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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. September 2015 geändert.
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 17. Juni 2013 verpflichtet, der Klägerin einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid des Inhalts zu erteilen, dass der Errichtung und dem Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-53 mit einer Nennleistung von 800 kW und einer Gesamthöhe von 99,7 m auf dem Grundstück Wülfrath, Gemarkung Flandersbach, Flur X, Flurstück X, die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB nicht entgegensteht.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen, bis zum Zeitpunkt der Trennung der Verfahren zur Hälfte, für die Zeit danach insgesamt. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Endentscheidung im Verfahren 8 A 874/18 vorbehalten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Inhaltsverzeichnis
2Tatbestand
3Entscheidungsgründe
4A. Zulässigkeit der Klage
5B. Begründetheit der Klage
6I. Berechtigtes Interesse der Klägerin
7II. Zulässiger Gegenstand eines Vorbescheids
8III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens
91. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB
10a) Anwendbarkeit auf Wetterradaranlagen
11b) Anforderungen an eine rechtserhebliche Störung
12c) Volle gerichtliche Überprüfung
13d) Rechtserhebliche Störung der Aufgabenwahrnehmung
14aa) Generelle Abstandsempfehlungen
15bb) Funktionsweise einer Wetterradaranlage
16cc) Nachteilige Beeinflussung der Radardaten
17(1) Abschattungseffekte
18(a) Intensität der Abschattungseffekte
19(b) Auswirkungen auf polarimetrische Messgrößen
20(2) Mehrfachreflektionen
21(3) Störechos von Windenergieanlagen
22(a) Intensität der Störechos
23(b) Räumliche Ausdehnung der Störechos
24(aa) Reflektivitätswerte
25(bb) Polarimetrische Messgrößen
26(c) Relevanz von Nebenkeulen für die Radardaten
27dd) Auswirkungen auf Warnprodukte des DWD
28(1) Relevanz des Produktdatengitters
29(2) Gewittererkennung KONRAD
30(a) Bedeutung und Funktionsweise
31(b) Auswirkungen der Echos auf die Gewittererkennung
32(c) Erzeugung oder Verdeckung von Hakenechos
33(3) Hagelerkennung
34(4) Erkennung von Mesozyklonen
35(a) Funktionsweise des Erkennungsalgorithmus
36(b) Möglichkeit zur Erkennung in größerer Höhe
37(c) Erlangung möglichst bodennaher Informationen
38(5) Kleinräumige winterliche Gefährdungsereignisse
39(a) Warnpraxis des DWD
40(b) Keine Auswirkungen auf die Warntätigkeit des DWD
41(6) Auswirkungen auf Flugverkehr oder andere Nutzer
42(7) Andere Produkte des DWD
43e) Nachvollziehende Abwägung
44aa) Anforderungen an die nachvollziehende Abwägung
45bb) Abwägung zwischen Interessen der Klägerin und des DWD
46(1) Begrenzter Umfang produktbezogener Beeinträchtigungen
47(2) Weitere abwägungsrelevante Gesichtspunkte
48(a) Beschränkungen bei der Standortwahl
49(b) Berücksichtigung des Prioritätsgrundsatzes
50(c) Berücksichtigung von Belangen der Luftsicherheit
51(d) Berücksichtigung weiterer Belange der Allgemeinheit
522. Gebot der Rücksichtnahme
53IV. Vorläufige positive Gesamtbeurteilung
541. Keine Beeinträchtigung der Platzrunde
55a) LuftVO und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012
56b) Gemeinsame Grundsätze vom 3. August 2012
57c) Keine fachlich begründeten Anhaltspunkte für größeren Abstand
582. Einfügen in die bestehende Hindernissituation
59a) Nichteinhaltung der Abstände durch die Platzrunde
60b) Keine Verschärfung der Hindernissituation
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage – nach Klageänderung im Berufungsverfahren – einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur Feststellung der Genehmigungsfähigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Windenergieanlage in Wülfrath, Gemarkung Flandersbach, Flur X, Flurstück X im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen.
62Der Vorhabenstandort befindet sich in einem Bereich, der im Flächennutzungsplan der Beigeladenen zu 1. vom 30. Dezember 2000 als Konzentrationszone für Windenergie und im daraus entwickelten Bebauungsplan Nr. 3.3, den der Rat der Beigeladenen zu 1. am 13. Dezember 2005 beschlossen hat, als Sondergebiet für die Windenergienutzung festgesetzt wurde.
63Nachdem die Klägerin bereits mit Schreiben an den Beklagten vom 12. März 2012 vorab einen Genehmigungsantrag angekündigt und diesbezüglich Unterlagen übersandt hatte, beantragte sie am 1. September 2012 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-53 mit einer Gesamthöhe von 99,7 m, einer Nabenhöhe von 73,25 m und einem Rotordurchmesser von 52,9 m sowie einer Nennleistung von 800 kW.
64Die geplante Windenergieanlage (173 m ü. NN) soll etwa 11,1 km entfernt südlich eines von dem Deutschen Wetterdienst (DWD) seit 1991 betriebenen C‑Band Wetterradars in Essen und in einer Entfernung von etwa 250 bis 280 m zu der bestehenden Platzrunde (veröffentlicht in den Nachrichten für Luftfahrer [NfL] I 280/12) für motorgetriebene Luftfahrzeuge des Segelfluggeländes Meiersberg errichtet werden. Das Wetterradar (Antennenhöhe 185 m ü. NN), das sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans 16/73 „Wallneyer Straße“ der Stadt Essen befindet, stellt Niederschlags- und Windinformation zur Verfügung, die sowohl der Wettervorhersage als auch der Erstellung von Wetterwarnungen dienen und zudem dem Geoinformationsdienst der Bundeswehr und der Luftfahrt zur Verfügung gestellt werden. Es ist Bestandteil des von der Beigeladenen zu 3. durch den DWD betriebenen Radarverbundes von bundesweit insgesamt 17 operationellen Wetterradaranlagen.
65In einer Stellungnahme vom 16. Oktober 2012 teilte der DWD dem Beklagten mit, dass er der Errichtung der beantragten Windenergieanlage nicht zustimme. Um den gesetzlichen Auftrag u. a. zur Herausgabe von amtlichen Warnungen über Wettererscheinungen erfüllen zu können, dürften die von ihm betriebenen Wetterradaranlagen in ihrer Funktion nicht beeinträchtigt werden. Damit dies sichergestellt werden könne, müsse der 5 km-Radius um Wetterradaranlagen frei von Windenergieanlagen gehalten werden und könne deren Errichtung innerhalb eines Radius zwischen 5 km und 15 km nur unter Einhaltung von Höhenbeschränkungen zugestimmt werden. Die geplante Windenergieanlage würde im Falle ihrer Errichtung aufgrund ihrer Gesamthöhe von 272,7 m ü. NN weit in die untersten Radarsweeps des Wetterradars Essen hineinragen; die geforderte Höhenbeschränkung liege in dieser Entfernung bei 194 m ü. N.
66Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 28. November 2012, dass die durch den DWD geltend gemachten Belange einer Genehmigung der beantragten Windenergieanlage nicht entgegenstünden. Allein ein Hineinragen in das Radarstrahlungsfeld sage noch nichts darüber aus, ob die Funktionsfähigkeit der Radaranlage tatsächlich gestört werde. Die Darlegungs- und Beweislast für diese naturwissenschaftlich-technische Frage treffe den Anlagenbetreiber. Dessen Begründung beschränke sich bisher jedoch allein auf die Wiedergabe der von ihm selbst geschaffenen Kriterien ohne Bindungswirkung. Bereits seit 1,5 Jahren befinde sich in Velbert eine mit der beantragten Windenergieanlage baugleiche Anlage in Betrieb, die nur etwa 5 km von der Wetterradaranlage in Essen entfernt stehe. Da der Standort der beantragten Windenergieanlage von den drei Wetterradaren in Essen, Neuheilenbach und Flechtdorf erfasst werde, könne jedenfalls durch die zwei anderen Wetterradaranlagen eine ausreichende Abdeckung gewährleistet werden. Schließlich hätte der DWD seine Einwände im Zuge der Aufstellungsverfahren zum Flächennutzungs- sowie zum Bebauungsplan vortragen können.
67Mit weiterer Stellungnahme vom 27. November 2012 legte der DWD dem Beklagten eine erläuternde Ausarbeitung mit dem Titel „Informationen zur Errichtung von Windenergieanlagen im Nahbereich der Messsysteme des Deutschen Wetterdienstes. Abstandsanforderungen und Höhenbeschränkungen“ vom 10. Mai 2012 vor. Eine Beteiligung im Planungsverfahren habe nicht stattgefunden; daher seien auf Planungsebene nicht alle Aspekte abgewogen worden.
68Die Beigeladene zu 1. teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 8. Januar 2013 mit, dass gegen die Erteilung des Bescheides unter Beachtung von zwei Nebenbestimmungen (Vorlage bestimmter Dokumente bis zur Anzeige des Baubeginns und Erreichbarkeit des Baugrundstücks) keine Bedenken bestünden. In Bezug auf die Ausführungen des DWD wies sie darauf hin, dass dieser erstmals mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 an das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr gebeten habe, die Radarstandorte in die Raumordnungspläne aufzunehmen und Koordinaten von bestehenden Windenergieanlagen anzugeben; dieses Schreiben sei im März 2012 an die Immissionsschutzbehörden weitergeleitet worden. Erstmals mit Schreiben vom 25. September 2012 habe der DWD die Beigeladene zu 1. um seine Beteiligung als Träger öffentlicher Belange an der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen gebeten.
69Mit Schreiben vom 8. Januar und 31. Januar 2013 machte die Beigeladene zu 2. erhebliche Bedenken gegen die Errichtung der streitbefangenen Windenergieanlage geltend und betonte, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung aus flugbetrieblicher Sicht nicht erteilt werden dürfe. Gemäß Punkt 6 der Gemeinsamen Grundsätzen des Bundes und der Länder für die Anlage und den Betrieb von Flugplätzen für Flugzeuge im Sichtflugbetrieb des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung vom 3. August 2012 (veröffentlicht im BAnz AT vom 24. August 2012 sowie in NfL I 92/13 vom 2. Mai 2013, im Folgenden: Gemeinsame Grundsätze vom 3. August 2012) sei grundsätzlich von einer Gefährdung des Flugplatzverkehrs in der Platzrunde auszugehen, wenn Bauwerke einen Mindestabstand von 850 m zum Queranflug (Platzrundenverkehr) unterschritten. Durch die Errichtung der geplanten Windenergieanlage in einer Entfernung von nur ca. 250 m bis 280 m zur Platzrunde für motorgetriebene Luftfahrzeuge des Segelfluggeländes Meiersberg könne die Durchführung eines sicheren Flugplatzverkehrs nicht mehr gewährleistet werden. Eine Beteiligung im Flächennutzungsplanverfahren lasse sich nicht mehr nachvollziehen. Zu den Bebauungsplänen Nr. 3.3 und 3.4 der Beigeladenen zu 1. habe sie entsprechende Bedenken mit Schreiben vom 1. September 2004 geäußert. Die Platzrunde des Segelfluggeländes Meiersberg sei veröffentlicht. Bereits seit dem Jahr 2001 empfehle die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, bestimmte Abstände zu den Platzrunden einzuhalten.
70Der DWD ergänzte mit Schreiben vom 28. März 2013 seine Bedenken: Die geplante Windenergieanlage liege innerhalb des Kernbereichs der Wetterradaranlage Essen (15 km). Die Radarmessung werde signifikant gestört, weil die Anlage mit etwa 79 m in den untersten, für die Überwachung der Wetterabläufe sehr wesentlichen Radarstrahl hineinrage, nur etwa 19 m vom Strahl-Mittelpunkt entfernt. In der Folge könnten sowohl im Umfeld der geplanten Windenergieanlage durch Überlagerung der eigentlichen Wettersignaturen als auch hinter der Anlage durch Abschattung, d. h. Abdeckung der Wettersignaturen, keine gesicherten Daten hinsichtlich der Atmosphärenvorgänge mit Unwetterpotential erlangt werden. Dazu gehörten gefährliche Wettererscheinungen wie Gewitter und Tornados/Starkböen, Vereisung, starke Windscherung und Starkniederschläge, die zu Verwüstungen und Sturzfluten mit Personenschaden bzw. Flugzeugabstürzen führen könnten. In Anbetracht der Vielzahl von Informationen in Unwetterlagen würden die Daten in automatisierten Verfahren ohne manuelle Eingriffe dargestellt und zu Warnprodukten weiterverarbeitet. Zudem liege der geplante Standort in nur etwa 15 km Entfernung zum Flughafen Düsseldorf in dessen An- und Abflugbereich und damit in einem höchstsensiblen Bereich für die Luftfahrt. Unwetter am Standort könnten in nur wenigen Minuten Ballungszentren (Ruhrgebiet, Düsseldorf, Wuppertal) erreichen und dort zu Gefahrensituationen für potentiell Millionen Menschen führen; die zeitnahe und qualitativ hochwertige Information der Katastrophenschutzeinrichtungen sei daher essentiell. Schließlich sei der Wetterradarstandort Essen bereits in den Jahren 1968/1969 in Betrieb genommen worden, so dass der DWD im Rahmen der Planaufstellungsverfahren hätte beteiligt werden müssen.
71Mit Schreiben vom 29. April 2013 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags an. Zur Begründung führte er aus, dass dem Vorhaben Bedenken der Beigeladenen zu 2. und des DWD entgegenstünden, die nicht hätten ausgeräumt werden können.
72Mit Schreiben vom 13. Mai 2013 lehnte die Klägerin die gegen eine Genehmigungserteilung aufgeführten Gründe als nicht stichhaltig ab. Im Hinblick auf die Platzrunde für motorgetriebene Luftfahrzeuge des Segelfluggeländes Meiersberg legte sie gleichzeitig eine Kurzstellungnahme zur Vereinbarkeit einer Windenergieanlage mit dem dortigen Flugbetrieb des Dr.-Ing. N. vom 10. Mai 2013 vor. Hiernach rufe die beantragte Windenergieanlage keine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs hervor. Ungeachtet dessen befinde sich der Standort der geplanten Windenergieanlage in der Nähe einer Hochspannungstrasse und somit bereits bestehender Hindernisse. Zudem käme mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme auch eine Modifizierung der Platzrunde in Betracht, die zugleich die bestehende Hindernissituation durch die Hochspannungsmasten im südlichen Teil der Platzwunde entschärfen und den Überflug bebauten Gebiets minimieren würde. In Bezug auf das Wetterradar obliege es dem DWD, durch entsprechende Maßnahmen die Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Mit seiner Aussage, dass die Windenergieanlage in den untersten Radarstrahl hineinrage, zeige der DWD nicht auf, inwieweit die Radarmessung tatsächlich gestört werde.
73Der DWD ergänzte seine Bedenken mit Schreiben vom 31. Mai 2013. Die Datenqualität und räumliche Abdeckung der Wetterradare seien für die Erstellung von Wetterwarnungen und die Zusammenarbeit mit den Feuerwehren und Katastrophenschutzeinrichtungen von großer Bedeutung. Da es bisher keine geeigneten Verfahren gebe, die in ihrer Struktur variablen Störungen durch Windenergieanlagen zu beseitigen, sei es im Falle der Errichtung der Anlage nicht möglich, den im DWD-Gesetz und in den Luftsicherheitsrichtlinien dargelegten Aufgaben und Pflichten zum Schutz der Bevölkerung und für den Bereich der Flugsicherung nachzukommen. Das Wetterradarverbundsystem sei das wichtigste System der Meteorologie und der Hydrologie, um Flächenniederschläge zu erfassen und ihre Entwicklung zu beobachten; die gesammelten Informationen dienten unter anderem der Erkennung von gefährlichen Wetterereignissen und der Vorhersage von deren Verlagerung (Katastrophenschutz) sowie von flächendeckenden Niederschlagssummen. Die geplante Windenergieanlage würde die Funktion der Radaranlage für den ihr zugewiesenen Zweck im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB in nicht hinzunehmender Weise durch Fehlechos und Abschattungen einschränken. Dies gelte wegen der Antennencharakteristik sowohl für die Hauptkeule als auch die Nebenkeulen des Radarstrahls. Dass Wetterradare durch Windenergieanlagen beeinträchtigt würden, zeige sich anhand von bereits existierenden Anlagen in Entfernungen zum Radarstandort von über 20 km. Bis zu 15 km könnten die Störechos Intensitäten von 46 dBZ und mehr erreichen, die auch bei Niederschlag in Unwetterstärke erfasst würden. Die Funktionsfähigkeit des Wetterradars werde auch im vorliegenden Einzelfall erheblich gestört. Dabei sei die Schwelle, ab welcher im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung nicht akzeptable Beeinträchtigungen vorlägen, nicht naturwissenschaftlich-technisch zu definieren, sondern falle als wertende Einschätzung in seinen Beurteilungsspielraum.
74Mit Bescheid vom 17. Juni 2013 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage ab. Zur Begründung führte er aus, dass dem Vorhaben am geplanten Standort öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstünden. Die Windenergieanlage würde im Falle ihrer Errichtung die luftrechtlich genehmigte Nutzung des Segelfluggeländes Meiersberg erheblich und nachhaltig beeinträchtigen. Ihre Entfernung zur Platzrunde unterschreite deutlich den gemäß Nr. 6 der Gemeinsamen Grundsätze vom 3. August 2012 vorgesehenen Mindestabstand von Bauwerken zum Queranflug von 850 m. Der Flugbetrieb könne auch nicht in einer Weise geändert werden, die unter Aufrechterhaltung der wesentlichen Nutzungsmöglichkeiten die Sicherheitsrisiken einerseits und Lärmbetroffenheiten andererseits vermeide, zumal auf der Platzrunde hauptsächlich Flugzeugschlepps mit einer entsprechend hohen Lärmbelastung am Boden abgewickelt würden. Des Weiteren werde der Betrieb einer Wetterradaranlage des DWD in Essen und damit die Herausgabe von amtlichen Warnungen über Wettererscheinungen signifikant gestört, was zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen könne. Diese Störungen hätten unmittelbare Konsequenzen für die Luftfahrt wie auch für die Warnung vor Unwetterlagen in nahegelegenen Ballungszentren.
75Die Klägerin hat am 8. Juli 2013 Klage zum Verwaltungsgericht Düsseldorf erhoben. Zur Begründung hat sie ergänzend geltend gemacht, die Beigeladene zu 1. habe mit dem Bebauungsplan Nr. 3.3 eine abschließende und wirksame bauleitplanerische Entscheidung getroffen. Im Übrigen bestreite sie, dass das Wetterradar des DWD in Essen legal errichtet worden sei. Jedenfalls aber werde dessen Funktionsfähigkeit durch die streitgegenständliche Windenergieanlage nicht gestört, weil nicht jede negative Beeinflussung einer Radaranlage automatisch zu einer Störung und abstrakten Gefährdung führe. Dies ergebe sich auch aus den Stellungnahmen vom 16. Juni und 23. August 2015 des von ihr beauftragten Dipl.-Meteorologen Dr. N. Abschattungseffekte durch die geplante Windenergieanlage seien voraussichtlich für alle Scans zu vernachlässigen. Zu diesem Ergebnis gelange auch die „Grundsatzuntersuchung zu den Errichtungsmöglichkeiten von Windenergieanlagen im Schutzbereich der Wetterradaranlage Türkheim des Deutschen Wetterdienstes (DWD)“ der Airbus Defence and Space GmbH vom 31. März 2015, die das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg beauftragt habe. Danach seien verschattungsbedingte Einflüsse durch Windenergieanlagen bereits bei Entfernungen zum Radarstandort ab ca. 5 km nicht mehr praxisrelevant. Trotz der zu erwartenden Störechos würden keine Schwellenwerte überschritten, die für die Unwetterwarnung relevant seien. Bereits bei einem Elevationswinkel des Niederschlagsscans in südöstlicher Richtung von mindestens 0,9 Grad werde die Windenergieanlage nicht durch die Hauptkeule, sondern nur mit den Nebenkeulen des Radarstrahls erfasst. Da es vorliegend allein um die Errichtung einer einzelnen Anlage gehe, erstrecke sich die durch Clutter beeinträchtigte Fläche maximal auf ein Produktdatenpixel und sei deutlich kleiner als meteorologische Phänomene. Weder die Mesozyklonenerkennung noch die Warnmöglichkeit vor großflächigen Ereignissen wie winterlichem Niederschlag oder die der Luftfahrt zur Verfügung gestellten Wetterinformationen würden durch die Einzelanlage beeinträchtigt. Jedenfalls aber sei es für den DWD mit überschaubarem und zumutbarem Aufwand möglich, mögliche Beeinträchtigungen der Radarerfassung durch geeignete technische Maßnahmen (z. B. eine sog. Blacklist mit anschließender Interpolation) zu minimieren, um Auswirkungen auf abgeleitete Produkte auszuschließen. Zu einer Weiterentwicklung seiner Datenverarbeitung sei der DWD im Rahmen des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme verpflichtet. Vorliegend habe die Beigeladene zu 3. trotz ihrer Darlegungslast die von der streitgegenständlichen Windenergieanlage ausgehenden konkreten Auswirkungen bisher nicht prognostisch ermittelt. Für die Bewertung möglicher Störwirkungen der Windenergieanlage auf das Wetterradar in Essen komme dem DWD kein Beurteilungsspielraum zu.
76Darüber hinaus stünden dem Vorhaben auch keine luftverkehrsrechtlichen Belange entgegen. Der heute nicht mehr angreifbare Bebauungsplan Nr. 3.3 habe insoweit eine abschließende Abwägung der luftverkehrsrechtlichen Belange vorgenommen. Ungeachtet dessen fehle es an der notwendigen konkreten Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die Allgemeinheit. Der in § 12 Abs. 1 Satz 2 LuftVO (a. F.) vorgesehene Mindestabstand von 150 m zu einzelnen Bauwerken oder anderen Hindernissen werde vorliegend durch den horizontalen Abstand von annähernd 300 m gewährleistet. Hingegen handele es bei den Gemeinsamen Grundsätzen vom 3. August 2012 lediglich um eine Richtlinie, die nicht bindend sei und stets eine Beurteilung im Einzelfall verlange. Der Standort der Windenergieanlage befinde sich in der Nähe einer Hochspannungstrasse und somit bereits bestehender Hindernisse, die zum Teil in deutlich größerer Nähe zur Platzrunde lägen. Schließlich sei unter Heranziehung des Rücksichtnahmegebots eine Modifizierung der Platzrunde durch Parallelverschiebung des Queranflugs um ca. 1.000 m nach Westen möglich, ohne dass damit eine Beeinträchtigung des Flugverkehrs verbunden sei.
77Die Klägerin hat beantragt,
78den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheids vom 17. Juni 2013 zu verpflichten, ihren Antrag vom 1. September 2012 auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-53 mit einer Nennleistung von 800 kW und einer Gesamthöhe von 99,7 m auf dem Grundstück in Wülfrath, Gemarkung Flandersbach, Flur X, Flurstück X, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
79Der Beklagte hat beantragt,
80die Klage abzuweisen.
81Zur Begründung hat er ergänzend ausgeführt, dass die Belange der Beigeladenen zu 2. und des DWD im Rahmen der Aufstellungsverfahren für den Flächennutzungsplan und den konkretisierenden Bebauungsplan Nr. 3.3 nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.
82Die Beigeladenen haben im erstinstanzlichen Verfahren keine Anträge gestellt.
83Die Beigeladene zu 1. hat ausgeführt, dass die Platzrunde des Segelfluggeländes Meiersberg der Genehmigung der beantragten Windenergieanlage in rechtlicher Hinsicht nicht entgegenstehen dürfte. Die Gemeinsamen Grundsätze vom 3. August 2012 seien nicht in das Luftverkehrsgesetz oder die hierauf beruhenden Verordnungen oder Richtlinien aufgenommen worden. Es könne nicht nachvollzogen werden, wieso die Errichtung einer einzelnen Windenergieanlage zu einer spürbaren Erhöhung des Sicherheitsrisikos für den Luftverkehr führen sollte, zumal der Beklagte selbst einräume, dass die Platzrunde verlegt werden könne. Bei der Darstellung der Windkonzentrationszonen im Flächennutzungsplan und bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 3.3 seien die Belange der Beigeladenen zu 2. hinreichend berücksichtigt worden. Anders als noch mit Schreiben vom 1. September 2004 habe diese ihre Bedenken gegen die Ausweisung von Standorten für Windenergieanlagen im Zuge der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange im Bebauungsplanverfahren am 15. August 2005 nicht wiederholt. Der DWD habe im Rahmen der Darstellung der Konzentrationszonen für Windenergie im Flächennutzungsplan und im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 3.3 nicht beteiligt werden müssen. Im Übrigen komme es für die Genehmigungsfähigkeit der hier in Rede stehenden Anlage auf die Wirksamkeit der Planungen nicht an. Denn jedenfalls komme dem Segelfluggelände Meiersberg und der derzeit praktizierten Platzrunde keine rechtliche Qualität zu, die der beantragten Errichtung der Windenergieanlage als öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstünden.
84Die Beigeladene zu 2. hat ihre erheblichen Bedenken wegen der Gefahren für den Flugplatzverkehr in der Platzrunde des Segelfluggeländes Meiersberg auf Basis der Gemeinsamen Grundsätze vom 3. August 2012 aufrechterhalten. Die veröffentlichte Platzrunde sei das Ergebnis der Optimierung des sicheren Flugbetriebes und des Schutzes vor Fluglärm.
85Die Beigeladene zu 3. hat unter Bezugnahme auf zwei Stellungnahmen des DWD vom 24. Juli und 2. September 2015 vorgetragen, dass die Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage in Essen für die Gewinnung von Wetterinformationen sowie insbesondere zur Detektion von warnwürdigen Wetterereignissen durch die streitbefangene Windenergieanlage in ganz erheblichem Maße beeinträchtigt werde. Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 BauGB sei der Bauherr insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Durch Windenergieanlagen verursachte Signaturen führten einerseits häufig zu übertrieben hohen Werten und könnten somit unrealistische Warnungen auslösen (Überwarnung); andererseits könnten Windenergieanlagen auch meteorologische Signale abschirmen (sog. Abschattungseffekt), was potentiell zum Nichterkennen gefährlicher Wetterlagen (Unterwarnung) führen könne. Dabei könne das ursprüngliche Wettersignal in einem großräumigen Abschattungsbereich hinter der Windenergieanlage nicht oder nicht hinreichend rekonstruiert werden. Zudem entstünden am Ort der Windenergieanlage sowie in der gesamten näheren Umgebung bis zu einer Entfernung von etwa 1 km nicht filterbare Fremdziele (Clutter) mit zum Teil hoher Signalstärke in der Größenordnung wie bei Unwettern. Wegen der hohen zeitlichen und räumlichen Variabilität der Störungen sei auch im Rahmen einer nachträglichen Qualitätskontrolle keine Filterung der unerwünschten Signale der Windenergieanlage möglich. Aus den Beeinträchtigungen der Radarmessung könnten sich erhebliche negative Auswirkungen auf Produkte aus automatisierten, aus Zeitgründen aber unverzichtbaren Warnverfahren des DWD, wie etwa dem operationellem Warnsystem KONRAD zur Detektion von Gewitterzellen, ergeben. Eine Windenergieanlage könne als Hagelpixel fehlgedeutet werden oder zu fehlerhaften Starkregenwarnungen führen. Auch die Identifikation kleinräumiger atmosphärischer Wirbel (Mesozyklone) werde durch die von Windenergieanlagen verursachten Qualitätsprobleme erheblich beeinträchtigt bis unmöglich gemacht. Die Radarmessung am Standort Essen werde bereits durch die vorhandenen, zum Teil ohne Beteiligung des DWD genehmigten Windenergieanlagen in der Umgebung, die hohe Reflektivitäten von 60 dBZ und mehr aufwiesen, in erheblichem Maße gefährdet. Die angeführten Beispiele für die von anderen Anlagen verursachten Störungen der Radarmessung belegten, dass es auch im vorliegenden Fall zu ganz erheblichen Störungen sowohl der Radarmessung selbst als auch der Folgeprodukte kommen werde. Bei der notwendigen Gesamtbetrachtung der zu erwartenden Störungen seien auch die Nebenkeuleneffekte zu berücksichtigen. Polarimetrische Messgrößen reagierten wesentlich empfindlicher auf Störungen durch Windenergieanlagen. Die Störungen beschränkten sich nicht nur auf die direkten Nachbarpixel („Neuner-Umgebung“). Zudem seien Clutter im näheren Umfeld von Windenergieanlagen intensiver, als der Parteigutachter der Klägerin angenommen habe. Dieser betrachte die von Windenergieanlagen ausgehenden Beeinträchtigungen für andere Warnszenarien (z. B. Glättegefahr bei winterlichen Schwachniederschlägen) nur oberflächlich. Tatsächlich seien die von Windenergieanlagen im Nahbereich des Wetterradars ausgehenden Beeinträchtigungen auch unterhalb der betrachteten Schwellenwerte so gravierend, dass nicht nur die automatisierten Warnverfahren Fehlwarnungen erzeugten, sondern auch erfahrene Meteorologen bei einer kritischen Wetterlage nicht in der Lage seien, diese Fehlwarnungen von einer echten Warnsituation zu unterscheiden. Der Mittelpunkt des untersten Radarstrahls des nächstgelegenen Wetterradars in Flechtdorf befinde sich am Anlagenstandort bereits 2,7 km über dem Boden. Der DWD sei nicht aufgrund des Gebotes der Rücksichtnahme verpflichtet, technische Kompensationsmaßnahmen zu ergreifen. Jedenfalls aber seien die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Datenverarbeitung nicht geeignet, die Störungen auf ein zumutbares Maß zu reduzieren und gleichzeitig eine für die Aufgabenwahrnehmung hinreichende Datenqualität zu erhalten. Da die Störzone von Windenergieanlagen sehr weit (bis zu 20 km Entfernung und 4 km Höhe) gefasst werden müsste, stünden im Ergebnis keine benachbarten, mit hinreichender Sicherheit ungestörten Pixel zur Interpolation zur Verfügung. Bereits die pauschale Verwerfung einer Umgebung von neun Pixeln um den geographischen Standort einer Anlage sei weder ausreichend noch angemessen für alle Folgeverfahren des DWD. Dies hätte vor allem zur Folge, dass kleinräumige, kurzlebige und zeitlich stark variable Wetterphänomene nicht mehr erkannt und bewarnt werden könnten. In diesem Zusammenhang stehe dem DWD ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Schließlich überwiege im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung das Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr und dem Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung bzw. vor Schäden mit Hilfe von Wettervorhersagen und Unwetterwarnungen das wirtschaftliche Interesse des Vorhabenträgers an einer Realisierung des Windkraft-Vorhabens. Das Wetterradar in Essen sei aufgrund seiner Lage und der zumeist durch West- bzw. Südwestströmungen gekennzeichneten Wetterlagen für das Rheinland und große Teile Westfalens sowie Teile Niedersachsens von herausragender Bedeutung, weil es Niederschlags- bzw. Unwetterbereiche bis weit in die Niederlande und nach Belgien hinein detektiere. Die volle Funktionsfähigkeit des Wetterradars liege im besonderen Interesse der Bevölkerung in der Region und der staatlichen Einrichtungen zum Schutz der Bevölkerung sowie des ungehinderten Flugverkehrs am nahegelegenen Flughafen Düsseldorf. Im Bereich der Bereitstellung meteorologischer Daten für die Luftfahrt, für die der DWD die Verantwortung trage, könne es zu nicht hinnehmbaren Fehldeutungen der in Echtzeit zur Verfügung gestellten Daten durch die Flugsicherung sowie Luftraumnutzer kommen. Ein Fluglotse müsse bereits bei einem sehr viel niedrigeren Schwellenwert von nur 37 dBZ zwingend von einer potentiellen Unwetterzone ausgehen. Ungeachtet dessen seien sowohl der Flächennutzungs- als auch der Bebauungsplan unwirksam, weil der DWD in diesen Verfahren weder selbst beteiligt noch der öffentliche Belang der Wetterradaranlage in Essen im Zuge der Abwägung berücksichtigt worden sei. Der Erteilung einer Baugenehmigung für das Wetterradar habe es gemäß § 80 Abs. 1 BauO NRW nicht bedurft.
86Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. September 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Wetterradar des DWD durch die Errichtung und den Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlage in seiner Funktionsfähigkeit gestört werde (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) und eine Abwägung unter Berücksichtigung dessen zulasten der Klägerin ausfalle. Sowohl das von der Beigeladenen zu 3. vorgelegte Gutachten vom 19. September 2013 als auch das von der Klägerin eingereichte Gutachten des Dipl.-Meteorologen Dr. N. vom 16. Juni 2015 kämen zu dem Ergebnis, dass das Wetterradar zum einen durch Störechos (Clutter) und zum anderen durch Abschattungseffekte beeinflusst werde. Jedenfalls die erstgenannte technische Beeinflussung des Wetterradars führe zu einer negativen Auswirkung auf die Funktion. Weil Beeinträchtigungen auf der Produktdatenebene auch durch technische Maßnahmen nur verringert, nicht aber ausgeschlossen werden könnten, falle die gebotene Abwägung nach allgemeinen Grundsätzen zugunsten der Beigeladenen zu 3. aus. Dabei stritten von vornherein zwei Gesichtspunkte zugunsten der Radaranlage: Während die Klägerin ausschließlich privatwirtschaftliche Ziele verfolge, nehme die Beigeladene zu 3. eine Aufgabe im öffentlichen Interesse auf der Grundlage des DWD-Gesetzes vom 10. September 1998 (BGBl. I S. 2871) wahr. Das Wetterradar zähle zu einem Verbund gleichartiger Anlagen, die der Unwetterwarnung dienten. Angesichts der technischen und sozialen Gegebenheiten im dichtbesiedelten Bundesgebiet seien Unwetterwarnungen von besonders großer Bedeutung für die Sicherheit der Lebensverhältnisse. Obwohl die Erzeugung von Windenergie ebenfalls im öffentlichen Interesse liege, bestehe kein öffentliches Interesse an dem konkreten Standort. Die Interessen der Beigeladenen zu 3. seien im Übrigen tendentiell höher zu gewichten, weil das Wetterradar schon vorhanden und auf derartige Vorprägungen grundsätzlich Rücksicht zu nehmen sei. Zwar besitze der DWD keinen gerichtlich nicht überprüfbaren Spielraum bei der Einschätzung von Auswirkungen des Vorhabens. Doch halte seine Auffassung, das Wetterradar werde in nicht hinnehmbarer Weise gestört, einer gerichtlichen Nachprüfung stand und werde durch das Gutachten des Dr. N. nicht widerlegt, auch wenn hiernach keine nennenswerte Störung auf Produktdatenebene zu erwarten sein dürfte. Schon die nicht fernliegende Möglichkeit, dass eine neue Fehlerquelle für Unwetterwarnungen heraufbeschworen werde, lasse diese Wertung angesichts des hochrangigen in Rede stehenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt erscheinen. Nach der Stellungnahme des DWD vom 24. Juli 2015 seien für den Meteorologen auch lokale Prozesse von Bedeutung, die in den Radarprodukten oft nur durch wenige Pixel mit niedrigen Reflektivitätswerten sichtbar würden. Der Ansicht des Verwaltungsgerichts Trier in dessen Urteil vom 23. März 2015 - 6 K 869/14.TR -, der DWD könne der bestehenden Beeinträchtigung des Wetterradars durch eine Weiterentwicklung der Datenverarbeitung „wirksam entgegenwirken“, könne nicht gefolgt werden. Die zur optisch bedrängenden Wirkung einer Windenergieanlage entwickelten Grundsätze „architektonischer Selbsthilfe“ seien auf das Wetterradar nicht übertragbar, da es sich um eine im Außenbereich privilegierte Nutzung handele, die zudem im öffentlichen Interesse stehe.
87Die Klägerin hat am 22. Oktober 2015 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
88Zur Begründung macht sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend, eine Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage in Essen sei auf Grundlage der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2016 - 4 C 2.16 und 4 C 6.15 - zu verneinen. Der DWD besitze hiernach bei der Bewertung der Störung der Funktionsfähigkeit keinen Beurteilungsspielraum. Eine Störung sei erst zu bejahen, wenn die Erzielung der im Sinne der Aufgabenstellung gewünschten Ergebnisse verhindert, verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert werde. Gemessen hieran sei die mögliche Beeinträchtigung eines Basisdatenpixels nicht ausreichend für eine rechtlich relevante Störung bei der Weiterverarbeitung der erhobenen Wetterdaten in Form von Produkten zur Warnung vor bestimmten Wetterereignissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die streitbefangene Windenergieanlage auf der Ebene des Niederschlagsscans ein Produktdatenpixel störe, das in einem Produkt des DWD Verwendung finde, liege nach der Stellungnahme des Dr. N. vom 21. Dezember 2015 bei nur etwa 60 %. Entgegen der Darstellung der Beigeladenen zu 3. ergebe sich aus den Veröffentlichungen des DWD, dass automatische Warnprodukte für offizielle Unwetterwarnungen nicht ungeprüft weitergegeben, sondern immer von Meteorologen bestätigt würden. Im Übrigen sei der DWD als Betreiber der Radaranlage aus Gründen des Gebots der Rücksichtnahme verpflichtet, ihm zumutbare Maßnahmen im Rahmen seiner Datenverarbeitung zu ergreifen, um mit überschaubaren Mitteln Auswirkungen von Störungen der Produktdatenebene auszuschließen bzw. zu reduzieren. Insbesondere könnten die Wetterdaten des potentiell beeinträchtigten Pixels verworfen und könnte stattdessen – anders als bei der Interpolation – auf die Daten des nächsten ungestörten Nachbarpixels zurückgegriffen werden, ohne eine schlechtere Datenqualität zu riskieren. Schon heute führe der DWD eine sog. statische Blacklist, in welche Hindernisse eingetragen würden, weshalb es ein Leichtes wäre, die durchgängig bekannten Standorte von Windenergieanlagen hierin einzupflegen und diese für die Unwetterwarnung zu verwenden. Die Abwägung des Verwaltungsgerichts sei schon ihrem Ansatz nach verfehlt, weil die Interessen des DWD nicht grundsätzlich höher zu gewichten seien als die klägerischen Interessen; auch die Erzeugung von Strom aus regenerativen Energiequellen liege im öffentlichen Interesse und die Windenergie sei wegen der festgesetzten Konzentrationszone in gleicher Weise ortsgebunden. Selbst ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Anlage könne keine hundertprozentige bodennahe Radarsicht durch die Wetterradaranlagen des DWD gewährleistet werden, was zum einen an der Elevation des Radarstrahls und zum anderen an zahlreichen natürlichen wie künstlichen Hindernissen liege. Schließlich komme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hilfsweise die Erteilung der Genehmigung unter Hinzufügung von Auflagen (z. B. Abschaltung auf Verlangen des DWD) in Betracht, durch die entsprechende Störungen in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden könnten. Darüber hinaus könnten dem Vorhaben nach Aussage der Kammer des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung auch luftverkehrsrechtliche Vorschriften nicht als öffentlicher Belang entgegengehalten werden.
89Das Begehren der Klägerin ist auch im Berufungsverfahren zunächst darauf gerichtet gewesen, eine erneute Entscheidung des Beklagten über ihren Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Windenergieanlage vom Typ Enercon E-53 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlangen. In der mündlichen Verhandlung am 1. März 2018 hat die Klägerin den Klageantrag mit Zustimmung des Beklagten geändert.
90Die Klägerin beantragt,
911. das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. September 2015 ‑ 10 K 5701/13 - abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 17. Juni 2013 zu verpflichten, ihr einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur Feststellung der Genehmigungsfähigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-53 mit einer Nennleistung von 800 kW und einer Gesamthöhe von 99,7 m auf dem Grundstück Wülfrath, Gemarkung Flandersbach, Flur X, Flurstück X, im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen i. S. v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB zu erteilen,
922. das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. September 2015 ‑ 10 K 5701/13 - abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 17. Juni 2013 zu verpflichten, ihr einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur Feststellung der Genehmigungsfähigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-53 mit einer Nennleistung von 800 kW und einer Gesamthöhe von 99,7 m auf dem Grundstück Wülfrath, Gemarkung Flandersbach, Flur X, Flurstück X, in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Flugbetrieb im Zusammenhang mit dem Segelfluggelände Meiersberg zu erteilen.
93Der Beklagte beantragt,
94die Berufung zurückzuweisen.
95Die Beigeladenen stellen auch im Berufungsverfahren keine Anträge.
96Die Beigeladene zu 1. wiederholt ihre Auffassung, es könne dahinstehen, ob der Flächennutzungsplan mit seiner Darstellung von Windkonzentrationszonen und ihm folgend der Bebauungsplan unwirksam seien. Die bauplanungsrechtliche Genehmigungsgrundlage für die streitgegenständliche Windenergieanlage sei in jedem Fall § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB.
97Die Beigeladene zu 2. wiederholt ihre Ansicht, dass dem Vorhaben luftrechtliche Belange in Bezug auf Flugverkehr des am 6. April 1966 genehmigten Flugplatzes Meiersberg entgegenstünden. Das Vorhaben der Klägerin verletze im Hinblick auf den Segelflugplatz das Gebot der Rücksichtnahme des Betreibers. Nicht nur der in den Gemeinsamen Grundsätzen vom 3. August 2012 im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens vorgesehene Mindestabstand von 850 m, sondern erst recht der noch größere Mindestabstand nach dem „Gutachten zur Feststellung notwendiger Mindestabstände von Windenergieanlagen zu Flugbetriebsräumen an Flugplätzen der Allgemeinen Luftfahrt unter Berücksichtigung sämtlicher Luftfahrzeugklassen“ des Fachbereichs 6 Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen, Prof. Dr.‑Ing. Janser u. a., von Dezember 2015 würden im Falle der Errichtung der Windenergieanlage erheblich unterschritten. Hiernach müsse eine Windenergieanlage einen Abstand von ca. sieben Rotordurchmessern zuzüglich eines Toleranzbereichs von 250 m und eines Sicherheitsbereichs von 300 m, vorliegend daher 920,3 m, zur Platzrunde eines Flughafens einhalten. In der näheren Umgebung der Windenergieanlage sei mit Turbulenzen zu rechnen, die vorliegend zu einer anderen Gefahreneinschätzung als bei feststehenden Objekten führe.
98Die Beigeladene zu 3. wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Eine Störung der Funktionsfähigkeit einer Wetterradaranlage liege bereits vor, wenn die Basisdatenerfassung durch den Betrieb einer Windenergieanlage nachteilig technisch beeinflusst werde und das Wetterradar seine rein physikalisch-technische Funktion zur Erfassung wetterbezogener Radardaten nicht mehr im bisherigen Umfang erfüllen könne. Erst auf der Ebene der nachvollziehenden Abwägung komme es auf die nachteilige Beeinflussung der aus den Basisdaten zur Aufgabenerfüllung abgeleiteten Produkte an. Durch die Errichtung und den Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlage werde es zu nachteiligen Auswirkungen auf die Radarbasisdatenerfassung des Wetterradars Essen und damit zu Störungen der Funktionsfähigkeit kommen. Diese ließen sich mit den vorgeschlagenen Lösungsansätzen, die eine systematische Weiterentwicklung der Datenverarbeitung des DWD für alle Radaranlagen im Wetterradarverbund voraussetzen würden, – ungeachtet der fehlenden Zumutbarkeit solcher Maßnahmen – nicht ohne größeren Aufwand vollständig beseitigen bzw. auf ein für die Aufgabenerfüllung noch zumutbares Maß zu reduzieren. Die Klägerin gehe von überzogenen Anforderungen an die Darlegung einer Störung aus; die von ihr verlangte mathematische Detailprognose scheitere schon an der enormen Variabilität der durch Windenergieanlagen verursachten Störungen. Stattdessen habe der DWD eine fachlich begründete, empirische Betrachtung vorgenommen, indem er bereits bestehende Windenergieanlagen und die von diesen verursachten Auswirkungen auf den Betrieb einer Wetterradaranlage anhand von eigenen Beobachtungen untersucht habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin zeigten Beobachtungen deutliche Abschattungseffekte von Windenergieanlagen noch in mehreren Kilometern Abstand zum Radar. Zudem sei die zu erwartende Beeinträchtigung der Basisdaten durch Clutter der streitgegenständlichen Windenergieanlage ein technisch eindeutiger und in der fachlichen Diskussion unstreitiger Sachverhalt. Im Rahmen der Abwägung in § 35 Abs. 1 BauGB stelle das Bundesverwaltungsgericht auch bei Windkraft-Vorhaben den nachteilig betroffenen öffentlichen Belangen stets nur die Privatinteressen an der Verwirklichung des Vorhabens gegenüber, nicht jedoch öffentliche Belange wie etwa den Klimaschutz. Anders als die Klägerin sei der DWD bei der Standortwahl für Wetterradaranlagen mit Blick auf die Orographie und die vorhandene Bebauung stark eingeschränkt, da eine möglichst homogene Erfassung des gesamten Bundesgebiets gewährleistet sein müsse. Zugunsten des Wetterradars sei außerdem zu berücksichtigen, dass sich der Radarstandort Essen nicht im Außenbereich befinde, sondern im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Ungeachtet des dem DWD zuzuerkennenden Beurteilungsspielraums würden die von der Windenergieanlage verursachten Störungen zu Fehlern in den automatisierten Warnalgorithmen in Form von Über- oder Unterwarnungen führen. Störungen auf der Produktdatenebene könnten auch dann auftreten, wenn Basisdatenpixel außerhalb der von der Klägerin bezeichneten „Neuner-Umgebung“ ausgewählt würden, da von einer sehr viel größeren und räumlich variablen Störzone ausgegangen werden müsse. Die rein geometrische Zuordnung vernachlässige die Erfassung der Windenergieanlage vom Radar über die Nebenkeulen und Flanken der Hauptkeulen, die nach tatsächlichen Beobachtungen in der Summe keineswegs als wesentlich schwächer gegenüber der Hauptkeule zu bewerten seien. Für die Beurteilung einer Wettersituation sei im Übrigen nicht nur die Größe eines Wetterphänomens bedeutend, sondern vielmehr auch seine Charakteristik, die anhand der Informationen aus einzelnen Produktdatenpixeln gewonnen werde (z. B. Entwicklung/Dynamik des Gewitters sowie Hinweise auf Tornados, sog. „Hakenechos“). Bei der Mesozyklonenerkennung sei es für den Meteorologen besonders wichtig, zu wissen, ob Warnobjekte in Bodennähe detektiert würden. Die Berücksichtigung bloß ausgewählter, hochreichender Wetterphänomene lasse Fehlwarnungen im automatisierten Warnverfahren wegen kleinräumiger Wetterphänomene, etwa bei einer potentiellen Glättegefahr wegen schwacher winterlicher Niederschläge, außer Betracht. Die im Warndienst tätigen Meteorologen hätten aus Zeitgründen in der operationellen Praxis nicht immer die Möglichkeit, die Meldungen der automatisierten Warnprodukte zu überprüfen; diese würden zum Teil unmittelbar an externe Nutzer weitergegeben.
99Der Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2017 Beweis erhoben zu den Auswirkungen der streitbefangenen Windenergieanlage auf das Wetterradar in Essen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des als Radarmeteorologen tätigen Physikers Dr. I. . Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 29. August 2017 verwiesen.
100Mit Beschluss vom 1. März 2018 hat der Senat das Berufungsverfahren betreffend den Berufungsantrag zu 2. der Klägerin abgetrennt. Dieses Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 8 A 874/18 fortgeführt.
101Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats vom 1. März 2018 Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu A.) und begründet (dazu B.).
Die Klage ist mit der im Berufungsverfahren vorgenommenen Klageänderung zulässig. Die Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat, ihr ursprüngliches Begehren zur Bescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zugunsten ihrer Anträge auf Erteilung von zwei immissionsschutzrechtlichen Vorbescheiden umzustellen, stellt eine zulässige Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO dar, der der Beklagte zugestimmt hat. Der Senat folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung der mit Baurecht befassten Senate des erkennenden Gerichts zur Umstellung eines Verpflichtungsbegehrens von der Baugenehmigung auf einen (Bau-)Vorbescheid.
104Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10. April 2002 - 10 A 2939/00 -, juris Rn. 19, vom 9. Januar 1997 - 7 A 2233/96 -, juris Rn. 27 ff. m. w. N., und vom 15. Januar 1992 - 7 A 81/89 -, NWVBl. 1993, 25 = juris Rn. 24 ff.
Die nach der Verfahrenstrennung ausschließlich auf die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides zur Feststellung der Genehmigungsfähigkeit der Windenergieanlage im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen gerichtete Klage ist auch begründet.
106Der Bescheid des Beklagten vom 17. Juni 2013, mit dem dieser den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage abgelehnt hat, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Diese hat aus § 9 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 BImSchG einen Anspruch auf Erteilung des nunmehr begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides des Inhalts, dass der Errichtung und dem Betrieb der beantragten Windenergieanlage vom Typ Enercon E-53 die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB nicht entgegensteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
107Auf Antrag soll gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der – nach § 4 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV und Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV genehmigungsbedürftigen – geplanten Anlage verbindlich entschieden werden, sofern deren Auswirkungen ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht. Die Vorschriften der §§ 6 und 21 BImSchG gelten sinngemäß (§ 9 Abs. 3 BImSchG). Die Genehmigung ist nach § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und den aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1), und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften – hier insbesondere die bauplanungsrechtlichen Anforderungen der §§ 29 ff. BauGB – und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegen stehen (Nr. 2).
108Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheids (dazu I.). Die begehrte Feststellung der bauplanungsrechtlichen Vereinbarkeit der geplanten Windenergieanlage mit Radaranlagen kann zulässiger Gegenstand eines Vorbescheids sein (dazu II.). Die streitgegenständliche Windenergieanlage ist im Hinblick auf das Wetterradar des DWD in Essen bauplanungsrechtlich zulässig (dazu III.). Auch fehlt es nicht an der vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit im Übrigen (dazu IV.).
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die hier im Streit stehende bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens in Bezug auf das Wetterradar des DWD im Rahmen eines Vorbescheids geklärt wird. Dessen Bindungswirkung ist geeignet, ihr Investitionsrisiko zu verringern.
Die Klägerin durfte die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der geplanten Windenergieanlage insbesondere im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit Radaranlagen zum Gegenstand eines Vorbescheids machen.
111Ein Vorbescheid kann zu jeder für die Genehmigung relevanten Frage ergehen, die im Vorgriff auf sie rechtlich und tatsächlich auch geklärt werden kann, insbesondere zu bauplanungsrechtlichen Fragen. Dies schließt umgekehrt für den Antragsteller auch das Recht ein, einzelne für die Genehmigung relevante Fragen aus der Prüfung auszuklammern. Soweit der Vorbescheid über das Vorliegen bestimmter Genehmigungsvoraussetzungen entscheidet, bindet er als Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Genehmigung die Genehmigungsbehörde für das weitere Genehmigungsverfahren und nimmt insoweit die Entscheidung vorweg. Die festgestellten Genehmigungsvoraussetzungen müssen schon bei der Bescheidung des Antrags auf Erteilung eines Vorbescheids abschließend geprüft werden. Erforderlichenfalls ist – um keine rechtswidrige Genehmigung in Aussicht zu stellen – die Bindungswirkung des Vorbescheides durch Vorbehalte, insbesondere durch Angabe von Nebenbestimmungen zu der späteren Genehmigung einzuschränken.
112Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. Juni 2016 - 8 D 99/13.AK -, DVBl. 2016, 1191 = juris Rn. 157 f., vom 20. November 2012 - 8 A 252/10 -, NuR 2013, 146 = juris Rn. 36 f., und vom 9. Dezember 2009 - 8 D 12/08.AK -, DVBl. 2010, 719 = juris Rn. 144 ff.; zu bauplanungsrechtlichen Fragen als Gegenstand eines Vorbescheids siehe OVG NRW, Urteil vom 6. September 2007 - 8 A 4566/04 -, juris Rn. 59 f., m. w. N.
Die in Rede stehende Windenergieanlage ist mit dem Wetterradar des DWD in Essen bauplanungsrechtlich vereinbar.
114Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach § 30 Abs. 3 BauGB, weil es sich bei dem Bebauungsplan Nr. 3.3 vom 13. Dezember 2005 um einen einfachen Bebauungsplan im Sinne dieser Vorschrift handelt. Dieser setzt den Vorhabenstandort als Sondergebiet für die Windenergienutzung fest. Er enthält nur wenige Angaben zum Maß der baulichen Nutzung, vor allem die Festsetzung der Gesamthöhe von Windenergieanlagen auf unter 100 m, setzt aber keine überbaubaren Grundstücksflächen oder örtlichen Verkehrsflächen gemäß § 30 Abs. 1 BauGB fest. Vielmehr enthält er den ausdrücklichen Hinweis, dass sich die Zulässigkeit von baulichen Anlagen im Übrigen nach § 35 BauGB richtet.
115Nach § 30 Abs. 3 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans zulässig, wenn es dessen Festsetzungen nicht widerspricht, soweit sie vorhanden sind. Ergänzend, d. h. soweit es keine Festsetzungen gibt, gelten die Bestimmungen der §§ 34 oder 35 BauGB.
116Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 4 B 14.16 -, juris Rn. 3.
117Die geplante Windenergieanlage entspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3.3 insoweit, als dort ein Sondergebiet für Windenergieanlagen mit einer Höhe unter 100 m festgesetzt worden ist.
118Ob Maßstab für die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Wetterradar Essen über die Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans hinaus auch die Voraussetzungen des § 35 BauGB sind, lässt der Senat offen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans den Konflikt mit dem Wetterradar nicht erfassten oder wenn der Bebauungsplan mangels Konfliktbewältigung unwirksam wäre. Die geplante Windenergieanlage beeinträchtigt jedenfalls weder die Funktionsfähigkeit einer Radaranlage im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB (dazu 1.) noch das – im vorliegenden Fall keine strengeren Anforderungen formulierende – allgemeine Gebot der Rücksichtnahme, falls in bauplanungsrechtlicher Hinsicht auf die Vereinbarkeit mit dem Bebauungsplan Nr. 3.3 abzustellen sein sollte (dazu 2.).
Dem Vorhaben der Klägerin steht der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB (Funktionsfähigkeit von Radaranlagen) nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es (unter anderem) der Nutzung der Windenergie dient.
120Inwieweit einem durch § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen, ist grundsätzlich im Wege einer „nachvollziehenden“ Abwägung zu ermitteln. Dabei sind die öffentlichen Belange je nach ihrem Gewicht und dem Grad ihrer nachteiligen Betroffenheit einerseits und das kraft der gesetzlichen Privilegierung gesteigert durchsetzungsfähige Privatinteresse an der Verwirklichung des Vorhabens andererseits einander gegenüberzustellen.
121Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1967 - 4 C 86.66 -, BVerwGE 28, 148 = juris Rn. 12, vom 19. Juli 2001 - 4 C 4.00 -, BVerwGE 115, 17 = juris Rn. 20, und vom 27. Januar 2005 - 4 C 5.04 -, BVerwGE 122, 364 = juris Rn. 18; siehe auch OVG NRW, Urteile vom 20. November 2012 - 8 A 252/10 -, NuR 2013, 146 = juris Rn. 76, und vom 5. September 2017 - 8 A 1125/14 -, juris Rn. 39.
122Privilegierte Vorhaben sind nicht an jedem beliebigen Standort im Außenbereich zulässig. Auch für privilegierte Anlagen gilt das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Mit § 35 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber den Außenbereich insbesondere nicht generell als Baubereich für privilegierte Vorhaben freigegeben, sondern ihre Zulässigkeit vielmehr von der Einzelfallprüfung abhängig gemacht, ob ihnen an einem konkreten Standort öffentliche Belange entgegenstehen.
123Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Januar 1984 - 4 C 43.81 -, BVerwGE 68, 311 = juris Rn. 19, vom 22. Mai 1987 - 4 C 57.84 -, BVerwGE 77, 300 = juris Rn. 22, und vom 19. Juni 1991 - 4 C 11.89 -, NVwZ-RR 1992, 401 = juris Rn. 31; siehe auch OVG NRW, Urteile vom 5. September 2017 - 8 A 1125/14 -, juris Rn. 41, vom 20. November 2012 - 8 A 252/10 -, NuR 2013, 146 = juris Rn. 78, und vom 15. März 2006 - 8 A 2672/03 -, ZNER 2006, 65 = juris, Rn. 54.
124Im Einzelnen bestimmt sich das Gewicht sowohl der Privilegierung als auch das der öffentlichen Belange anhand einer Bewertung des Einzelfalls.
125Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1991 - 4 C 11.89 -, NVwZ-RR 1992, 401 = juris Rn. 31; siehe auch OVG NRW, Urteile vom 20. November 2012 - 8 A 252/10 -, NuR 2013, 146 = juris Rn. 80, und vom 5. September 2017 - 8 A 1125/14 -, juris Rn. 43.
126§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB ist auch für Wetterradaranlagen anwendbar (dazu a). An einer rechtserheblichen Störung im Sinne der Vorschrift (dazu b), deren Prüfung der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (dazu c), fehlt es vorliegend auch im Falle der Errichtung und des Betriebs der streitbefangenen Windenergieanlage (dazu d). Ungeachtet dessen fiele jedenfalls die nachvollziehende Abwägung der widerstreitenden Belange i. S. v. § 35 Abs. 1 BauGB zugunsten der Klägerin aus (dazu e).
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB ist auf Wetterradaranlagen anwendbar. Ausgehend von dem allgemein gehaltenen Begriff der „Radaranlagen“ lassen sich weder dem historischen Gesetzgeberwillen noch der Systematik des Gesetzes Anhaltspunkte dafür entnehmen, den Begriff mit militärischen oder sonstigen spezifischen Zweckbestimmungen einzuschränken.
128Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. September 2016 ‑ 4 C 6.15 -, BVerwGE 156, 136 = juris Rn. 10, und - 4 C 2.16 -, BVerwGE 156, 148 = juris Rn. 15.
Eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB ist erst anzunehmen, wenn die Erzielung der (im Hinblick auf die Aufgabenstellung des DWD) erwünschten Ergebnisse verhindert, verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert wird. Nicht jede Beeinflussung der erhobenen Basisdaten führt insoweit zu einer Störung im Rechtssinne. Eine solche tritt erst ein, wenn die Beeinflussungen eine bestimmte Schwelle überschreiten und dadurch die Funktion der Anlage bauwerksbedingt mit Blick auf die Aufgabenstellung des DWD (vgl. § 4 DWD-Gesetz) beeinträchtigen. Der Funktionsbegriff wäre zu eng gefasst, wollte man darunter lediglich die technische Funktion der Anlage, d. h. die Erfassung von Radarbasisdaten, und nicht auch die Funktion der Anlage für die Erledigung der Aufgaben des jeweiligen Betreibers verstehen.
130Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. September 2016 ‑ 4 C 6.15 -, BVerwGE 156, 136 = juris Rn. 11 ff., und - 4 C 2.16 -, BVerwGE 156, 148 = juris Rn. 17 ff.; Bay. VGH, Urteile vom 16. Oktober 2017 - 22 B 17.156 -, juris Rn. 31, und vom 18. September 2015 - 22 B 14.1263 -, ZNER 2015, 605 = juris Rn. 44 f.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24. April 2017 - 8 S 2085/16 -, ZNER 2017, 213 = juris Rn. 15; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 13. Januar 2016 - 8 A 10535/15 -, ZNER 2016, 77 = juris Rn. 92.
131Die von der Beigeladenen zu 3. in ihrem Schriftsatz vom 19. Januar 2018 (Seite 19 f.) geäußerte Rechtsauffassung rechtfertigt kein anderes Verständnis. Zwar bezieht sich die Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB lediglich auf die mit Hilfe der Wetterradaranlage in Essen erhobenen Daten sowie die hieraus generierten Produkte, nicht aber die Funktionsfähigkeit des DWD insgesamt. Von einer nachteiligen Beeinträchtigung der Erarbeitung und Herausgabe von Warnprodukten ist aber nach den zuvor dargestellten Maßstäben nicht schon dann auszugehen, wenn die Belastbarkeit der Wetterradare infolge von durch Windenergieanlagen generierten Störungen vermindert ist. Ob Wetterinformationen auf sachlich zutreffenden Wetterradardaten basieren, ist nur in dem Umfang rechtserheblich, in dem sich Störungen auf die Produkterstellung auswirken und die mit Hilfe der Produkte gebündelten Wetterinformationen die Warntätigkeit verhindern oder spürbar beeinträchtigen.
Das Vorliegen einer Störung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Da sich dem Gesetz eine fachliche Letztentscheidungsbefugnis des DWD nicht entnehmen lässt, steht diesem ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum nicht zu. Ein solcher lässt sich insbesondere den Aufgabenzuweisungen in § 4 DWD-Gesetz oder den Befugnissen des DWD nach § 5 DWD-Gesetz weder ausdrücklich noch im Wege der Auslegung – auch unter Berücksichtigung der Chronologie des Inkrafttretens der betroffenen Normen (DWD-Gesetz zum 1. Januar 1999, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB erst mit dem EAG Bau 2004) – entnehmen.
133Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. September 2016 ‑ 4 C 6.15 -, BVerwGE 156, 136 = juris Rn. 15 ff., und - 4 C 2.16 -, BVerwGE 156, 148 = juris Rn. 21 ff.; vorhergehend OVG Rh.-Pf., Urteil vom 13. Januar 2016 - 8 A 10535/15 -, ZNER 2016, 77 = juris Rn. 94 ff., und Bay. VGH, Urteil vom 18. September 2015 - 22 B 14.1263 -, ZNER 2015, 605 = juris Rn. 46 ff.; siehe auch Bay. VGH, Urteil vom 16. Oktober 2017 - 22 B 17.156 -, juris Rn. 32; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24. April 2017 - 8 S 2085/16 -, ZNER 2017, 213 = juris Rn. 15 a. E.
Die streitbefangene Windenergieanlage führt im Falle ihrer Errichtung und ihres Betriebs zur Überzeugung des Senats (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht zu einer rechtserheblichen Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage des DWD in Essen im vorgenannten Sinne. Für diese Bewertung stützt sich der Senat maßgeblich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. I. in dessen schriftlichem Gutachten vom 29. August 2017 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Soweit das schriftliche Gutachten vereinzelt noch Unklarheiten enthielt, hat der Sachverständige Dr. I. alle entscheidungserheblichen Punkte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 1. März 2018 – auch unter Berücksichtigung der Einwände des DWD – überzeugend und nachvollziehbar erläutert. Er hat keine Unsicherheiten erkennen lassen oder sich mit seinen schriftlichen Aussagen in Widersprüche verwickelt. Insgesamt ergeben die Ausführungen des Sachverständigen Dr. I. für den Senat eine taugliche und hinreichend fundierte Grundlage, um die Auswirkungen der streitbefangenen Windenergieanlage auf das Wetterradar in Essen auf einer ausreichenden Tatsachenbasis beurteilen zu können. Zweifel an der fachlichen Kompetenz oder der Unparteilichkeit des Sachverständigen Dr. I. bestehen nicht.
135Auf generelle Empfehlungen für die Entfernung von Windenergieanlagen zu Radarstandorten kommt es für eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage des DWD in Essen nicht an (dazu aa). Stattdessen ist eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der Funktionsweise einer Wetterradaranlage (dazu bb) durchzuführen: Die streitbefangene Windenergieanlage führt vorliegend zwar zu einer (technischen) Beeinflussung der Radarstrahlung des Wetterradars Essen, die sich auf die gewonnenen Basisdaten auswirkt (dazu cc). Doch wird hierdurch die Erzielung der im Rahmen der Aufgabenstellung des DWD benötigten Ergebnisse in Form von Warnprodukten weder verhindert noch verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert (dazu dd).
Für die Prüfung, ob das streitbefangene Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, ist es ohne Bedeutung, dass der DWD unter Bezugnahme auf die Vorgaben und Empfehlungen der World Meteorological Organization (im Folgenden: WMO) allgemeine Maßstäbe entwickelt hat, deren Einhaltung er generell verlangt.
137Nach den nicht rechtsverbindlichen Empfehlungen der WMO soll nicht nur der nähere Umkreis von fünf Kilometern um Wetterradarstandorte frei von Windenergieanlagen gehalten werden, sondern sollen innerhalb einer Zone moderater Beeinflussung einer Wetterradarstation durch eine Windenergieanlage (von 5 km bis 20 km) zudem die topographischen Gegebenheiten beachtet werden.
138Vgl. Annex VI (Abstände zwischen Windenergieanlage und Wetterradar) der „15th Session of the Commission for Instruments and Methods of Observations [CIMO XV]" (abrufbar unter http://www.wmo.int/pages/prog/www/CIMO/CIMO15-WMO1064/1064_en.pdf).
139In Umsetzung dieser technischen Richtlinien hält der DWD in den von ihm herausgegebenen „Informationen zur Errichtung von Windenergieanlagen im Nahbereich der Messsysteme des Deutschen Wetterdienstes. Abstandsanforderungen und Höhenbeschränkungen" vom 10. Mai 2012 (Seite 3) einen Mindestabstand von 5 km zwischen einer Windenergieanlage und einer Wetterradaranlage für geboten. Im Umkreis von 5 km bis 15 km fordert der DWD Höhenbeschränkungen für Windenergieanlagen, die aufgrund der orografischen Bedingungen nur im Ausnahmefall unterschritten werden sollen. Vorliegend würde die streitbefangene Windenergieanlage aufgrund ihrer Gesamthöhe von 272,7 m ü. NN bei einer Verwirklichung des Vorhabens nicht die geforderte Höhenbeschränkung von 194 m ü. NN in einer Entfernung von etwa 11 km erfüllen.
140Die Untersuchung eines Vorhabens auf seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB kann jedoch solange nicht von einer derartigen abstrakten Regelfall-/Ausnahme-Betrachtung ausgehen, wie der Gesetzgeber keine allgemein einzuhaltenden Abstandsvorschriften festgesetzt hat. Daher ist es geboten, bei der Beurteilung der „Störung der Funktionsfähigkeit“ einer Radaranlage im Einzelfall zu prüfen, ob sich die störende Wirkung der jeweiligen Windenergieanlage auf einen schmalen Sektor beschränkt oder einen größeren Bereich betrifft. Dies betont auch die technische Richtlinie in Annex VI selbst.
141Mit diesem Ergebnis auch Bay. VGH, Urteil vom 18. September 2015 - 22 B 14.1263 -, ZNER 2015, 605 = juris Rn. 63 a. E.; siehe auch weiteres Urteil vom 16. Oktober 2017 - 22 B 17.156 -, juris Rn. 49.
Die Funktionsweise einer Wetterradaranlage wie der hier betroffenen Anlage in Essen basiert darauf, dass vom Radar Pulse elektromagnetischer Wellen in verschiedenen Höhenwinkeln (sog. Elevationen) ausgestrahlt werden, um die Troposphäre (d. h. die untere Atmosphäre bis in etwa 10 bis 12 km Höhe) zu sondieren. Dies geht aus der Broschüre „Einfluss des Betriebs von Windenergieanlagen auf die Wetterradarmessung und Warnprodukte beim DWD“ vom 19. September 2013 (Seite 2 ff.; im Folgenden: Broschüre des DWD vom 19. September 2013) hervor. Nach den dortigen Ausführungen werden beim DWD aktuell Radarmessungen in elf verschiedenen Elevationen zwischen 0,5 Grad und 25 Grad vorgenommen.
143Dabei dreht sich das Radar kontinuierlich mit konstanter Geschwindigkeit um seine vertikale Achse und überstreicht azimutal 360 Grad. Nach einem vollständigen Umlauf (sog. Sweep) wird die nächste Elevation eingestellt und erneut gemessen. Der unterste Sweep mit einer konstanten Elevation von 0,5 Grad und der der Topographie folgende sogenannte Niederschlagsscan werden beim DWD für die Detektion von Unwettern und zur quantitativen Niederschlagsvorhersage genutzt, da sie aufgrund ihrer flachen Elevation lange in der Troposphäre verbleiben und Sondierungen in einer Entfernung von mehr als 180 km vom Radarstandort ermöglichen. Im Falle der Wetterradaranlage Essen ist der Niederschlagsscan seit dem 6. Juli 2016 im hier streitgegenständlichen Bereich auf eine Elevation von 1,2 Grad erhöht (vgl. Angabe der Beigeladenen zu 3. im Schriftsatz vom 26. Februar 2018, Seite 2; früher 0,8 Grad gemäß Stellungnahme des DWD vom 24. Juli 2015, Seite 13).
144Alle Niederschlagspartikel (d. h. Wassertropfen oder Eiskristalle) sowie alle Fremdziele (sog. Clutter) innerhalb des Pulsvolumens streuen die Energie des Pulses in alle Richtungen, u. a. auch in Richtung Antenne zurück (sog. Reflektion) und tragen somit zu der vom Radar empfangenen Energie bei. Aus der zeitlichen Differenz zwischen gesendeter und empfangener Energie können Ort bzw. Entfernung der Streuobjekte bestimmt werden. Die Stärke der zurückgestreuten Energie (sog. Reflektivität) lässt auf die Intensität des Niederschlags schließen.
145Um die Lage von Unwettersystemen exakter vorhersagen zu können, werden beim DWD im Niederschlagsscan Basisdaten mit einer räumlichen Auflösung von 250 m in radialer Richtung und 1 Grad im Azimut sowie einer zeitlichen Auflösung von 5 min erfasst. Anhand dieser fein aufgelösten Daten ist es z. B. möglich, Wirbelstrukturen (sog. Mesozyklonen) zu detektieren, die Tornados initiieren können. Darüber hinaus werden die Informationen des Niederschlagsscans für die Gewitterdetektion durch das Zellerkennungs- und Zellverfolgungsverfahren KONRAD verwendet. Die anderen Sweeps (sog. Volumenscan) besitzen eine räumliche Auflösung von 1 km in radialer Richtung und 1 Grad im Azimut sowie eine zeitliche Auflösung von 15 min. Nach einer zwischenzeitlichen Modernisierung der Radarsysteme setzt der DWD auch polarimetrische Messsysteme ein, bei denen – anders als bei konventionellen Doppler-Radaren – nicht nur horizontal, sondern auch vertikal polarisierte Pulse ausgesandt werden. Dadurch kann neben einer Verbesserung der Niederschlagsabschätzung auch auf die Niederschlagsart (Hagel, Schnee, Regen, etc.) geschlossen werden (sog. Hydrometeorklassifikation).
146Um die Radarbasisdaten für die Produkterstellung, d. h. von der einfachen grafischen Darstellung bis hin zu komplexen (Erkennungs-)Algorithmen, zu verwenden, werden sie beim DWD auf ein regelmäßiges Gitter mit gleichmäßigen quadratischen Maschen von 1 km2 Fläche aufgetragen, den sog. Kompositdatensatz. Die von der Radaranlage empfangenen Signale werden hierfür anhand von Laufzeit und Antennenposition räumlich Entfernungskästchen von 1 km x 1 km zugeordnet, für die die Signalverarbeitung der Rohdaten jeweils getrennt erfolgt. Zur Bestimmung der verwendeten Basisdaten verfolgt der DWD den Ansatz, zunächst entlang der Radarstrahlen aus vier Reflektivitätswerten einen Mittelwert als Zwischendatensatz mit einer Auflösung von 1.000 m x 1 Grad zu berechnen und hiervon jeweils den räumlich nächsten Wert zum Mittelpunkt des Kompositpixels zu verwenden.
147Die in den Radardaten enthaltenen Echos werden vom DWD sodann gefiltert, um unbewegte Ziele wie Festziele oder Bodenechos zu entfernen und nur die immer in Bewegung befindlichen meteorologischen Ziele zu erhalten. Hierbei bleiben auch die Echos von anderen bewegten Zielen bestehen. Während beispielsweise Flugzeuge oder Schiffe eine einheitliche und Vogelschwärme zumindest eine nahezu einheitliche Geschwindigkeit besitzen, weisen Rotoren von Windenergieanlagen an jeder Stelle des Radius eine andere Umfangsgeschwindigkeit auf, die zu sehr großen Spektralbreiten und mehrfachen Faltungen im Dopplerspektrum führt. Diese liegt bei Null im Zentrum der Achse bis zu sehr hohen Geschwindigkeiten über 250 km/h an den Rotorspitzen, und zwar gegebenenfalls gleichzeitig auf das Radar zu und von ihm weg. Sofern die reflektivitätsgemittelten 1 km²-Entfernungskästchen in Entfernung oder Azimut keine Nachbarn haben (isolierte Pixel), wird vermutet, dass es sich nicht um Wettererscheinungen, sondern um Störungen handelt, da warnwürdige Wettererscheinungen in der Regel eine größere Ausdehnung aufweisen. Diese werden nachfolgend entfernt („speckle remover“), bevor die Daten vom Signalprozessor an den Radarrechner übergeben werden. Dieser erzeugt unter anderem die (Bild- oder Daten‑)Produkte und verteilt diese an automatische Auswerteverfahren, wie z. B. an das KONRAD-Verfahren zur Detektion von Gewitterzellen oder an die Mesozyklonen-Erkennung.
148Weil der Doppler-Filter im Allgemeinen nicht in der Lage ist, alle nicht-meteorologischen Störsignale zu beseitigen, findet eine nachträgliche Qualitätssicherung der Radar-Basisdaten statt, bei der vor allem versucht wird, räumlich stationäre Störechos (sog. Clutter) zu identifizieren und zu markieren. Ein Clutter, der zuvor nicht vollständig entfernt wurde, wird dabei zum Teil über eine schwarze Liste (sog. „Blacklist“) markiert; darin werden alle Pixel eines Sweeps aufgenommen, die in einer bestimmten Anzahl von niederschlagsfreien Wettersituationen Echos aufweisen. Zum Zwecke einer weiteren fachlichen Verbesserung, vor allem Eliminierung von Falschechos, setzt der DWD seit dem 13. September 2017 das sog. POLARA-Verfahren (Polarimetric Radar Algorithms) ein; dessen automatischer Qualitätssicherungsprozess verwendet die Dual-Polarisationsmessungen der Wetterradare, um qualitativ verbesserte lokale Radardaten darzustellen. Beide vorgenannten Möglichkeiten führen zwar einerseits zur Entfernung nicht-meteorologischer Störungen, haben jedoch andererseits das Entstehen von Lücken in den Daten („ausgestanzte Löcher“) zur Folge, die weder für die nachfolgenden Algorithmen der automatischen Auswerteverfahren noch für die Meteorologen zur Verfügung stehen.
Die Errichtung und der Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlage wirken sich vorliegend mit Sicherheit nachteilig auf die Basisdatenerfassung aus. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. I. in dessen Gutachten vom 29. August 2017 (Seite 8 und 22) sowie den mündlichen Erläuterungen in der Verhandlung vor dem Senat an. Diese werden bestätigt durch den von der Klägerin beauftragten Gutachter Diplom-Meteorologe Dr. N. in dessen Stellungnahmen vom 16. Juni und 23. August 2015. Die Beeinflussung von Radarmessungen durch Windenergiesignale ist zudem in allgemeiner Form Gegenstand der bereits zitierten Broschüre des DWD vom 19. September 2013 (Seite 10 und 12).
150Die streitbefangene Windenergieanlage würde im Falle ihrer Errichtung mit etwa 79 m in die Hauptkeule des Radarstrahls des untersten Volumenscans (mit einer Elevation von 0,5 Grad), nur etwa 19 m vom Strahl-Mittelpunkt entfernt, sowie in die Flanken der Hauptkeulen des Niederschlagsscans (mit einer Elevation von 1,2 Grad) und des nächsthöheren Sweeps des Volumenscans (mit einer Elevation von 1,5 Grad) hineinragen.
151In technischer Hinsicht wird bei der Beeinflussung von Radar(basis)daten durch die geplante Windenergieanlage unterschieden zwischen Abschattungseffekten (dazu (1)), Mehrfachreflektionen (dazu (2)) und Störechos (dazu (3)).
152(1) Abschattungseffekte
153Störungen durch eine Dämpfung der Radarstrahlung, aufgrund der die Signale hinter der Windenergieanlage zu schwach gemessen werden (sog. Abschattung), bleiben nach den plausiblen Erkenntnissen des Sachverständigen Dr. I. (vgl. Seite 22 in seinem Gutachten) bei der streitbefangenen Windenergieanlage im Ergebnis unbedeutend. Zu derselben Einschätzung gelangt auch der von der Klägerin beauftragte Gutachter Dr. N. in seinen Stellungnahmen vom 16. Juni (Seite 11) und vom 23. August 2015 (Seite 2 f.).
154Zu Abschattungseffekten kommt es, wenn der Teil der Radarstrahlung, der auf ein Hindernis trifft und entweder absorbiert oder gestreut wird, im Radarstrahl hinter dem Hindernis fehlt oder die Strahlung, die von einem Streuer hinter dem Hindernis zurück zum Radar gestreut wird, durch das Hindernis gedämpft wird. Die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen (Seite 8) entsprechen den Angaben des DWD in der bereits zitierten Broschüre vom 19. September 2013 (Seite 12), wonach das Radarsignal im Falle einer unvollständigen Abschattung sowohl beim Senden als auch beim Empfangen abgeschwächt werden kann.
155Die Dämpfung durch die geplante Windenergieanlage führt nicht zu praktisch relevanten Abschattungseffekten. Dies gilt sowohl hinsichtlich ihrer allgemeinen Intensität (dazu (a)) als auch im Hinblick auf polarimetrische Messgrößen (dazu (b)).
156(a) Intensität der Abschattungseffekte
157Der Senat geht auf Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Dr. I. (vgl. Seite 8 f. in seinem Gutachten) und des Gutachters der Klägerin Dr. N. in dessen Stellungnahme vom 16. Juni 2015 (Seite 11) davon aus, dass die durch die streitbefangene Windenergieanlage zu erwartende Dämpfung weit unter den 10 % liegt, die nach OPERA („Operational programme for the exchange of weather radar information“) als Grenze angegeben werden. Damit ist der Abschattungseffekt zugleich geringer als andere Störfaktoren, zu denen etwa Messungenauigkeiten sowie Dämpfungen im Niederschlag oder durch Wasser auf dem Radom zählen.
158Nach den übereinstimmenden Berechnungen des Sachverständigen Dr. I. und des Gutachters Dr. N. beläuft sich die Reduktion der Radarstrahlung für die unterste Elevation des Volumenscans (0,5 Grad) auf weniger als 1,8 %, was einer Abschätzung der Zweiwegedämpfung im Rahmen einer Überschlagsrechnung von 0,16 dB entspricht. Auch wenn ein kleinräumiges Niederschlagsgebiet mit 0,1 mm/h (gleichbedeutend mit einer Dämpfung von 10 dBZ) kleiner als 1 km² sein sollte, verschwindet es danach keineswegs hinter der einzelnen Windenergieanlage. Die Dämpfung durch diese führt lediglich zu einer Abschwächung des Signals um 0,16 dB auf insgesamt 9,84 dBZ. Dies ist kein praktisch relevanter Unterschied.
159Für den Niederschlagsscan mit einer höheren Elevation von 1,2 Grad ist nach Aussage des Sachverständigen Dr. I. in der mündlichen Verhandlung eine noch geringere Dämpfung zu erwarten, da die Hauptkeule dieses Radarstrahls – ausgehend von Berechnungen in einer Standardatmosphäre unter Berücksichtigung des Ausgleichs durch die Erdkrümmung – die geplante Windenergieanlage nicht trifft und am Vorhabenstandort deutlich oberhalb liegt. Selbst bei seltenen (winterlichen) Inversionswetterlagen, in denen der Radarstrahl bis zum Boden gebeugt sein und eine Abschattung ausnahmsweise eintreten kann, ist hiernach ein merklicher Einfluss schwer vorstellbar. Dieser liegt jedenfalls nicht oberhalb dessen, was im Sachverständigengutachten (Seite 9) für ein senkrecht nach oben stehendes Rotorblatt berechnet worden ist, das etwa 18 m in den zentralen Bereich eines Radarstrahls mit einem Elevationswinkel von 0,8 Grad hineinragt. Im Gutachten hatte der Sachverständige angenommen, dass eine derartige Erfassung durch die Hautkeule lediglich zu einer Dämpfung von 0,2 % (60 m2 der 30.000 m2 großen Radarstrahlfläche; Zweiwegedämpfung etwa 0,02 dB) führen würde. Diese geringe Dämpfung durch die Windenergieanlage ist in den geschilderten extremen Situationen im Vergleich zu der durch den Boden eintretenden Dämpfung völlig zu vernachlässigen.
160Wenngleich der Einwand der Beigeladenen zu 3., dass das Vorhandensein anderer Fehlerquellen nicht als Argument für die Akzeptanz zusätzliche Fehler dienen könne, zutrifft, muss die Größe einer zusätzlichen Dämpfung, wie der Gutachter Dr. N. zutreffend ausgeführt hat (vgl. Stellungnahme vom 18. Februar 2018, Seite 1), ins Verhältnis zu den vorhandenen Fehlern gesetzt werden. Während der DWD die Genauigkeit der absoluten Kalibration der Wetterradare mit ca. 0,2 bis 0,7 dB angibt (so Dr. N.), kann die Dämpfung durch ein nasses Radom bis zu 4 dB betragen. Die weitere Erwiderung der Beigeladenen zu 3., wonach sowohl der Radomeinfluss als auch zufällige Fehler in der Radarmessung stets vorhanden und in den Verfahren des DWD „eingepreist“ seien, lässt nicht erkennen, inwiefern hierdurch das Gegenargument von Dr. N. entkräftet wird.
161Soweit die Beigeladene zu 3. auf das Fallbeispiel eines Windparks in 1 km Entfernung zur Radaranlage Emden (vgl. Broschüre des DWD vom 19. September 2013, Seite 24 f., Fall Nr. 3) verwiesen hat, lassen sich die dortigen Feststellungen zur Dämpfung der Radarstrahlung nach den überzeugenden Ausführungen sowohl des Sachverständigen Dr. I. als auch des Gutachters Dr. N. (vgl. Stellungnahme vom 18. Februar 2018, Seite 1) nicht auf die hier streitbefangene Einzelanlage übertragen, in deren Umkreis sich innerhalb eines Radius von 5 km keine Bestandsanlagen befinden. Dies gilt auch, soweit die Windenergieanlagen nebeneinander oder zweireihig hintereinander aufgereiht sein sollten, weil auch hierbei sich gegenseitig verstärkende Effekte mehrerer Windenergieanlagen (Streuer in alle Richtungen) nicht ausgeschlossen werden können.
162Die darüber hinausgehende pauschale Behauptung der Beigeladenen zu 3., die Erheblichkeit der Dämpfungseffekte zeige sich immer wieder im operationellen Messbetrieb und die zu stark abstrahierte Berechnungsmethode des Sachverständigen sei nicht validiert, hat sie nicht hinreichend erläutert und belegt; hierfür hätte es beispielsweise der Vorlage aussagekräftiger Fallbeispiele oder -studien zu den Abschattungseffekten von einzeln stehenden Windenergieanlagen bedurft. Auch auf ausdrückliche Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des DWD keine konkreten Beispiele vorlegen können, die ihre Behauptung insoweit hätten stützen können. Die in verschiedenen Beispielen enthaltenen Einzelanlagen, anhand derer der DWD sich zu anderen Themen geäußert hat (z. B. Windenergieanlage in Velbert-Langenberg in etwa 11 km Entfernung südöstlich vom Wetterradar Essen), lassen die in Bezug auf die Abschattung beschriebenen Beeinträchtigungen der Basisdatenpixel hinter der jeweiligen Anlage demgegenüber nicht erkennen.
163Soweit der DWD schließlich darauf hinweist (vgl. hierzu Stellungnahme vom 2. September 2015, Seite 5), dass selbst eine angenommene Abschattungswirkung von nur 1 dB im Bereich der Unwetterwarnung von 46 dBZ etwa 14 % der Niederschlagsintensität entspreche, so dass in diesem Bereich durch Abschattungseffekte eine Warnschwelle unterschritten werden könne, trifft dies zwar zu, hat aber für die Aufgabenwahrnehmung keine praktische Relevanz. Bei dem theoretischen Fall, dass die Messwerte hinter der Windenergieanlage ohne die Dämpfung knapp oberhalb oder mit ihr knapp unterhalb eines Schwellenwertes gemessen werden, handelt es sich nach überzeugender Einschätzung des Sachverständigen Dr. I. (Seite 9 in seinem Gutachten) weniger um eine Auswirkung der Dämpfung als um einen Effekt des Schwellenwertes, weil diese Festlegung eine gewisse Freiheit enthält.
164(b) Auswirkungen auf polarimetrische Messgrößen
165Auch soweit der DWD in seinen Stellungnahmen vom 24. Juli 2015 (Seite 10 f.) und vom 2. September 2015 (Seite 5 und 11) annimmt, dass polarimetrische Messgrößen auf Abschattungseffekte empfindlicher reagierten und die Störungen daher räumlich weiter reichten als von dem Sachverständigen angenommen, hat dieser Umstand keine Relevanz für die Warnpraxis. Der Senat legt seiner Einschätzung gemäß den Angaben des Sachverständigen Dr. I. in der mündlichen Verhandlung zugrunde, dass die aus PhiDP abgeleiteten und in KDP genutzten Phaseninformationen aus polarimetrischen Messungen ihrer Natur nach leicht verrauscht und daher dämpfungsunempfindlich sind.
166Mit der eingangs formulierten Annahme des DWD hatte sich der Sachverständige Dr. I. bereits in seinem Gutachten (Seite 9) eingehend auseinandergesetzt. Ihm ist nach eigenen Angaben keine Untersuchung bekannt, die eine Relevanz der Dämpfung für polarimetrische Messgrößen belegt. Im Gegenteil erscheint es ihm zufolge unplausibel, dass die sich an der Windenergieanlage vorbei ausbreitenden Radarwellen in ihrer Phasenlage durch diese beeinflusst werden könnten. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige ergänzend erläutert, dass sich das vom DWD angeführte „Schielen des Wetterradars“, das durch die fehlende exakte Abstimmung der vertikalen und horizontalen Ebene zustande kommt, im Rahmen einer worst-case-Berechnung bei einer Mittelung über den gesamten Radarstrahl auf eine Abweichung von 0,01 dB beläuft. Die Einschätzung des Sachverständigen, dass in dieser Größenordnung der Einfluss auf die differentielle Reflektivität völlig vernachlässigbar ist, da dieser insgesamt unterhalb von 0,02 dB bleibt, leuchtet ohne Weiteres ein.
167Dieses Ergebnis stimmt mit der Einschätzung des Gutachters der Klägerin Dr. N. überein. Dieser war in seiner Stellungnahme vom 23. August 2015 (Seite 3) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Differenz nicht signifikant beeinträchtigt werden könne, wenn beide Messungen selbst nicht signifikant beeinflusst würden.
168Die gegenteilige Behauptung der Beigeladenen zu 3., die Abschattung der Windenergieanlage führe zu unterschiedlich starken Effekten auf die vertikalen und horizontalen Polarisationsmessungen, die sich auf den (kleineren) Differenzwert zwischen den Einzelmessungen bzw. das Verhältnis und die Korrelation wesentlich stärker auswirkten als auf die jeweiligen absoluten Werte der Einzelmessungen, wird nicht im Einzelnen begründet und anhand von aussagekräftigen Beispielen belegt; insbesondere werden Auswirkungen der erwarteten Abweichungen auf den Differenzwert nicht dargelegt. Gleiches gilt für den weiteren Einwand, die Störungen veränderten die Ergebnisse nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ (z. B. lokale Detektion von Schnee statt Regen oder umgekehrt).
169(2) Mehrfachreflektionen
170Falsche Signale hinter der Windenergieanlage, die durch sog. Mehrfachreflektionen der Windenergieanlage verursacht werden, bleiben zur Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall ebenfalls unbedeutend. Dies geht aus den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. I. in dessen Gutachten (Seite 22) und in der mündlichen Verhandlung hervor.
171Eine Windenergieanlage verursacht – vgl. die entsprechenden Erläuterungen im Sachverständigengutachten (Seite 10) – Mehrfachreflektionen der Radarstrahlung dadurch, dass deren Energie nicht nur einfach zurück zum Radar gestreut und dort zeitlich genau gemessen werden kann, sondern die Anlage die Radarstrahlung sehr stark in verschiedene Richtungen streut. Wenn die Energie sodann von anderen Streupartnern, im Falle einer Einzelanlage zumindest vom Boden (so ebenfalls Stellungnahme des DWD vom 2. September 2015, Seite 4) oder von anderen Bauwerken, zurück zur Radaranlage gestreut wird, lässt sich dort nicht erkennen, wie sich die Gesamtstrecke (Hin- und Rückweg) aufteilt. Dadurch werden Reflektionen ohne Korrektur nicht am Ort der Windenergieanlage, sondern dahinter dargestellt.
172Eine praktische Bedeutung der Mehrfachreflektionen durch die Errichtung und den Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlage ist nach den überzeugenden Angaben im Sachverständigengutachten (Seite 11 f.) nicht zu erwarten. Berechnet auf Basis eines vom DWD in dessen Stellungnahme vom 24. Juli 2015 (Seite 5, Abb. 1) bezeichneten Beispiels des Windparks Aufhausen in einer Entfernung von 2,5 km zum Radar Türkheim ist in einer gedachten Entfernung zum Radar von 11 km – wie vorliegend – eine Abschwächung der Echos der Windenergieanlage um ca. 25 dB festzustellen, d. h. es kommt maximal zu Reflektivitäten im Bereich zwischen 12 und 18 dBZ. Dies entspricht in der Warnpraxis einer Niederschlagsintensität zwischen 1 mm/h (= ca. 25 dBZ) und 0,1 mm/h (= ca. 10 dBZ), vgl. Seite 12 im Sachverständigengutachten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die streitbefangene Einzelanlage eine geringere Rotorfläche aufweist und schon deshalb zu weniger starken direkten Echos und Echos aus Mehrfachstreuung führt. Zu demselben Ergebnis gelangt auch die Stellungnahme von Dr. N. vom 23. August 2015 (Seite 2).
173Der DWD stellt die übereinstimmenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. I. und des Gutachters der Klägerin Dr. N. nicht durchgreifend in Frage. Soweit er in seiner Stellungnahme vom 2. September 2015 (Seite 3 f.) am Beispiel eines Windparks in einer Entfernung von 10 bis 15 km östlich des Radars Emden Mehrfachstreuungen veranschaulicht hat, wird nicht substantiiert dargelegt, inwiefern es sich um einen mit einer Einzelanlage vergleichbaren Fall handeln soll. Gleiches gilt auch für die in der mündlichen Verhandlung benannten Beispiele anhand von Windenergieanlagen bei Ummendorf und Admannshagen. Entgegen der pauschalen Behauptung des DWD handelt es sich bei den dortigen Windenergieanlagen – wie sich sowohl den Angaben des Sachverständigen als auch den unter „www.google.de/maps“ abrufbaren Luftbildern entnehmen lässt – nicht um Einzelanlagen, sondern um größere Windparks. Selbst soweit hierbei mehrere Anlagen ausschließlich nebeneinander stehen sollten, lassen sich diese Beispiele nicht auf eine alleinstehende Einzelanlage übertragen, weil eine sich gegenseitig verstärkende Wirkung mehrerer Anlagen in Windparks nicht ausgeschlossen werden kann. Die Vertreter des DWD haben in der mündlichen Verhandlung auf die entsprechende Erwiderung des Gutachters Dr. N. selbst eingeräumt, dass Mehrfachreflektionen auch seitlich hinter Windenergieanlagen auftreten könnten.
174Schließlich haben sich sowohl das Sachverständigengutachten des Dr. I. vom 29. August 2017 (Seite 11 f.) als auch die Stellungnahme des Dr. N. vom 23. August 2015 (Seite 2) im Einzelnen mit den vom DWD vorgetragenen Ergebnissen einer Studie des schwedischen Wetterdienstes aus dem Jahr 2015 (Norin, 2015) auseinandergesetzt. Hierbei haben sie jeweils berücksichtigt, dass diese Studie lediglich Mittelwerte anstelle maximaler Störungen untersucht hat und eine viel gröbere radiale Auflösung von 2 km benutzt worden ist (zu diesen Einwänden siehe die Stellungnahme des DWD vom 24. Juli 2015, Seite 21 f.). Ungeachtet dessen sind die bei Norin statistisch ermittelten Signale der streitbefangenen Windenergieanlage bis zu 20 km hinter dieser, wie der Sachverständige Dr. I. in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, derart schwach, dass sie vom DWD für die Produkterstellung nicht verwendet bzw. dargestellt werden; die untere Grenze vieler Darstellungen des DWD liegt bei 7 dBZ. Die insbesondere im 0,5 Grad-Volumenscan, aber auch im Niederschlagsscan ermittelten Werte sind nach der anschaulich begründeten Einschätzung des Sachverständigen praktisch nicht relevant, da bereits Insekten und Vögel deutlich stärkere Echos verursachen können (vgl. zu Letzterem Seite 11 im Sachverständigengutachten).
175(3) Störechos von Windenergieanlagen
176Der Senat ist aufgrund der nachvollziehbar begründeten Einschätzung des Sachverständigen Dr. I. (vgl. Seite 13 in seinem Gutachten) davon überzeugt, dass die streitbefangene Windenergieanlage im Falle ihrer Errichtung und ihres Betriebs zeitlich sehr variable Echos mit hohen Reflektivitäten verursachen kann, die den meteorologischen Signalen etwa von kräftigen Gewittern entsprechen.
177Die Schwierigkeiten dieser Störechos bei der Warntätigkeit des DWD resultiert nach den Erläuterungen des Sachverständigen aus dem Umstand, dass sich unterschiedliche Teile der Windenergieanlage, vor allem im Verhältnis zwischen Turm und Rotor, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen und die Echos deshalb nicht nur in einem engen Bereich um die Sendefrequenz im Spektrum zu finden sind, sondern überall im Spektrum auftreten. Im Gegensatz zu potentiell ebenso starken Festechos gibt es hierbei kein typisches Bild, das die Windenergieanlage im Spektrum hinterlässt und das als solches erkannt werden kann. Dies bestätigen auch die Angaben des DWD in der bereits zitierten Broschüre vom 19. September 2013 (Seite 12) und des Gutachters Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 16. Juni 2015 (Seite 5).
178Unter Berücksichtigung ihrer voraussichtlichen Intensität (dazu (a)) und ihrer räumlichen Ausdehnung (dazu (b)) sowie der Relevanz von Nebenkeuleneffekten (dazu (c)) sind Störechos der Windenergieanlage zu erwarten.
179(a) Intensität der Störechos
180Nach den überzeugenden Annahmen im Sachverständigengutachten vom 29. August 2017 (Seite 16 f.), die der Sachverständige Dr. I. in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, sind ausschließlich die Sweeps des Wetterradars von 0,5 Grad bis zu maximal 1,5 Grad von praxisrelevanten Störechos der Windenergieanlage betroffen.
181Nach den Schätzungen des Sachverständigen werden die Störechos der geplanten Windenergieanlage in der untersten Elevation (0,5 Grad) in aller Regel etwa 65 dBZ und im Niederschlagsscan (mit einer Elevation von 1,2 Grad) etwa 46 dBZ nicht überschreiten. Der niedrigere Maximalwert im Niederschlagsscan ergibt sich gemäß einer Erläuterung des Sachverständigen daraus, dass der auf Erfahrungen beruhende Schätzwert bei Erfassung der Windenergieanlage mit der Hauptkeule des Radars (65 dBZ) im Falle einer Erfassung nur durch die Flanke der Hauptkeule sowie die Nebenkeulen wegen der Richtcharakteristik der Antenne um 9,5 dB pro Richtung und damit um insgesamt 19 dB gedämpft wird.
182In dem nächsthöheren Sweep des Volumenscans mit einer Elevation von 1,5 Grad, der um 1,1 Grad oberhalb der Spitze der Windenergieanlage liegt und ebenfalls nur von der Flanke der Hauptkeule getroffen wird, sind als Folge dessen nur noch Störechos bis maximal 25 dBZ zu erwarten, d. h. um etwa 40 dB schwächere Echos als im untersten Volumenscan (65 dBZ, S. o.). Zu diesem Ergebnis gelangen übereinstimmend sowohl der Sachverständige Dr. I. (vgl. Seite 16 f. und 22 im Gutachten vom 29. August 2017) als auch der Gutachter Dr. N. (Seite 2). Dieser Reflektivitätswert entspricht nach ihren Angaben einer Niederschlagsintensität von etwa 1 mm/h und bleibt damit für die Warntätigkeit des DWD unbedeutend.
183Nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen und des Gutachters sind bereits ab einem Elevationswinkel im Volumenscan von 2,5 Grad keine störenden Echos mehr in der Hauptkeule oder ihrer Flanke zu erwarten, sondern allenfalls zu vernachlässigende herkömmliche Nebenkeuleneffekte. Ausgehend von einer um 60 dB (= 2 x 30 dB) gedämpften Intensität der Strahlung sind, wie der Sachverständige Dr. I. in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, allenfalls noch niedrigere Störechos im Bereich von etwa 5 dBZ zu erwarten.
184Hinsichtlich der vorstehenden Berechnungen hat der Sachverständige Dr. I. zudem in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass seiner Einschätzung der zu erwartenden Störungen die pessimistische – und rein hypothetische, da von der Wirklichkeit abweichende – Annahme zugrunde gelegen hat, die gesamte Windenergieanlage befinde sich in einem Punkt an der Oberkante eines senkrecht nach oben stehenden Rotorblattes und damit auf Höhe einer Elevation des Radarstrahls von 0,4 Grad über dem Horizont. Das hierdurch gestörte Pixel tritt im unkorrigierten Radardatensatz nach seiner Aussage zwar mehrfach täglich auf, wird jedoch bei Niederschlagsfreiheit in der Regel von der Qualitätskontrolle herausgerechnet. Auch wenn Letzteres bei tatsächlichem mittleren oder hohen Niederschlag nicht mehr der Fall sein sollte, weist das Signal der Windenergieanlage in einer solchen Situation andere Eigenschaften als der umliegende Niederschlag aus. Kommt es hingegen zu tatsächlichem Niederschlag an der Windenergieanlage und in ihrer Umgebung, ist zu erwarten, dass die Unterschiede zwischen Störechos und meteorologischen Echos jedenfalls bei hohem Niederschlag kaum noch oder nicht mehr sichtbar sind.
185Soweit der DWD den Schätzungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten hat, dass bei einem Windpark mit sechs nebeneinander liegenden Windenergieanlagen Störechos in der Hauptkeule bis zu 75 dBZ pro Anlage hätten festgestellt werden können, stellt dies das Vorbringen des Sachverständigen nicht in Frage. Wegen der Mehrzahl an Windenergieanlagen und in Ermangelung näherer Angaben zu der genauen Entfernung zwischen diesen sowie zum Wetterradar lässt sich bereits keine Vergleichbarkeit feststellen.
186Im Gegenteil bestätigen die vom DWD in anderem Zusammenhang (vgl. Stellungnahme vom 24. Juli 2015, Seite 14) geschilderten Beobachtungen an einer einzelnen Windenergieanlage in Velbert-Langenberg, die sich in einer vergleichbaren Entfernung von etwa 11 km Abstand südöstlich des Wetterradars Essen wie das streitbefangene Vorhaben befindet, die Annahmen des Sachverständigen Dr. I. und des Gutachters der Klägerin Dr. N.. Obwohl diese Einzelanlage – nach den Angaben des DWD (a. a. O.) – mit 113 m etwas weiter als die streitbefangene Windenergieanlage in den untersten Radarstrahl hineinragt, wurden im 0,5 Grad-Volumenscan am Windenergie-Standort die hier geschätzten Reflektivitäten von 65 dBZ erkannt, des Weiteren im (zum damaligen Zeitpunkt niedriger gelegenen) Niederschlagsscan mit einer Elevation von 0,8 Grad noch Störungen bis zu 48,5 dBZ und im 1,5 Grad-Sweep bis zu 37 dBZ.
187(b) Räumliche Ausdehnung der Störechos
188Bei der räumlichen Ausdehnung der Störechos ist wegen der unterschiedlichen Darstellung und Störempfindlichkeit zwischen erhöhten Reflektivitätswerten (dazu (aa)) und anderen, insbesondere polarimetrischen Messgrößen (dazu (bb)) zu differenzieren.
189(aa) Reflektivitätswerte
190Der Senat schließt sich im Hinblick auf die zu erwartende räumliche Ausdehnung der Störechos bei der Messgröße Reflektivität den überzeugenden Erkenntnissen des Sachverständigen Dr. I. in dessen Gutachten (vgl. Seiten 13, 16 und 22) an, die dieser in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat. Befindet sich die Windenergieanlage hiernach zufällig in der Mitte eines Basisdatenpixels, wird theoretisch nur dieses eine Pixel gestört. Weil hiervon jedoch praktisch nicht auszugehen ist, hat der Sachverständige auf Grundlage einer pessimistischen Betrachtungsweise angenommen, dass die Windenergieanlage Störechos im Radarbild nicht nur an ihrem Standort, sondern auch in den Basisdatenpixeln links und rechts davon sowie vor und hinter diesem erzeugen kann. Denn eine Windenergieanlage, die sich nicht eindeutig einem bestimmten zeitlichen Empfangszeitraum zuordnen lässt, trägt wegen der Erfassung nicht nur über die Hauptkeule des Radarstrahls, sondern auch über die Flanke derselben und die Nebenkeulen, ebenfalls zu den Entfernungsfenstern vor und hinter ihrem Standort bei (siehe hierzu ebenfalls die bereits zitierte Broschüre des DWD vom 19. September 2013, Seite 12).
191Die darauf beruhende nachvollziehbare Einschätzung des Sachverständigen Dr. I. , maximal könne ein Bereich von 3 Azimuten Breite und drei Entfernungsfenstern Länge im untersten Sweep des Volumenscans (0,5 Grad Elevation) sowie im Niederschlagsscan (1,2 Grad Elevation) durch die streitbefangene Windenergieanlage betroffen sein, der als sog. „Neunerumgebung“ bezeichnet werde, wird durch die Stellungnahmen des Gutachters Dr. N. vom 16. Juni 2015 (Seite 5 und 9 f.) und vom 23. August 2015 (Seite 3) bestätigt. Beide stützen sich auf die Ergebnisse einer vom DWD an die Universität Graz vergebenen Studie aus dem Jahr 2016 (Teschl. et al, 2016). Ausgehend von der Zusammenfassung im Sachverständigengutachten (Seite 14 f.) wurde darin gezeigt, dass es ausschließlich an Koordinaten mit einer maximalen Entfernung von 1 Grad zu höheren Reflektivitätswerten kommt, wohingegen bei Koordinaten hinter der Windfarm und solchen mit einer seitlichen Entfernung von 2 bis 4 Grad keine klaren Abweichungen erkennbar gewesen sind.
192Der Sachverständige Dr. I. hat hierbei auch berücksichtigt (vgl. Seite 16 in seinem Gutachten), dass die vorgenannte Studie nur Daten mit einer radialen Auflösung von 1 km genutzt hat, während die Basisdaten des DWD im Niederschlagsscan mit 250 m Auflösung gespeichert werden. Die Daten und Ergebnisse sind allerdings, so der Sachverständige an anderer Stelle (Seite 15), ebenfalls durch die Ausarbeitung einer von ihm betreuten Bachelor-Studentin bestätigt worden, die etwas feiner aufgelöste Basisdaten mit einer Auflösung von 500 m mal 1 Grad verwendet hat. Auch in dieser Untersuchung ist nach seinen Angaben festgestellt worden (hierzu Seite 16), dass die bei weitem stärksten Effekte direkt am Ort der Windenergieanlage auftreten und auch die direkt benachbarten Pixel noch stark gestört sind. Während an den Orten, die zwei Pixel entfernt sind, noch Reflektivitäten bis ca. 45 dBZ zu häufig anzutreffen waren, haben weiter entfernt liegende Pixel keine von Windenergieanlagen verursachten Auffälligkeiten gezeigt.
193Diese Ergebnisse entsprechen im Wesentlichen den Angaben in der bereits zitierten Broschüre des DWD vom 19. September 2013 (Seite 10). Danach sei die gesamte nähere Umgebung einer Windenergieanlage von etwa 1 km aufgrund von Nebenkeulen-Effekten und dem zugrunde liegenden Messprinzip von den Störungen betroffen.
194Die entgegenstehende Bewertung des DWD in seinen Stellungnahmen vom 24. Juli 2015 (Seite 5, 21, 25 und 27) und vom 2. September 2015 (Seite 2), wonach die Störungen der streitbefangenen Windenergieanlage nicht auf die direkten Nachbarpixel beschränkt sein sollen, sondern sich auf ausgedehnte Flächen bis zu mehr als 20 km hinter und bis zu 4 km über der Windenergieanlage erstrecken könnten, überzeugt in Bezug auf die Messgröße Reflektivität nicht. Der DWD nimmt hierfür (vgl. etwa Stellungnahme vom 2. September 2015, Seite 6) die Ergebnisse der bereits zitierten schwedischen Studie (Norin, 2015) in Bezug.
195Ungeachtet dessen, dass vorliegend – anders als in der dortigen Studie – nicht ein ganzer Windpark in Streit steht und der DWD die Übertragbarkeit der in der schwedischen Studie gewonnenen Ergebnisse auf die vorliegenden Verhältnisse selbst in Zweifel zieht (vgl. Seite 20 f. bzw. Seite 8), setzt sich der Sachverständige Dr. I. in seinem Gutachten vom 29. August 2017 (Seite 11) mit dieser Argumentation eingehend auseinander. Er kommt zu dem plausibel begründeten Ergebnis, dass die in der schwedischen Studie nachgewiesenen Echos von Windenergieanlagen von maximal etwa 10 dBZ bis zu einer Entfernung von 20 km hinter dieser keine Auswirkungen auf die meteorologische Interpretation hätten, weil bereits Insekten und Vögel Echos im Bereich von 7 bis 10 dBZ verursachen könnten.
196Gleiches gilt im Ergebnis, soweit der DWD argumentiert, dass die feinere Auflösung der Basisdatenpixel des DWD im Niederschlagsscan zu einer Erhöhung der Reflektivitäten führe. Mit dieser Argumentation zeigt der DWD nicht auf, dass relevante meteorologische Störungen in einem größeren Bereich als der beschriebenen Neunerumgebung auftreten werden. Dies gilt besonders unter Berücksichtigung dessen, dass der hoch aufgelöste Niederschlagsscan (250 m x 1 Grad) – anders als der unterste Sweep des Volumenscans mit einer geringeren Auflösung (1 km x 1 Grad) – nicht in der Hauptkeule beeinträchtigt wird und die Stärke der zu erwartenden Störechos daher im Allgemeinen herabgesetzt ist (hierzu bereits unter (a)). Zudem ist der DWD nicht substantiiert – etwa durch Vorlage gegenteiliger Beispiele anhand von Einzelanlagen – der Aussage des Gutachters Dr. N. (vgl. Stellungnahme vom 23. August 2015, Seite 3) entgegengetreten, wonach die Neunerumgebung durch sämtliche vom DWD vorgelegten Abbildungen bestätigt werde, da keine von ihnen eine – mitunter auch in der feineren Auflösung – großflächigere Beeinträchtigung für eine einzelne Windenergieanlage in einem Abstand von mehr als 5 km zum Wetterradar zeige.
197(bb) Polarimetrische Messgrößen
198Auch im Hinblick auf andere Messgrößen, vor allem polarimetrische Informationen und die Radialgeschwindigkeit, hat der Sachverständige Dr. I. in der mündlichen Verhandlung anschaulich und unwidersprochen dargelegt, dass sich das diesbezügliche Störgebiet zwar über die – allein für Reflektivitätswerte entwickelte – Neunerumgebung hinaus erstreckt, jedoch hieraus die Warntätigkeit des DWD nicht in rechtlich relevanter Weise beeinflusst wird.
199Das Vorbringen des DWD in der mündlichen Verhandlung, die beeinträchtigte Umgebung belaufe sich bei der polarimetrischen Messgröße PhiDP nach eigenen Erkenntnissen etwa auf das Dreifache, hat der Sachverständige Dr. I. im Wesentlichen bestätigt. Allerdings hat er hierzu ausgeführt, dass es sich bei den hieraus ermittelten Phaseneigenschaften (KDP-Wert) um ein verrauschtes Signal handelt, das nicht in gleicher Auflösung ausgewertet wird. Weil dessen Werte über längere Strecken (7 Pixel à 500 m = 3.500 m) gemittelt werden, sind zwar zwangsläufig weiterreichende Auswirkungen anzunehmen und reagiert das Signal empfindlicher auf Störungen. Doch muss insoweit differenziert werden: Während die Echos innerhalb der Neunerumgebung für die Auswertung von Wetterinformationen nicht nutzbar sind, kommt es nur unter der Voraussetzung zu räumlich größeren Störungen, dass an dem Ort der jeweiligen Messung kein meteorologisches Signal festgestellt werden kann. In diesem Fall sind jedoch die Reflektivitätswerte niedriger als im Grenzbereich unmittelbar um die Anlage herum, weshalb der falsche Geschwindigkeitswert identifiziert werden kann. Existiert hingegen am Messstandort ein tatsächliches meteorologisches Signal, ist das Radialgeschwindigkeitssignal hinreichend verlässlich.
200(c) Relevanz von Nebenkeulen für die Radardaten
201Soweit der Sachverständige Dr. I. im Rahmen der vorstehenden Erkenntnisse berücksichtigt hat (vgl. Seite 14 in seinem Gutachten), dass ein Streuer, der sich 1,5 Grad neben der Hauptkeule befindet, 1.000 Mal weniger stark bestrahlt und sein Echo auch nur 1.000 Mal weniger stark empfangen wird, weshalb er nur ein Millionstel (-60 dB) so stark zum Signal beiträgt wie ein gleicher Streuer auf der Hauptachse, ist diese Annahme nicht zu beanstanden.
202Dies entspricht den Angaben des DWD in der bereits zitierten Broschüre vom 19. September 2013. Darin heißt es (Seite 7 f.), dass laut Spezifikation des Herstellers die Sende- und Empfangsleistung der stärksten Nebenkeulen um etwa 30 dB geringer als diejenige der Hauptkeule sei; eine um 30 dB geringere Leistung bedeute – linear betrachtet – eine etwa tausendfach geringere Leistung.
203Mit diesen Angaben haben sich der Sachverständige Dr. I. (a. a. O.) und der Gutachter der Klägerin Dr. N. (vgl. Stellungnahme vom 23. August 2015, Seite 1) befasst. Sie sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass die mittels der Nebenkeulen gewonnenen Daten keine praktische Relevanz für die Aufgabenwahrnehmung des DWD besitzen. Die stärkeren Flanken der Hauptkeule, die nur in einem sehr schmalen Bereich betroffen werden, sind mit der Neunerumgebung bereits berücksichtigt worden. Selbst bei Betrachtung von Mittelwerten ist die mittlere Reflektivität mit -15 dBZ nur etwa 3 dB erhöht und damit deutlich unter der Grenze von etwa 0 dBZ, ab welcher Radardaten grundsätzlich für die Produkterstellung verwendet werden (hierzu im Wesentlichen bestätigend Stellungnahme des DWD vom 2. September 2015, Seite 13).
204Dem steht nicht die gegenteilige Aussage des DWD in seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2015 (Seite 17 f.) entgegen, Nebenkeuleneffekte seien keineswegs irrelevant, sondern würden bei Einhaltung der vorgegebenen Höhenbeschränkungen im Sinne einer Kompromissentscheidung lediglich toleriert. Werde die Höhenbeschränkung jedoch unterschritten, reiche die Reduzierung bei den Nebenkeuleneffekten nicht einmal aus (hierzu Seite 14 in der genannten Stellungnahme), um die Reflektivitäten unter die Warnschwellen zu drücken; dies werde durch konkrete Beobachtungen an einer Windenergieanlage in Velbert-Langenberg in etwa 11 km Abstand zum Radar Essen belegt, bei der sämtliche Werte bis zur Elevation von 1,5 Grad oberhalb der 37 dBZ-Warnschwelle und in den beiden untersten Sweeps sogar oberhalb 46 dBZ-Unwetterwarnschwelle lägen.
205Der DWD legt hiermit nicht substantiiert dar, dass die aus den Nebenkeulen ermittelten Informationen eine Relevanz für die Produkterstellung besitzen und dass diese Werte in relevanter Weise durch die Einzelanlage gestört werden (können). Aus den Einwänden des DWD am Beispiel der Windenergieanlage in Velbert geht nicht hervor, dass diese Störungen für die operationelle Warntätigkeit von Bedeutung sind, soweit sie über den Bereich der Neunerumgebung hinausgehen. Das in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern des DWD angesprochene Fallbeispiel des Windparks Emden, in dem nach ihrer Aussage in horizontaler wie vertikaler Richtung Werte aus den Nebenkeulen von 20 bis 25 dBZ in einem Bereich bis zu 5 km hätten festgestellt werden können, betrifft hingegen keine Einzelanlage wie das streitbefangene Vorhaben. Dass es durch diese Anlage zu Störechos kommen wird, die Reflektivitäten im Bereich der Unwetterwarnschwellen erzeugen können, wird hingegen auch von dem Sachverständigen Dr. I. und dem Gutachter der Klägerin Dr. N. nicht in Frage gestellt.
206Zur Geltendmachung einer Relevanz der Informationen aus den Nebenkeulen für die Warnpraxis genügt schließlich auch nicht die Aussage des DWD (vgl. Seite 13 der Stellungnahme vom 2. September 2015), dass Reflektivitäten unter 0 dBZ in Einzelfällen von Meteorologen herangezogen würden, z. B. um dynamische Vorgänge in der Atmosphäre zu visualisieren, und dass sie ohnehin in vollem Umfang in das automatische Verfahren eingingen. Dieses Vorbringen bleibt derart pauschal und unsubstantiiert, dass für den Senat nicht erkennbar ist, inwiefern sich dies in praxisrelevanter Weise auf die Warntätigkeit des DWD, z. B. bei der Erkennung von (Un)Wetterlagen, auswirken soll.
Der Senat ist auf Grundlage der ausführlich begründeten Darstellungen und nachvollziehbaren Einschätzungen des Sachverständigen Dr. I. in seinem Gutachten vom 29. August 2017 (Seite 35) sowie seiner ergänzenden klarstellenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass sich die nicht behobenen Störechos der Windenergieanlage grundsätzlich zwar auf die Warnprodukte des DWD auswirken, hierdurch jedoch nicht die Erzielung der im Rahmen der Aufgabenstellung des DWD erforderlichen Ergebnisse verhindert, verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert wird.
208Der Sachverständige hat bei der Bewertung der möglichen Auswirkungen auf die Produktebene (zur Relevanz des Produktdatengitters siehe einleitend (1)) entsprechend der Argumentation der Beigeladenen zu 3. differenziert zwischen der Erkennung schwerer Gewitter im KONRAD Algorithmus (dazu (2)), der damit verbundenen Warnung vor Hagel (dazu (3)), der Erkennung von Mesozyklonen. (dazu (4)), kleinräumigen winterlichen Gefährdungsereignissen (dazu (5)) und möglichen Auswirkungen auf den Flugverkehr (dazu (6)). Im Übrigen hat der DWD Auswirkungen auf weitere Produkte bzw. Folgeverfahren nicht substantiiert dargelegt (dazu (7)).
209(1) Relevanz des Produktdatengitters
210Für die Produkte, die auf Basisdaten aus dem Volumenscan basieren, wird– dem dortigen Basisdatengitter entsprechend – ein Produktdatengitter von 1 km x 1 Grad verwendet. Demgegenüber werden Produkte mit einer räumlichen Auflösung der Radardaten in Polarkoordinaten von 250 m x 1 Grad horizontal x 1 Grad auf Ebene der Basisdatenebene, d. h. bei Radardaten aus dem Niederschlagsscan, auf ein 1 km x 1 km kartesisches Produktdatengitter (sog. Kompositdatensatz) gemittelt.
211Bei dessen Erstellung stehen nach den Ausführungen im Sachverständigengutachten (vgl. Seite 24 f.) und in der Stellungnahme des Dr. N. vom 16. Juni 2015 (dort Seite 4 und 10) am geplanten Standort der streitbefangenen Windenergieanlage ca. 20 Messwerte auf der Fläche eines Quadratkilometers zur Verfügung. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwaige Störungen in den Kompositdatensatz übernommen werden, solange der DWD keine Maßnahmen ergreift, die Störechos von Windenergieanlagen zu unterdrücken, liegt nach den Berechnungen beider Gutachter bei 60 %.
212Demgegenüber zeigt der DWD mit den Einwänden in seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2015 (Seite 21) nicht auf, dass die Störungen der streitbefangenen Windenergieanlage wegen der deutlich niedrigeren räumlichen Auflösung in den verwendeten Produktdatenpixeln in einem sehr vielen größeren räumlichen Bereich zu finden sein werden als in den Basisdatenpixeln. Zur Begründung verweist der DWD auf die schwedische Studie Norin (2015). Die dortige räumliche Auflösung sei deutlich, nämlich um das 8-Fache, niedriger gewesen als die Auflösung der Mehrzahl der DWD-Produkte (vgl. weitere Stellungnahme des DWD vom 2. September 2015, Seite 2 und 7); bereits die schwedische Studie habe darauf hingewiesen, dass eine Erhöhung der Produktauflösung zu deutlich höheren Störreflektivitäten von Windenergieanlagen führe.
213Mit den Einwänden des DWD unter Bezugnahme auf die Ergebnisse in der schwedischen Studie (Norin, 2015) hat sich der Sachverständige Dr. I. in seinem Gutachten vom 29. August 2017 (Seite 11) eingehend auseinandergesetzt und ist gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt, dass die dort nachgewiesenen Echos von Windenergieanlagen keine Auswirkungen auf die meteorologische Interpretation haben, weil bereits Insekten und Vögel deutlich stärkere Echos verursachen könnten. Gegen diese Erwägungen hat die Beigeladene zu 3. im Berufungsverfahren keine weiteren Einwendungen erhoben.
214(2) Gewittererkennung KONRAD
215Die Auswirkungen von Störechos der streitbefangenen Windenergieanlage auf den Algorithmus KONRAD („Konvektive Entwicklung in Radarprodukten“) zur Erkennung und Verfolgung von schweren Gewitterzellen sind so gering, dass sie für die operationelle Warntätigkeit des DWD ohne Bedeutung bleiben. Weder wird die Erzielung der hierfür benötigten Ergebnisse behindert oder verschlechtert noch kommt es hierbei zu einer Verzögerung oder spürbaren Erschwerung. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf Grundlage der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. I. in seinem Gutachten vom 29. August 2017 (Seite 34). Darin hat dieser unter Berücksichtigung der Bedeutung und der Funktionsweise des Algorithmus (dazu (a)) anschaulich die zu erwartenden Auswirkungen von Störechos der Windenergieanlage auf die Gewittererkennung (dazu (b)) sowie auf Hakenechos (dazu (c)) betrachtet.
216(a) Bedeutung und Funktionsweise
217Den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. I. (vgl. Seite 25 f. in seinem Gutachten) liegt der Vortrag des DWD zugrunde, dass es sich bei Radardaten aufgrund ihrer hohen zeitlichen und räumlichen Auflösung um die einzigen Messungen handelt, mit denen Gewitter als zusammenhängendes Gebiet starker Reflektivitäten in ausreichender Genauigkeit erfasst werden können. Auf den von dem Gutachter der Klägerin Dr. N. berichtigend dargestellten Umstand (vgl. Stellungnahme vom 18. Februar 2018, Seite 3), dass die Erfassung der definitionsgemäß innerhalb eines Gewitters vorausgesetzten Blitze in Echtzeit durch ein separates Messnetz anhand ihrer elektromagnetischen Strahlung erfolge und hierdurch – unabhängig vom Radarverbund – auch Blitze in kleinsten Gewittern zuverlässig auf 75 m genau verortet werden könnten, kommt es im Ergebnis nicht an.
218Ebenso liegt den Feststellungen des Sachverständigen die vom DWD in seiner Broschüre vom 19. September 2013 (Seite 13) betonte Tatsache zugrunde, dass Gewitter zu den gefährlichsten Wettererscheinungen zählen, die bei labilen Wetterlagen innerhalb weniger Minuten entstehen können, eine typische Lebensdauer von weniger als einer Stunde haben und neben Blitzschlag weitere Gefahren wie Sturm- oder Orkanböen, Hagel und Starkregen mit sich bringen können. Außerdem hat der Sachverständige auch die an gleicher Stelle aufzufindende Information berücksichtigt, dass KONRAD, weil es dem Nutzer umfassende und verlässliche Informationen über die Intensität und Zugrichtung von Gewittern gibt, ein wesentliches Instrument für den Katastrophenschutz in Deutschland darstellt und auch von meteorologischen Laien (z. B. Feuerwehr, gemeinsames Melde- und Lagezentrum des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Deutsche Flugsicherung) in Realzeit eingesetzt wird.
219Der aktuell verwendete KONRAD-Algorithmus basiert ausschließlich auf dem Niederschlagsscan, der einen fast horizontalen Schnitt durch das Gewitter liefert. Eine Weiterentwicklung dieses Algorithmus, die – entsprechend der Anregung im Sachverständigengutachten (Seite 30) – den gesamten Volumendatensatz und die verfügbaren polarimetrischen 3D-Basisdaten nutzt, wird nach Auskunft des DWD wegen des damit verbundenen erhöhten Entwicklungs- und Erprobungsaufwands in absehbarer Zeit noch nicht operationell eingesetzt werden können. Im derzeit verwendeten Algorithmus ist ein warnwürdiges Gewitter (Primärzelle) durch den DWD als eine im Radardatensatz zusammenhängende Fläche von mindestens 15 km2 (d. h. 15 Kompositpixeln) mit mehr als 46 dBZ definiert (siehe hierzu Broschüre des DWD vom 19. September 2013, Seite 13). Sogenannte Sekundärzellen, die frühzeitig Hinweise auf entstehende Gewitter liefern können, werden bereits ab einer niedrigeren Reflektivitätsschwelle von 37 dBZ bei einer flächenmäßigen Ausdehnung von mindestens 4 km² detektiert (a. a. O., Seite 14).
220(b) Auswirkungen der Echos auf die Gewittererkennung
221Sowohl nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. I. (Seite 27) als auch nach den gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. N. vom 16. Juni (Seite 6 und 9) und vom 21. Dezember 2015 (Seite 2) kann die streitbefangene Windenergieanlage für sich genommen eine Unwetterwarnung weder erzeugen noch verdecken, sondern allenfalls eine angrenzende, als solche noch nicht warnwürdige Gewitterzelle über die Warnschwelle heben.
222Nach Angabe beider Gutachter ist es – selbst ohne Einsatz einer Blacklist oder eines anderen Verfahrens zur Beseitigung von Echos von Windenergieanlagen – ausschließlich möglich, dass der Algorithmus fälschlich ein Gewitter erkennt, wenn eine Fläche von 14 km2 mit einer Reflektivität von mehr als 46 dBZ direkt an das starke Echo der Windenergieanlage angrenzt, obwohl die wirklich betroffene Fläche für eine Warnung nach den Maßstäben des DWD einen Quadratkilometer zu klein ist. Denn durch die streitbefangene Einzelanlage könnten regelmäßig nur ein oder maximal – bei ungünstiger Lage – zwei Produktdatenpixel durch unwetterartige Clutter beeinträchtigt werden (so ausdrücklich der Gutachter Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2018, Seite 2). Eine Überschreitung der Warnschwelle von 15 km² allein durch die streitbefangene Einzelanlage kann demgemäß – im Gegensatz zu größeren Windparks – ausgeschlossen werden (vgl. Stellungnahme des Dr. N. vom 16. Juni 2015, Seite 6 und 9).
223Dass es für die Warnpraxis des DWD von Bedeutung ist, ob fälschlich schon ein Gewitter mit einer Ausdehnung von nur 14 km² bewarnt wird, hat der DWD jedoch nicht dargelegt und – soweit ersichtlich – nicht einmal behauptet. Auch wenn Echos der streitbefangenen Einzelanlage im individuellen Fall die Entscheidung verändern können, ob ein Gewitter detektiert wird, kann nicht von einer Auswirkung auf die Häufigkeit von Über- oder Unterwarnungen und damit auf die Erfolgsquote des Algorithmus gesprochen werden. Zu dieser plausiblen Einschätzung gelangt der Sachverständige Dr. I. in seinem Gutachten (Seite 27).
224In diesem Sinne ist es nach weiteren Angaben im Sachverständigengutachten (a. a. O.) und bei Dr. N. (vgl. seine Stellungnahme vom 21. Dezember 2015, Seite 2) ohne Bedeutung, wenn fälschlich ein 14 km2 Gewitter bewarnt wird, weil es sich bei dem vom DWD verwendeten, sinnvoll gewählten Schwellenwert von 15 km2 nicht um das Ergebnis einer scharfen, auf physikalischen Prinzipien basierenden Rechnung handelt, sondern um einen mit Sachverstand und Erfahrung gebildeten Wert. Dessen Zweck sei es, die prognostische Warnung vor einem Gewitter zu ermöglichen, bevor es zu Schäden komme. Weil Letztere aber zugleich auch von der Vulnerabilität des jeweiligen Ortes abhängen, hätte der Schwellenwert ebenso gut größer oder kleiner gewählt werden können, ohne dass der Algorithmus besser oder schlechter funktionieren würde.
225Auch soweit der DWD in seiner Stellungnahme vom 2. September 2015 (Seite 9) und in der Berufungserwiderung vom 15. April 2016 (Seite 40 f.) betont hat, dass die Eigenschaften des Gewitters und dessen Charakteristik verfälscht oder zerstört werden könnten, wirken sich die Störechos im Niederschlagsscan nicht aus. Die hiermit angesprochene Möglichkeit des DWD, ein Gewitter zu verfolgen, um seine weitere Entwicklung zu verfolgen und etwaige Intensitätsveränderungen, Schwerpunktverlagerungen oder Hakenechos zu erkennen, setzt nach Bewertung des Sachverständigen Dr. I. (vgl. Seite 28 in seinem Gutachten) ohnehin zwingend den vollständigen (und weitgehend unbeeinträchtigten) Volumendatensatz voraus.
226Der Einfluss des Störechos der einzelnen Windenergieanlage ist ungeachtet dessen nach der weiteren Einschätzung des Sachverständigen (vgl. Seite 29 in seinem Gutachten) jedenfalls so klein, dass dieses für die Gewitterverfolgung bzw. die Schwerpunktbestimmung bereits ohne Einsatz einer Blacklist unwesentlich ist. Bei der vorhandenen Implementierung des KONRAD-Algorithmus wird die Reflektivitätsverteilung der internen Struktur des Gewitters nach den vom DWD in der mündlichen Verhandlung bestätigten Ausführungen im Sachverständigengutachten (Seite 28) bei der Schwerpunktbestimmung berücksichtigt. Anders als die linearen Reflektivitätswerte (gemessen in mm6/m3) sind die vom DWD herangezogenen logarithmischen Reflektivitätswerte (in dBZ) nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. I. (Seite 29) allerdings eher unempfindlich gegenüber Störungen. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige diese Ausführungen dahingehend ergänzt, dass ein zusätzliches Pixel durch die Windenergieanlage eine maximale Verschiebung des tatsächliches Gewitterschwerpunkts um 0,5 km verursachen kann. Demgegenüber ist es (hierzu Seite 30 im Gutachten) wegen der wenig vorhersehbaren Dynamik des Gewitters unwahrscheinlich, dass der DWD mögliche Warnungen auf einen noch kleineren Bereich konzentriert, der eine genauere Positionsbestimmung des Gewitters voraussetzt.
227Dieses Ergebnis wird durch den weiteren Einwand des DWD, wonach Fallkonstellationen besonders kritisch sein dürften, in denen sich z. B. Signale der Windenergieanlage mit echtem Wetter überlagerten (vgl. hierzu Stellungnahme des DWD vom 2. September 2015, Seite 6), nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der DWD argumentiert in diesem Zusammenhang, dass in diesen Fällen die Einzelbeiträge zum Gesamtsignal nicht trennbar seien und deshalb nicht ermittelt werden könne, welche Anteile am Signal jeweils auf die Windenergieanlage und auf Wettererscheinungen zurückzuführen seien. Die Überlagerung könne in diesen Fällen dazu führen, dass der Schwellenwert für die Zellmindestgröße überschritten oder eine echte Gewitterzelle in ihrer Eigenschaft (z. B. Entwicklungstendenz, Verlagerungsrichtung und Begleiterscheinungen) falsch eingeschätzt werde.
228Diese pauschalen und wenig detaillierten Behauptungen zeigen nicht in der erforderlichen substantiierten Weise auf, dass eine Einzelanlage tatsächlich in der Lage wäre, relevante Fehler in der Warnpraxis des DWD zu erzeugen. Gleiches gilt für die allgemein gehaltene Behauptung, dass sich die nach dem Sachverständigen zu erwartenden Auswirkungen ganz überwiegend nicht mit den praktischen Erfahrungen, Beobachtungen und Erfordernissen des DWD im operativen Unwetterwarnwesen deckten. Im Widerspruch hierzu haben die Vertreter des DWD in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Schwerpunktbestimmung eines Gewitters nicht die größten Schwierigkeiten verursache, sondern vielmehr die auf einem kleineren Bereich eintretenden Begleiterscheinungen, wie z. B. Hagel (dazu sogleich).
229(c) Erzeugung oder Verdeckung von Hakenechos
230Ausgehend von den Ausführungen des Sachverständigen Dr. I. in seinem Gutachten (Seite 29) sowie in der mündlichen Verhandlung hält der Senat die künstliche Erzeugung eines Hakenechos durch die alleinstehende Windenergieanlage für ausgeschlossen und die Wahrscheinlichkeit der Verdeckung einer solchen Struktur für praktisch irrelevant.
231Dass die streitbefangene Einzelanlage die Erzeugung eines künstlichen Hakenechos, welches als echtes meteorologisches Signal auf starke Gewitter mit kräftiger Rotation (Superzellen) und auf ein Tornadorisiko hindeuten kann, nicht befürchten lässt, geht aus dem Sachverständigengutachten des Dr. I. (vgl. Seite 29) hervor.
232Darüber hinaus schätzt der Senat – unter Berücksichtigung des enormen Gefährdungspotentials von Tornados – die Wahrscheinlichkeit der Verdeckungeines meteorologisch erzeugten Hakenechos sowie die damit verbundene Beeinträchtigung der Erkennung durch den DWD als sehr gering ein. Dem Sachverständigen Dr. I. in seinem Gutachten (Seite 29) folgend sind derartige Hakenstrukturen, wenngleich kleiner als das gesamte Gewitter, regelmäßig groß genug, damit ein einzelnes Fehlpixel – anders als gegebenenfalls bei einem größeren Windpark – keine Auswirkungen hat und grundsätzlich die Detektion der Struktur durch einen Meteorologen nicht verhindert. Der DWD hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass ein Algorithmus zur automatischen Erkennung von Hakenechos nicht existiert, sondern Tornados ausschließlich von Hand ausgewertet werden. Der zur Hakenerkennung nach Auskunft des DWD verwendete Niederschlagsscan mit einer Elevation von 1,2 Grad wird allerdings in deutlich geringerem Maße betroffen als der unterste Sweeps des Volumenscans (0,5 Grad). Angesichts dessen wird das meteorologische Hakenecho nach der Prognose des Gutachters Dr. N. in der mündlichen Verhandlung regelmäßig das Störecho der einzelnen Windenergieanlage überlagern.
233Nichts anderes gilt im Ergebnis auch unter Berücksichtigung des Fallbeispiels, das die Vertreter des DWD in der mündlichen Verhandlung vorgelegt haben. Nach ihren Angaben kam es am 13. Juli 2012 über Remscheid zu einem Hakenecho bei einer sehr kleinen Superzelle mit Werten in Teilbereichen unter 30 dBZ. Dieses Beispiel belege nach Einschätzung des DWD, dass bei Hakenechos mit kleinen Texturen auch Störungen von wenigen Pixeln bedeutsam sein könnten. Dadurch könne im Einzelfall die Verfolgung eines Hakenchos unterbrochen oder praktisch unmöglich werden. Dem folgend hat auch der Sachverständige Dr. I. erklärt, dass eine derart kleine Hakenstruktur gegebenenfalls auch durch ein einzelnes Pixel der geplanten Einzelanlage mit ca. 26 dBZ im hoch aufgelösten Niederschlagsscan geschlossen werden könne, mit der Folge, dass die meteorologische Hakensignatur verdeckt werde. Allerdings sind Hakenechos in Tornados, die nach Auskunft des DWD in NRW insgesamt nur fünf bis sechs Mal pro Jahr erkannt werden, im Regelfall nicht so klein; zudem kann bei der Auswertung durch Meteorologen grundsätzlich vor der Möglichkeit eines Tornados gewarnt werden, ohne dass es auf ein einzelnes Basisdatenpixel ankommt.
234Diese äußerst geringe Wahrscheinlichkeit, eines der im Allgemeinen seltenen kleinen Hakenechos zu verpassen, verringert sich nach der Auffassung des Senats noch zusätzlich aus anderen tatsächlichen, die Warntätigkeit des DWD betreffenden Gründen. Die Vertreter des DWD haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die großräumige, mächtige Drehbewegung einer Mesozyklone (dazu sogleich) im Volumenscan durch höhere Elevationen festgestellt werden könne und im Falle entsprechender Hinweise frühzeitig vor der Möglichkeit eines Tornados gewarnt werde, während eine amtliche Warndurchsage nach den Richtlinien erst erfolgen könne, wenn der zum Boden durchgreifende „Rüssel“ des Tornados beobachtet worden sei. Dabei ist anzunehmen, dass Feuerwehr und Katastrophenschutz schon frühzeitig bei entsprechenden Anzeichen vorgewarnt werden, weil selbst im Falle der Erkennung die Vorwarnzeit regelmäßig so stark verkürzt ist, dass sie eine (vorbereitende) Reaktion der Anwohner nahezu ausschließt.
235Ferner ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein kleines Hakenecho mit mehr als 25 dBZ gerade oberhalb der streitbefangenen Windenergieanlage bzw. in den Basisdatenpixeln der Neunerumgebung entsteht und nicht schon vorher anhand ungestörter Pixel in der weiteren Umgebung erkannt werden konnte, derart gering, dass von einer relevanten Beeinträchtigung der operationellen Warntätigkeit des DWD keine Rede sein kann. Die vom DWD in diesem Zusammenhang thematisierte Früherkennung, weil sich aus einem kleinen vielfach ein großes Hakenecho entwickeln könne, würde zudem um maximal fünf Minuten verzögert werden, weil das Unwetter in der Regel weiterzieht und die Signatur grundsätzlich spätestens beim nächsten Umlauf des Niederschlagsscans zu erkennen sein wird.
236Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch unerheblich, dass der DWD nach den Angaben seiner Vertreter in der mündlichen Verhandlung in der operationellen Praxis eine statische Blacklist einsetzt, die sämtliche in einem Monat oft als fehlerhaft identifizierten Pixel enthält. Es besteht zwar, wie die Vertreter des DWD selbst angegeben haben, eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Pixel in der unmittelbaren Umgebung der Windenergieanlage immer wieder aus der weiteren Prüfung herausgenommen werden. Doch hat die Verwerfung selbst einer Neunerumgebung jedenfalls keine unmittelbare Relevanz für die Erkennung von Hakenechos, weil diese Aufgabe nach den Angaben des DWD durch Meteorologen wahrgenommen wird und nicht durch ein automatisches Warnprodukt. Solange die Meteorologen, wie ebenfalls ausgeführt wurde, bei entsprechenden Hinweisen auf Rohdaten vom Radarstandort zurückgreifen können, vermag der Senat nicht zu erkennen, inwieweit die manuelle Bearbeitung, Ansicht und Bewertung bei Errichtung der geplanten Einzelanlage nachhaltig gestört sein sollten.
237(3) Hagelerkennung
238Der Senat ist auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. I. und des DWD in der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass die Hagelerkennung auf der Grundlage des Niederschlagsscans im KONRAD-Verfahren auch ohne Korrektur der Radardaten am Ort der streitbefangenen Windenergieanlage nicht verhindert, verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert werden kann.
239Zwar sind abweichend hiervon noch das Sachverständigengutachten des Dr. I. vom 29. August 2017 (Seite 34 f.) sowie – jedenfalls im Ergebnis– auch die Stellungnahme des Dr. N. vom 21. Dezember 2015 (Seite 2) zu dem Ergebnis gelangt, dass zu häufig vor Hagel der Stufe 1 von 2 gewarnt werde und damit eine Verschlechterung der Hagelerkennung bejaht werden müsse. Nach ihrer Angabe funktioniert der Algorithmus zur Hagelerkennung am empfindlichsten, da der KONRAD-Algorithmus eine Warnung der Stufe 1 bereits auslöst, wenn innerhalb eines Gewitters ein einziges Pixel mit mehr als 55 dBZ gefunden wird (siehe hierzu auch Seite 14 in der Broschüre des DWD vom 19. September 2013). Die Warnstufe 2 setzt hingegen schon mindestens 12 Produktdatenpixel mit mehr als 55 dBZ voraus, was bei der streitbefangenen Einzelanlage auszuschließen ist. Im Ergebnis muss, so die Einschätzung im Sachverständigengutachten (Seite 31), davon ausgegangen werden, dass mehr als 2 % der Gewitter im Falle der Errichtung der streitbefangenen Windenergieanlage nur ihretwegen als Hagelgefahr eingestuft würden.
240Diese Feststellungen basierten allerdings auf der falschen Annahme, dass der Niederschlagsscan, der für die Hagelerkennung eingesetzt wird, am Standort Essen im vollständigen 360 Grad-Umkreis mit einer Elevation von 0,8 Grad betrieben würde. Tatsächlich ist jedoch im südöstlichen bis südlichen Umfeld des Wetterradars – unter anderem auch in Richtung der streitbefangenen Windenergieanlage – wegen der dortigen Orographie der Höhenwinkel auf 1,2 Grad angehoben. Legt man die unter cc) (3) (a) dargestellten, im Ergebnis überzeugenden Schätzungen des Sachverständigen zugrunde, dass im 1,2 Grad-Sweep regelmäßig nur Störechos mit einer Intensität von etwa 46 dBZ zu erwarten sind, wird der Schwellenwert für die Hagelerkennung nach der Anpassung des Höhenwinkels für den Niederschlagsscan durch den DWD prognostisch in der Regel nicht mehr erreicht.
241(4) Erkennung von Mesozyklonen
242Auch die Erkennung von Mesozyklonen mit Hilfe des Volumenscans wird durch die geplante Windenergieanlage weder verhindert noch in anderer Weise (z. B. Verschlechterung, Verzögerung) spürbar beeinträchtigt. Dies geht zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. I. vom 29. August 2017 (Seite 35) und seinen ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hervor. Danach werden die potentiell von der Windenergieanlage gestörten Radardaten der unteren Sweeps für den im DWD operationell implementierten Algorithmus nach Hengstebeck et al. (2011) (siehe auch Seite 14 der Broschüre des DWD vom 19. September 2013; zu dessen Funktionsweise vgl. (a)), für die Erkennung nicht benötigt (dazu (b)). Der DWD legt ebenfalls nicht dar, dass die bodennahen Elevationen im Übrigen zwingend erforderlich wären (dazu (c)).
243(a) Funktionsweise des Erkennungsalgorithmus
244Nach den Ausführungen im Sachverständigengutachten (Seite 32) kann der Algorithmus Mesozyklonen anhand von Mustern radialer Geschwindigkeiten in den Basisdaten des Volumendatensatzes erkennen. Diese werden sodann anhand von Kriterien, darunter der Höhe über Grund, nach ihrem Schweregrad (Severity-Level) in fünf Stufen eingeteilt, wobei Stufe 5 das gefährliche Ende der Skala markiert. Während bei der Reflektivität nach ergänzender Angabe des DWD bereits ein Eingangswert von 10 dBZ genügt, bemisst sich die Stärke vorrangig nach den vorherrschenden Radialgeschwindigkeiten.
245Die im Berufungsverfahren zwischen den Beteiligten diskutierte Angabe des Sachverständigen Dr. I. in früheren Gerichtsverfahren, dass ihm die nötige Kenntnis im Bereich der Mesozyklonenerkennung fehle, ist überholt. Er hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage nachvollziehbar und glaubhaft erläutert, dass er erst in dem Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof München - 22 B 14.1263 - von dem Höhenkriterium des DWD Kenntnis erlangt und seitdem auch Literatur zu der gesamten Problematik studiert habe.
246(b) Möglichkeit zur Erkennung in größerer Höhe
247Für die Erkennung und Einstufung einer Mesozyklone gemäß der beschriebenen Funktionsweise des Erkennungsalgorithmus werden die Radarinformationen der unteren Sweeps bis zu einer Elevation von 1,5 Grad nicht benötigt. Nach den Angaben des Sachverständigen (Seite 32 im Gutachten und ergänzend in der mündlichen Verhandlung) sowie des Gutachters Dr. N. (Stellungnahmen vom 23. August 2015, Seite 6, und vom 18. Februar 2018, Seite 4) ist das Höhenkriterium zur Einschätzung des Schweregrades bereits erreicht, wenn eine Rotation unterhalb einer Höhe von 1,5 km detektiert wird.
248Wie dem Sachverständigengutachten (Seite 32) zu entnehmen ist, kann bereits mit dem ungestörten 2,5 Grad-Sweep eine Mesozyklone in etwa 510 m über Grund erkannt werden; auch die weiteren Sweeps bis zu einer Elevation von 5,5 Grad liegen nach den ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung am Standort der streitbefangenen Windenergieanlage unter 1,5 km über Grund (z. B. 3,5 Grad = 870 m ü. NN oder 4,5 Grad = 1063 m ü. NN bei einer Höhe des Bodens von 169 m ü. NN). Erst der Sweep in 8,0 Grad Elevation erreicht an dieser Stelle eine Höhe von etwa 1.570 m über Grund. Damit stehen genügend ungestörte Radardaten zur Verfügung, um Mesozyklonen zu erkennen, die sich niemals nur in Bodennähe befinden (vgl. zu Letzterem Stellungnahmen des Dr. N. vom 23. August 2015, Seite 5 f., und vom 18. Februar 2018, Seite 4).
249Dem ist der DWD in seiner Stellungnahme vom 2. September 2015 (Seite 10) nicht substantiiert entgegengetreten. Dass für das Auslösen von Stufe 1 und 2 räumlich bereits ein ausreichend starker Unterschied zwischen insgesamt sechs benachbarten Pixeln (3 × 2 benachbarte Pixel) ausreiche und dass die Erkennung von Mesozyklonen durch die Detektion in höheren Elevationswinkeln weder belegt noch nachvollziehbar sei, überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht.
250Dass der DWD in derselben Stellungnahme (a. a. O.) ferner geltend macht, der höchste Schweregrad richte sich vor allem nach der Stärke der Rotation und nicht ausschließlich nach der detektierten Höhe, steht dem nicht entgegen. Denn mit diesem Vorbringen zeigt der DWD nicht auf, dass das von ihm genutzte automatische Verfahren für die Feststellung einer Mesozyklone die niedrigeren Elevationen zwingend benötigt. Der Sachverständige Dr. I. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass es sich bei der detektierten Höhe einer Mesozyklone um einen der Parameter für ihren Stärkegrad handele: Die Mesozyklone ist umso gefährlicher, je tiefer sie sich über Grund befindet. Zudem müssten, um die maximale Warnstufe zu erreichen, kumulativ weitere Voraussetzungen erfüllt sein.
251Die vom DWD im Rahmen der Stellungnahme vom 24. Juli 2015 (Seite 11 f.) dargestellte und bewertete Messung des Radars Ummendorf, die nach den dortigen Angaben zur fälschlichen Erkennung einer Mesozyklone (des niedrigsten Schweregrades) geführt habe, ist nach den plausiblen Angaben des Sachverständigen Dr. I. (vgl. Seite 12 in seinem Gutachten) darauf zurückzuführen, dass sich östlich der Radaranlage in weniger als 4 km Entfernung ein zusammenhängendes Gebiet von etwa 100 Windenergieanlagen befindet. Die in diesem Zusammenhang von dem Sachverständigen getroffene Feststellung, dass die Aussage nicht haltbar sei, die streitbefangene Einzelanlage in 11 km Entfernung vom Radar Essen könne einen ähnlichen Effekt verursachen, zieht der DWD nicht durchgreifend in Zweifel. Im Gegenteil entspricht diese Einschätzung auch der Erkenntnis des Gutachters Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 23. August 2015 (Seite 5). Schon die allgemein gehaltene, vom DWD herausgegebene Broschüre vom 19. September 2013 (Seite 17) stellt in vergleichbarer Weise fest, dass es vor allem bei großflächigen Windparks zu relevanten gestörten Wirbel-Signaturen kommen könne.
252(c) Erlangung möglichst bodennaher Informationen
253Schließlich vermag der Senat nicht zu erkennen, dass für die Erkennung der Wetterphänomene die bodennäheren Elevationen erforderlich wären, wie der DWD unter Bezugnahme auf seine Erfahrungen und die internationale Üblichkeit geltend macht. Die Erwägungen unter (b) gelten vor allem auch unter Berücksichtigung der zutreffenden Annahme des DWD in seinen Stellungnahmen vom 24. Juli 2015 (Seite 3 und 19) und vom 2. September 2015 (Seite 10) sowie in der bereits zuvor zitierten Broschüre vom 19. September 2013 (Seite 16), dass die Gefährdung durch eine Mesozyklone bzw. einen sich hieraus entwickelnden Tornado primär aus der bodennahen Rotation hervorgeht. Weil dort am ehesten Schäden zu befürchten seien, würden insbesondere die Radardaten zu Wetterereignissen etwa 100 m über dem Boden benötigt.
254Mit diesem Vorbringen des DWD hat sich bereits das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Dr. I. (dort Seite 32 f.) befasst. Da es dem DWD nicht um die Schadensbeschreibung geht, sondern um die Warnung vor der Gefahr der Entwicklung eines zum Boden durchgreifenden Sturms bzw. vor möglichen Schäden, ist nach der Einschätzung des Sachverständigen nicht entscheidend, ob die Mesozyklone bereits zum Beobachtungszeitpunkt bis zum Boden reicht.
255Der DWD hat demgegenüber nicht deutlich machen können, inwiefern der unterste Volumenscan für die Erkennung von Mesozyklonen relevant ist. Sein Vorbringen, wonach eine Mesozyklone auf Grundlage der Volumendaten in Basisauflösung azimutal und im Profil abgetastet werden müsse, weshalb eine Störung potentiell zum Verlust von Mustervektoren und damit zur Nichterkennung führe oder infolge der Störung fälschlich eine tatsächlich nicht vorhandene Mesozyklone erkannt werde, wird im Hinblick auf die streitbefangene Einzelanlage nicht substantiiert begründet.
256Gleiches gilt im Ergebnis auch für das ergänzende Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach der Meteorologe bei bestimmten Wetterlagen, in denen mit Unwettern einer solchen Stärke nicht gerechnet werde, allein durch eine Betrachtung der Werte in niedrigeren Elevationen sensibilisiert werden könne. Die Vertreter des DWD haben in diesem Zusammenhang erläutert, dass das System automatisch eine Stufeneinteilung generiere, die Warnung durch den Meteorologen jedoch nur bei Unwettern der höchsten Stufe 5 frühzeitig erfolge. Sei eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein Unwetter (ab Stufe 3) gegeben, ziehe der zuständige Meteorologe die bodennahen Elevationen für die weitere Bewertung heran; diese unteren Schichten seien vor allem für die Tornadoerkennung relevant. Auch wenn Unwetter regelmäßig großräumig seien, müssten die damit verbundenen kleinräumigen Extremereignisse rechtzeitig identifiziert und bewarnt werden. Mit diesen Angaben zeigt der DWD nicht auf, dass eine hinreichende Sensibilisierung des Meteorologen nicht ebenso durch die im Niederschlagsscan in fünfminütigen Abständen verfügbaren Radardaten in der weiteren Umgebung, d. h. Pixeln ohne (relevante) Störwirkungen der streitbefangenen Windenergieanlage, erreicht werden kann. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein derart kleinräumiges Ereignis unmittelbar über der Windenergieanlage entsteht, das sich vorher noch nicht im Radarbild gezeigt hat und lediglich den gestörten Bereich in den unteren Sweeps betrifft, äußerst gering (siehe hierzu die Ausführungen zur Verdeckung eines Hakenechos unter (2) (c)).
257(5) Kleinräumige winterliche Gefährdungsereignisse
258Der Senat schließt sich ebenfalls den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. I. (vgl. zum Ergebnis Seite 35 sowie im Einzelnen Seite 33 f. in seinem Gutachten) an, dass auch die Erkennung kleinräumiger, kurzlebiger und zeitlich stark variabler Wetterphänomene – wie sie durch den DWD in seinen Stellungnahmen vom 24. Juli (Seite 9 und 16) und vom 2. September 2015 (Seite 11) beschrieben werden – durch die streitbefangene Windenergieanlage nicht verhindert, verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert wird. Jedenfalls bewertet der Senat – wie bereits bei Hakenechos und Mesozyklonen – die Wahrscheinlichkeit, dass sich ausschließlich innerhalb des von der Windenergieanlage beeinträchtigten Gebiets ein derart kleinräumiges Unwetterereignis entwickelt, das nicht bereits vor Eintritt des Radarstrahls in den Störbereich detektiert werden kann und sich außerdem auf die untersten Elevationsebenen beschränkt, als praktisch irrelevant. Für die Warnpraxis des DWD (dazu (a)) sind keine praxisrelevanten Nachteile zu erwarten (dazu (b)).
259(a) Warnpraxis des DWD
260Die Überwachung und Erkennung dieser winterlichen Gefährdungsereignisse, bei denen es durch den Einfluss des Wetters bei verhältnismäßig geringen Reflektivitäten lokal zu Schäden kommen kann (z. B. leichte und kleinräumige Niederschläge in Form unterkühlter Wassertröpfchen), erfolgt nach Angaben des DWD sowohl mit dem Niederschlags- als auch mit dem Volumenscan durch einen Meteorologen. Mit Hilfe der polarimetrischen Messdaten kann die Beschaffenheit des Niederschlags festgestellt und lokal sehr variabel ermittelt werden, ob Niederschlag als Schnee oder Regen auftreten kann. In der Fallstudie „Einfluss von WEA auf Radarprodukte und Nowcasting-Produkte“ des DWD vom 21. Januar 2015 (Seite 1) wird die Gefahrensituation dahingehend konkretisiert, dass leichte Niederschläge bei (Boden)Temperaturen um 0 Grad Celsius gefrieren und zu Glatteis führen, bei zurückgehenden Temperaturen aber auch als Schnee fallen können. Ziel des DWD ist es nach den Angaben seiner Vertreter in der mündlichen Verhandlung, den ersten Niederschlag (z. B. Sprühregen) möglichst frühzeitig zu erkennen, um vor Glatteis warnen zu können. Schon Niederschlagsintensitäten von 0,1 bis 0,5 mm/h seien hier von Bedeutung, weil die Straßen schon dadurch spiegelglatt werden könnten. Zur hinreichenden Erkennung bedürfe es der untersten Elevationen, weil sich die flache Schichtbewölkung im Winter grundsätzlich in einem Bereich von 500 bis 1.000 m über dem Boden befinde. Auch wenn man als kleinräumige Ereignisse bereits Wetterphänomene unter einer Größe von 10 km² verstehe, seien im Einzelfall schon Informationen ab 1 km² zu beachten, wenn die weitere Entwicklung abzusehen sei. Schneefall- und Glättewarnungen erfolgten hingegen großräumig. Die Bedeutung der Erkennung der kleinräumigen meteorologischen Informationen sei am Vorhabenstandort besonders groß, weil sich am Nordrand des Niederbergischen eine ausgeprägte Wetterscheide befinde, an der die Niederschläge innerhalb einer großräumigen winterlichen Wetterlage oft erstmals entstünden.
261(b) Keine Auswirkungen auf die Warntätigkeit des DWD
262Unter Zugrundelegung dieser Warnpraxis sind relevante Beeinträchtigungen der Warntätigkeit des DWD nicht festzustellen.
263Zu diesem Ergebnis ist der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. I. in seinem Gutachten (Seite 33 f.) gelangt. Dabei hat er zwischen überfrierendem Regen bzw. Glatteisgefahr bei sehr geringen Niederschlagsintensitäten einerseits und schwachem Schneefall andererseits differenziert. Bei Letzterem wird der Grund, dies als warnwürdiges Gefährdungsereignis zu behandeln, vom DWD schon nicht plausibel begründet. Im Übrigen können winterliche Wettergefahren zwar durchaus kleinräumig sein, aber jedenfalls nicht kleiner als die kleinsten Gewitter, vor denen der KONRAD-Algorithmus warnt. Dass es sich bei den winterlichen Gefährdungsereignissen regelmäßig ebenfalls um Ausdehnungen von Dutzenden von Kilometern handelt, geht nach Einschätzung des Gutachters der Klägerin Dr. N. (vgl. Stellungnahme vom 18. Februar 2018, Seite 5) auch aus den vom DWD zitierten Fallbeispielen hervor.
264In diesem Zusammenhang ist nach der weiteren Einschätzung sowohl im Sachverständigengutachten (Seite 34) als auch in der Stellungnahme des Dr. N. vom 23. August 2015 (Seite 6 f.) zunächst auszuschließen, dass ein Algorithmus die streitbefangene Einzelanlage fälschlich als Niederschlagsgebiet erkennt; allenfalls kann ein vorhandenes Niederschlagsgebiet um einen Quadratkilometer vergrößert erscheinen. Darin jedoch unterscheidet sich der vorliegende Fall von der in der Stellungnahme des DWD vom 24. Juli 2015 (Seite 9) angeführten Fallstudie vom 21. Januar 2015, in dem der Algorithmus NowCastMIX einen (zudem deutlich näher gelegenen) Windpark als meteorologische Signale ausgewertet und diesen zumindest zeitweise in ein Schneewarnpolygon einbezogen hat.
265Im Hinblick auf den Einwand des DWD, die streitbefangene Windenergieanlage könne einzelne Wetterinformationen ab 1 km² verdecken, haben der Sachverständige Dr. I. und der Gutachter Dr. N. übereinstimmend ausgeführt, dass sich die Gefahr von überfrierendem Regen im Regelfall nicht allein aus Radarmessungen erkennen lässt. Denn die Auswirkungen von Schnee oder detektiertem Regen, der eine Temperatur in der Nähe des Gefrierpunktes aufweist und deshalb tatsächlich auch Schnee sein kann, beim Auftreffen auf den Boden hängen wesentlich von den dort herrschenden Temperaturen ab. Deshalb wird zur Unterscheidung, worauf das Sachverständigengutachten hinweist (Seite 34), zusätzlich die Temperatur des Bodens und der unteren Luftschichten benötigt. Weil die lokalen Variationen der Wetterlage jedoch räumlich fein variieren und nicht umfassend messtechnisch erfasst werden können, wird nach Angaben des Sachverständigen Dr. I. (a. a. O.) in einer solchen Konstellation nicht davor gewarnt, dass jeder potentielle Niederschlag automatisch Glatteis bedeute, sondern dass sich im Fall von Regen schnell Glatteis bilden könne. Vor Letzterem kann aber auch ohne die Radarmessung mehrere Stunden vor dem Eintritt des Ereignisses gewarnt werden. Insoweit ist das vorhandene Bodennetz von etwa 1.400 Glättemeldeanlagen von großer Wichtigkeit für die Bewertung von winterlichen Wetterlagen (vgl. hierzu Stellungnahme des Dr. N. vom 18. Februar 2018, Seite 5).
266Soweit der DWD diesen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten hat, dass die Frage der Temperaturverhältnisse etwa bei mehrtägigen oder sogar mehrwöchigen Wetterlagen mit Temperaturen von um oder unter 0 Grad Celsius keine aufzuklärende Frage sei, stellt dies die vorstehende Annahme nicht durchgreifend in Frage. In Übereinstimmung mit den entsprechenden Angaben in der Stellungnahme des Dr. N. vom 18. Februar 2018 (Seite 5), wonach es die vom DWD postulierte Eindeutigkeit nicht gibt, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass in der Warnpraxis des DWD auch unter Außerachtlassung der Windenergieanlage die in kleinräumigen Ausschnitten vorherrschende Niederschlagssituation innerhalb eines großräumigen Schneefallgebiets so konkret zu bestimmen wäre, dass spezifisch vor ihr gewarnt werden kann. In diesem Zusammenhang lässt sich nach den Angaben des Gutachters Dr. N. in der mündlichen Verhandlung mit dem Wetterradar, da dieses kein zuverlässiges Instrument zur Erkennung kleinräumiger feiner Niederschläge darstellt, nicht feststellen, ob sich im relevanten unteren Bereich des Messvolumens oder sogar unter diesem eventuell Regen befindet. Der Niederschlag kann beispielsweise so niedrig fallen, dass er vom Radarstrahl nicht detektiert wird. Weil für jeden Ort nur eine Klasse (Regen, Schnee, etc.) ausgegeben wird, kann das Radar im besten Fall nur bestimmen, welcher Hydrometeortyp in dem jeweiligen Messvolumen überwiegt. Alternativ kann das Niederschlagsgebiet auch so klein sein, dass es nicht detektiert wird und eine Warnung nicht erfolgt, obwohl es tatsächlich zu Glatteis kommt. Zudem verhindert ein Berg in etwa 8 bis 9 km Entfernung südlich des Wetterradars Essen, der den untersten Radarstrahl zumindest teilweise verschattet, die Detektion von Stauwetterlagen.
267Ungeachtet dessen haben sowohl der Sachverständige Dr. I. als auch der Gutachter Dr. N. in der mündlichen Verhandlung Bedenken geäußert, inwieweit die Erkennung derartiger Niederschlagsgebiete durch ein einzelnes Produktdatenpixel überhaupt signifikant beeinträchtigt werden könnte. Bereits in Fällen mit nur einem einzelnen Pixel höherer Reflektivität zu warnen, zeuge von einem fachlich nicht gerechtfertigten Vertrauen in das Radarbild, weil dieses auch durch andere Effekte gestört werden könne. In der Erwiderung hierauf haben die Vertreter des DWD in der mündlichen Verhandlung ebenfalls klargestellt, dass geringe Intensitäten in einem kleinen Bereich nicht ohne Weiteres zu einer Warnung führen würden.
268Schließlich hat der DWD auch in seiner Stellungnahme vom 2. September 2015 (Seite 12) keine durchgreifenden Einwände an den Feststellungen des Sachverständigen Dr. I. und des Gutachters der Klägerin Dr. N. aufgezeigt. Sein Einwand, es gehe nicht nur um die Unterscheidung von Cluttern und Niederschlag durch einen Meteorologen, sondern auch um die ganz erheblich erschwerte meteorologische Interpretation eines automatisch erzeugten Warnprodukts, stellt die Ausführungen nicht in Frage. Denn die vorstehend geschilderten Betrachtungen haben sich gerade mit den Auswirkungen von Störechos der streitbefangenen Windenergieanlage auf automatisch generierte Warnprodukte des DWD befasst. Im Übrigen stehen diese Angaben im Widerspruch zu den Erläuterungen der Vertreter des DWD in der mündlichen Verhandlung, wonach die geschilderten Ereignisse von Hand erkannt würden, weil die automatischen Produkte hier keine Vorwarnung erzeugten. Bei einer Beurteilung durch den zuständigen Meteorologen stellen sich die Auswirkungen gegenüber einem automatischen Algorithmus jedoch als deutlich geringer dar. Denn von diesem könnten unbewegliche Clutter, worauf der Gutachter Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 23. August 2015 (Seite 6) hingewiesen hat, bereits anhand des zeitlichen Ablaufs erkannt werden, weil sie sich von den sich bewegenden Niederschlagsgebieten erkennbar unterscheiden.
269Die weitere Kritik an den Ausführungen des Sachverständigen ist ebenfalls nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Auch bei ihrer Berücksichtigung vermag der Senat nicht zu erkennen, welche spürbaren Beeinträchtigungen zu befürchten sein sollen, die die Warntätigkeit des DWD anhand der Radardaten des Wetterradars Essen in winterlichen Wetterlagen in Frage stellen. Das gilt insbesondere für den Hinweis des DWD auf das Fallbeispiel eines Windparks, das – ungeachtet der Mehrzahl von Windenergieanlagen – Störungen in Überlagerung mit echtem Wetter (wie z. B. kleinräumigem Graupel- oder Hagelschlag) belegen soll, die nicht adäquate Warnvorschläge und damit Fehlwarnungen zur Folge hätten. Praktische Nachteile lassen diese Angaben für die hier streitbefangene Einzelanlage nicht erkennen. Auf eine diesbezügliche Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des DWD erläutert, dass sich die geplante Windenergieanlage dahingehend auswirken dürfte, zu früh oder zu intensiv vor Glatteis zu warnen. Zudem haben sie die pauschale Äußerung, dass die fünfminütige Verzögerung zwischen zwei Umläufen des Niederschlagsscans entscheidend sein könnte, nicht näher begründet.
270(6) Auswirkungen auf Flugverkehr oder andere Nutzer
271Schließlich sind entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 3. auch Auswirkungen auf die Sicherung des Flugverkehrs oder andere Nutzer der Wetterinformationen, bei denen auf Warnprodukte des DWD zurückgegriffen und die Radardaten auf den Bildschirmen dargestellt werden, zur Überzeugung des Senats nicht zu erwarten.
272Der DWD hat in seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2015 (Seite 20) vorgetragen, dass neben den internen Problemen bei der Nutzung der Produkte im operationellen Dienst auch externe Nutzer in der Luftfahrt (z. B. Fluglotsen und Piloten) und der Wasserwirtschaft (z. B. Hochwasserschutz) von Radarprodukten betroffen seien, die zumeist ohne andere aktuelle Wetterinformationen und ohne meteorologisches Fachwissen anhand der Wettersituation Entscheidungen treffen müssten. In der weiteren Stellungnahme vom 2. September 2015 (Seite 12) hat der DWD sein Vorbringen dahingehend ergänzt, dass gerade für die Luftfahrt die Phasenzustände des Niederschlags und die Niederschlagserkennung generell von äußerst hohem Sicherheitsinteresse sei, könne doch bereits die Vereisung von Tragflächen zu Flugzeugabstürzen führen.
273Mit diesen Angaben legt der DWD jedoch nicht dar, dass die weitergegebenen Produkte – anders als die nur intern genutzten Basisdaten (vgl. Stellungnahme des Dr. N. vom 23. August 2015, Seite 5) – aus den in relevantem Maße beeinträchtigten Elevationen insbesondere für den Flugverkehr von Bedeutung sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der für den Flugverkehr vorrangig bedeutsame Niederschlagsscan (mit einer Elevation von 1,2 Grad) nur in der Flanke der Hauptkeule und damit in einem weitaus geringeren Maße beeinträchtigt wird als der unterste Sweep des Volumenscans mit einer Elevation von 0,5 Grad. Der DWD hat dies in der mündlichen Verhandlung auch selbst eingeräumt, aber nicht aufgezeigt, dass die Überwarnung bei einer Fehleinschätzung um ein Pixel, etwa bei einem Gewitter oder bezüglich des Niederschlags (mit 14 % Abweichung), für die Luftfahrt von Bedeutung sein könnte.
274Der Senat hat hierbei auch – in Übereinstimmung mit den Angaben der Vertreter des DWD in der mündlichen Verhandlung – in Rechnung gestellt, dass aus Sicht der Flugsicherung irrelevant ist, ob nur ein bis zwei Pixel mit gegebenenfalls niedrigen Reflektivitäten betroffen sind. Nach den Erläuterungen des DWD ist es – gerade in einer Wetterlage, in der mit Gewittern zu rechnen ist – regelmäßig schon ausreichend, wenn Turbulenzen im Anflug erwartet werden; in derartigen Fällen werde vorsorglich „durchgestartet“, um Beeinträchtigungen des Flugbetriebs zu vermeiden.
275Eine signifikante Beeinträchtigung des Flugverkehrs wird mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt. Nach den Ausführungen des Gutachters Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2018 (Seite 4) kann die streitbefangene Windenergieanlage Warnungen vor Gewittern weder verhindern noch fälschlicherweise erzeugen (hierzu bereits (2) (b)). Ausgehend hiervon ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum ein einzelnes gestörtes Produktdatenpixel nicht durch eine (rechtzeitige) Anpassung der Flugroute umflogen werden kann; dies gilt selbst für den Landeanflug zum Flughafen Düsseldorf, da das streitbefangene Vorhaben nicht unmittelbar im Endanflug liegt und nur in wenigen Fällen direkt überflogen wird. Nach den von der Beigeladenen zu 3. vorgelegten grafischen Darstellungen der Flugbewegungen und -höhen im Umfeld des Flughafens Düsseldorf am 23. Juni 2017 (bzgl. Anflug aus Osten bei Westwind) und am 14. Juni 2017 (Anflug von Westen bei Ostwind) und entsprechend den diesbezüglichen Anmerkungen der Beigeladenen zu 3. liegt die streitbefangene Windenergieanlage abseits der Hauptanflugrouten des Flughafens und wird nur vereinzelt in Flughöhen von mindestens 3.000 bis 12.000 Fuß, d. h. ca. 1.000 bis 3.600 m, überflogen.
276(7) Andere Produkte des DWD
277Der DWD hat schließlich auch nicht substantiiert dargelegt, dass sich Störungen durch die streitbefangene Windenergieanlage auf die operationelle Warntätigkeit mit Hilfe anderer Folgeverfahren auswirken können. Die Beigeladene zu 3. hat hierzu in ihrem Schriftsatz vom 19. Januar 2018 (Seite 18) lediglich ausgeführt, dass die Störechos auf etwa 40 klassische Radarprodukte Auswirkungen hätten, die verschiedenen (auch externen) Nutzern zur Verfügung gestellt würden.
278Darunter gebe es beispielsweise DWD-spezifische Verfahren wie RADVOR, bei dem Störungen von Windenergieanlagen im Extrapolationsverfahren zu einer fälschlichen Vorhersage von großflächigem Starkniederschlag führen könnten. Dem hat der Gutachter Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2018 (Seite 5) nachvollziehbar widersprochen. Hiernach verwendet das RADVOR-Produkt zur kurzfristigen Niederschlagsvorhersage bereits heute eine dynamische Erkennung von Clutter jeder Art. So werden Pixel, bei denen Störechos erkannt werden, verworfen und mit Hilfe einer Interpolation anhand von Nachbarpixeln korrigiert. Weil RADVOR zudem auf dem 1 km x 1 km Produktdatengitter aufbaut, ist nach Einschätzung des Gutachters Dr. N. eine Beeinträchtigung durch eine Einzelanlage wie die streitbefangene, die höchstens ein bis zwei Pixel stören kann, bei Anwendung der dynamischen Cluttererkennung nicht vorstellbar.
279Entsprechendes gilt im Ergebnis auch für das am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte und vom DWD betriebene Zellverfolgungsprodukt RadTRAM, das Wolkenbeobachtungen mittels Satellit und Niederschlagsbeobachtungen mittels Radar für die Gewittervorhersage kombiniert. Der Gutachter der Klägerin Dr. N. stellt auch insoweit in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2018 (Seite 5 f.) überzeugend und unwidersprochen dar, dass die streitbefangene Einzelanlage den erforderlichen Schwellenwert voraussichtlich nicht erreichen wird und im Übrigen die ebenfalls verwendeten Satellitendaten durch die Windenergieanlage nicht gestört werden. Das Produkt geht bei den Radardaten von einem Produktgitter mit der groben Auflösung 2 km x 2 km aus und setzt mindestens drei Pixel mit mehr als 37 dBZ voraus, damit von einer Gewitterzelle ausgegangen wird.
280Im Hinblick auf das sog. VIL-Verfahren („Vertically Integrated Liquid Water“) hat die Beigeladene zu 3. lediglich ausgeführt, dass es sich hierbei um ein weiteres vor allem für die Erkennung der Entwicklung von Starkniederschlag inklusive Hagel wichtiges und beim DWD verwendetes, auf Radardaten basierendes Verfahren handele und hohe Reflektivitätswerte auch hier zu signifikanten Störungen führen könnten. Das VIL-Produkt finde dabei auch Eingang in das integrierte Warnverfahren NowCastMIX. An konkreten Erläuterungen zu den erwarteten Störungen durch die streitbefangene Windenergieanlage fehlt es insoweit vollständig.
281Dies gilt schließlich ebenso hinsichtlich der vom DWD – ohne nähere Begründung – behaupteten Auswirkungen auf polarimetrische Produkte wie „Hymec“ und „QPE Common“ für die Kürzestfristwettervorhersage und die Herausgabe von Unwetterwarnungen (vgl. Stellungnahme vom 24. Juli 2015, Seite 11).
Für den Fall, dass eine Störung der Funktionsfähigkeit im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB – anders als vom Senat angenommen – bereits bei einer unwesentlichen Beeinträchtigung der Warnprodukte des DWD bejaht werden sollte, fiele jedenfalls die gebotene nachvollziehende Abwägung der widerstreitenden Belange i. S. v. § 35 Abs. 1 BauGB (dazu aa) vorliegend zugunsten der Klägerin aus (dazu bb).
Um feststellen zu können, ob der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB genannte öffentliche Belang einem privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB „entgegensteht“, bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
284vgl. stellvertretend BVerwG, Urteile vom 22. September 2016 - 4 C 6.15 -, BVerwGE 156, 136 = juris Rn. 30, und - 4 C 2.16 -, BVerwGE 156, 148 = juris Rn. 38, jeweils m. w. N.,
285grundsätzlich einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden „nachvollziehenden Abwägung“. Damit ist ein gerichtlich uneingeschränkt überprüfbarer Vorgang der Rechtsanwendung gemeint, der eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangt. Ob sich die öffentlichen Belange im Einzelfall durchsetzen, ist eine Frage ihres jeweiligen Gewichts und der Abwägung mit dem Vorhaben, zu dem es konkret in Beziehung zu setzen ist. Dabei ist dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben i. S. v. § 35 Abs. 1 BauGB gebührend Rechnung zu tragen.
286Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB führt weder ipso iure zu einem Bauverbot noch reicht eine abstrakte Gefährdung oder die bloße Möglichkeit einer Störung für die Unzulässigkeit des Vorhabens aus. Auch die im Gefahrenabwehrrecht gebräuchliche „Je-desto-Formel“, die die Beigeladene zu 3. für einschlägig hält, führt nicht weiter. Für die Rechtsfolge des „Entgegenstehens“ kommt es vielmehr darauf an, in welchem Maße die Aufgabenerfüllung des Trägers der Radaranlage konkret beeinträchtigt wird, mithin also auf das konkrete Gewicht des tatsächlich beeinträchtigten öffentlichen Belangs.
287Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 4 C 2.16 -, BVerwGE 156, 148 = juris Rn. 41.
Im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung überwiegt das (vorrangig privatwirtschaftliche) Interesse der Klägerin an der Errichtung und dem Betrieb der Windenergieanlage das (öffentliche) Interesse des DWD, weil die geplante Windenergieanlage keine nennenswerten Beeinträchtigungen der Warnprodukte verursachen wird (dazu (1)). Ebenso wenig musste den vom DWD vertretenen öffentlichen Belangen aus anderen Gründen (zwingend) der Vorzug gegeben werden (dazu (2)).
289(1) Begrenzter Umfang produktbezogener Beeinträchtigungen
290Im vorliegenden Einzelfall ist der Umfang von Beeinträchtigungen der Warnprodukte und somit der Warntätigkeit des DWD im Falle der Errichtung und des Betriebs der streitbefangenen einzelnen Windenergieanlage begrenzt.
291Dabei kann der Senat künftige radarmeteorologische Entwicklungen, die sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht hinreichend konkret abzeichnen und deren Einführung zeitnah bevorsteht (hier etwa der derzeit noch in der Entwicklung befindliche Algorithmus Konrad-3D), nicht berücksichtigen.
292Ähnlich auch Bay. VGH, Urteil vom 18. September 2015 - 22 B 14.1263 -, ZNER 2015, 605 = juris Rn. 77.
293Die zu erwartenden Auswirkungen auf einzelne Warnprodukte sind bereits ausführlich unter d) dargestellt worden. Hierbei ist der Umfang der zu erwartenden Beeinträchtigungen aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten stark eingeschränkt. Doch ist nicht auszuschließen, dass die entstehenden Störechos nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. I. (vgl. Seite 17 in seinem Gutachten ) die Schwellenwerte für Warnungen vor gefährlichem Wetter überschreiten und sich auf die Warnprodukte des DWD auswirken. Die hierdurch zu erwartenden Folgen sind jedoch zur Überzeugung des Senats, wie unter d) im Einzelnen erläutert, zu vernachlässigen; ihnen kommt keine nennenswerte Relevanz für die Warntätigkeit des DWD zu.
294Ob dem DWD – wie von dem Sachverständigen Dr. I. beschrieben (vgl. Seite 17 ff. im Gutachten) – Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die ihrem Umfang nach begrenzten Beeinträchtigungen zu reduzieren oder sogar vollständig zu beseitigen, kann vorliegend daher ebenso dahinstehen wie die Frage der Zumutbarkeit und rechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung solcher Gegenmaßnahmen. Gleiches gilt für die bislang nicht hinreichend geklärte Erfolgswahrscheinlichkeit, um störende Signale der Windenergieanlage künftig mit Hilfe des in das POLARA-Verfahren integrierten Qualitätssicherungsprozesses zu reduzieren.
295Im Rahmen der Gesamtbetrachtung muss ferner Berücksichtigung finden, dass die gewonnenen Wetterinformationen infolge der Entfernung der streitbefangenen Windenergieanlage vom Wetterradar Essen (ca. 11 km) nur in einem sehr kleinen Sektor seines 360 Grad umfassenden räumlichen Wirkungskreises (geringfügig) beeinträchtigt sind. Der Rotordurchmesser der streitbefangenen Windenergieanlage entspricht vom Radar aus betrachtet einem Winkel von 0,27 Grad und ist damit deutlich kleiner als der Durchmesser des Radarstrahls von etwa 1 Grad, d. h. etwa 194 m am Standort der Anlage. Damit sinkt aus meteorologischer Sicht auch die Wahrscheinlichkeit von Fehlwarnungen („Überwarnungen“ oder „Unterwarnungen“), weil sich warnwürdige Wetterereignisse (Gewitter/Unwetter, Regen-, Schnee- und Hagelgebiete) nach allgemeiner Erfahrung in aller Regel nicht statisch verhalten, sondern sich mit der Windrichtung fortbewegen und deshalb bei einem nur sehr schmalen Störbereich mit großer Wahrscheinlichkeit vom Wetterradar bereits detektiert worden sind, bevor der Radarstrahl der sich im Kreis drehenden Antenne in den Störbereich der Windenergieanlage eintritt.
296Vgl. zu dieser Argumentation auch Bay. VGH, Urteil vom 18. September 2015 - 22 B 14.1263 -, ZNER 2015, 605 = juris Rn. 69.
297In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der DWD an allen Radaranlagen im Bundesgebiet grundsätzlich die gleichen Elevationen für den Volumensatz verwendet und damit regelmäßig in Kauf nimmt, dass je nach vorhandener Orographie (Hügel, Berge) oder bestehenden lokalen Hindernissen (z. B. hohe Gebäude oder Türme) eine Dämpfung auftritt (siehe hierzu Sachverständigengutachten vom 29. August 2017, Seite 9).
298(2) Weitere abwägungsrelevante Gesichtspunkte
299Die nachvollziehende Abwägung fällt schließlich auch nicht deshalb zugunsten des DWD aus, weil den von ihm vertretenen öffentlichen Belangen aus anderen Gründen (zwingend) der Vorzug hätte gegeben werden müssen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der eingeschränkten Standortwahl (dazu (a)) als auch unter dem Gesichtspunkt der Priorität (dazu (b)) sowie in Bezug auf Belange der Luftsicherheit (dazu (c)) und der Allgemeinheit (dazu (d)).
300(a) Beschränkungen bei der Standortwahl
301Der Senat hat zugunsten der Beigeladenen zu 3. berücksichtigt, dass der DWD bei der Standortwahl für seine Wetterradaranlagen in einem weit höheren Maße eingeschränkt ist als die Klägerin hinsichtlich der Realisierung der streitbefangenen Windenergieanlage. Doch folgt aus dem durch den DWD in seiner Stellungnahme vom 2. September 2015 (Seite 9) zutreffend dargelegten Umstand, dass eine ausführliche Standortanalyse unter Berücksichtigung vieler Aspekte (z. B. Verbundabdeckung, Infrastruktur, Bebauung, Beeinträchtigungen durch Topographie) notwendig ist, um einen geeigneten Standort für ein Wetterradar zu finden, kein automatischer Vorrang vor den Interessen eines Windenergieanlagenbetreibers wie vorliegend der Klägerin.
302Namentlich kann im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die streitbefangene Windenergieanlage in einem mit Flächennutzungsplan und Bebauungsplan festgelegten Vorranggebiet für die Windenergie verwirklicht werden soll, das für Windenergie offenbar gut geeignet ist, und dass wegen der Ausschlusswirkung der Konzentrationsflächenplanung nur eingeschränkte Ausweichmöglichkeiten für den Vorhabenträger jedenfalls im gleichen Gemeindegebiet existieren.
303Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. September 2016 - 4 C 2.16 -, BVerwGE 156, 148 = juris Rn. 43.
304Der von der Beigeladenen zu 3. weiterhin betonte Umstand, dass sich der Radarstandort Essen nicht im Außenbereich befinde, sondern im Geltungsbereich des Bebauungsplanes 16/73 „Wallneyer Straße“ der Stadt Essen, lässt nicht erkennen, inwieweit der Wetterradaranlage unter Berücksichtigung dessen zwingend der Vorzug vor der Windenergieanlage einzuräumen wäre, zumal sich auch letztere im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 3.3 der Beigeladenen zu 1. befindet.
305(b) Berücksichtigung des Prioritätsgrundsatzes
306Allerdings streitet der Umstand, dass die Wetterradaranlage des DWD schon vorhanden ist, während die Klägerin ihre Windenergieanlage erst errichten möchte, zugunsten der Beigeladenen zu 3. Er hat jedoch hinter dem für die Abwägung maßgeblichen Aspekt zurückzustehen, dass die konkreten Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage durch den Betrieb der beantragten Windenergieanlage äußerst gering sind.
307Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. September 2016 – 4 C 2.16 -, BVerwGE 156, 148 = juris Rn. 45 f.
308(c) Berücksichtigung von Belangen der Luftsicherheit
309Eine mehr als unerhebliche Störung ist nach den Feststellungen unter d) auch nicht anzunehmen, soweit das Wetterradar des DWD in Essen Wetterinformationen für die Sicherung der privaten wie auch militärischen Luftfahrt und insbesondere den Betrieb des nur 15 km von der streitbefangenen Windenergieanlage entfernt gelegenen Flughafens Düsseldorf bereitstellt. Unstreitig wären hier im Falle einer relevanten Störung der Funktionsfähigkeit hochrangige Interessen wie Leib und Leben betroffen.
310Doch fehlt es gerade an nennenswerten Beeinträchtigungen der Warnprodukte, zu denen auch die Weitergabe von Wetterdaten an externe Nutzer, darunter die Flugsicherung und den Flugverkehr insgesamt, zählt. Auf den Umfang der zu erwartenden Beeinträchtigungen und deren praktische Relevanz ist der Senat bereits unter d) dd) (6) ausführlich eingegangen. Weitere Indizien dafür, dass die streitbefangene Windenergieanlage auch in Bezug auf den Beitrag des Wetterradars in Essen für die Sicherheit der zivilen und militärischen Luftfahrt keine maßgebliche Beeinträchtigung hervorruft, sind die Stellungnahmen der Wehrbereichsverwaltung West vom 5. November 2012 sowie der Beigeladenen zu 2. im Rahmen ihrer luftverkehrsrechtlichen Zuständigkeit vom 8. Januar und vom 31. Januar 2013. Sie benennen keine Bedenken bezüglich der radartechnischen Gewährleistung der Sicherheit der Luftfahrt.
311(d) Berücksichtigung weiterer Belange der Allgemeinheit
312Schließlich ist eine abweichende Beurteilung auch nicht mit Rücksicht darauf geboten, dass die Allgemeinheit darauf angewiesen ist, hinreichende genaue Daten zu Wetterphänomenen bzw. Wetterprognosen und Warnungen durch das Wetterradar Essen zu erhalten.
313Zwar trifft die Aussage der Beigeladenen zu 3. zu, dass Unwetter am Standort der streitbefangenen Windenergieanlage in nur wenigen Minuten Ballungszentren (Ruhrgebiet, Düsseldorf, Wuppertal) erreichen und dort zu Gefahrensituationen für potentiell Millionen Menschen führen könnten. Der Senat stellt in diesem Zusammenhang auch nicht in Abrede, dass die Wetterinformationen und ‑warnungen für die zeitnahe und qualitativ hochwertige Information der Bevölkerung oder von Katastrophenschutzeinrichtungen und Feuerwehren essentiell sind. Gleiches gilt ebenfalls für das Vorbringen der Beigeladenen zu 3. während des gerichtlichen Verfahrens, dass das Wetterradar in Essen aufgrund seiner Lage für große Gebiete von herausragender Bedeutung sei, Niederschlags- bzw. Unwetterbereiche bis weit in die Benelux-Staaten hinein detektiere und für die zumeist durch West- bzw. Südwestströmungen gekennzeichneten Wetterlagen die ersten Informationen für Warnereignisse liefere.
314Doch ist eine mehr als unerhebliche Beeinträchtigung des Informationsflusses und der Warntätigkeit des DWD nach dem zuvor Ausgeführten auch im Falle der Verwirklichung des streitbefangenen Vorhabens nicht anzunehmen. Deshalb rechtfertigen die abstrakten Ausführungen zur Bedeutung der Warntätigkeit für sich genommen keine andere Entscheidung.
Sollte in bauplanungsrechtlicher Hinsicht ausschließlich auf die Vereinbarkeit mit dem Bebauungsplan Nr. 3.3 abzustellen sein, lassen sich die vorstehenden Ausführungen zur Funktionsfähigkeit einer Radaranlage gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB auch auf das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme übertragen. Denn aus diesem ergeben sich im vorliegenden Fall keine strengeren Anforderungen als nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB.
Schließlich fehlt es auch nicht an der vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung für die Erteilung eines Vorbescheids nach § 9 BImSchG.
317Diese setzt voraus, dass die „Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können“. Aufgrund einer vorläufigen Prüfung anhand der vollständigen und insoweit endgültigen Pläne muss feststehen, dass die gesamte Anlage am vorgesehenen Standort genehmigungsfähig ist (sog. vorläufige positive Gesamtbeurteilung). Die in diesem Zusammenhang geläufige Formulierung, dass dem Gesamtvorhaben „keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse“ entgegenstehen dürften (vgl. § 8 Satz 1 Nr. 3 BImSchG), darf allerdings nicht dahin missverstanden werden, dass das vorläufige positive Gesamturteil erst dann fehlt, wenn die Verwirklichung des Vorhabens bei kursorischer Prüfung mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Eine positive Gesamtbeurteilung setzt vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit der Gesamtanlage voraus.
318Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. Juni 2016 - 8 D 99/13.AK -, DVBl. 2016, 1191 = juris Rn. 160, vom 20. November 2012 - 8 A 252/10 -, NuR 2013, 146 = juris Rn. 39, und vom 9. Dezember 2009 - 8 D 12/08.AK -, DVBl. 2010, 719 = juris Rn. 148, jeweils m. w. N.; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 8 Rn. 12, m. w. N.
319Der Errichtung und dem Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlage stehen keine sonstigen von vornherein unüberwindlichen rechtlichen Hindernisse entgegen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2. formulierten Bedenken aus flugbetrieblicher Sicht wegen der Nutzbarkeit der existierenden Platzrunde für motorgetriebene Luftfahrzeuge des Segelflugplatzes Meiersberg.
320Obwohl das streitbefangene Vorhaben der Klägerin grundsätzlich auf schutzwürdige Individualinteressen des bestehenden Segelflugplatzes Rücksicht zu nehmen hat, besteht im Entscheidungszeitpunkt die von § 9 BImSchG geforderte hinreichende Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit im Hinblick auf den dortigen Flugbetrieb. Insbesondere kann der Senat keine durchgreifenden Anhaltspunkte feststellen, dass die geplante Windenergieanlage insoweit gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Die gebotene Einzelfallprüfung nach Aktenlage lässt im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat nicht erkennen, dass die Errichtung einer Windenergieanlage mit der geplanten Höhe am vorgesehenen Standort in jedem Fall zu einer rechtlich relevanten Beeinträchtigung des Platzrundenverkehrs führt.
321Im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung hält der Senat es im Entscheidungszeitpunkt vielmehr für überwiegend wahrscheinlich, dass das streitbefangene Vorhaben die Platzrunde für motorgetriebene Luftfahrzeuge des Segelfluggeländes Meiersberg nicht in rechtlich relevantem Umfang beeinträchtigt (dazu 1.), sondern sich vielmehr in die bestehende Hindernissituation durch die Hochspannungsmasten einfügt (dazu 2.).
Auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse im Entscheidungszeitpunkt geht der Senat davon aus, dass das streitbefangene Vorhaben die Platzrunde für motorgetriebene Luftfahrzeuge des Segelfluggeländes Meiersberg im Falle seiner Errichtung nicht in relevanter Weise beeinträchtigt.
323Die geplante Windenergieanlage erfüllt die normativen Vorgaben (dazu a). Dass die Abstandsempfehlungen der Gemeinsamen Grundsätze vom 3. August 2012 nicht eingehalten werden (dazu b), steht im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung nicht entgegen. Fachlich überzeugend begründete Anhaltspunkte für einen notwendig größeren Abstand der Platzrunde zur Windenergieanlage als bislang vorgesehen existieren nicht (dazu c).
Der laterale Mindestabstand zu Hindernissen von 150 m für alle Flugphasen wird durch den horizontalen Abstand der streitbefangenen Windenergieanlage zum Flugweg der Platzrunde von 250 bis 280 m eingehalten. Diese Anforderung ergibt sich aus Abschnitt 5 SERA.5005 Buchstabe f), Nr. 2 im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 der Kommission vom 26. September 2012 (ABl. L 281/1), der die Durchführung von Flügen nach Sichtflugregeln betrifft und von jedem Luftfahrzeugführer zu beachten ist (vgl. §§ 1, 37 Abs. 1 Satz 1 LuftVO).
Demgegenüber werden die in den Gemeinsamen Grundsätzen vom 3. August 2012 (BAnz AT B3 vom 24. August 2012 bzw. NfL I 92/13) empfohlenen größeren seitlichen Abstände für den Queranflug nicht eingehalten. Nach deren Nr. 6 sollen unbeschadet der Anforderungen der Hindernisbegrenzung im Bereich der Platzrunden keine Hindernisse vorhanden sein, die die sichere Durchführung des Flugplatzverkehrs gefährden können (Satz 1). Von einer Gefährdung des Flugplatzverkehrs in der Platzrunde ist grundsätzlich auszugehen, wenn relevante Bauwerke oder sonstige Anlagen innerhalb der geplanten oder festgelegten Platzrunde errichtet werden sollen oder wenn in anderen Bereichen relevante Bauwerke oder sonstige Anlagen einen Mindestabstand von 400 m zum Gegenanflug von Platzrunden und/oder 850 m zu den anderen Teilen von Platzrunden (inkl. Kurventeilen) unterschreiten (Satz 2).
326Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Gemeinsamen Grundsätze, die nach ihrer Nr. 1.1 auf Empfehlungen der International Civil Aviation Organization (ICAO) beruhen, als Richtlinien ohne rechtssatzmäßige Verbindlichkeit einzuordnen sind.
327Vgl. Schl.-H. OVG, Beschluss vom 4. Mai 2017 - 4 MB 19/17 -, juris Rn. 22; siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 -, BVerwGE 154, 377 = juris Rn. 17 f., und OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2017 - 8 B 595/17 -, n. v. (Seite 5 des Beschlussabdrucks).
328Zudem handelt es sich bei den Abstandsangaben auch nach dem Selbstverständnis der Gemeinsamen Grundsätze um Sollvorschriften. Von diesen kann im Einzelfall abgewichen werden. So verweist Nr. 6 Satz 3 der Gemeinsamen Grundsätze für notwendige Abstände zu Hindernissen auf eine Einzelfallbeurteilung.
329Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2017 - 8 B 595/17 -, n. v. (Seite 5 des Beschlussabdrucks).
Zur Überzeugung des Senats im Rahmen der vorläufigen Gesamtbeurteilung genügt der Abstand zwischen der geplanten Windenergieanlage und der Platzrunde am geplanten Standort von ca. 250 bis 280 m, um Beeinträchtigungen oder sogar Gefährdungen des Flugverkehrs in der Platzrunde für motorgetriebene Luftfahrzeuge am Segelfluggelände Meiersberg mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
331Nach den plausiblen Erläuterungen des Gutachters der Klägerin Dr.-Ing. Armin N. in der „Kurzstellungnahme zur Vereinbarkeit einer Windenergieanlage mit dem Flugbetrieb nahe des Segelfluggeländes Meiersberg“ vom 10. Mai 2013 (Seite 8 und 12; im Folgenden: Kurzstellungnahme vom 10. Mai 2013) und ergänzend in der mündlichen Verhandlung reicht hierfür aus fachlicher Sicht bereits der in der LuftVO und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 normierte Sicherheitsabstand von 150 m grundsätzlich aus. Dies gelte jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Windenergieanlage nicht nur seitlich versetzt, sondern zudem in größerer Höhe passiert werde. Den Abstandsempfehlungen in den Gemeinsamen Grundsätzen vom 3. August 2012 liege hingegen die Vorstellung eines Vorbeiflugs auf Höhe des Objekts zugrunde, die naturgemäß eine höhere Gefahr für eine Kollision mit sich bringe.
332Soweit die Vertreter der Beigeladenen zu 2. in der mündlichen Verhandlung erstmals auf mögliche Turbulenzen der Windenergieanlage im Hinblick auf die nahegelegene Platzrunde und eine hieraus resultierende andere Gefahreneinschätzung als bei feststehenden Objekten hingewiesen haben, hat der Gutachter Dr.-Ing. N. auf dieses Vorbringen plausibel erwidert, dass auch die Windenergieanlage ortsfest sei. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass sich ein Teil der Anlage drehe. In einer Entfernung von 150 m zuzüglich des Radius des Rotors seien Verwirbelungen jedenfalls – anders als möglicherweise bei einem direkten seitlichen Vorbeiflug – nicht relevant, soweit die Flughöhe wie vorliegend oberhalb der Anlage liege. Denn der Turbulenzbereich einer Windenergieanlage erstrecke sich nach hinten und nicht nach oben.
333In Anbetracht dieser Erwägungen überzeugen – jedenfalls im Rahmen der vorläufigen Gesamtbeurteilung des Senats – auch nicht ohne Weiteres die Ausführungen im „Gutachten zur Feststellung notwendiger Mindestabstände von Windenergieanlagen zu Flugbetriebsräumen an Flugplätzen der Allgemeinen Luftfahrt unter Berücksichtigung sämtlicher Luftfahrzeugklassen“ des Fachbereichs 6 Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen, Prof. Dr.‑Ing. Janser u. a., von Dezember 2015. Hiernach müsste die geplante Windenergieanlage einen Abstand von ca. sieben Rotordurchmessern zuzüglich eines Toleranzbereichs von 250 m und eines Sicherheitsbereichs von 300 m, vorliegend daher 920,3 m, zur Platzrunde des Segelfluggeländes einhalten.
334Der Gutachter Dr.-Ing. N. ist dieser Forderung für den Mindestabstand in der mündlichen Verhandlung substantiiert und nachvollziehbar entgegengetreten. Nach seiner Einschätzung könne eine solche Abstandsempfehlung lediglich für Hängegleiter überzeugen, weil diese durch zu starke Verwirbelungen der Windenergieanlage zusammenklappen könnten, nicht jedoch für Starrflügler wie die motorgetriebenen Luftfahrzeuge der hier diskutierten Platzrunde. Das vorgenannte Gutachten von Dezember 2015 beziehe sich zudem im Wesentlichen auf eine Diplomarbeit, die eine Gefährdungssituation lediglich anhand eines Vorbeiflugs in einer Entfernung von weniger als einem Rotordurchmesser ermittelt habe. An gleicher Stelle sei allerdings bereits ein Vorbeiflug in einem Abstand von zwei Rotordurchmessern als beherrschbar beschrieben worden.
335Entsprechende Kritik an der Aussagekraft des von der Beigeladenen zu 2. vorgelegten Gutachtens hat auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Trier,
336vgl. Urteil vom 11. April 2017 - 1 K 4887/16.TR -, ZNER 2017, 510 = juris Rn. 52 ff.,
337geäußert; die Stellungnahme des DLR ist in der Entscheidung des Gerichts auszugsweise abgedruckt. Hiernach könne der abschließenden Bewertung des vom Fachbereich 6 Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen erstellten Gutachtens zum Gefährdungspotential und insbesondere den daraus abgeleiteten pauschalen Abstandsempfehlungen nicht zugestimmt werden. Das Gutachten weise Mängel in der wissenschaftlichen Umsetzung und deutliche Widersprüche zwischen den Wertungen und den durchgeführten Flugversuchen auf. Auch wenn es der Untersuchung gelinge, Schwachstellen anderer analysierter Arbeiten aufzuzeigen, komme eine tiefergehende fachliche Auseinandersetzung und differenzierte Diskussion nicht zustande. In der Folge könne die Gesamtsituation durch die gezogenen Schlussfolgerungen und empfohlenen Mindestabstände nicht adäquat erfasst werden und bedürfe es zur abschließenden Klärung der notwendigen Mindestabstände zwingend weiterer Untersuchungen.
Dessen ungeachtet ist nach den plausiblen Ausführungen des Gutachters Dr.-Ing. N. davon auszugehen, dass die geplante Windenergieanlage zu keinen größeren Beeinträchtigungen führt als denjenigen, die von den bestehenden Hindernissen bereits ausgehen. Auch unter Außerachtlassung des streitbefangenen Vorhabens entspricht die aktuelle Platzrundenführung für motorgetriebene Luftfahrzeuge nicht den dargestellten Abstandsempfehlungen (dazu a). Der Senat hält es im Entscheidungszeitpunkt nicht für wahrscheinlich, dass die hierdurch gekennzeichnete Hindernissituation durch die Windenergieanlage verschärft wird (dazu b).
Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen in der Kurzstellungnahme des Dr.-Ing. N. vom 10. Mai 2013 (Seite 8 und 12) werden die Abstandsempfehlungen der Gemeinsamen Grundsätze vom 3. August 2012 schon durch die aktuelle Platzrunde für motorgetriebene Luftfahrzeuge des Flugplatzes Meiersberg nicht gewahrt, da sich eine Hochspannungstrasse zu nah an der östlichen Längsseite und vor allem südöstlichen Ecke der Platzrunde befindet. Keiner der betroffenen Hochspannungsmasten hält nach den gutachterlichen Erkenntnissen die Abstandsempfehlungen der Allgemeinen Grundsätze ein. Da die Hochspannungstrasse von Norden kommend in Richtung Süden sogar noch auf die Platzrunde zuläuft, liegt im südlichen der Teil der Platzrunde eine noch größere Hindernissituation vor. Die horizontalen Abstände der Hochspannungsmasten zum Flugweg belaufen sich nach den Angaben in der Kurzstellungnahme (Seite 9, Tabelle 3) auf 50 m, 120 m, 160 m, 195 m, 280 m und 400 m.
Bei dieser Ausgangslage fügt sich die geplante Windenergieanlage als zusätzliches Bauwerk lediglich in eine bereits bestehende Hindernissituation ein, schafft aber keine gänzlich neue Gefährdungssituation.
341Diese in der Kurzstellungnahme des Dr.-Ing. N. vom 10. Mai 2013 (Seite 9) als Hindernisverdichtung gekennzeichnete Sachlage führt nach Auffassung des Senats nicht erkennbar zu einer größeren Beeinträchtigung gegenüber der bereits bestehenden Hindernissituation. Dass der Beigeladene zu 4. als Flugplatzbetreiber die zur Zeit geflogene Platzrunde gleichwohl nutzt, ist sogar ein Indiz dafür, dass die genannten Mindestabstände im vorliegenden Einzelfall offenbar auch aus Sicht der Piloten ohne eine Gefährdung des Flugverkehrs unterschritten werden können.
342Der Standort der streitbefangenen Einzelanlage ist in der Nähe von zwei Hochspannungsmasten geplant, die nach den Feststellungen in der Kurzstellungnahme (Seite 7, 12) ebenfalls nicht die unter 1. b) dargelegten Abstandsempfehlungen zum Flugweg einhalten und daher als bereits bestehende Hindernisse zu qualifizieren sind. Zudem sind nach der Kurzstellungnahme des Dr.-Ing. N. (Seite 9) einzelne Hochspannungsmasten – anders als die Windenergieanlage – wegen der voraussichtlich wegen des Steigfluges niedrigeren Flughöhe über Grund und des geringen seitlichen Abstandes zum Flugweg als kritisch einzuschätzen. Bei den einzelnen Masten beträgt die Flughöhe über Grund bei einem Steiggradienten von 6,3 % hiernach (vgl. a. a. O., Tabelle 4) nur 152 m, 154 m, 170 m, 187 m und in zwei Fällen 224 m.
343Dass die Kurzstellungnahme hierbei von geringfügig falschen Standortkoordinaten (vgl. Seite 2) ausging, die einen Standort nicht auf der Anhöhe, sondern weiter südlich bezeichnen, steht dem nicht entgegen, weil der Senat vorliegend nur eine vorläufige Gesamtbeurteilung zu treffen hat und keine abschließende Überzeugung gewinnen muss, das Vorhaben könne in der geplanten Weise an dem vorgesehenen Standort errichtet werden.
344Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und berücksichtigt, dass der vor der Klageänderung und Verfahrenstrennung einheitliche Streitgegenstand ebenfalls bereits zwischen zwei verschiedenen, inhaltlich gleichwertigen Rechtsfragen differenziert hat, von denen eine weiterhin im abgetrennten Berufungsverfahren 8 A 874/18 zur Entscheidung ansteht. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie im Berufungsverfahren keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
345Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
346Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.