der Freiheit des einzelnen vorgeht, geschützt werden soll. Der Eingriff darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Er muss geeignet, erforderlich und für den Betroffenen zumutbar sein; die Maßstäbe dafür müssen durch Gesetz festgelegt werden.
6Vgl. zur ÄApprO: BVerwG, Urteil vom 15.12.1993 - 6 C 20.92 -, juris, Rn. 25.
7Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Regelung in § 11 Abs. 4 JAG NRW, wonach zu den Überblickskenntnissen der Pflichtfächer in der ersten juristischen Staatsprüfung neben den gesetzlichen Grundstrukturen auch nicht vertieftes Wissen der Rechtsprechung und Literatur gehört, nicht zu beanstanden und eine verfassungskonforme Auslegung daher nicht erforderlich. Denn ohne grundlegende Kenntnisse von Rechtsprechung und Literatur ist eine Berufstätigkeit als Jurist nicht möglich. Der Erwerb dieser Kenntnisse für die erste Staatsprüfung ist den Studierenden auch nicht unzumutbar. Denn es werden lediglich nicht vertiefte Kenntnisse verlangt, die darüber hinaus für den sich an die erste Staatsprüfung anschließenden juristischen Vorbereitungsdienst benötigt werden. Denn im Vorbereitungsdienst sollen die Rechtsreferendare auf der Grundlage ihrer im Studium erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten lernen, eine praktische Tätigkeit in Rechtsprechung, Verwaltung und Rechtsberatung wahrzunehmen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW). Kenntnisse von Rechtsprechung und Literatur sind bereits hierfür Voraussetzung. Soweit die Klägerin meint, der Prüfungsstoff sei bereits unabhängig von dem geforderten Überblickswissen zu umfangreich, so dass sich auch die nicht einschränkend ausgelegten Überblickskenntnisse als unverhältnismäßige Berufszulassungshürde darstellten, verkennt die Klägerin, dass sich der Prüfungsstoff lediglich an den späteren beruflichen Anforderungen orientiert und auf diese vorbereitet.
8Angesichts dessen ist die ‑ schon dem Gesetzeswortlaut widersprechende ‑ Auffassung der Klägerin, in Überblicksfächern dürfe nur abgefragt werden, was sich direkt aus dem Gesetzeswortlaut ablesen lasse, verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Ablesen und das bloße Verstehen von Gesetzestexten mögen für einen Rechtsanwaltsgehilfen ausreichen, nicht aber für Personen mit einer rechtswissenschaftlichen Ausbildung. Es geht eben nicht nur um das Verstehen einzelner Paragraphen, sondern um das rechtliche Verständnis des Problemkomplexes eines Lebenssachverhalts, hier die Ansprüche, die beim Handeln vor der Errichtung einer GmbH entstehen, wie es thematisch Gegenstand der Abschnitte 1 bis 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist, aber in den einzelnen Paragraphen nur rudimentär geregelt ist.
9Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Formulierung „ohne vertieftes Wissen“ sei zu unbestimmt, so dass der Studierende sich nicht sachgerecht auf das Examen vorbereiten könne. Eine abschließende Aufzählung zulässigen Prüfungsstoffs wäre mit Blick auf die ständige Weiterentwicklung von Rechtsprechung und Literatur jedoch nicht möglich. Der Einbeziehung des nicht vertieften Wissens von Rechtsprechung und Literatur lässt sich ohne weiteres entnehmen, dass hierunter jedenfalls Kenntnisse solcher Rechtsprechung und Literatur fallen, die sich zu immer wiederkehrenden praxisrelevanten Rechtsstreitigkeiten verhalten, und die daher auch in der Ausbildungsliteratur dargestellt werden. Um eine solche typische Problemkonstellation handelt es sich bei dem im ersten Teil der Aufsichtsarbeit Z III geschilderten Fall. Dort war zu prüfen, wer in den verschiedenen Gründungsstadien der GmbH durch das Handeln eines Gesellschafters rechtsgeschäftlich verpflichtet werden kann. Dass die Gesellschafter bereits vor der Eintragung der GmbH in das Handelsregister Rechtsgeschäfte im Namen der Gesellschaft abschließen, ist ein immer wiederkehrendes Problem, das in dem Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nur unvollständig geregelt ist. Die vor diesem Hintergrund von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Lösungen stellen daher kein vertieftes Wissen in dem Sinne dar, dass es sich hierbei um Spezialkenntnisse zu besonderen Fallkonstellationen handeln würde. Auch der Umstand, dass zwischen den einzelnen Gründungsstadien unterschieden werden muss, Rechtsprechung und Literatur also ein ausdifferenziertes Haftungssystem entwickelt haben, qualifiziert die diesbezüglichen Kenntnisse nicht als vertieftes gesellschaftsrechtliches Wissen. Vielmehr gehören sie mit Blick auf die typische Problemkonstellation eindeutig zu den "Klassikern" der Überblickskenntnisse nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b JAG NRW. Überblickskenntnisse erfordern nicht die vertiefte Kenntnis der von Rechtsprechung und Literatur dazu entwickelten Lösungen. Erforderlich ist vielmehr das Bewusstsein um die von Rechtsprechung und Literatur bearbeiteten Problemkonstellationen, hier die Entstehung der GmbH in den verschiedenen Stufen des notariellen Gesellschaftsvertrages und der Eintragung sowie die Frage, wer Zuordnungsobjekt von Vertragshandlungen in diesen Stufen ist. Davon ausgehend ist es dann Aufgabe des Prüflings, anhand des Gesetzestextes (gegebenenfalls auch des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des Handelsgesetzbuches) eine in sich stimmige Lösung der Fallfrage zu entwickeln. Nicht mehr haben die Prüfer gefordert, wie sich insbesondere aus den Stellungnahmen im Überdenkungsverfahren ergibt.
10Zu Unrecht meint die Klägerin, der Erstprüfer habe in seinem Überdenkungsgutachten gerade vertieftes Wissen gefordert. Er hat aber lediglich bemängelt, dass die Klägerin nicht zwischen den verschiedenen Entwicklungsstadien sauber unterschieden hat. Sodann entwickelt er auf der Grundlage der Rechtsprechung die seiner Meinung nach richtige Lösung und meint, dass man zu dieser Lösung auch ohne vertiefte gesellschaftsrechtliche Kenntnisse hätte gelangen können. Das trifft zu. Dass die Errichtung der GmbH mehrstufig verläuft, ist dem Gesetz zu entnehmen (§§ 2 und 7 GmbHG). Dem Gesetz ist weiter zu entnehmen, dass eine ausdrückliche Regelung des Rechtszustands für die Zeit vor Eintragung geregelt ist (§ 11 GmbHG), so dass es einer Erarbeitung des Rechtszustands für die Zeit sogar vor dem notariellen Gesellschaftsvertrag jenseits ausdrücklicher gesetzlicher Regelung bedarf. Wenn ein Rechtszustand für einen Zeitpunkt im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, müssen dem Prüfling in Überblicksfächern zwar nicht im Einzelnen die Lösungen in Rechtsprechung und Literatur bekannt sein, aber er muss das Problem erkennen, hier die Bedeutung des Umstands, dass selbst der notarielle Gesellschaftsvertrag noch nicht geschlossen war, und dafür eine in sich stimmige Lösung entwickeln. Das ist der Klägerin nach Auffassung der Prüfer mit ihrer zwischen den verschiedenen Gründungsstadien nicht differenzierenden und auch im Übrigen unklaren Lösung (Fähigkeit einer Vor-GmbH, Vertragspartner zu sein, jedoch keine Haftung für Vertragsverbindlichkeiten), aber nicht gelungen. Die Auffassung der Klägerin, dass es nur vertiefte Kenntnisse der Rechtsprechung oder überhaupt keine gebe, ist deshalb falsch.
11Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung weckt auch nicht das Vorbringen der Klägerin, der Erstprüfer sei befangen gewesen. Die Besorgnis der Befangenheit ist berechtigt, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Dies ist objektiv, wenngleich aus der Sicht des Prüflings zu beurteilen, d. h. wie ein "verständiger Prüfling" in der gegebenen Situation das Verhalten des Prüfers verstehen darf. Es reicht nicht die bloß subjektive Besorgnis der Befangenheit, die den Prüfling ohne vernünftigen und objektiv fassbaren Grund überkommen hat. Es müssen vielmehr Tatsachen vorliegen, die ohne Rücksicht auf individuelle Empfindlichkeiten den Schluss rechtfertigen, dass dieser Prüfer speziell gegenüber diesem Prüfling nicht die notwendige Distanz und sachliche Neutralität aufbringen wird bzw. aufgebracht hat.
12Vgl. Jeremias in: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 338.
13Gemessen an diesen Grundsätzen ist die von der Klägerin geäußerte Besorgnis der Befangenheit des Erstprüfers nicht berechtigt. Seine im Erstgutachten geäußerte Kritik, die Klägerin habe sich mit der „hier gar nicht interessierenden Frage“ auseinandergesetzt, ob die Vor-GmbH Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann, ist eine Wertung, die die Klägerin nicht teilen mag, die aber in ihrer Formulierung völlig wertneutral ist. Auch seine weiteren Anmerkungen im Erstgutachten, die Klägerin vollführe "zum Schluss …noch juristische Kapriolen, die wirklich überraschen" und (zum zweiten Teil) die Ausführungen zum möglichen Untergang des Kaufpreisanspruchs seien … "Stückwerk", enthalten zwar deutliche Kritik, lassen aber in Verbindung mit seinen umfangreichen Erläuterungen, aus welchen Gründen die Bearbeitung mit "mangelhaft (3 Punkte)" bewertet wurde, keine böswillig herabsetzende Intention erkennen. Davon, dass sich der Erstprüfer Arbeit ersparen und die Aufsichtsarbeit nicht ausführlicher erläutern habe wollen, kann ersichtlich keine Rede sein.
14Der Rechtssache kommt auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Die insoweit aufgeworfene Frage,
15ob die Haftungsverfassung der werdenden GmbH zulässiger Prüfungsstoff ist,
16ist nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen ohne Weiteres im für den Zulassungsantrag negativen Sinne beantwortet werden kann.
17Die weiter aufgeworfene Frage "nach einer Rügeobliegenheit" ist nicht klärungsfähig, da sie sich in einem durchzuführenden Berufungsverfahren nicht stellen würde.
18Schließlich liegt auch kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
19Die Rüge, die Angelegenheit hätte wegen der Bedeutung der Sache von der gesamten Kammer statt von der Einzelrichterin entschieden werden müssen, begründet keinen Verfahrensfehler in diesem Sinne.
20Beschlüsse nach § 6 Abs. 1 VwGO sind gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO unanfechtbar. Daher ist auch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich hieran gebunden und sind hierauf bezogene Verfahrensrügen einer inhaltlichen Überprüfung entzogen (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. den §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO). Verstöße gegen § 6 VwGO allein sollen nicht zum Erfolg eines Rechtsmittels führen. Ein dem Übertragungsbeschluss anhaftender Rechtsfehler im Rechtsmittelverfahren ist ausnahmsweise nur dann beachtlich, wenn er als Folge der beanstandeten Vorentscheidung der angefochtenen Sachentscheidung anhaftet und zugleich die verfassungsrechtlich gewährleisteten Prozessrechte (z. B. Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.1999 - 6 C 30.98 -, juris, Rn. 15 ff.
22Eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter liegt bei einer fehlerhaften Entscheidung durch den Einzelrichter nur vor, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die fehlerhafte Übertragung auf den Einzelrichter oder für die fehlerhaft unterbliebene Rückübertragung auf die Kammer bestimmend gewesen sind.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.1999 - 6 C 30.98 -, juris, Rn. 21.
24Da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch sie besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, liegt bereits aus diesem Grund eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vor.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar.