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Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wird nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.
4Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 ff. = juris, Rn. 16 (zu § 32 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG a. F.), und Beschlüsse vom 2. Oktober 1984 - 1 B 114.84 -, InfAuslR 1985, 130 f., sowie vom 19. Juli 2011 - 10 B 10.11, 10 PKH 4.11 -, juris, Rn. 3.
6Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
7Die von der Beklagten aufgeworfene Frage,
8„ob ein sich im Dublin-Verfahren befindlicher Asylbewerber, der sich in das Kirchenasyl begibt bzw. dieses im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten am Asylverfahren auf Aufforderung nicht wieder verlässt, als flüchtig im Sinne des § 29 Abs. 2 S. 2 Dublin III-VO anzusehen ist und sich die Überstellungsfrist damit auf 18 Monate verlängert,“
9ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Sie lässt sich vielmehr, soweit sie nach dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt entscheidungserheblich ist, bereits im Zulassungsverfahren beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte.
10Allein der Umstand, dass der Asylbewerber sich der Überstellung entziehen will und sich dazu in das Kirchenasyl begeben hat, reicht nicht für die Annahme, dass er flüchtig i. S. d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, wenn das Kirchenasyl der Durchführung der Überstellung an den anderen Mitgliedstaat nicht entgegensteht.
11Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25. Juli 2019 - 10 LA 155/19 -, juris, Rn. 12 ff., unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 Jawo -, m. w. N.
12Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Antragsteller „flüchtig“ i. S. d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln. Dies kann angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Antragsteller die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde, was das zuständige Gericht zu prüfen hat.
13Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 Jawo -, juris, Rn. 70.
14Ausgehend hiervon lässt sich die von der Beklagten aufgeworfene Frage ohne weiteres dahingehend beantworten, dass ein Asylbewerber, der sich in das Kirchenasyl begeben hat, nicht flüchtig i. S. d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, wenn - wie im Falle der Klägerin - seine ladungsfähige Anschrift bekannt ist und das Kirchenasyl der Durchführung der Überstellung weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht entgegensteht. Letzteres hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung angenommen.
15Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16. Mai 2018 - 20 ZB 18.50011 -, juris, Rn. 2; und Schl.-H. OVG, Beschluss vom 23. März 2018 - 1 LA 7/18 -, juris, Rn. 18.
16Dass allein aufgrund des Kirchenasyls rechtliche oder tatsächliche Hindernisse einer Überstellung eines Betroffenen - wie hier der Klägerin - entgegenstehen könnten, hat die Beklagte im Zulassungsverfahren im Übrigen selbst nicht behauptet.
17Entgegen der Ansicht der Beklagten reicht es für ein „Flüchtigsein“ i. S. d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO nicht aus, dass sich der Asylbewerber zielgerichtet durch die Änderung seines Aufenthaltsorts dem staatlichen Zugriff zu entziehen versuche, wobei es auch unbedeutend sei, ob dieses Entziehen erfolgreich sei, solange sich der Asylbewerber gezielt in einer Art und Weise verhalte, die seine Überstellung verhindere. Der Europäische Gerichtshof hat, wie sich aus seinen Ausführungen, „wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Antragsteller die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat“, eindeutig ergibt, festgestellt, dass nur derjenige flüchtig i. S. d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, der die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat und dies zur Folge hat, dass die Überstellung nicht durchgeführt werden kann. Die Flucht muss also kausal für die Nichtdurchführbarkeit der Überstellung sein. An einer solchen Kausalität fehlt es aber regelmäßig im Falle des sog. Kirchenasyls.
18Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25. Juli 2019 - 10 LA 155/19 -, juris, Rn. 14.
19Insofern ist es auch ohne Belang, ob der Asylbewerber das Kirchenasyl „im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten am Asylverfahren auf Aufforderung nicht wieder verlässt“. Denn auch in diesem Fall wäre ein etwaiger Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten nicht kausal für die Nichtdurchführbarkeit der Überstellung.
20Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.
21Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
22Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).