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Einzelfall einer schlüssigen und vertretbaren Besucherprognose für die Freigabe sonntäglicher Ladenöffnung im unmittelbaren Umfeld eines traditionellen Frühjahrs-blumenmarkts in der Innenstadt einer deutschen Großstadt (Gelsenkirchen).
Das Gericht hat lediglich zu prüfen, ob die bei Erlass einer Rechtsverordnung über die Freigabe der Ladenöffnung vorgenommene gemeindliche Tatsachenprognose hinsichtlich der prägenden Wirkung einer anlassgebenden Veranstaltung für den öf-fentlichen Charakter des Tages schlüssig und vertretbar ist. Dies setzt voraus, dass sich die Gemeinde in einer auch für die gerichtliche Überprüfung nachvollziehbaren Weise Klarheit über Charakter, Größe und Zuschnitt der Veranstaltung verschafft. Eine Prognose ist aber nicht nur deshalb unvertretbar, weil mit tragfähigen Erwägun-gen auch andere Ergebnisse begründbar sind.
Eine mittelbare Anhörung der zuständigen Gewerkschaft über ihren Dachverband entsprechend einer langjährigen unbeanstandeten Praxis rechtfertigt jedenfalls im Eilverfahren nicht die Annahme, eine Verordnung über eine sonntägliche Ladenöff-nung sei unwirksam, wenn die zuständige Gewerkschaft ihre Interessen in das Ver-fahren einbringen konnte.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 5.4.2018 geändert.
Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde hat Erfolg.
2Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
3Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da der Sache nach die Gültigkeit einer Rechtsnorm vorübergehend suspendiert werden soll, können für eine derartige Entscheidung nach § 123 VwGO allerdings keine anderen Maßstäbe gelten als für eine normspezifische einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO. Für diese ist allgemein anerkannt, dass eine Interessenabwägung unter Anlegung eines besonders strengen Maßstabs vorzunehmen ist. Die für die einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssen danach grundsätzlich so schwer wiegen, dass deren Erlass unabweisbar erscheint. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich die jeweils in Rede stehende untergesetzliche Norm schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als offensichtlich unwirksam erweist, und ihre Umsetzung den Antragsteller so konkret beeinträchtigt, dass die einstweilige Anordnung deshalb dringend geboten ist. Demgegenüber kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sich die jeweilige untergesetzliche Norm schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als wirksam erweist.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.6.2016 – 4 B 504/16 –, NWVBl. 2016, 513 = juris, Rn. 24 ff., m. w. N.
5Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hier nicht vor. Bei summarischer Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass die umstrittene Ordnungsbehördliche Verordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen in Gelsenkirchen vom 7.3.2018 (Amtsblatt der Stadt Gelsenkirchen vom 16.3.2018, S. 178) bezogen auf den 8.4.2018 rechtmäßig und wirksam ist. Die Verordnung ist nicht deshalb verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil die Antragstellerin unter Verstoß gegen § 6 Abs. 4 Satz 7 Ladenöffnungsgesetz ‒ LÖG NRW ‒ vom 16.11.2006 (GV. NRW. S. 516), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.4.2013 (GV. NRW. S. 208) ‒ LÖG NRW a. F. ‒, das wegen der Beschlussfassung über die Verordnung vor dem 30.3.2018 gemäß § 13 Abs. 2 LÖG NRW in der Fassung des Gesetzes vom 22.3.2018 (GV. NRW. S. 172) hier noch maßgeblich ist, vor Erlass der Rechtsverordnung nicht angehört worden ist (dazu unten 1.). Darüber hinaus dürfte die umstrittene Freigabe der Verkaufsstellen anlässlich des „Blumen- und Gartenmarkts“ am 8.4.2018 in bestimmten Straßen und Plätzen im Stadtteil Gelsenkirchen-Altstadt auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 lit. a der Ordnungsbehördlichen Verordnung der Antragsgegnerin vom 7.3.2018 dem in § 6 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 LÖG NRW a. F. konkretisierten verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV gerecht werden. Jedenfalls spricht auch insoweit so viel für die Rechtmäßigkeit der Verordnung bezogen auf die Freigabe der Ladenöffnung am 8.4.2018, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht unabweisbar erscheint (dazu unten 2.).
61. Die Ordnungsbehördliche Verordnung vom 7.3.2018 ist nicht wegen einer Verletzung von § 6 Abs. 4 Satz 7 LÖG NRW a. F. unwirksam. Nach dieser Vorschrift sind die zuständigen Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände und Kirchen, die jeweilige Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer vor Erlass der Rechtsverordnung zur Freigabe von Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen anzuhören. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Antragstellerin zuständige Gewerkschaft im Sinne dieser Regelung ist, weil der von der Ladenöffnung betroffene Einzelhandel in ihren Zuständigkeitsbereich in Gelsenkirchen fällt. Auch hat die Antragsgegnerin ihre Anhörungsschreiben vom 15.11.2017 entsprechend ihrer langjährigen Praxis lediglich an den DGB ‒ Region Emscher Lippe ‒ gesandt, nicht aber unmittelbar an die Antragstellerin selbst. Die Antragsgegnerin hat jedoch ‒ auch schon in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen ‒ nicht nur geltend gemacht, sondern auch durch Unterlagen belegt, dass die Antragstellerin in Vorjahren ihre mittelbare Beteiligung über den DGB als Dachverband der Gewerkschaften, deren Mitglied die Antragstellerin ist, nie beanstandet habe und hierdurch auch selbst in die Lage versetzt worden sei, ihre Interessen sowie die ihrer Mitglieder in die jeweiligen Normsetzungsverfahren einzubringen. Auch für die in Rede stehende Verordnung hat sich nicht nur der unmittelbar angehörte DGB im eigenen Namen geäußert. Vielmehr hat sich die Antragstellerin selbst als Mitglied des Arbeitskreises Kirche ‒ Gewerkschaft im Januar 2018 noch vor der Beschlussfassung im Rat der Antragsgegnerin mit einem offenen Brief an die Mitglieder des Rates gewandt, den sie auch dem Oberbürgermeister der Antragsgegnerin zugeleitet hat. Als Reaktion hat der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin dem Arbeitskreis unter der von ihren Mitgliedern angegebenen Kontaktadresse, und damit auch der Antragstellerin auf dem auch von ihr gewünschten Weg, die Beschlussvorlage 14-20/5260 am 7.2.2018 übersandt und ihr damit noch vor der Ratssitzung die Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
7Schon deshalb kann auf sich beruhen, ob die Rüge der unzureichenden Anhörung nicht bereits rechtsmissbräuchlich ist, nachdem die Antragstellerin nach unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin seit Jahren vergleichbare Anhörungen über den DGB nicht nur gegen sich gelten gelassen, sondern sich im Vorjahr sogar noch ausdrücklich für die ‒ gleichfalls mittelbar über den DGB erfolgte ‒ Beteiligung bedankt hat. Immerhin spricht viel dafür, dass die Antragstellerin vor einer zulässigen Rüge der Modalitäten der Beteiligung im gerichtlichen Verfahren von der Antragsgegnerin hätte verlangen müssen, künftig abweichend von der bisher langjährig akzeptierten Praxis unmittelbar angehört werden zu wollen. Bereits 2017 hatte die Antragstellerin durch ihre ebenfalls auf eine Anhörung des Gewerkschaftsdachverbands ergangene Äußerung erreicht, dass die Antragsgegnerin Besucherprognosen angestellt und erstmals die Ladenöffnung auf das unmittelbare Umfeld der Veranstaltung begrenzt hat, woran sich die Antragsgegnerin auch für die Sonntagsladenöffnungen im Jahr 2018 orientiert hat.
8Selbst wenn sich im Hauptsacheverfahren gleichwohl erweisen sollte, dass die erfolgte Anhörung den Anforderungen des § 6 Abs. 4 Satz 7 LÖG NRW a. F. nicht entsprach, kann angesichts der Besonderheiten des zu entscheidenden Falles im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes jedenfalls nicht mit der für den Erlass einer normsuspendierenden einstweiligen Anordnung erforderlichen Sicherheit festgestellt
9werden, dass der etwa darin liegende Verfahrensfehler auch funktionserheblich ist und dementsprechend einen zur Unwirksamkeit der Verordnung führenden, wesentlichen Mangel begründet.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.9.2017 ‒ 4 B 1193/17 ‒, juris, Rn. 10 ff.
11Bei summarischer Prüfung spricht aus den genannten Gründen nämlich viel dafür, dass die Antragstellerin ausreichend Gelegenheit hatte, ihre Interessen bezogen auf den konkret freigegebenen Sonntag einzubringen.
122. Darüber hinaus spricht so viel dafür, dass die Verordnung bezogen auf die Freigabe der Ladenöffnung am 8.4.2018 dem in § 6 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 LÖG NRW a. F. konkretisierten verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV gerecht wird, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht unabweisbar erscheint.
13Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf jede Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag eines dem verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes. Als ein solcher Sachgrund zählen weder das bloß wirtschaftliche Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber, noch das alltägliche Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") potenzieller Kunden. Die konkrete Ladenöffnung und der konkrete Sachgrund sind in ein Verhältnis zu setzen. Je weitreichender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sowie in Bezug auf die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ist, umso höher muss angesichts der stärkeren werktäglichen Prägung des Tages das Gewicht der für die Ladenöffnung angeführten Sachgründe sein.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.5.2017 ‒ 8 CN 1.16 ‒, NVwZ 2017, 1713 = juris, Rn. 16, m. w. N.
15Wie das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend hervorgehoben hat, muss bei der Freigabe eines verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertags aus Anlass eines Marktes die öffentliche Wirkung der anlassgebenden Veranstaltung gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehen. Die Ladenöffnung entfaltet dann eine geringe prägende Wirkung, wenn sie nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheint. Das kann in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibt. Darüber hinaus bleibt die werktägliche Prägung der Ladenöffnung nur dann im Hintergrund, wenn nach der anzustellenden Prognose der Besucherstrom, den der Markt für sich genommen auslöste, die Zahl der Besucher überstiege, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 ‒ 8 CN 2.14 ‒, BVerwGE 153, 183 = juris, Rn. 24 f.
17Das Gericht darf hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen, die eine Veranstaltung erfüllen muss, um aufgrund ihrer prägenden Wirkung für den öffentlichen Charakter des Tages einen hinreichenden Anlass für eine sonntägliche Ladenöffnung zu liefern, allerdings keine eigene Prognose der zu erwartenden Besucherströme vornehmen. Es hat lediglich zu prüfen, ob die bei Erlass der Rechtsverordnung über die Freigabe der Ladenöffnung vorgenommene gemeindliche Prognose schlüssig und vertretbar ist.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 ‒ 8 CN 2.14 ‒, BVerwGE 153, 183 = juris, Rn. 36.
19Nach Aktenlage hat der Senat wenig Zweifel, dass der Rat der Antragsgegnerin die Voraussetzungen für die Ladenöffnungsfreigabe am 8.4.2018 anlässlich des „Blumen- und Gartenmarkts“ in der Gelsenkirchener Innenstadt auf der Grundlage einer schlüssigen und vertretbaren Besucherprognose angenommen hat.
20Die Antragsgegnerin hat sich in einer auch für die gerichtliche Überprüfung nachvollziehbaren ‒ dokumentierten ‒ Weise Klarheit über Charakter, Größe und Zuschnitt der Veranstaltung verschafft. Sie hat die Ladenöffnung unter Angabe von Straßenzügen und Plätzen, teilweise unter Angabe einzelner Hausnummern, auf das Umfeld des „Blumen- und Gartenmarkts“ begrenzt. Einbezogen sind nur direkte Anlieger sowie funktionell und städtebaulich zugehörige Händler. Zur Besucherprognose hat sie sowohl auf Passantenfrequenzzählungen, als auch auf Besucherbefragungen zurückgegriffen und anhand dieser größenordnungsmäßig abgeschätzt, ob das Marktgeschehen gegenüber der Verkaufsstättenöffnung im Vordergrund stehen wird.
21Für einen Annexcharakter der hier in Rede stehenden Ladenöffnung spricht ‒ auf der einen, der "Veranstaltungsseite" ‒ der Umstand, dass es sich bei dem Blumenmarkt in der Gelsenkirchener Innenstadt um eine Veranstaltung von beträchtlicher Größe und Attraktivität handelt, bei der die auf Erfahrungen aus Vorjahren gestützte Annahme plausibel erscheint, dass sie auch unabhängig von der Ladenöffnung eine ganz erhebliche Zahl von Besucher anzieht. Der seit vielen Jahren am ersten Aprilwochenende stattfindende Markt soll ausweislich der Verwaltungsvorgänge am Samstag, 7.4.2018, von 10:00 bis 19:00 Uhr und am Sonntag, 8.4.2018, von 11:00 bis 18:00 Uhr stattfinden. Entlang der Bahnhofstraße, dem Bahnhofsvorplatz, dem Neumarkt und auf dem Heinrich-König-Platz werden ca. 80 Aussteller (ca. 20 Pflanzenhändler, 30 Kunsthandwerker, 30 Stände mit kulinarischem Angebot) ihre Stände aufstellen. In der Fußgängerzone treten drei bis vier Marching-Bands auf. Holländische Kunsthandwerker sowie ein Streichelzoo (Neumarkt oder Bahnhofsvorplatz) sollen ebenfalls zum Programm gehören. Da die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, bleibt ihr Bezug zum Marktgeschehen in der öffentlichen Wirkung des Tages erkennbar. Um gerade angesichts des besonders einkaufsstarken Umfelds der Gelsenkirchener Innenstadt den Annexcharakter der Ladenöffnung belegen zu können, hat die Antragsgegnerin für den 8.4.2018 auf der Grundlage von Frequenzzählungen 19.000 Besucher prognostiziert. Sie hat dabei auf einzelne Stunden bezogene ‒ durch Zählpersonal sowie mittels eines fest installierten Laserscanners durchgeführte ‒ Zählungen der City Initiative Gelsenkirchen für den letztjährigen Bauernmarkt im Herbst zu Grunde gelegt. Ihr hat sie ‒ auf der anderen, der "Ladenöffnungsseite" ‒ die vom Handelsverband ermittelte durchschnittliche Einzelhandelskundenzahl von 3.800 nach einer Passantenzählung der IHK von 2016 gegenüber gestellt, die sie durch einen Abschlag von 70 % auf die Zahl von 5437,5 Passanten in fünf Stunden ermittelt hat. Dabei hat sie angenommen, dass der Bauernmarkt nach Art und Umfang mit dem Blumenmarkt vergleichbar ist, was durch die Frequenzzählung vom 2.4.2017 größenordnungsmäßig bestätigt wird. Dass die letztjährigen Zählungen an außergewöhnlichen Verkaufssamstagen (1.4.2017 ‒ Blumenmarkt, 6.5.2017 ‒ 4. Gelsenkirchener Autoshow, 30.9.2017 ‒ Bauernmarkt) deutlich höhere Passantenzahlen ergeben haben als die auf durchschnittliche Verkaufssamstage bezogene IHK-Zählung, belegt nur die besondere Sogwirkung in der Innenstadt angesetzter Veranstaltungen, macht die IHK-Zählung aber nicht schon in ihren Größenordnungen unplausibel. Selbst wenn man Zweifel an der Vertretbarkeit des vorgenommenen Abschlags von 70 % zur Ermittlung der Verkaufsstellenkunden hegt, stellte dies das von der Antragsgegnerin angenommene deutliche Übergewicht der Marktkundschaft für den 8.4.2018 nicht in Frage.
22Gleichfalls vertretbar ist nämlich die auf umfangreiche Befragungen und damit tatsachengestützte Annahme, der Blumenmarkt werde größenordnungsmäßig vergleichbar wie der konzeptionell ähnliche Bauernmarkt mehr Besucher anlocken als die begleitende Ladenöffnung. Angesichts der umfangreichen Erwägungen, die die Antragsgegnerin ausweislich des vorbereitenden Vermerks vom 11.5.2017 auch im Austausch mit den Erfahrungen anderer Gemeinden (insbesondere Rheine undDuisburg) angestellt hat, um zu belastbaren Schätzungen zu gelangen, erscheint die Prognose ausreichend plausibilisiert. Dies gilt umso mehr, weil die Begrenzung der Freigabe der Verkaufsstellenöffnung auf das Umfeld des Marktes angesichts der damit verbundenen geringeren werktäglichen Prägung des Tages ein geringeres Gewicht der für die Ladenöffnung angeführten Sachgründe verlangt, als dies bei einer räumlich weiteren Ausdehnung erforderlich wäre. Schon deshalb verfehlt die Betrachtung des Verwaltungsgerichts, das weitreichende eigene Berechnungen anstellt und Rückschlüsse aus Erfahrungen mit vergleichbaren Anlässen allenfalls in geringem Umfang zuzulassen scheint, die rechtlichen Grenzen zulässiger gerichtlicher Normüberprüfung unter Wahrung der dem Normgeber zuzubilligenden Einschätzungs- und Prognosespielräume. Gerade die auf die Zählung der City Initiative am 6.5.2017 abstellende Alternativberechnung des Verwaltungsgerichts blendet die Besonderheiten der an diesem Tag zu berücksichtigenden Autoshow aus, so dass hieraus nicht auf übliche Besucherzahlen an durchschnittlichen Samstagen geschlossen werden kann. Nur wegen der bereits von der Antragsgegnerin festgestellten Abweichungen zwischen den Zählungen von JLL und City Initiative im Umfang zwischen 5,8 % und 45 % ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, sich bei ihren nur auf Größenordnungen abzielenden prognostischen Überlegungen für die eine und gegen die andere zu entscheiden, sofern ‒ wie hier ‒ eine Erhebung nicht offensichtlich die höhere Richtigkeitsgewähr bietet. Eine Prognose ist nicht nur deshalb unvertretbar, weil mit tragfähigen Erwägungen auch andere Ergebnisse begründbar sind.
23Danach ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht unerlässlich, zumal die Antragstellerin nicht geltend macht, dass ihr aufgrund der streitigen Sonntagsöffnung konkrete Nachteile in ihrer gewerkschaftlichen Betätigung entstünden.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
25Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).