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Die Entscheidungsfreiheit einer Kommune über den Zugang zu ihrer Stadthalle ist auch im Verhältnis zu einer Landtagsfraktion jedenfalls durch das allgemeine Willkürverbot begrenzt. Die Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
5der Antragstellerin die Stadthalle U. am 2. Juli 2018 in der Zeit von 16:00 bis 22:30 Uhr für die in der schriftlichen „Mietanfrage“ vom 22. Februar 2018 bezeichnete Veranstaltung nach den allgemeinen für die Vergabe geltenden Bestimmungen zur Verfügung zu stellen.
61. Das Verwaltungsgericht hat die Existenz eines Anordnungsanspruchs auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Antragsgegnerin bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung zutreffend bejaht.
7Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, das heißt, wenn der geltend gemachte materielle Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht.
8Vgl. insoweit etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 24. August 2017 - 15 B 940/17 -, juris Rn. 7, vom 29. Juni 2017 - 15 B 200/17 -, juris Rn. 25, und vom 8. Mai 2017 - 15 B 417/17 -, juris Rn. 8.
9Dies ist hier der Fall.
10Bei einer Stadthalle handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung. Stellt eine Kommune diese im Rahmen der durch ihre bisherige Vergabepraxis geformten konkludenten Widmung für die Durchführung von (politischen oder anderen) Veranstaltungen zur Verfügung, entsteht dadurch auch jenseits der einfachgesetzlichen Bestimmungen ein Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 3 GG in seiner Ausprägung als allgemeines Willkürverbot in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Dieses allgemeine Willkürverbot - als Element des das Grundgesetz beherrschenden Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) - gilt auch im Verhältnis von öffentlich-rechtlich verfassten Rechtspersönlichkeiten untereinander,
11vgl. insoweit etwa BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88, 2 BvF 2/88, 2 BvF 1/89, 2 BvF 1/90 -, juris Rn. 362; OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2009 - 15 A 801/09 -, juris Rn. 6.
12weswegen offenbleiben kann, ob eine Landtagsfraktion wie die Antragstellerin sich im Außenrechtsverhältnis des geltend gemachten Zulassungsanspruchs aufgrund ihrer in § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Sätze 1 bis 3, Abs. 6 Satz 1 FraktG NRW ausgeformten Rechtsstellung (in gleichsam analoger Anwendung) wie die politische Partei, die sie im Parlament abbildet, auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Abs. 3Satz 1, Art. 21, Art. 38 GG berufen kann.
13Vgl. zu diesem parteienrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch BVerfG, Beschlüsse vom 26. August 2016 - 2 BvQ 46/16 -, juris Rn. 7, und vom 7. März 2007 - 2 BvR 447/07 -, juris Rn. 3; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 1 S 1855/14 -, juris Rn. 11 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2011 - 10 ME 47/11 -, juris Rn. 30; Bay. VGH, Beschlüsse vom 29. April 2010 - 4 CE 10.835 -, juris Rn. 20, und vom 13. Juni 2008 - 4 CE 08.726 -, juris Rn. 10; ThürOVG, Beschluss vom 16. September 2008 - 2 EO 490/08 -, juris Rn. 30; für einen parallelen Gleichbehandlungsanspruch der Landtagsfraktion: VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 19. Oktober 2016 - 3 L 899/16.NW -, juris Rn. 33.
14Jedenfalls ist die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang Zugang zu ihrer Stadthalle gewährt wird, auch im Verhältnis zu einer Landtagsfraktion durch das allgemeine Willkürverbot begrenzt. Die jeweilige Vergabepraxis und-entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
15Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 16. Mai 2012 - 4 B 140/12 -, juris Rn. 9; Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2011 - 10 ME 47/11 -, juris Rn. 30.
16Dies zugrunde gelegt, steht der Antragstellerin ein Zulassungsanspruch dem Grunde nach zu. Die Antragsgegnerin hat die Stadthalle in der Vergangenheit sowohl politischen Parteien - darunter die B. - als auch der D. -Fraktion U. für politische Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Die Antragsgegnerin hat damit eine entsprechende Vergabepraxis/konkludente Widmung der Stadthalle begründet, von der sie nicht ohne sachlichen Grund zu Ungunsten der Antragstellerin abweichen darf.
17Einen derartigen sachlichen Grund hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Sie stellt nicht in Abrede, dass auch die Veranstaltung der Antragstellerin mit dem Titel „B. Fraktion vor Ort - Bürgerdialog“ am 2. Juli 2018 sich innerhalb des bisherigen Widmungszwecks der Stadthalle bewegt. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin einen Alternativtermin in Aussicht stellen will.
18Die Antragsgegnerin begründet die Ablehnung der Überlassung der Stadthalle am2. Juli 2018 jedoch im Wesentlichen damit, unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Bauarbeiten zwischen der Stadthalle und dem Rathaus, der Gegendemonstrationen/Proteste, die anlässlich der von der Antragstellerin geplanten Veranstaltung zu erwarten seien, sowie des Erfordernisses eines unbehelligten Besucherverkehrs zu dem an diesem Tag bis 19 Uhr geöffneten Rathaus stelle die Veranstaltungsdurchführung an diesem Termin eine nicht anspruchsbegründende „Sondernutzung“ dar.
19Diese Einwände tragen die Versagung des Zulassungsanspruchs der Antragstellerin bei summarischer Betrachtung indes nicht.
20Da es keinen Anspruch auf Erweiterung der Kapazität gibt, scheidet ein Überlassungsanspruch zwar etwa aus, wenn die betreffende Stadthalle wegen Wartungs- und Renovierungsarbeiten für Veranstaltungen mit Publikumsverkehr generell nicht zur Verfügung steht.
21Vgl. zu dieser Konstellation Bay. VGH, Beschluss vom 13. Juni 2008 - 4 CE 08.726 -, juris Rn. 15.
22Eine solche Situation liegt jedoch nicht vor. Die Antragsgegnerin hat ihre Stadthalle nicht für die Dauer der besagten Bauarbeiten geschlossen. Vielmehr hält die Antragsgegnerin diese, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, ungeachtet der Bauarbeiten für verschiedenste (Publikums-)Veranstaltungen auch aktuell geöffnet. Da diese Veranstaltungen nach den unwidersprochenen Darlegungen des Verwaltungsgerichts mitunter mehrere Hundert Besucher verzeichnen, spricht nichts dafür, dass die Baustelle als solche einen Hinderungsgrund für die Veranstaltung der Antragstellerin am 2. Juli 2018 darstellt bzw. eine Verschiebung derselben bis zum Abschluss der Bauarbeiten ab August 2018 gebietet. Dass es sich bei den erwähnten anderen Veranstaltungen überwiegend um kulturelle gehandelt hat, ist insofern unerheblich.
23Nichts anderes ergibt sich, wenn man die von der Antragsgegnerin für den 2. Juli 2018 erwarteten Gegendemonstrationen in die Gesamtbetrachtung einbezieht.
24Zum einen hat die Antragsgegnerin diese Besorgnis nicht konkretisiert, so dass sie nach Lage der Dinge lediglich abstrakt bleibt und schon aus diesem Grund nicht gegen den streitgegenständlichen Überlassungsanspruch angeführt werden kann.
25Zum anderen rechtfertigt die Befürchtung, dass es anlässlich der geplantenVeranstaltung zu Gegendemonstrationen kommen wird, grundsätzlich ohnehin nicht die Versagung der Zulassung zu der öffentlichen Einrichtung. Es ist Aufgabe der (Polizei- und Ordnungs-)Behörden, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und eingetretene Störungen zu beseitigen. Die mit einer Veranstaltung verbundenen Risiken liegen im Bereich dessen, was in einer auf Demokratie und Meinungsfreiheit beruhenden Rechtsordnung als Begleiterscheinung öffentlicher politischer Auseinandersetzungen prinzipiell in Kauf genommen werden muss. Für Veranstaltungen einer Partei gilt dies, solange diese nicht gemäß Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist. Etwas anderes würde nur dann Platz greifen, wenn Tatsachen vorlägen, die die Befürchtung rechtfertigten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit polizeilichen Mitteln nicht aufrechterhalten werden könnte, also im Fall eines so genannten polizeilichen Notstands.
26Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 - 4 ZB 07.3489 -, juris Rn. 8.
27Ausgehend davon obläge es der zuständigen Versammlungsbehörde, etwaige für den 2. Juli 2018 aus Anlass der Veranstaltung der Antragstellerin angemeldete Gegendemonstrationen - in Kooperation mit dem Veranstalter der Gegendemonstration sowie gegebenenfalls auch mit der Antragsgegnerin - namentlich in räumlicher Hinsicht so zu planen und, falls erforderlich, diesbezügliche versammlungsrechtliche Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 VersG zu erlassen, dass es auch unter Berücksichtigung der in Rede stehenden Baustellensituation zu keinerlei Gefährdungslage kommt. Dass sich eine praktische Konkordanz nicht herstellen ließe, bei der auch Raum für die streitbefangene Überlassung der Stadthalle an die Antragstellerin verbleibt, ist nicht zu ersehen. Dasselbe gilt für die Frage eines polizeilichen Notstands und eine eventuelle Inanspruchnahme der Antragstellerin als Nichtstörerin. Für einen polizeilichen Notstand gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.
28Dementsprechend lässt sich nach Lage der Akten eine praktische Konkordanz auch im Hinblick auf den von der Antragsgegnerin thematisierten ungefährdeten und möglichst ungehinderten Zugang zu ihrem Rathaus bewerkstelligen, das am Montag, den 2. Juli 2018, bis 19 Uhr geöffnet hat und für das daher parallel zu der Veranstaltung der Antragstellerin (Einlass: ab 17.30 Uhr, Beginn: ab 18.30 Uhr) Publikumsverkehr zu erwarten ist. Ein Grundrecht darauf, Behördengänge jederzeit „unbehelligt“ von politischen Kundgebungen in Rathausnähe erledigen zu können, wie es die Antragsgegnerin postuliert, gibt es im Übrigen nicht.
292. Im Anschluss daran hat die Antragstellerin auch einen die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
30Der Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt neben einem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehenden Anordnungsanspruch voraus, dass die gerichtliche Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil dem Antragsteller sonst schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
31Vgl. aus neuerer Zeit etwa OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2017 - 15 B 417/17 -, juris Rn. 8.
32Diese Anforderungen sind erfüllt.
33Die Sache ist eilbedürftig. Die Antragstellerin kann Rechtsschutz in der Hauptsache vor Beginn der für den 2. Juli 2018 geplanten Veranstaltung nicht erlangen. Dieser käme zu spät, um den zur Entscheidung gestellten Zulassungsanspruch zu regeln bzw. zu sichern.
34Vgl. insofern auch ThürOVG, Beschluss vom 16. September 2008 - 2 EO 490/08 -, juris Rn. 26.
35Zwar ist bei der Beurteilung des Anordnungsgrunds vorliegend im Weiteren einerseits auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nicht losgelöst von den Einzelfallumständen ohne Weiteres einen strikten Anspruch auf die Vergabe der Stadthalle zu einem bestimmten Termin hat. Vielmehr ist die Termingestaltung mit Blick auf das der Kommune grundsätzlich zustehende Organisationsermessen bei der Vergabe ihrer öffentlichen Einrichtungen auf der Grundlage einer sachgerechten, einzelfallbezogenen Abwägung vorzunehmen.
36Vgl. dazu Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2011 - 10 ME 47/11 -, juris Rn. 30
37Andererseits ist eine Landtagsfraktion im Rahmen ihres Selbstorganisationsrechts (vgl. zu diesem § 1 Abs. 4 Satz 3 FraktG NRW) im Grundsatz aber auch frei zu entscheiden, wann und wo sie eine Fraktionsveranstaltung abhält.
38Vgl. im Hinblick auf einen Parteitag VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 1 S 1855/14 -, juris Rn. 9.
39Danach ist die Antragstellerin nicht - auch nicht im Wege der Ermessensausübung durch den Senat gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 938 Abs. 1 ZPO - darauf zu verweisen, die für den 2. Juli 2018 avisierte Veranstaltung zu einem späteren Zeitpunkt nach Abschluss der Straßenbauarbeiten zwischen Stadthalle und Rathaus ab August 2018 durchzuführen. Wie unter 1. ausgeführt, stellen diese Bauarbeiten bei summarischer Prüfung keinen sachlichen Grund dar, die Vergabe der Stadthalle an die Antragstellerin abzulehnen. Damit bleibt es beim Vorrang des Selbstorganisationsrechts der Antragstellerin, den Termin und auch den Ort der Veranstaltung selbst festzulegen, wodurch sich zugleich an der Eilbedürftigkeit der Sache - und der Notwendigkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung - nichts ändert.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
42Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).