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Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 30.10.2018 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
2Das Verwaltungsgericht hat durch einstweilige Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Verkaufsstellen im Ortsteil Bornheim-Roisdorf nicht am 4.11.2018 auf der Grundlage der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen in der Stadt Bornheim vom 12.10.2018, die sich nur auf zwei große Möbelhäuser bezieht, geöffnet sein dürfen. Es hat im Wesentlichen angenommen, die Antragstellerin sei antragsbefugt, auch wenn sämtliche Beschäftigte in den betroffenen beiden Verkaufsstätten an dem betreffenden Sonntag freiwillig arbeiteten. Die bloße Möglichkeit einer Verletzung in gewerkschaftlichen Rechten reiche aus. Insoweit sei entscheidend auf die Gesamtbelastung der Antragstellerin abzustellen, die sich für ihre landesweite Tätigkeit durch den Erlass einzelner gemeindlicher Verordnungen insgesamt ergeben könne. Die von der Antragsgegnerin angeführten Belange für die Sonntagsöffnung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 und 5 Ladenöffnungsgesetz – LÖG NRW – vom 16.11.2006 (GV. NRW. S. 516), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.3.2018 (GV. NRW. S. 172), belegten weder für sich allein noch kumulativ ein öffentliches Interesse hieran i. S. d. § 6 Abs. 1 Satz 1 LÖG NRW. Die Öffnung erfolge zwar in räumlicher Nähe zu einer örtlichen Veranstaltung sowie am selben Tage. Die gesetzliche Vermutung in § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG NRW, wonach der für die Annahme eines öffentlichen Interesses erforderliche Zusammenhang zu einer örtlichen Veranstaltung vorliege, wenn die Ladenöffnung in räumlicher Nähe hierzu sowie am selben Tage erfolge, sei jedoch widerlegt. Der Ladenöffnung fehle der weiterhin erforderliche Annexcharakter in Bezug auf den „Roisdorfer Martinimarkt“, der durch 16 Marktbeschicker bestückt werde. Die Ladenöffnung sei auch nicht gerechtfertigt, weil sie dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebots diene (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LÖG NRW) oder die überörtliche Sichtbarkeit der Antragsgegnerin als attraktiver und lebenswerter Standort insbesondere für den Tourismus und die Freizeitgestaltung, als Wohn- und Gewerbestandort sowie Standort von kulturellen und sportlichen Einrichtungen steigere (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 LÖG NRW). Soweit die Antragsgegnerin vorgebe, mit der Ladenöffnung ihr Ziel des Quartiermarketings – Bekanntmachung des Gewerbegebiets Bornheim-Süd – zu verfolgen, um die dortigen Arbeitsplätze zu sichern und auszubauen, sowie behaupte, der stationäre Einzelhandel mit Möbeln sei besonders gefährdet und müsse deshalb durch Veranstaltungen wahrnehmbar gemacht werden, sei dies nicht hinreichend substantiiert dargetan.
3Diese Einschätzung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht durchgreifend in Frage gestellt.
4I. Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig.
5Ohne Erfolg beanstandet die Antragsgegnerin die im Einklang mit höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung stehende Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin sei wegen der Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten aus Art. 9 GG entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, als „ersichtlich neben der Sache“ liegend. Das Beschwerdevorbringen bietet keinen Anlass, diese höchstrichterlich bereits grundsätzlich geklärte Frage ‒ schon gar nicht im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens ‒ in Zweifel zu ziehen. Danach ist die Antragstellerin durch die Verordnung auch in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen, obgleich sie nicht unmittelbar Adressatin der darin festgesetzten sonntäglichen Ladenöffnung ist. Hierfür genügt, dass sich die Ladenöffnung an einem Sonntag negativ auf die Grundrechtsverwirklichung einer Gewerkschaft, die im Dienstleistungsbereich tätige Arbeitnehmer vertritt, auswirken kann. Die Antragstellerin kann, selbst wenn Beschäftigte ausschließlich auf freiwilliger Basis zur Sonntagsarbeit herangezogen werden, bereits dadurch in ihren Rechten verletzt sein, dass durch die freigegebenen verkaufsoffenen Sonntage der auch zu ihrem Schutz verfassungsrechtlich garantierte Charakter der Sonntage als Tage der Arbeitsruhe verändert wird.
6Vgl. zuletzt zusammenfassend etwa BVerwG, Urteil vom 17.5.2017 – 8 CN 1.16 –, BVerwGE 159, 27 = juris, Rn. 10 ff., unter Hinweis unter anderem auf BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 ‒ 1 BvR 2857, 2858/07 ‒, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 144, 147 ff., 154; siehe ferner OVG NRW, Beschlüsse vom 10.6.2016 – 4 B 504/16 –, NWVBl. 2016, 513 = juris, Rn. 19 f., und vom 15.8.2016 – 4 B 887/16 –, juris, Rn. 17 f.
7Bezogen auf die hierfür maßgebliche Gesamtbelastung, die sich für die landesweite Betätigung der Antragstellerin durch den Erlass einzelner gemeindlicher Verordnungen auf der Grundlage des § 6 LÖG NRW ergeben kann, werden die Interessen der Antragstellerin mehr als nur geringfügig beeinträchtigt. Nach dieser Vorschrift können die nordrhein-westfälischen Ordnungsbehörden durch Verordnung bestimmen, dass Verkaufsstellen an jährlich höchstens acht, nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen, insgesamt innerhalb einer Gemeinde an nicht mehr als 16 Sonn- und Feiertagen, im öffentlichen Interesse ab 13 Uhr bis zur Dauer von fünf Stunden geöffnet sein dürfen. Über das ganze Jahr gesehen kann damit ein „Flickenteppich“ sonntäglicher Ladenöffnungen entstehen, der die Organisation gemeinschaftlicher gewerkschaftlicher Tätigkeiten spürbar erschweren kann. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17.5.2017 bereits bei der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit der Freigabe von nur vier Sonntagen im Jahr pro Gemeinde für das Land Rheinland-Pfalz angenommen. Angesichts der gesetzlichen Erhöhung der Zahl möglicher sonntäglicher Verkaufsstellenöffnungen je Gemeinde in Nordrhein-Westfalen auf jährlich bis zu 16 Sonn- und Feiertage gilt dies umso mehr.
8Von einer bloßen Vermutung der Beeinträchtigung gewerkschaftlicher Rechte kann danach ebenso wenig die Rede sein wie von einer Zuerkennung des dem Verbandsklagerecht ähnlichen Klagerechts ohne dafür erforderliche rechtliche Grundlage.
9Die Bemerkung der Antragsgegnerin, es sei nicht ersichtlich, dass und inwieweit im Bezirk Köln/Bonn/Leverkusen oder in NRW am 4.11.2018 weitere Ladenöffnungen zugelassen seien, die insgesamt die vom Verwaltungsgericht bloß vermutete Gesamtbelastung der Antragstellerin begründen könnten, nimmt der Senat zum Anlass darauf hinzuweisen, dass ihn allein aus dem Kölner Raum nur bezogen auf den 4.11.2018 sozusagen „in letzter Minute“ in zweiter Instanz insgesamt fünf Verfahren wegen Sonntagsladenöffnungen erreicht haben. Dabei sind weitere Verkaufsstellenöffnungsfreigaben für diesen Sonntag noch nicht berücksichtigt, die gerichtlich nicht oder nur erstinstanzlich angegriffen worden sind.
10II. Auch die Einwände der Antragsgegnerin gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit des Antrags greifen nicht durch.
111. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 LÖG NRW dürfen an jährlich höchstens acht, nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen Verkaufsstellen im öffentlichen Interesse ab 13 Uhr bis zur Dauer von fünf Stunden geöffnet sein. § 6 Abs. 1 Satz 2 LÖG NRW enthält einen nicht abschließenden („insbesondere“) Katalog von Fällen, in denen ein öffentliches Interesse vorliegt. § 6 Abs. 4 Satz 1 LÖG NRW ermächtigt die zuständige örtliche Ordnungsbehörde unter anderem dazu, die Tage nach Absatz 1 durch Verordnung freizugeben. Die Freigabe kann sich auf bestimmte Bezirke, Ortsteile und Handelszweige beschränken; innerhalb einer Gemeinde dürfen nach Absatz 1 nicht mehr als 16 Sonn- und Feiertage je Kalenderjahr freigegeben werden (§ 6 Abs. 4 Satz 2 und 3 LÖG NRW).
12a) Mit dem Erfordernis eines „öffentlichen Interesses“ will der Gesetzgeber erklärtermaßen dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag für die Sonn- und Feiertagsruhe aus Art. 139 WRV i. V. m. Art. 140 GG und den hieraus vom Bundesverfassungsgericht insbesondere in seinem Urteil vom 1.12.2009,
13– 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39,
14abgeleiteten Anforderungen Rechnung tragen.
15Vgl. Entwurf eines Gesetzes zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen – Entfesselungspaket I, LT-Drs. 17/1046, S. 3, 101 ff.
16Danach gewährleistet dieser Auftrag an den Gesetzgeber ein grundrechtlich gebotenes Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes, durch das der dem Gesetzgeber bei seiner gesetzlichen Ausgestaltung zukommende weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum verfassungsrechtlich begrenzt wird.
17Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 ‒ 1 BvR 2857, 2858/07 ‒, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 134 f., 149 f.
18Die Verfassung statuiert für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Grundsätzlich hat die typische „werktägliche Geschäftigkeit“ an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Deshalb muss das gesetzliche Schutzkonzept für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Für die hier in Rede stehende Ladenöffnung, die eine für jedermann wahrnehmbare werktagstypische Geschäftigkeit auslöst und so den Charakter des Tages in besonderer Weise prägt, bedeutet dies, dass sie eines dem Sonn- und Feiertagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes bedarf. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht. Darüber hinaus müssen Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen. Je weitreichender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sowie in Bezug auf die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ist, umso höher muss angesichts der stärkeren werktäglichen Prägung des Tages das Gewicht der für die Ladenöffnung angeführten Sachgründe sein.
19Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 150 ff., 157 ff.; BVerwG, Urteile vom 11.11.2015 – 8 CN 2.14 –, BVerwGE 153, 183 = juris, Rn. 22, und vom 17.5.2017 – 8 CN 1.16 –, NVwZ 2017, 1713 = juris, Rn. 16.
20Die Antragsgegnerin hält die aus diesen Maßstäben abgeleiteten Anforderungen des Verwaltungsgerichts an die Darlegung der erforderlichen Sachgründe für überzogen. Darüber hinaus äußert sie unter Hinweis auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und sein erklärtes Ziel, die sonntägliche Ladenöffnung nicht nur verfahrensmäßig zu erleichtern, grundlegende Zweifel an dem von der Rechtsprechung entwickelten Erfordernis, wonach eine Veranstaltung gegenüber der Ladenöffnung im Vordergrund stehen muss, an dem der Senat auch unter Geltung des neuen Rechts festgehalten hat.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2018 – 4 B 1546/18 –, juris, Rn. 13 ff.
22Diese Einwände greifen nicht durch. Sie gehen von einem unzutreffenden Verständnis von Umfang und Reichweite des gesetzgeberischen Spielraums bei der Ausgestaltung des Sonn- und Feiertagsschutzes aus, das zu einem Unterschreiten der aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV folgenden Mindestschutzanforderungen führen würde.
23Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 135, 150.
24Es trifft zwar zu, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber unter anderem mit seinen Änderungen des Ladenöffnungsgesetzes durch Artikel 1 des „Gesetzes zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen ‒ Entfesselungspaket I“ die generellen Ziele verfolgt hat, „unnötige Bürokratie abzubauen und die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft, die Kommunen sowie Gründerinnen und Gründer von unnötigen und komplizierten Regelungen zu befreien“ sowie „den stationären Einzelhandel im zunehmenden Wettbewerb insbesondere mit dem Onlinehandel zu stärken“. Insbesondere sollte das Gesetz der durch steigenden Online-Handel von Experten geschätzten Gefährdung von bundesweit bis zu 50.000 Geschäften, einer dadurch drohenden Verödung der Stadtzentren sowie dem damit verbundenen Abbau von Arbeitsplätzen entgegenwirken. Hierzu sollten durch gesetzliche Benennung verschiedener gewichtiger Sachgründe für die Sonn- und Feiertagsöffnung für die Gemeinden rechtssichere Freigabemöglichkeiten geschaffen werden. Dabei beruft sich der Gesetzgeber auf einen ihm zustehenden weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung und Erstellung eines ihm aufgegebenen Schutzkonzeptes für die Gewährleistung des Sonn- und Feiertagsschutzes.
25Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 99 ff.
26In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu konkret, § 6 Absatz 1 Satz 2 bestimme im Rahmen einer neuen Regelungssystematik vom Gesetzgeber identifizierte, nicht abschließende Ziele, die im öffentlichen Interesse lägen und somit gewichtige Sachgründe für eine ausnahmsweise Verkaufsstellenöffnung an Sonn- und Feiertagen darstellten. Soweit diese Sachgründe vorlägen, sei auch vom Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Ladenöffnung auszugehen. Damit werde sichergestellt, dass nicht jedes öffentliche Interesse, sondern nur gewichtige, im Einzelfall festzustellende und in einer Abwägung dem gebotenen Sonn- und Feiertagsschutz gegenüberzustellende öffentliche Interessen eine Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsschutz rechtfertigen könnten. Die Anpassung an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung komme dadurch zum Ausdruck, dass der Landesgesetzgeber eine nicht abschließende Liste von Sachgründen in das Ladenöffnungsgesetz neu einführe, die im öffentlichen Interesse lägen und folglich vom Gesetzgeber als gewichtige Sachgründe definiert bzw. angesehen würden. Jeder Sachgrund für sich reiche aus, um das öffentliche Interesse zu begründen. Weitere nicht normierte, ebenso gewichtige Gemeinwohlbelange seien als Sachgründe denkbar. Es obliege weiterhin den zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden, eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen, in die die jeweils betroffenen Interessen und Rechtsgüter einzubeziehen seien. Auch die gesetzliche Verankerung neuer Sachgründe für eine Ausnahme zum Sonn- und Feiertagsschutz, wie hier geschehen, entbinde die zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden nicht von ihrem Recht und ihrer Pflicht, das Vorliegen eines Sachgrundes im Einzelfall zu prüfen und zu begründen. Bei der Vorbereitung der Rechtsverordnung habe sie zum einen Art und Ausmaß der konkret vorgesehenen Ladenöffnung sowie zum anderen die konkret verfolgten Gemeinwohlinteressen und deren Bestimmung und Gewichtung zu beachten. Danach bemesse sich, in welchem Umfang die aufgeführten potentiellen Sachgründe die verfassungsrechtliche Regel der sonn- und feiertäglichen Arbeitsruhe zurückzudrängen in der Lage seien.
27Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 103 f.
28Diese Ausführungen lassen letztlich zweifelsfrei erkennen, dass der Gesetzgeber die Einhaltung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses wahren wollte, indem er den Gemeinden unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten die gebotene Gewichtung von Gründen für sonntägliche Ladenöffnungsfreigaben im jeweiligen Einzelfall überließ.
29So bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 26.10.2018 – 4 B 1546/18 –, juris, Rn. 7 f., und vom 27.4.2018 – 4 B 571/18 –, NWVBl. 2018, 341 = juris, Rn. 5 f.
30Daran ändert letztlich nichts, dass insbesondere die Passage der Gesetzesbegründung, nach der jeder ‒ vom Gesetzgeber als gewichtig definierte ‒ Sachgrund für sich ausreiche, um das öffentliche Interesse zu begründen, Zweifel an der Wahrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zumal deshalb aufwirft, weil der Gesetzgeber auch davon ausgeht, dass nach seiner Konzeption regelmäßig mehrere Sachgründe des öffentlichen Wohls im Sinne von § 6 Absatz 1 Satz 2 LÖG NRW in Betracht kommen werden.
31Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 105.
32Denn wenn irgendein Sachgrund „regelmäßig“ gegeben ist, ist er nicht mehr Ausdruck des stets zu wahrenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses beim Sonn- und Feiertagsschutz.
33Dass regelmäßig einer der neu „definierten“ Sachgründe für ein öffentliches Interesse gegeben sein wird, beruht nach der Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, unter anderem darauf, dass bereits bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs bewusst darauf geachtet worden ist, die Reichweite möglicher Sachgründe möglichst weit zu ziehen. Schon der erste, dem Landtag am 29.8.2017 informatorisch zugeleitete Gesetzentwurf (LT-Vorlage 17/68, S. 1, 22 ff.) enthielt eine erkennbar an einem Vorschlag von Univ.-Prof. Dr. Dietlein ausgerichtete Regelungskonzeption. Dieser hatte in einem juristischen Gutachten, das Industrie- und Handelskammern aus mehreren Bundesländern in Auftrag gegeben hatten, um die verfassungsrechtlichen Spielräume für eine Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen ausloten zu lassen, unter Hinweis auf die Weite des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums verschiedene Sachgründe für Sonntagsladenöffnungen zur Stärkung des stationären Einzelhandels vorgeschlagen. Seine Vorschläge orientierten sich auftragsgemäß an der „roten Linie“ der Verfassung, nach der „die Erwägungen des Gesetzgebers nicht jene Schwelle der offensichtlichen Fehlsamkeit dahingehend überschreiten [dürfen], dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen mehr abgeben können“, angesichts derer der Verfasser „Spielraum für weitreichende Differenzierungen“ und „Ansätze für ‚niedrigschwellige‘ Öffnungsregelungen“ sah.
34Vgl. Dietlein, Gesetzgeberische Spielräume bei der Regelung von Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen. Gutachterliche Stellungnahme unter Berücksichtigung der Verfassungsvorgaben des Art. 140 GG iVm. Art. 139 WRV, Juli 2017, S. 6, 10, 21, 33 f., 38, 41, 44 ff.; abgedruckt auch in WiVerw 2018/2, S. 153 ff.; krit. hierzu Kühn, „Keine verlässliche Grundlage für gesetzliche Spielräume“, http://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwjypciltsTeAhUMYVAKHaOzC94QFjAAegQIABAC&url=http%3A%2F%2Fwww.sonntagsallianz-hessen.de%2F2018%2FAllianz-Gutachten_Dr_F_Kuehn_zu_Dietlein-Position-Januar_2018.pdf&usg=AOvVaw2wqQMEznyHBUT3roFiBOWf.
35Sodann hat das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW ein weiteres juristisches Gutachten durch Mitglieder der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin eingeholt, das sich für eine Lockerung der Nachweiskriterien für einen Zusammenhang mit örtlichen Veranstaltungen in Gestalt einer Vermutungsregelung aussprach. Zudem plädierte es für die Ausweitung der zunächst vorgesehenen Formulierungen für weitere Freigabegründe, um zu verhindern, dass eine Gefährdungssituation zur ‒ nachweispflichtigen ‒ „Tatbestandsvoraussetzung“ erhoben wird. Aus diesem Grund sprach es sich für die Aufnahme der „Stärkung oder der Entwicklung“ eines vielfältigen stationären Einzelhandels neben seinem zunächst nur vorgesehenen „Erhalt“ als gewichtigen Sachgrund aus. Es legte Wert auf die Feststellung, dass auch dezentralen Versorgungsbereichen eine beachtliche Bedeutung für die Gewährleistung einer verlässlichen Versorgung zukommen könne, wie dies etwa bei Möbelhäusern, Baumärkten oder anderen großen Einzelhandelsbetrieben mit nicht schwerpunktmäßig zentrenrelevanten Sortimenten der Fall sei. Auch sie trügen zur Vielfalt des in einer Gemeinde angesiedelten Einzelhandels bei. Die ursprünglich angedachte Fallgruppe der „Sicherung“ der Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche sollte nach einem Vorschlag der Gutachter erweitert werden um die Ziele „des Erhalts, der Stärkung oder der Entwicklung“ zentraler Versorgungsbereiche. Schließlich wurde angeregt, die bisher vorgeschlagene Formulierung, wonach als weiterer Sachgrund das Entgegenwirken gegen drohende Fehlentwicklungen der örtlichen Lebens- und Wohnverhältnisse, insbesondere in den Innenstädten, vorgesehen war, durch die allgemeinere Formulierung zu ersetzen, ein öffentliches Interesse bestehe auch, wenn die Ladenöffnung „der Belebung der Innenstädte, Ortskerne, Stadt- oder Ortsteilzentren“ diene.
36Vgl. Redeker Sellner Dahs, Kurzgutachten zur Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes Nordrhein-Westfalen, Oktober 2017, LT-Vorlage 17/323, S. 53 ff., 59 ff., 63, 65 ff., 71 ff.
37All diese Vorschläge und Anregungen arbeitete das zuständige Ministerium – unter Übernahme von Passagen der Begründung des ursprünglichen Entwurfs – in den Gesetzentwurf ein mit der Folge, dass nach dem jetzigen reinen Gesetzeswortlaut jede Gemeinde jederzeit zumindest geltend machen kann, sie wolle ein (überall stets gewünschtes) vielfältiges stationäres Einzelhandelsangebot bzw. (jeweils vorhandene) zentrale Versorgungsbereiche durch sonntägliche Ladenöffnungen erhalten, stärken oder entwickeln, ihre Zentren beleben oder ihre überörtliche Sichtbarkeit (insgesamt) steigern.
38Vgl. auch schon OVG NRW, Beschluss vom 27.4.2018 – 4 B 571/18 –, NWVBl. 2018, 341 = juris, Rn. 33.
39Eine tatbestandliche Begrenzung auf hinreichend gewichtige Ausnahmefallgestaltungen, die das verfassungsrechtlich gebotene Regel-Ausnahme-Verhältnis absichern könnte, erfolgt mit dem Gesetzeswortlaut damit letztlich ebenso wenig wie in der landesgesetzlichen Regelung aus Berlin, die das Bundesverfassungsgericht 2009 zu beurteilen hatte. Die alleinige Vorgabe, die ausnahmsweise Ladenöffnung an Sonn- oder Feiertagen müsse „im öffentlichen Interesse“ liegen, hat das Bundesverfassungsgericht nur bei einschränkender Auslegung als vereinbar mit Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV angesehen, weil die gesetzliche Regelung bei einem allein am Wortlaut orientierten Verständnis ermöglichte, jedes noch so geringe öffentliche Interesse genügen zu lassen. Es hat ‒ gerade auch in diesem Zusammenhang ‒ ausdrücklich klargestellt, dass ein öffentliches Interesse solchen Gewichts zu verlangen ist, das die Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertigt. Konkret hat es im Rahmen einer verfassungskonformen einschränkenden Auslegung „große Veranstaltungen“, die wegen ihrer Bedeutung für die ganze Stadt, auf die sich die gesetzlich vorgesehene Ladenöffnungsfreigabe beziehen sollte, eine Geschäftsöffnung erforderlich machen, als hinreichende Anlässe genügen lassen, aber bezogen auf die räumliche Reichweite auch für verfassungsrechtlich erforderlich gehalten.
40Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 179 ff.
41Einfallstor für eine danach auch in Nordrhein-Westfalen gebotene verfassungskonforme einschränkende Auslegung ist angesichts der vergleichbaren Weite der geschaffenen tatbestandlichen Ausnahmegründe, die selbst praktisch keine begrenzende Wirkung mehr entfalten, trotz anders zu verstehender Wendungen in der Gesetzesbegründung der bereits erwähnte, auch in der Gesetzesbegründung betonte Vorbehalt, nach dem es im jeweiligen Einzelfall einer Abwägung durch den örtlichen Verordnungsgeber bedarf. Für diese Abwägung hat der Gesetzgeber zudem schon selbst klargestellt, dass ein Sachgrund im Einzelfall möglicherweise nicht für sich genommen ausreichend erscheinen könne, um eine Ladenöffnung zu rechtfertigen. Allerdings könne eine Kumulation von Sachgründen dazu führen, dass die Summe des Gewichts dieser Sachgründe hierzu geeignet sein könne. Je schwerer die weiteren, im Einzelfall einschlägigen Sachgründe wögen, desto geringer müsse das darzulegende Gewicht des Zusammenhangs mit einer örtlichen Veranstaltung sein.
42Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 105.
43Anschaulich und zutreffend ist in der Gesetzesbegründung auch von „potentiellen Sachgründen“ für ein Zurückdrängen der verfassungsrechtlichen Regel der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen die Rede.
44Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 104.
45An einer in diesem Sinne im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehenden einschränkenden verfassungskonformen Gesetzesanwendung sieht sich der Senat nicht dadurch gehindert, dass sich den Gesetzesmaterialien auch die erklärte Absicht entnehmen lässt, Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen unbürokratisch in großzügigerem Umfang zuzulassen. Der Gesetzgeber hat nämlich die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte gewichtende Abwägung zwar für erforderlich gehalten, aber nicht selbst in einem von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abweichenden Sinne vorgenommen, sondern es gerade wegen des bewusst weit gefassten Katalogs möglicher Sachgründe den Gemeinden überlassen, unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben im Einzelfall die erforderliche Abwägung vorzunehmen.
46Daran ändert auch nichts, dass einige Ausführungen in der Gesetzesbegründung im Zusammenwirken mit der Normierung eines denkbar weit gefassten und deshalb einschränkender Auslegung bedürftigen gesetzlichen Katalogs von Sachgründen für sonn- und feiertägliche Ladenöffnungen die praktische Gefahr verfassungswidriger Fehlgewichtungen durch die Gemeinden im Einzelfall begünstigen. Dies gilt besonders, wenn diese ihre Abwägungen weniger unmittelbar an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen des grundrechtlich gebotenen Mindestniveaus des Sonn- und Feiertagsschutzes ausrichten als an dem landes- und kommunalpolitisch unterstützten, verfassungsrechtlich aber nicht maßgeblichen, Wunsch des örtlichen Handels nach einer „entfesselten“ Wirtschaftsförderung auch an Sonn- und Feiertagen. Auch die daraus folgenden praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Gesetzes stehen einer verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes schon mit Blick auf die klar bekundete gesetzgeberische Absicht, verfassungsrechtliche Schranken beachten zu wollen, nicht entgegen.
47Vor diesem Hintergrund hat der Senat der Sache nach bereits entschieden und hält nach nochmaliger Überprüfung daran fest, dass eine sonntägliche Ladenöffnung auch nach neuer Rechtslage in Nordrhein-Westfalen nicht schon deshalb zulässig ist, weil einer der Tatbestände des § 6 Absatz 1 Satz 2 LÖG NRW dem Wortsinn nach erfüllt ist. Um eine verfassungswidrige Unterschreitung des Mindestschutzniveaus zu verhindern und sicherzustellen, dass jeweils ein dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag des Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV genügender Sachgrund besteht, ist dies nach dem Schutzkonzept des Landesgesetzgebers von der zuständigen örtlichen Ordnungsbehörde im jeweiligen Einzelfall zu prüfen und zu begründen. Von dieser Pflicht ist sie durch die gesetzliche Verankerung möglicher Sachgründe in § 6 Abs. 1 Satz 2 LÖG NRW nicht entbunden.
48Vgl. näher dazu OVG NRW, Beschluss vom 27.4.2018 – 4 B 571/18 –, NWVBl. 2018, 341 = juris, Rn. 4 ff., m. w. N.
49Dabei können nur gewichtige, im Einzelfall festzustellende und in einer Abwägung dem gebotenen Sonn- und Feiertagsschutz gegenüberzustellende öffentliche Interessen die ausnahmsweise Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag rechtfertigen. Die Behörde muss bei ihrer Entscheidung dem verfassungsrechtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen gerecht werden. Dazu hat sie anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägung zu prüfen und in einer für die gerichtliche Überprüfung nachvollziehbaren – dokumentierten – Weise zu begründen, ob einer der in § 6 Abs. 1 Satz 2 LÖG NRW aufgezählten Sachgründe oder ein sonstiger Sachgrund tatsächlich vorliegt und, gegebenenfalls in Kombination mit anderen, hinreichend gewichtig ist, um die konkrete Ladenöffnung – auch hinsichtlich ihres räumlichen Geltungsbereichs – zu rechtfertigen.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.4.2018 – 4 B 571/18 –, NWVBl. 2018, 341 = juris, Rn. 29 ff.
51Die Anforderungen an das jeweils zu verlangende Gewicht öffentlicher Interessen an einer sonntäglichen Ladenöffnung zur Wahrung des verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutzniveaus ergeben sich dabei aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Allgemeine Ausführungen in einer Gesetzesbegründung, die jederzeit gegebene tatbestandliche Voraussetzungen als gewichtige Sachgründe zu definieren versuchen, werden der Bedeutung des unmittelbar durch die Verfassung garantierten Schutzes der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen nicht gerecht und sind deshalb auch nicht unter Hinweis auf einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Rechtsanwendung zu Grunde zu legen.
52Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Freigabe einer Ladenöffnung erfüllt sind, unterliegt grundsätzlich in vollem Umfang verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum eröffnet sich dem Verordnungsgeber nur bei der Prognose künftiger Ereignisse.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.5.2017 – 8 CN 1.16 –, GewArch 2017, 1713 = juris, Rn. 17; dazu auch Redeker Sellner Dahs, Kurzgutachten zur Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes Nordrhein-Westfalen, Oktober 2017, LT-Vorlage 17/323, S. 30.
54Bei der Beurteilung können nur solche Sachgründe als hinreichend gewichtige Ausnahmen anerkannt werden, die ein Arbeiten „trotz des Sonntags“ aus gesellschaftlichen oder technischen Gründen notwendig machen oder als „Arbeit für den Sonntag“ den Bürgern eine individuelle Gestaltung ihres Tages der Arbeitsruhe ermöglichen sollen.
55Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 156 f., 165 ff.
56Diese seit jeher erfolgende, einfachrechtlich vorzunehmende Bildung begrenzender Fallgruppen, in denen eine Rechtfertigung dafür gegeben wird, weshalb Arbeit gerade an Sonn- und Feiertagen zugelassen werden soll, ist erkennbar gemeint, wenn das Bundesverfassungsgericht Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Ladenöffnung nur für zulässig erachtet, wenn für sie ‒ jenseits unbeachtlicher bloßer wirtschaftlicher Umsatzinteressen und alltäglicher Erwerbsinteressen ‒ ein dem Sonntagsschutz gerecht werdender Sachgrund gegeben ist.
57Vgl. in diesem Sinne bereits BVerfG, Urteil vom 9.6.2004 ‒ 1 BvR 636/02 ‒, BVerfGE 111, 10 = juris, Rn. 180.
58Nur bei der dem Gesetzgeber durch den verfassungsrechtlichen Schutz- und Ausgestaltungsauftrag aufgegebenen Benennung und Zuordnung möglicher Ausnahmeregelungen zu den Fallgruppen der „Arbeit trotz des Sonntags“ sowie der „Arbeit für den Sonntag“ steht ihm ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, im Rahmen dessen er auch andere Belange als den Schutz der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zur Geltung bringen sowie auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, insbesondere auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen kann. Allerdings führt der Schutz der Verwirklichung von Freizeitwünschen der Bürger insoweit zu einem Konflikt, als diese auf die Bereitstellung von Leistungen angewiesen sind, die den Arbeitseinsatz der Anbieter solcher Leistungen erfordern.
59Vgl. BVerfG, Urteile vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 135, 152 f., 155, und vom 9.6.2004 ‒ 1 BvR 636/02 ‒, BVerfGE 111, 10 = juris, Rn. 177 ff.
60Eine vom Gesetz- oder Verordnungsgeber vorzunehmende begrenzende Würdigung dahingehend, ob hinreichend gewichtige Sachgründe gegeben sind, aus denen die Arbeitsruhe ausnahmsweise „trotz des Sonntags“ oder „für den Sonntag“ durchbrochen werden kann, ist aus Gründen der Wettbewerbsneutralität auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Nur dann, wenn einer Gruppe „aus besonderem Anlass“ die ‒ im Wettbewerb bedeutsame ‒ Vergünstigung der ausnahmsweisen Ladenöffnungsbefugnis eröffnet wird, ist es gerechtfertigt, diese Vergünstigung denen zu versagen, für die kein vergleichbarer besonderer Anlass besteht.
61Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 171.
62So ist etwa die Absicht, mit Rücksicht auf eine geänderte soziale Wirklichkeit beispielsweise in bestimmten Verkaufsstellen ausnahmsweise Möglichkeiten zum „Erlebniseinkauf“ und zum Einkauf von Artikeln des täglichen Bedarfs einzuräumen, unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil aus diesen Gründen eine Durchbrechung eines besonderen Arbeitszeitschutzes anderswo nicht gewährt wird. Deshalb bedarf es einer Beschränkung des Grundes sowie des Umfangs der Ausnahmen durch Kriterien, die eine nachvollziehbare Differenzierung erlauben und rechtfertigen.
63Vgl. BVerfG, Urteil vom 9.6.2004 ‒ 1 BvR 636/02 ‒, BVerfGE 111, 10 = juris, Rn. 118, 161.
64Insoweit hat nach dem neuen Regelungskonzept des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers die jeweilige Gemeinde gerade zu beantworten, ob und inwieweit die vom Gesetzgeber als schützenswert erachteten Belange – ein vielfältiger Einzelhandel, der Erhalt von Arbeitsplätzen, zentrale Versorgungsbereiche oder gar der Bestand kleiner Gemeinden, die trotz oder wegen maximaler Ausweitung werktäglicher Ladenöffnungszeiten (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW) – konkret gefährdet erscheinen oder wenigstens nachweisbaren besonderen standortbedingten Wettbewerbsnachteilen unterliegen. Darüber hinaus muss sie beurteilen, ob sich die erkannten Gefahren oder Standortnachteile gerade um den Preis von Eingriffen in die grundsätzliche Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen durch vereinzelte Ausnahmeregelungen in einem Umfang bekämpfen lassen, der eine beabsichtigte Ausnahme rechtfertigt.
65Sowohl der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit als auch der einzelne Freigaben beschließende Verordnungsgeber hat seiner Einschätzung dabei zu Grunde zu legen, dass der Ladenöffnung nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Sonn- und Feiertagsschutz großes Gewicht zukommt. Das Erreichen des Ziels des Sonntagsschutzes setzt das Ruhen der typischen werktäglichen Geschäftigkeit voraus. Gerade die Ladenöffnung prägt aber wegen ihrer öffentlichen Wirkung den Charakter des Tages in besonderer Weise. Von ihr geht eine für jedermann wahrnehmbare Geschäftigkeit und Betriebsamkeit aus, die typischerweise den Werktagen zugeordnet wird. Diese Wirkung wird nicht nur durch die in den Verkaufsstellen tätigen Arbeitnehmer und sonstigen Beschäftigten ausgelöst, sondern auch durch die Kunden. Sie erfasst überdies den Straßenverkehr und den öffentlichen Personennahverkehr in seiner Dichte und hat Rückwirkungen auf dessen Beschäftigte wie auch den verkehrsverursachten Lärm. Auf diese Weise bestimmt die Ladenöffnung maßgeblich das öffentliche Bild des Tages. Damit werden notwendig auch diejenigen betroffen, die weder arbeiten müssen noch einkaufen wollen, sondern Ruhe und seelische Erhebung suchen.
66Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 164 f.
67Im Falle von Veranstaltungen mit erheblicher Sogwirkung auf Besucher verringert sich deshalb auf der einen Seite der Einfluss der Ladenöffnung auf den ohnehin ausnahmsweise durch starken Besucherverkehr geprägten Charakter des Tages, während auf der anderen Seite der an Sonntagen grundsätzlich untergeordnete Gesichtspunkt der Versorgung von Touristen und Besuchern hierdurch ausnahmsweise besondere Bedeutung erlangen und eine Sonntagsöffnung rechtfertigen kann.
68Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 165, 170, 182. Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2018 – 4 B 1546/18 –, juris, Rn. 46.
69Das generelle Bestreben des Gesetzgebers, einen vielfältigen stationären Einzelhandel angesichts eines sich ‒ auch durch die prognostizierte Entwicklung des Online-Handels sowie Konkurrenz aus dem benachbarten Ausland ‒ verschärfenden Wettbewerbs zu sichern und zu stärken, hat aber für sich genommen das erforderliche Gewicht zur Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutzes selbst dann nicht, wenn die in der Gesetzesbegründung genannten Wachstumsprognosen zum Online-Handel und die Erwartung einer Gefährdung zahlreicher Einzelhandelsgeschäfte der Beurteilung zu Grunde gelegt werden.
70Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 100, 104, 106, 108 ff.
71Das allgemeine Konkurrenzverhältnis zum Online-Handel kann schon deshalb keine Ausnahme von der Regel der Sonn- und Feiertagsruhe begründen, weil dies in grundsätzlich gleicher Weise ganzjährig für den Einzelhandel einer jeden Kommune besteht.
72Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.4.2018 – 4 B 571/18 –, NWVBl. 2018, 341 = juris, Rn. 40
73Der öffentliche Charakter des Tages ist zudem durch den Online-Handel nicht geprägt, weil für deren Anbieter ebenso wie für den stationären Handel das grundsätzliche Gebot sonn- und feiertäglicher Arbeitsruhe gilt, ohne dass sie von für sie nicht einschlägigen Ausnahmen nach dem Ladenöffnungsgesetz profitieren können.
74Kühn, „Keine verlässliche Grundlage für gesetzliche Spielräume“, S. 5 f., http://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwjypciltsTeAhUMYVAKHaOzC94QFjAAegQIABAC&url=http%3A%2F%2Fwww.sonntagsallianz-hessen.de%2F2018%2FAllianz-Gutachten_Dr_F_Kuehn_zu_Dietlein-Position-Januar_2018.pdf&usg=AOvVaw2wqQMEznyHBUT3roFiBOWf.
75Darüber hinaus dürfte sich auch mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, nach der der wirtschaftliche Aufschwung schon seit dem Jahr 2009 ansteigt, die Überauslastung der deutschen Wirtschaft voraussichtlich weiter steigen und die Anspannung der Wirtschaft zunehmen wird sowie insbesondere der private Konsum robust expandiert,
76vgl. Jahresgutachten 2017/2018 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drs. 19/80, S. 129, 131 f. und 140,
77etwa die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachte Einschätzung kaum belegen lassen, unter anderem zur angestrebten Stärkung eines vielfältigen stationären Einzelhandels wäre es grundsätzlich hilfreich, an mehr als acht Sonn- und Feiertagen öffnen zu können.
78Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 103.
79Nach vom Gesetzgeber herangezogenen Erkenntnissen des Bundesinstituts für Bau‑, Stadt- und Raumforschung sowie des Handelsverbandes Deutschland zu möglichen räumlichen Auswirkungen des Online-Handels auf Innenstädte, Stadtteil- und Ortszentren wird der aktuelle Strukturwandel im Handel wie folgt beschrieben:
80„Der Einzelhandel befindet sich seit Jahrzehnten in einem Strukturwandel. Ein Kennzeichen ist der stetige Wandel an Betriebsformen. Dieser drückt sich u. a. aus im Rückgang der Marktanteile der Warenhäuser, in der Zunahme von Shoppingcentern sowie jüngst in der Verschiebung von deren Standortpräferenzen von der ‚grünen Wiese‘ in die Innenstädte. Ebenso gehört zum Strukturwandel das Wachstum von Fachmarktagglomerationen, das allerdings regional unterschiedlich verläuft. Schlecht sind die Perspektiven für Fachmarktzentren vor allem dort, wo attraktive Einkaufsalternativen bestehen sowie in demografisch und strukturell schwächelnden Regionen. Auch die Nahversorgung unterliegt einem Wandel; selbst in größeren Städten werden längere Wege in der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs erforderlich. Ein weiteres Charakteristikum ist das starke Wachstum des Online-Handels, der ein Trendverstärker, jedoch nicht der Auslöser für Probleme des stationären Handels ist. Zu diesen haben beispielsweise auch die überdimensionierten Flächenausweisungen in den vergangenen Jahr(zehnt)en beigetragen. Neben den Standortkategorien Innenstadt und ‚grüne Wiese‘ wirkt der Online-Handel wie eine zusätzliche Standortkategorie: ein ‚virtueller Standort‘, der erhebliche Umsatzverluste an den bisherigen stationären Standorten erzeugen kann. Weitere verstärkende Rahmenbedingungen sind die demografische Entwicklung, der Wertewandel, Dynamiken des Immobilienmarktes usw.“
81Vgl. Studie „Online-Handel – Mögliche räumliche Auswirkungen auf Innenstädte, Stadtteil- und Ortszentren“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung und des Handelsverbandes Deutschland (HDE) – BBSR-Online-Publikation Nr. 08/2017, S. 7.
82Angesichts des so beschriebenen Strukturwandels räumt die Gesetzesbegründung einer Erweiterung der Ladenöffnungsmöglichkeiten an Sonn- und Feiertagen einen gewichtigen Stellenwert für die Stärkung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebots ein, auch wenn sie darin nur einen Beitrag unter vielen für erforderlich gehaltenen Handlungsansätzen sieht.
83Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 102, 106, 108 f.
84Bei einer hinreichend differenzierten begrenzten Freigabe von Ladenöffnungszeiten, die sich an gewichtigen sachlichen Ausnahmegründen orientiert, ist diese Einschätzung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings spricht ganz Überwiegendes dafür, dass mit einer zu weitreichenden zeitlichen und räumlichen Erweiterung von Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen die ohnehin bereits angespannte Wettbewerbslage im stationären Einzelhandel, die nach Annahme des Gesetzgebers schon jetzt den Bestand zahlreicher Geschäfte gefährdet, um den Preis einer Erhöhung der zu bekämpfenden Gefahren noch weiter verschärft wird. Wie sich insbesondere auch aus dem Einzelhandelsstandort- und Zentrenkonzept der Antragsgegnerin ergibt, hat schon die vollständige Freigabe der Ladenöffnungszeiten an Werktagen vor einigen Jahren erwartungsgemäß zu einer Begünstigung verkehrsgünstiger Standorte, Innenstadtlagen und Einkaufszentren etwa gegenüber kleineren Fachhandelsbetrieben geführt, die die erforderliche Ausweitung des Personalaufwandes meist nicht tragen können und daher auf die Ausnutzung der neuen Freiheiten weitgehend verzichten.
85Vgl. Einzelhandelsstandort- und Zentrenkonzept, Stadt Bornheim, Fortschreibung 2010 / 2011, S. 54; dazu bereits BVerfG, Urteil vom 9.6.2004 ‒ 1 BvR 636/02 ‒, BVerfGE 111, 10 = juris, Rn. 127 ff.
86Je häufiger und je weitreichender an Sonn- und Feiertagen zusätzliche Ladenöffnungen gestattet werden, desto mehr wird sich die Wettbewerbslage noch weiter zu Lasten auch derer verschieben, um deren Förderung es dem Gesetzgeber eigentlich geht, nämlich der Händler, die bereits dem derzeitigen Wettbewerbsdruck kaum standhalten können, und der in ihren Betrieben Beschäftigten.
87Das gilt umso mehr, je weiter das Bestreben verfolgt wird, durch erweiterte Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen, einen Ausgleich dafür zu bieten, dass der Sonntag der frequenzreichste Tag im gegenüber dem stationären Handel grundlegend anderen Rahmenbedingungen unterliegenden Online-Handel ist.
88Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 104; BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 171.
89Dementsprechend richten sich selbst die Empfehlungen des Bundesinstituts für Bau‑, Stadt- und Raumforschung und des Handelsverbandes Deutschland zu angemessenen Reaktionen auf den auch durch den Online-Handel verstärkten Wettbewerb in erster Linie gar nicht auf eine Erweiterung von örtlich begrenzten Ausnahmen für Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen im stationären Einzelhandel, der sich zunehmend selbst die Vorteile des Online-Handels zunutze macht. Bezogen auf das Thema Ladenöffnungszeiten wird als wirksamer Beitrag zur Stärkung des stationären Handels vor allem gesehen, Öffnungszeiten aller Händler eines Standorts zu vereinheitlichen, zumal die Uneinheitlichkeit der Ladenöffnungszeiten seit Jahren regelmäßiger Kritikpunkt in kommunalen Einzelhandelsgutachten und bei Kundenbefragungen sei.
90Vgl. Studie „Online-Handel – Mögliche räumliche Auswirkungen auf Innenstädte, Stadtteil- und Ortszentren“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung und des Handelsverbandes Deutschland (HDE) – BBSR-Online-Publikation Nr. 08/2017, S. 6, 32, 80, 82 f.
91Schon bei Einführung des Ladenschlussgesetzes im Bund Mitte der 1950er war man davon ausgegangen, die Ergebnisse eingehender Erhebungen über die Arbeitszeiten der Ladenangestellten sowie die Erfahrungen der Aufsichtsbehörden und insbesondere die Feststellungen der Gewerkschaften zeigten, dass die Einhaltung der geltenden Arbeitszeitvorschriften nur bei einer angemessenen Begrenzung der zulässigen Ladenöffnungszeiten möglich sei. Die Versuchung, die Arbeitszeit des Verkaufspersonals der Ladenöffnungszeit anzugleichen, sei namentlich in kleinen und kleinsten Geschäften besonders groß.
92Vgl. Ausschussbericht, BT-Drs. 2/2810, S. 1, zu den hieraus abgeleiteten Voraussetzungen für den Sonntagsverkauf siehe S. 4, 14.
93Vor diesem Hintergrund dürfte sich zur gewünschten Stärkung insbesondere des gefährdeten Einzelhandels ‒ unter Wahrung des Schutzes der Beschäftigten ‒ an nach den planerischen Vorstellungen der Gemeinde keine Überkapazitäten bietenden und damit erhaltenswürdigen Standorten durch Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen ohnehin nur dann beitragen lassen, wenn hierdurch regional begrenzten Fehlentwicklungen begegnet werden soll oder standortbedingte außergewöhnlich ungünstige Wettbewerbsbedingungen ausgeglichen werden sollen. Die sonntägliche Ladenöffnung ist jedoch kein Instrument, einzelnen Geschäften in einem ohnehin schon hart umkämpften Wettbewerb jenseits besonderer örtlicher Gründe hierfür die Möglichkeit zu geben, auch am Sonntag zusätzliche Umsätze zu verschaffen, während dies anderen Marktkonkurrenten versagt wird.
94Die Beschwerdebegründung gibt schließlich Anlass zu der ergänzenden Bemerkung, dass sich die zur Wahrung des Mindestschutzes der Sonn- und Feiertagsruhe erforderliche Gewichtung von Sachgründen für geplante Verkaufsstellenöffnungen – wie die vorstehenden Ausführungen zeigen – anhand der sehr umfangreichen verfassungsgerichtlichen Klärung durch das Bundesverfassungsgericht ausreichend rechtssicher ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand beurteilen lässt. Dies kann etwa in der Weise geschehen, dass sich die Gemeinde darauf beschränkt, verkaufsoffene Sonntage nur im Zusammenhang mit Veranstaltungen mit beträchtlichem Besucheraufkommen in dem davon betroffenen Bereich auszuweisen.
95Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.12.2017 ‒ 4 B 1538/17 ‒, DVBl. 2018, 261 = juris, Rn. 17 f.; dazu siehe auch Sarnighausen, NWVBl. 2018, 221, 223 ff., 226.
96Insoweit erleichtert die Einführung der gesetzlichen Vermutungsregelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG NRW die Wahrung des erforderlichen Regel-Ausnahme-Verhältnisses auch verfahrensmäßig.
97Auch wenn der Gesetzgeber durch die Erweiterung möglicher Gründe einschließlich der Gestattung ihrer gemeinsamen Geltendmachung neue Freigabemöglichkeiten eröffnet hat,
98vgl. z. B. OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2018 – 4 B 1546/18 –, juris, Rn. 22,
99ergibt sich eine verfahrensmäßige Vereinfachung jedenfalls nicht für Gemeinden, die mit Hilfe der gesetzlich neu geschaffenen weiteren Sachgründe den verfassungsrechtlichen Rahmen zulässiger sonntäglicher Ladenöffnungsfreigaben maximal auszuschöpfen versuchen. Denn insoweit kann in Abhängigkeit von den jeweils verfolgten Zielen eine verfassungsrechtlich anspruchsvolle Abwägung aller möglicherweise einschlägigen Sachgründe verschiedener Gewichtigkeit erforderlich sein. Sofern Gemeinden gerade auch im Interesse der von ihren Regelungen Betroffenen an rechtssicheren Entscheidungen gelegen ist, können sie ohne Weiteres darauf verzichten, eine derart aufwendige Abwägung vorzunehmen. Gerade wenn eine Gemeinde wie die Antragsgegnerin qualifizierten Rechtsrat heranzieht, hat sie es selbst in der Hand, schon bei der Mandatierung deutlich zu machen, dass es ihr nicht darum geht, verfassungsrechtliche Risiken einzugehen, indem ein kommunalpolitisch gewünschtes Ergebnis juristisch möglichst gut begründet werden soll, sondern darum, bei der Erstellung einer den Anforderungen der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung genügenden verfassungsrechtlich tragfähigen Verordnungsregelung unterstützt zu werden. Rechtsunsicherheit und ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand werden vor allem dort erzeugt, wo diese verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht wirklich umgesetzt oder die Tragfähigkeit der vom Gesetzgeber neu geschaffenen Sachgründe im Einzelnen möglichst vollständig ausgelotet werden.
100Ausgehend von den ausgeführten verfassungsrechtlichen Vorgaben ist für die Anwendung der einzelnen gesetzlichen Sachgründe im Einzelnen von folgenden Grundsätzen auszugehen, die der Senat im Wesentlichen bereits in seiner Spruchpraxis entwickelt hat:
101b) Wird die Freigabe der Ladenöffnung damit begründet, sie stehe im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LÖG NRW im Zusammenhang mit örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen, muss sich der Verordnungsgeber in einer für die gerichtliche Überprüfung nachvollziehbaren – dokumentierten – Weise Klarheit über Charakter, Größe und Zuschnitt der Veranstaltung verschaffen. Nur auf dieser Grundlage lässt sich im Rahmen der gebotenen Abwägung beurteilen, ob die jeweilige Veranstaltung einen hinreichend gewichtigen Sachgrund darstellt, der die in der beabsichtigten Ladenöffnung liegende Ausnahme von der Regel der Sonn- und Feiertagsruhe rechtfertigt.
102Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4.5.2018 – 4 B 590/18 –, juris, Rn. 12 ff., und vom 25.5.2018 – 4 B 707/18 –, Städte- und Gemeinderat 2018, Nr. 7-8, 34 = juris, Rn. 16 f., jeweils m. w. N.
103Davon kann, soll allein ein Zusammenhang mit einer örtlichen Veranstaltung die Ladenöffnung rechtfertigen, nur dann ausgegangen werden, wenn die öffentliche Wirkung der jeweiligen Veranstaltung gegenüber der typischen werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund steht. Die Ladenöffnung entfaltet dann eine geringe prägende Wirkung, wenn sie nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheint. Dieses vom Bundesverwaltungsgericht für Ladenöffnungen „aus Anlass“ von Veranstaltungen mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutz entwickelte Erfordernis,
104vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 ‒ 8 CN 2.14 ‒, BVerwGE 153, 183 = juris, Rn. 23 f.,
105das der Senat in ständiger Rechtsprechung auf den Anlassbezug in § 6 Abs. 1 LÖG NRW a. F. übertragen hat,
106vgl. grundlegend OVG NRW, Beschluss vom 10.6.2016 – 4 B 504/16 –, NWVBl. 2016, 513 = juris, Rn. 32 ff.,
107gilt angesichts seiner verfassungsrechtlichen Verankerung auch für den nunmehr in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LÖG NRW vorausgesetzten „Zusammenhang“ zwischen Ladenöffnung und örtlicher Veranstaltung. Die Ersetzung des früheren Anlassbezugs durch die Voraussetzung eines – bei räumlicher und zeitlicher Nähe vermuteten – „Zusammenhangs“ soll die kommunalen Verordnungsgeber insbesondere von der Notwendigkeit einer Besucherprognose, wie sie nach der Rechtsprechung zur bisherigen Gesetzesfassung in der Regel erforderlich war, befreien.
108Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.4.2018 – 4 B 571/18 –, NWVBl. 2018, 341 = juris, Rn. 21 ff., m. w. N.
109Mit Blick auf den dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sonn- und Feiertagsschutzes zustehenden Spielraum bedarf es nicht zwingend einer Besucherprognose, sofern der Ausnahmecharakter einer sonn- oder feiertäglichen Ladenöffnung im Ergebnis gewahrt bleibt.
110Das ändert indes nichts daran, dass eine Veranstaltung nach Charakter, Größe und Zuschnitt ein hinreichendes Gewicht haben muss, um die mit der jeweiligen Ladenöffnung beabsichtigte Ausnahme von der verfassungsrechtlichen Regel der Sonn- und Feiertagsruhe rechtfertigen zu können.
111Vgl. Schink/Ley/van Schewick, DVBl. 2018, 965, 971; Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW, Anlage zur Anwendungshilfe für die Kommunen und den Handel im Umgang mit dem neugefassten § 6 LÖG NRW (Stand: 8.5.2018), S. 10, 12, https://www.wirtschaft.nrw/sites/default/files/asset/document/anwendungshilfe_loeg_nrw_2018_anlage_0.pdf.
112Dieses Erfordernis ergibt sich nicht nur aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben, sondern findet seinen Niederschlag auch in der gegenüber der früheren Rechtslage unveränderten Begrifflichkeit, wonach weiterhin „örtliche Feste, Märkte, Messen oder ähnliche Veranstaltungen“ zur Rechtfertigung von Sonntagsladenöffnungen ausreichen sollen. Mit diesen Begriffen, die aus der früheren bundesrechtlichen Regelung übernommen worden sind, sind seit jeher nur solche Veranstaltungen gemeint, die einen „beträchtlichen Besucherstrom“ anziehen, so dass der Besucherstrom also nicht erst durch die Offenhaltung der Verkaufsstellen ausgelöst wird.
113Vgl. so bereits BVerwG, Beschluss vom 18.12.1989 – 1 B 153.89 –, GewArch 1990, 143 = juris, Rn. 5, unter Hinweis auf BR-Drs. 310/54, S. 23 f.
114Dementsprechend kann auch die gesetzliche Vermutung des § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG NRW, wonach ein Zusammenhang mit einer derartigen örtlichen Veranstaltung und mithin ein öffentliches Interesse an der Ladenöffnung vermutet wird, wenn sie in räumlicher Nähe zur örtlichen Veranstaltung sowie am selben Tag erfolgt, nur dann eingreifen bzw. als nicht widerlegt angesehen werden, wenn Veranstaltungen in Rede stehen, die selbst bereits einen „beträchtlichen Besucherstrom“ anziehen und wenn dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag für die Sonn- und Feiertagsruhe aus Art. 139 WRV i. V. m. Art. 140 GG und den hieraus vom Bundesverfassungsgericht insbesondere in seinem Urteil vom 1.12.2009 entwickelten Anforderungen, im Ergebnis Genüge getan ist.
115Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2018 – 4 B 1546/18 –, juris, Rn. 7 ff.
116c) Bezogen auf weitere vom Gesetzgeber angeführte mögliche Sachgründe für sonntägliche Ladenöffnungen genügt nicht die bloße Behauptung, eine beabsichtigte Ladenöffnung diene den in Nummern 2 bis 5 des § 6 Abs. 1 Satz 2 LÖG NRW aufgeführten Zielen oder liege sonst im öffentlichen Interesse, um eine Ausnahme von der verfassungsrechtlichen Regel der Sonn- und Feiertagsruhe zu rechtfertigen. Insbesondere sind die in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 5 LÖG NRW definierten öffentlichen Interessen in ihrer Zielrichtung sehr weit gefasst, daher letztlich stets in allgemeiner Weise berührt und insoweit nicht geeignet, einen als solchen für die Öffentlichkeit erkennbaren Ausnahmecharakter der Ladenöffnung zu begründen. Um dem verfassungsrechtlich gebotenen und vom Gesetzgeber vorausgesetzten Regel-Ausnahme-Verhältnis gerecht zu werden, müssen die in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 5 LÖG NRW genannten Ziele nach den konkreten Verhältnissen in der betreffenden Kommune in dem für die Ladenöffnung vorgesehenen Bereich zumindest in besonderer Weise betroffen sein, um eine Ausnahme von der Regel der Sonn- und Feiertagsruhe gegebenenfalls rechtfertigen zu können. Jedenfalls muss es sich dabei um Belange handeln, die tatsächlich über das bloße Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse potenzieller Käufer an einer Ladenöffnung hinausgehen. Die Öffnung muss zudem, um den genannten Zielen zu „dienen“ (Nr. 2 bis 4) bzw. ihre Verwirklichung zu „steigern“ (Nr. 5), zur Zielerreichung geeignet, d. h. dem jeweiligen Zweck jedenfalls förderlich sein.
117Vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 102; OVG NRW, Beschlüsse vom 27.4.2018 – 4 B 571/18 –, NWVBl. 2018, 341 = juris, Rn. 33 ff., und vom 26.10.2018 ‒ 4 B 1546/18, juris, Rn. 36.
118Weil die in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 5 LÖG NRW genannten Ziele so weit gefasst und nicht einmal abschließend gebildet sind, bedarf es ‒ wie ausgeführt ‒ von Verfassungs wegen einer einschränkenden Gesetzesauslegung.
119Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 179 ff.
120Da danach ein über das bloße Umsatzinteresse hinausgehendes öffentliches Interesse solchen Gewichts zu verlangen ist, das die Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertigt, müssen im Rahmen der Abwägung vor allem dann besonders gewichtige örtliche Besonderheiten gegeben sein, wenn der Charakter des Tages in dem für die Ladenöffnung vorgesehenen Bereich nicht ohnehin schon durch ein veranstaltungsbedingt erhöhtes Besucheraufkommen und die hierdurch dort ausgelöste Geschäftigkeit maßgeblich (vor-)geprägt ist.
121Beispielsweise hat das stets ‒ auch aus städtebaulichen oder gesellschafts- bzw. arbeitsmarktpolitischen Gründen ‒ gegebene, von dem Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber unterscheidbare, mit ihm aber im Allgemeinen parallel laufende kommunale Interesse an der Stärkung oder der Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebots, obwohl seine Verfolgung durch Handel und Politik grundsätzlich berechtigt ist, im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes in seiner Allgemeinheit gerade nicht das verfassungsrechtlich erforderliche Gewicht. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass das stets gegebene kommunale Interesse an der Steigerung der Einzelhandelsattraktivität einer Gemeinde – auch im Wettbewerb mit Nachbargemeinden – als verfassungsrechtlich hinreichender Sachgrund für die Sonntagsöffnung nicht in Betracht kommt. Es verkörpert letztlich nichts anderes als das Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber, das eine Sonntagsöffnung nicht rechtfertigen kann.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.5.2017 – 8 CN 1.16 –, GewArch 2017, 1713 = juris, Rn. 21.
123Während im Bereich der Industrie Ausnahmen vom Sonntagsschutz etwa zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich und damit aus beschäftigungspolitischen Erwägungen seit langem akzeptiert sind, zumal diese der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend entzogen ist und ihr damit kein prägender Charakter für den äußeren Ruherahmen der Sonntage zukommt,
124vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 156, insoweit in LT-Drs. 17/1046, S. 106, sinnentstellend unvollständig wiedergegeben,
125haben nämlich Forderungen zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen und zur Arbeitsplatzerhaltung im Einzelhandel, denen der Gesetzgeber im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen Rechnung tragen wollte,
126vgl. LT-Drs. 17/1046, S. 100 ff.,
127im Zusammenhang mit für den Charakter des Tages regelmäßig prägenden sonntäglichen Verkaufsstellenöffnungen in ihrer Allgemeinheit grundsätzlich gerade nicht das erforderliche Gewicht zur Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen durch die maximale Ausweitung der werktäglichen Öffnungszeiten auf 24 Stunden (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW), die, wenn von ihnen Gebrauch gemacht wird, mit entsprechendem Personaleinsatz verbunden ist, noch mehr an Bedeutung und Gewicht gewinnt, zumal der Landesgesetzgeber gerade der Berufsausübungsfreiheit der Verkaufsstelleninhaber wie auch der allgemeinen Handlungsfreiheit potenzieller Kunden durch die maximale Ausweitung der werktäglichen Öffnungszeiten in weitem Umfang Rechnung getragen hat. Dem Bedarfsdeckungs- und Versorgungsargument, beschäftigungspolitischen Effekten und dem Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen kommt deswegen nach der insoweit maßgeblichen Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts an Sonn- und Feiertagen nur noch geringe Bedeutung zu.
128Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 ‒ 1 BvR 2857, 2858/07 ‒, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 168 ff.
129Daran ändert sich auch nicht bereits dann etwas, wenn verkaufsoffene Sonntage als bloßes Marketinginstrument auf Wunsch des Einzelhandels unabhängig von ortsspezifischen Fehlentwicklungen oder Gefährdungen und ohne Einbindung in eine schlüssige konzeptionelle Gesamtstrategie aus verschiedenen wirtschaftspolitischen Stärkungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Einzelhandelskonzepten erwähnt werden. Damit das Interesse an einem vielfältigen Einzelhandel wenigstens in Kombination mit anderen Sachgründen das erforderliche Gewicht für eine Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes erlangen kann, müssen nach den oben ausgeführten Maßstäben besondere örtliche Problemlagen (z. B. regional begrenzte Fehlentwicklungen oder standortbedingte außergewöhnlich ungünstige Wettbewerbsbedingungen) belegbar gegeben sein, die eine Durchbrechung der Arbeitsruhe sowie eine Begünstigung bestimmter Verkaufsstellen auch unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Wettbewerbsneutralität rechtfertigen können. Hierzu bedarf es zudem eines schlüssig verfolgten Gesamtkonzepts, im Rahmen dessen verkaufsoffene Sonntage geeignet erscheinen, den damit verfolgten legitimen Zielen jenseits des Umsatzinteresses des Handels zu dienen.
130Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2018 – 4 B 1546/18 –, juris, Rn. 38 f.
131Von der Eignung, von der jeweiligen Gemeinde ins Auge gefasste ausreichend gewichtige städtebauliche und gesellschaftspolitische Ziele im Zusammenhang mit der Einzelhandelsentwicklung zu fördern, ist etwa dann auszugehen, wenn es sich um eine Maßnahme handelt, die in einem Einzelhandelskonzept vorgesehen ist, das unter Berücksichtigung planungsrechtlicher Vorgaben aufgestellt und in der Lage ist, die Einzelhandelsentwicklung im gesamten Gemeindegebiet nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu ordnen.
132Vgl. hierzu z. B. BVerwG, Beschluss vom 9.6.2016 ‒ 4 B 8.16 ‒, ZfBR 2016, 699 = juris, Rn. 9; siehe auch §§ 1, 17 LPlG NRW i. V. m. Nr. 6.5 LEP NRW.
1332. Diesen Anforderungen genügt die hier streitige Freigabe der Verkaufsstellenöffnung am 4.11.2018 von 13 Uhr bis 18 Uhr im Ortsteil Bornheim-Roisdorf offensichtlich nicht.
134a) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der vor dem Eingang eines großen Möbelmarkts im Gewerbegebiet vom örtlichen Gewerbeverein geplante Martinimarkt mit 16 angemeldeten Marktbeschickern und einem einzigen Programmpunkt am Sonntag (Mantelteilung des St. Martin mit der traditionellen Gabe von Weckmännern an die Kinder) angesichts der Größe der freigegebenen Verkaufsflächen nicht das Gewicht hat, dass die Ladenöffnung nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zur örtlichen Veranstaltung erscheint. Seine insbesondere auf die Beschreibung der Veranstaltung in der Ratsvorlage Nr. 633/2018-3 vom 9.10.2018 und auf Fotos der Vorjahre gestützte Annahme, dass die Besucher hauptsächlich zum Einkaufen in den zur Öffnung allein vorgesehenen zwei Möbelhäusern mit einer Verkaufsfläche von über 30.000 m² anreisten und bei dieser Gelegenheit auch den Martinimarkt besuchten, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert. Insbesondere spricht die Ratsvorlage selbst von einem „in seiner räumlichen Ausdehnung zwar kleinen, aber sehr speziellen und attraktiven Markt auf den Parkflächen“ der beiden im Gewerbegebiet gelegenen Möbelmärkte. Auch wenn sich die Ladenöffnungsfreigabe auf nur zwei Verkaufsstellen mit einem begrenzten Warensortiment aus den Bereichen Möbel und Wohnen erstreckt und dieses Sortiment durch das Angebot des kleinen Kunsthandwerkermarkts thematisch ergänzt wird, kann die Ladenöffnung nicht als im Hintergrund stehend angesehen werden. Im Gegenteil hebt die Ratsvorlage selbst hervor, dass die Ladenöffnung sowie die Veranstaltung auf den dortigen Parkflächen bezweckt, „Besucher in das Gewerbegebiet zu locken“, das „von den Kunden gezielt angefahren werden“ muss, um die Sparte „Einzelhandel mit Möbeln“ auch im Interesse der Stadt und seiner Bürger zu stärken, um hierdurch die Existenz von solchen Verkaufsstellen vor Ort zu erhalten. Ein beiläufiges Aufsuchen der Geschäfte erfolge im Gewerbegebiet nicht, weshalb durch Veranstaltungen auf den dortigen Einzelhandel aufmerksam gemacht werden solle. Die Kaufkraftbindung der beiden Möbelmärkte, deren Verkaufsflächen zusammen ausweislich des Einzelhandelskonzepts der Antragsgegnerin mit über 32.500 m² über 30 % der Gesamtverkaufsfläche im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ausmachen und auf die knapp 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes im ganzen Stadtgebiet entfallen, ist erheblich. Sie allein ziehen, auch wegen der günstigen Lage unmittelbar an der Autobahn im Großraum Köln/Bonn ‒ abweichend von der planungsrechtlichen Zielvorgabe der Nr. 6.5-4 LEP NRW ‒ angesichts einer zuletzt ermittelten Umsatz-Kaufkraft-Relation von 267 % bei Weitem mehr Kaufkraft von auswärts an, als Kaufkraft vor Ort vorhanden ist.
135Vgl. Einzelhandelsstandort- und Zentrenkonzept, Stadt Bornheim, Fortschreibung 2010 / 2011, S. 18, 22 f., 24.
136Weshalb es, wie die Antragsgegnerin meint, in diesem Zusammenhang nicht auf die großen Verkaufsflächen ankommen soll, erschließt sich dem Senat nicht ansatzweise. Eine auch nur annähernd vergleichbar hohe Anziehungskraft auf Kunden wie die Möbelmärkte von beachtlicher Größe hat der kleine, das Möbelangebot lediglich ergänzende, Kunsthandwerkermarkt offenkundig nicht. Fehlt es mithin an einer örtlichen Veranstaltung, die einen „beträchtlichen Besucherstrom“ anzieht, ist auch die gesetzliche Vermutung des § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG NRW widerlegt. Die vom Gewerbeverein genannte Zahl zwischen 3.500 und 7.000 in Vorjahren registrierter Besucher „unter Einschluss der beiden Möbelhäuser“ wird ersichtlich erst durch die Offenhaltung der Verkaufsstellen ausgelöst. Derart viele Besucher sind erkennbar nicht einmal zu einem nennenswerten Teil allein durch einen abgelegenen kleinen Kunsthandwerkermarkt im Gewerbegebiet zu erzielen, sondern vor allem durch das überaus große Angebot an Möbeln. Anders als die Möbelmärkte hat der Kunsthandwerkermarkt für sich genommen keine überörtliche Bedeutung. Ungeachtet dessen hat der Senat auch keinen Zweifel daran, dass der Martinimarkt, was die Antragsgegnerin nicht überzeugend bestreitet, auf den Parkflächen der Möbelmärkte ‒ statt andernorts besser erreichbar für seine eigentliche Zielgruppe der Familien mit Kindern ‒ gerade deshalb durchführt wird, um eine sonntägliche Ladenöffnung zu ermöglichen.
137b) Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ladenöffnung sei nicht gerechtfertigt, weil die Antragsgegnerin mit ihr die Stärkung und Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebots bezweckt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LÖG NRW) sowie die Förderung der überörtlichen Sichtbarkeit der Antragsgegnerin bzw. ihres Gewerbegebiets mit einem großen Möbelangebot (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 LÖG NRW), wird durch das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Selbst wenn man die für sich genommen nicht hinreichend gewichtige, aber in geringem Umfang als Sachgrund durchaus anzuerkennende, Durchführung des Martinimarkts mitberücksichtigt, ergeben sich aus der Ratsvorlage keine örtlichen Besonderheiten, die wenigstens im Zusammenwirken mit der öffentlichen Wirkung der Veranstaltung zur Stärkung des Möbeleinzelhandels im kommunalen Interesse eine Ausnahme von der sonntäglichen Arbeitsruhe rechtfertigen können. Die beabsichtigte Förderung des Gewerbe- und Handelsstandorts beruht gerade angesichts der allgemein angespannten Wettbewerbsbedingungen auch im Möbeleinzelhandel nicht auf besonderen örtlichen Umständen, die einen Eingriff in den Wettbewerb zu Gunsten des örtlichen Möbelhandels und zu Lasten von Mitbewerbern erlauben. Ungeachtet dessen lassen die vom Gesetzgeber herangezogenen Erkenntnisse des Handelsverbands für das Möbelsortiment nicht einmal eine generell überdurchschnittlich hohe Gefährdung durch den Online-Handel erkennen.
138Studie „Online-Handel – Mögliche räumliche Auswirkungen auf Innenstädte, Stadtteil- und Ortszentren“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung und des Handelsverbandes Deutschland (HDE) – BBSR-Online-Publikation Nr. 08/2017, S. 56 f.
139Konkrete Belege dafür, dass ohne die beschlossene sonntägliche Öffnung der Möbelmärkte Arbeitsplätze oder gar die Existenz der Verkaufsstellen gefährdet sein könnten, sind nicht ersichtlich. Schon das Bundesverfassungsgericht hat hervorgehoben, dass bereits nach den ihm seinerzeit vorliegenden Erkenntnissen keine Hinweise auf beachtliche beschäftigungspolitische Auswirkungen zusätzlicher Ladenöffnungsfreigaben bestanden, sondern lediglich eine andere Verteilung der Kundenströme sowie eine Optimierung und Streckung des Einsatzes der Arbeitnehmer zu erwarten sei.
140Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 ‒ 1 BvR 2857, 2858/07 ‒, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 170.
141Ferner fehlt es an Anzeichen dafür, dass die Möbelmärkte mit einer Kaufkraftbindung deutlich über das Gebiet der Antragsgegnerin hinaus aufgrund ihrer Stadtrandlage im Gewerbegebiet mehr als andere Mitbewerber der besonderen Förderung der überörtlichen Sichtbarkeit durch ausnahmsweise Ladenöffnungsfreigaben bedürften. Beides ergibt sich nicht daraus, dass in der benachbarten Stadt Bonn im vergangenen Jahr ein dort langjährig angesiedelter Möbelhändler seine sämtlichen Filialen schließen musste. Im Gegenteil hat sich der größere der beiden von der in Rede stehenden Verordnung begünstigten Möbelmärkte erst vor wenigen Jahren an dem offenbar strategisch günstigen Standort im Großraum Köln/Bonn in der Nähe des nordwestlichen Stadtrands von Bonn unmittelbar an der Ausfahrt Bornheim neben der Autobahn A 555 angesiedelt. Es spricht nichts dafür, dass angesichts des schon länger bestehenden harten Wettbewerbs im Möbeleinzelhandel der Betreiber eines Möbelmarktes dieser Größenordnung, der auf erhebliche Kundenströme angewiesen ist, eine im Vergleich zu anderen Mitbewerbern besonders unattraktive Randlage ausgewählt hätte. Angesichts eines harten Verdrängungswettbewerbs auch in der wachsenden Möbelbranche mit steigenden Umsätzen, in dem sehr wenige große Unternehmen über die Hälfte der gesamten Branchenumsätze erzielen und einen starken Preisdruck auf kleine und mittelständische Unternehmen auslösen,
142vgl. PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Die deutsche Möbelbranche ‒ Struktur, Trends und Herausforderungen, November 2017, https://www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/der-deutsche-moebelmarkt-waechst-vor-allem-online.html, S. 18, 22,
143hat sich die standortbedingte Wettbewerbslage für den Möbelhandel im Stadtgebiet der Antragsgegnerin durch die Schließung eines Bonner Traditionsmöbelhauses nicht verschlechtert, sondern wegen des Wegfalls eines nahe gelegenen Konkurrenten verbessert. Die Antragsgegnerin spricht selbst davon, das in Rede stehende Gewerbegebiet sei über ihr Stadtgebiet hinaus in der näheren Umgebung der einzige Standort, an dem sich Möbelhäuser befänden. Worin angesichts dieser Umstände besonders ungünstige örtliche Rahmenbedingungen oder Gefährdungslagen liegen sollen, die eine zusätzliche Wettbewerbsbegünstigung gerade von Unternehmen, die sich im näheren großstädtischen Umfeld allein behaupten konnten, zu Lasten anderer Anbieter rechtfertigen könnten, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Möbelmärkte mit derart großen Verkaufsflächen, wie sie hier gegeben sind, liegen im Einklang mit § 11 Abs. 3 BauNVO regelmäßig außerhalb von Innenstädten. Ein außergewöhnlicher standortbezogener Nachteil liegt darin nicht. Dass die Antragsgegnerin nicht über vertiefte Kenntnisse über die wirtschaftliche Situation der beiden Möbelhäuser verfügt, entbindet sie nicht davon, von ihr geltend gemachte besondere Gründe für eine ausnahmsweise zulässige sonntägliche Ladenöffnung nachvollziehbar zu belegen. Fehlen ihr entsprechende Erkenntnisse, ist entgegen der Annahme der Antragsgegnerin der Umfang der Darlegungen nicht entscheidend. Kann sie substanziell belegte besondere Verhältnisse von ausreichendem Gewicht nicht benennen, hat sie von der Gewährung wettbewerbsverzerrender Ausnahmeregelungen Abstand zu nehmen.
144Sind bereits keine besonderen örtlichen Problemlagen mit ausreichendem Gewicht zur Durchbrechung der Arbeitsruhe an Sonntagen ersichtlich, ist unerheblich, ob die Antragsgegnerin ihre Ziele im Rahmen einer schlüssigen Gesamtstrategie verfolgt und ob in der regelmäßig monatlichen Veranstaltung von Trödelmärkten auf dem Parkplatz der Möbelhäuser bereits eine solche Strategie gesehen werden kann. Ohnehin sind von einzelnen Händlern selbst unternommene Anstrengungen zur Erhaltung und Entwicklung von Verkaufsstätten in Gestalt von Werbemaßnahmen, weiteren Veranstaltungen, Spätabendöffnungen und Sonderaktionen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, grundsätzlich von einer erforderlichen schlüssigen gemeindlichen Förderstrategie zu unterscheiden. Denn diese muss ‒ wie ausgeführt ‒ im Unterschied zu eigenen Konzepten des Handels wettbewerbsneutral sein, um sachlich begründet Ausnahmen von der Sonntagsruhe rechtfertigen zu können.
145Daraus folgt entgegen der Befürchtung der Antragsgegnerin nicht, dass eine Verkaufsstellenöffnung an Sonntagen generell außerhalb der Innenstädte, insbesondere auch für großflächige Möbelmärkte, unter keinen Umständen zugelassen werden könnte. Insbesondere ist bereits verfassungsrechtlich geklärt, dass etwa Firmenjubiläen einen ausreichend gewichtigen Sachgrund für die Öffnung konkreter Verkaufsstellen bieten können.
146Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 ‒ 1 BvR 2857, 2858/07 ‒, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 186 f.
147Dabei handelt es sich zum einen um örtlich begrenzte Freigaben, bei der sich der Anlass nicht gezielt herbeiführen lässt. Da Jubiläen vergleichsweise selten stattfinden und alle Marktteilnehmer insgesamt in vergleichbarem Umfang von dadurch ermöglichten zusätzlichen Ladenöffnungsmöglichkeiten Gebrauch machen können, sind derartige Anlässe auch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität unbedenklich. Anders als bei wegen ihrer engen örtlichen Begrenzung ebenfalls unbedenklichen Ladenöffnungen im Straßeneinzugsbereich von Straßenfesten kann bei der hier zu beurteilenden Freigabe, die nur auf die Grundstücke zweier Möbelmärkte und damit ebenfalls eng räumlich begrenzt ist, wegen ihrer erheblichen ‒ gegenüber dem Martinimarkt im Vordergrund stehenden ‒ Sogwirkung auf Kunden jedoch nicht mehr von einer geringen prägenden Wirkung für den öffentlichen Charakter des Tages ausgegangen werden. Den Erläuterungen zu Nr. 6.5-4 LEP NRW ist zu entnehmen, dass bereits die Ansiedlung von Möbelfachmärkten mit einem zu erwartenden Gesamtumsatz, der ‒ wie hier deutlich ‒ über der Kaufkraft der Einwohner der jeweiligen Gemeinde für deren Sortimentgruppen liegt, sich trotz eines überwiegend nicht zentrenrelevanten Sortiments nicht nur negativ auf zentrale Versorgungsbereiche auswirken kann, sondern auch auf die verbrauchernahe Versorgung und den Verkehr. Von der Auslösung einer dem Sonntag fremden erheblichen werktäglichen Geschäftigkeit vor allem durch Kunden ist daher auch hier trotz der Stadtrandlage des betroffenen Gewerbegebiets auszugehen.
148Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 ‒ 1 BvR 2857, 2858/07 ‒, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 165, 156; a. A. Dietlein, WiVerw 2018/2, S. 153, 167.
149Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
150Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 und 52 Abs. 1 GKG.
151Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).