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Den Klägern wird im Umfang der Berufungszulassung Prozesskostenhilfe gewährt und zur Wahrnehmung ihrer Rechte Rechtsanwalt E. in C. beigeordnet. Im Übrigen wird der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wird zugelassen, soweit die Klage hinsichtlich der beantragten Aufhebung von Ziffer 4. des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 1. Oktober 2018 abgewiesen worden ist. Der weitergehende Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, soweit die Berufung zugelassen worden ist. Im Übrigen tragen die Kläger die Kosten des Zulassungsverfahrens.
G r ü n d e :
2A. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist (nur) im tenorierten Umfang begründet, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Übrigen ist der Prozesskostenhilfeantrag aus den nachfolgenden Gründen mangels hinreichender Erfolgsaussichten unbegründet.
3B. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat überwiegend keinen Erfolg.
4I. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wird hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen zu 1. bis 3. nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.
5Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 ff. (zu § 32 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG a. F.), und Beschlüsse vom 2. Oktober 1984 - 1 B 114.84 -, InfAuslR 1985, 130 f., sowie vom 19. Juli 2011 - 10 B 10.11, 10 PKH 4.11 -, juris, Rn. 3.
7Nicht entscheidungserheblich ist eine Frage, wenn Tatsachen, die vorliegen müssten, damit sich die in einer Grundsatzrüge angesprochene Frage im Berufungsverfahren stellen könnte, vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt waren.
8Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 2. September 2014 - 8 PKH 2.13 (8 B 70.13) -, juris, Rn. 5.
9Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen überwiegend nicht gerecht.
10Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen,
111. „ob einem (ggf. auch unverfolgt ausgereisten) aserbaidschanischen Staatsangehörigen aufgrund der Asylantragstellung allein oder i. V. m. tatsächlichen oder auch nur von den Heimatbehörden vermuteten regierungsfeindlichen bzw. exilpolitischen Aktivitäten gegen seine Heimatregierung, bei freiwilliger oder unfreiwilliger Rückkehr, insbes. Abschiebung in sein Heimatland, gem. § 3 Abs. 1 AsylG, § 4 AsylG relevante Repressalien wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Regimegegnerschaft oder sonstige Gefahren im Sinn der § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, insbesondere durch eine Befragung und Inhaftierung am Ziel-Flughafen“,
122. „ob § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG n. F. voraussetzt, dass bereits im Bundesgebiet eine lebensbedrohliche Krankheit vorliegen muss, oder ob sich die Lebensbedrohlichkeit erst im Heimatland nach abschiebungsbedingtem Behandlungsabbruch realisieren muss",
133. „ob ein Fall des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG n. F. auch gegeben ist, wenn im Heimatland keine landesweite kostenlose notfallmedizinische Hilfe zur Verfügung steht, so dass im Fall einer fachärztlich für möglich gehaltenen Eskalation einer potentiell lebensbedrohlichen Erkrankung die Lebensgefahr sich erst in einem solchen Notfall realisieren würde",
14sind nicht grundsätzlich klärungsbedürftig.
15Ein auf die grundsätzliche Bedeutung gestützter Zulassungsantrag genügt nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, wenn in ihm lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnisse stellten sich anders dar, als vom Verwaltungsgericht angenommen. Es ist vielmehr im Einzelnen darzulegen
16- vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825 f. (zu § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) -,
17welche Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestehen. Es ist also Sache des die Berufungszulassung beantragenden Beteiligten, die Gründe, aus denen nach seiner Ansicht die Berufung zuzulassen ist, darzulegen und in rechtlicher sowie tatsächlicher Hinsicht zu erläutern. Hierzu genügt es nicht, bloße Zweifel an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu äußern oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr ist es erforderlich, durch die Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich dann stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Hat das Verwaltungsgericht Feststellungen zu einer Tatsachenfrage mit von ihm benannten Erkenntnisquellen begründet, muss zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fallbezogene Auseinandersetzung mit diesen Erkenntnisquellen erfolgen. Dies kann durch eine eigenständige Bewertung der bereits vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismittel geschehen, oder auch durch Berufung auf weitere, neue oder von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Erkenntnismittel.
18Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 5. Mai 2004
19- 11 A 1748/04.A -, juris, Rn. 4, m. w. N.
20Das Zulassungsvorbringen genügt diesen Anforderungen hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen zu 1. bis 3. nicht.
211. Soweit die Kläger mit ihrer ersten Frage (auch) klären lassen wollen, ob Rückkehrgefahren aufgrund tatsächlicher oder von den Heimatbehörden lediglich vermuteter regierungsfeindlicher bzw. exilpolitischer Aktivitäten gegen die Heimatregierung bestehen, war diese Frage für das Verwaltungsgericht bereits nicht entscheidungserheblich. Weder haben die Kläger selbst behauptet, sich in irgendeiner Form regierungskritisch bzw. exilpolitisch betätigt zu haben oder in einen entsprechenden Verdacht geraten zu sein, noch ergibt sich dies aus dem sonstigen Inhalt der Akten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Kläger nicht wegen bereits erlittener oder befürchteter Verfolgungsgefahren ausgereist sind, sondern allein, um der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet eine bessere medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Das haben sie ausdrücklich so vorgetragen und auf dieser Feststellung beruht gerade auch die Ablehnung der Asylanträge als offensichtlich unbegründet.
22Soweit die Kläger darüber hinaus auch klären lassen wollen, ob einem unverfolgt ausgereisten aserbaidschanischen Staatsangehörigen allein aufgrund der Asylantragstellung verfolgungsrelevante Rückkehrgefahren drohen, ergibt sich aus ihrem Zulassungsvorbringen ebenfalls kein grundsätzlicher Klärungsbedarf. Für die behaupteten Verfolgungsgefahren allein aufgrund der Asylantragstellung bestehen auf der Grundlage der von den Klägern mit ihrem Zulassungsantrag in Bezug genommenen Erkenntnisse keine Anhaltspunkte. Denn die zitierten Berichte von „Radio Free Europe/Radio Liberty“ vom 16. Juni 2017, vom 23. Januar 2018 und vom 6. März 2018 betreffen ebenso wie der zitierte Bericht von amnesty international vom 30. Mai 2017 und die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 24. Mai 2017 Mitglieder der „Bewegung der muslimischen Einheit“, der oppositionellen Volksfront-Partei AXCP, regimekritische Journalisten, Oppositionsaktivisten und Teilnehmer einer Veranstaltung der Müsavat Partei. Diesem Personenkreis gehören die Kläger nicht an. Zu etwaigen Verfolgungsgefahren allein aufgrund der Stellung eines Asylantrags verhalten sich die Erkenntnisquellen nicht. Mit der schlichten und durch nichts belegten Behauptung, aus möglichen Verfolgungsgefahren für exponierte Regimekritiker ergebe sich eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit für jedweden abgeschobenen Asylantragsteller, zeigt der Zulassungsantrag einen grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf.
232. Mit der zweiten Frage wird eine grundsätzliche Bedeutung ebenfalls nicht dargelegt. Die von den Klägern aufgeworfene Frage hat sich der ersten Instanz so schon nicht gestellt. Den Klägern ist zwar einzuräumen, dass die von ihnen zitierte Urteilspassage, nach der nicht festgestellt werden könne, dass die Erkrankung der Klägerin zu 3. lebensbedrohlich sei, missverstanden werden kann. Aus den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die es unter Bezugnahme auf den Wortlaut des Gesetzes und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere zum Maßstab der Entscheidung zu § 60 Abs. 7 AufenthG gemacht hat, ergibt sich aber zweifelsfrei, dass für das Verwaltungsgericht nicht maßgeblich war, ob die Klägerin zu 3. bereits lebensbedrohlich erkrankt ist, sondern ob „eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht“. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf ergibt sich vor diesem Hintergrund nicht.
243. Die dritte Frage lässt sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten; ihre Beantwortung hinge vielmehr von der Würdigung vieler singulärer und individueller Gegebenheiten ab. So dürfte u. a. entscheidend sein, wie schwer ein Ausländer konkret erkrankt ist, wie sich das jeweilige Krankheitsbild auswirkt, welche individuellen Risiken bestehen und welche Therapien und insbesondere Notfallmaßnahmen er gegebenenfalls benötigt. Die Frage zielt daher im Kontext mit dem Zulassungsvorbringen im Ergebnis darauf ab zu klären, ob sich für die Klägerin zu 3. aufgrund der bei ihr individuell bestehenden Risiken im Notfall eine Lebensgefahr verwirklichen könnte. Der Beantwortung dieser Frage käme eine fallübergreifende Bedeutung nicht zu.
25II. Der weiter geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
26Die Kläger rügen insoweit, dass der erstinstanzliche Einzelrichter wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt und deswegen von einer weiteren Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen gewesen sei.
27Nur die Mitwirkung eines nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 41 und 45 ZPO ausgeschlossenen oder erfolgreich abgelehnten Richters stellt einen Verfahrensmangel dar, der die Zulassung der Berufung begründen kann. Macht ein Rechtsmittelführer dagegen geltend, sein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht abgelehnt worden, kann er damit die Zulassung der Berufung grundsätzlich nur erreichen, wenn die Entscheidung über die Ablehnung zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt; dies ist jedoch nicht schon bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung der Fall, sondern nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich ist. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht.
28Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 -, NVwZ-RR 2008, 289 ff. = juris, Rn. 10 f.; BVerwG, Beschlüsse vom 15. Mai 2008 - 2 B 77.07 -, NVwZ 2008, 1025 ff. = juris, Rn. 6, und vom 9. November 2001 - 6 B 59.01 -, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 29 = juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Januar 2019 - 10 ZB 17.87- juris, Rn. 5; Marx, AsylG, Kommentar, 9. Aufl. (2017), § 78 Rn. 128.
29Nach diesen Maßstäben liegt kein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Verfahrensmangel vor. Das Verwaltungsgericht hat den von den Klägern in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag form- und verfahrensfehlerfrei mit einer Begründung abgelehnt, die nicht offenkundig unvertretbar und objektiv willkürlich ist. Das Zulassungsvorbringen erschöpft sich in der bloßen Wiederholung der Besorgnis der Kläger, der Richter sei befangen gewesen. Eine Auseinandersetzung mit dem zurückweisenden Beschluss erfolgt nicht. Anhaltspunkte für eine willkürliche Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs und für eine Entscheidung des Rechtsstreits durch einen befangenen Richter ergeben sich vor diesem Hintergrund für den Senat nicht.
30III. Soweit die Kläger weiter eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung des Sachverhalts beanstanden, ist eine solche Verfahrensrüge schon kein Berufungszulassungsgrund im asylverfahrensrechtlichen Sinn. Eine mögliche Verletzung der dem Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO obliegenden Aufklärungspflicht gehört nicht zu den in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmängeln, bei deren Vorliegen die Berufung zuzulassen ist.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. März 2003
32- 11 A 3518/02.A -, juris, Rn. 5 m. w. N.
33Überdies könnten sich die Kläger auch deshalb nicht mit Erfolg auf einen Gehörsverstoß berufen, weil es ihnen im gesamten gerichtlichen Verfahren offen gestanden hätte, förmliche Beweisanträge zu stellen, um sich selbst vor Gericht das rechtliche Gehör zu verschaffen.
34Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 1983 - 9 B 10275.83 -, Buchholz 340 § 3 VwZG Nr. 9, S. 4 = juris, Rn. 5, und vom 13. Januar 2000 - 9 B 2.00 -, Buchholz 310 § 133 (n. F.) VwGO Nr. 53, S. 13 f. = juris, Rn. 3.
35Ein entsprechender Beweisantrag wurde ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung aber nicht gestellt. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Die nunmehr erhobene Aufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat.
36Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 - 4 B 41.01 -, NVwZ-RR 2001, 713 (714) = juris, Rn. 13, und vom 21. Mai 2014 - 6 B 24.14 -, juris, Rn. 9.
37Dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, wäre nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Die Rüge muss allerdings insoweit schlüssig aufzeigen, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung hätte sehen müssen. Es muss ferner dargelegt werden, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können.
38Vgl. BVerwG, Beschluss 21. Mai 2014 - 6 B 24.14 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 63, S. 91 = juris, Rn. 11.
39Die hiernach erforderlichen Darlegungen enthält der Zulassungsantrag indes nicht. Insbesondere musste sich dem Gericht nicht aufgrund der Dauer des Verfahrens aufdrängen, die Angaben der Kläger zu der möglichen Unterstützung durch ihre Familie seien zwischenzeitlich überholt. Insoweit wäre es Sache der Kläger gewesen, gegebenenfalls durch die Stellung entsprechender Beweisanträge auf eine weitere Sachaufklärung hinzuwirken.
40IV. Schließlich wird auch die geltend gemachte Gehörsrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.
41Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verschafft den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären sowie Anträge zu stellen (§§ 86 Abs. 2 und 3, 108 Abs. 2 VwGO). Dem Anspruch auf rechtliches Gehör entspricht die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG zwingt das Gericht jedoch nicht dazu, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden. Auch kann daraus keine Pflicht der Gerichte erwachsen, den Rechtsansichten eines Beteiligten zu folgen. So ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör kann nur dann festgestellt werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Schluss zulassen, das Gericht habe das Vorbringen eines Beteiligten bei seiner Entscheidung entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen.
42Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22. November 2005 - 2 BvR 1090/05 -, DVBl. 2006, 113, m. w. N.
43Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls zeigt der Antrag nicht auf. Dass das Verwaltungsgericht den Vortrag der Kläger zu der Erreichbarkeit der notwendigen medizinischen Behandlung der Klägerin zu 3. bei seiner Entscheidungsfindung unberücksichtigt gelassen hat, trifft nicht zu: Es hat ausdrücklich ausgeführt, eine Behandlung der Klägerin zu 3. sei - wie ihre Behandlung in der Vergangenheit gezeigt habe - in Aserbaidschan möglich und die erforderliche Therapie sei für die Kläger auch finanzierbar.
44Entgegen der Auffassung der Kläger liegt auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor. Grundsätzlich ist das Gericht nicht verpflichtet, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern.
45Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - 9 B 614.99 -, Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46, und vom 26. November 2001 - 1 B 347.01 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52.
46Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 1991 - 8 C 106.89 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235, und Beschlüsse vom 23. Dezember 1991 - 5 B 80.91 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241, sowie vom 11. Mai 1999 - 9 B 1076.98 -, juris, m. w. N.
48Hieran gemessen hat das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung dem Verfahren keine Wende gegeben, mit welcher die Kläger nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchten. Sie mussten insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid vom 1. Oktober 2018 ausgeführt hatte, die Erkrankung der Klägerin zu 3. sei in Aserbaidschan behandelbar und die erforderliche Behandlung sei für die Kläger auch finanzierbar, und angesichts des Umstands, dass das Verwaltungsgericht vor der mündlichen Verhandlung den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 4. Dezember 2018 mangels Erfolgsaussichten abgelehnt hatte, damit rechnen, dass ihre Klage abgewiesen werden könnte. Das Verwaltungsgericht hat ausweislich des Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung keine Hinweise erteilt, die seitens der Kläger dahingehend verstanden worden sein könnten, dass ihre Klage Erfolg haben würde. Zu einem ausdrücklichen Hinweis darauf, das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass die Kläger die erforderliche Behandlung der Klägerin zu 3. in Aserbaidschan finanzieren könnten, war es wie aufgezeigt nicht verpflichtet.
49C. Hinsichtlich der Abweisung der auf die Aufhebung von Ziffer 4. des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 1. Oktober 2018 gerichteten Klage liegt hingegen der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) vor.
50Die Kläger haben mit ihrer vierten Frage,
51„ob nach der Entscheidung des EuGH in seinem Urteil vom 19.06.2018 - C -181/17 - [richtig: C-181/16] („Gnandi“) die in Bescheiden der Beklagten (hier: Ziffer 4. des Bescheids vom 01.10.2018) getroffene Anordnung, nach der die Ausreisefrist von einer Woche grundsätzlich bereits mit Bekanntgabe des Bescheids und nicht erst nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu laufen beginnt (§§ 36 Abs. 1, 38 Abs. 1, S. 2 AsylG) zu einer grundsätzlichen Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führt“,
52einen grundsätzlichen Klärungsbedarf dargelegt, der es rechtfertigt, diese Frage mit Blick auf die bislang uneinheitliche Rechtsprechung einer Klärung in einem Berufungsverfahren zuzuführen.
53Insoweit ist eine beschränkte Zulassung der Berufung möglich, weil es sich bei der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in Ziffer 4. des Bescheids des Bundesamts um einen selbstständigen Streitgegenstand handelt, der sich von den übrigen Streitgegenständen unterscheidet und einer eigenen Prüfung in einem Berufungsverfahren zugeführt werden kann, ohne dass die Entscheidung in untrennbarem Zusammenhang mit der Entscheidung eines anderen Streitgegenstands steht und deswegen ein sachgebotenes Bedürfnis nach Einheitlichkeit der Entscheidung besteht.
54Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 22. Januar 1998 - 13 UZ 3758/97.A -, juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 24. Oktober 1997 - 12 L 438/97 -, juris; Marx, AsylG, Kommentar, 9. Aufl. (2017), § 78 Rn. 238.
55Soweit der Zulassungsantrag abgelehnt worden ist, beruht die Kostenentscheidung auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO, 83b AsylG.