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Der Anschluss- und Benutzungszwang darf aufgrund von § 9 Satz 1 GO NRW nur für eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde im Sinne von § 8 Abs. 1 GO NRW angeordnet werden.
Die öffentliche Hand kann Aufgaben der Daseinsvorsorge in verschiedenen Or-ganisationsformen - und damit auch in privater Rechtsform - wahrnehmen. Sie muss eine öffentliche Einrichtung nicht notwendig selbst oder durch ein eigenes Unter¬nehmen betreiben.
Wird eine Einrichtung durch einen von der Gemeinde unabhängigen Rechtsträger betrieben, ist die Gemeinde - um den Charakter als öffentliche Einrichtung zu wahren - verpflichtet, durch entsprechende Vereinbarungen sicherzustellen, dass die öffentliche Einrichtung den Einwohnern wie eine durch die Gemeinde selbst betrie¬bene zur Verfügung steht.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt
G r ü n d e :
2Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch führen sie auf besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) oder deren grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.).
41. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
5Ernstliche Zweifel sind gegeben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
6Vgl. zuletzt BVerfG, Beschlüsse vom 16. Januar 2017 - 2 BvR 2615/14 -, juris Rn. 19, und vom 9. Juni 2016 - 1 BvR 2453/12 -, juris Rn. 16, jeweils mit weiteren Nachweisen.
7Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
8festzustellen, dass die Kläger seit dem 6. Juli 2014 nicht mehr verpflichtet sind, ihr Haus mit Fernwärme aus dem Netz der Beklagten zu versorgen,
9hilfsweise
10die Beklagte zu verpflichten, den Klägern für das Hausgrundstück I. -H. -Ring 11 eine Befreiung von der Pflicht zum Bezug von Fernwärme zu erteilen,
11im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Das Grundstück der Kläger werde von der wirksamen Satzung der Beklagten über den Anschluss und die Benutzung der Fernwärmeversorgung vom 6. Juli 2001 (Fernwärmesatzung - FWS) erfasst. Es unterliege dem durch § 4 FWS begründeten Anschluss- und Benutzungszwang. Es lägen keine Umstände vor, aus denen es für die Kläger nach § 5 Abs. 1 FWS unzumutbar sein könnte, auch künftig Fernwärme von der Beklagten zu beziehen.
12Die dagegen von den Klägern vorgetragenen Rügen haben keinen Erfolg.
13a) Die Wirksamkeit des in § 4 Abs. 1 Satz 1 FWS statuierten Anschluss- und Benutzungszwangs begegnet auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens keinen durchgreifenden Bedenken.
14Der Anschluss- und Benutzungszwang darf aufgrund von § 9 Satz 1 GO NRW - hier in Verbindung mit § 16 EEWärmeG - nur für eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde im Sinne von § 8 Abs. 1 GO NRW angeordnet werden.
15Vgl. allgemein dazu OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - 15 B 1355/02 -, juris Rn. 8; speziell zur Fernwärmeversorgung siehe OVG S.-H., Urteil vom 5. Januar 2005 - 2 LB 62/04 -, juris Rn. 73; Sächs. OVG, Urteile vom 3. Juni 2003 - 4 D 373/99 -, juris Rn. 116 und 119, und vom 25. Februar 2003- 4 D 699/99 -, juris Rn. 73.
16Die öffentliche Hand kann Aufgaben der Daseinsvorsorge aber in verschiedenen Organisationsformen - und damit auch in privater Rechtsform - wahrnehmen. Sie muss eine öffentliche Einrichtung nicht notwendig selbst oder durch ein eigenes Unternehmen betreiben.
17Vgl. insoweit zuletzt etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2017 - 15 B 286/17- , juris Rn. 13 ff., mit weiteren Nachweisen; außerdem Sächs. OVG, Urteile vom 3. Juni 2003 - 4 D 373/99 -, juris Rn. 121, und vom 25. Februar 2003 - 4 D 699/99 -, juris Rn. 74; Wansleben, in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, Band I, Loseblatt, Stand September 2013, § 8 GO Erl. 2.1.
18Wird eine Einrichtung durch einen von der Gemeinde unabhängigen Rechtsträger betrieben, ist die Gemeinde jedoch - um den Charakter als öffentliche Einrichtung zu wahren - verpflichtet, durch entsprechende Vereinbarungen sicherzustellen, dass die öffentliche Einrichtung den Einwohnern wie eine durch die Gemeinde selbst betriebene zur Verfügung steht. Dies bedingt, dass sich die Gemeinde soweit Einfluss verschafft, dass das allgemeine und grundsätzlich gleiche Benutzungsrecht aller Einwohner zu angemessenen Bedingungen gesichert ist.
19Vgl. OVG LSA, Urteil vom 21. Februar 2017 - 4 K 168/14 -, juris Rn. 54 f.; Sächs. OVG, Urteile vom 3. Juni 2003 - 4 D 373/99 -, juris Rn. 123, und vom 25. Februar 2003 - 4 D 699/99 -, juris Rn. 75; Wellmann, in: Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, Band I, Loseblatt, Stand März 2015, § 9 Erl. II.3.
20Gemessen an diesen Maßstäben verstößt der von der Beklagten in § 4 Abs. 1 Satz 1 FWS festgelegte Anschluss- und Benutzungszwang nicht gegen höherrangiges Recht. Denn der Beklagte betreibt die Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte die Fernwärmeversorgung nach der Insolvenz des ursprünglich damit beauftragten Privatunternehmens übernommen hat. Die Beklagte hat in ihrer Zulassungserwiderung vom 29. November 2017 dazu vorgetragen, dass die Fernwärme für das Haus der Kläger durch ihre Stadtwerke, die ein Eigenbetrieb der Beklagten sind, zur Verfügung gestellt wird. Angesichts dessen ist nicht zweifelhaft, dass die Beklagte maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Fernwärmeleitung hat und diese solchermaßen als öffentliche Einrichtung zu charakterisieren ist.
21b) Das Verwaltungsgericht ist im Weiteren zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger dem Anschluss- und Benutzungszwang des § 4 Abs. 1 Satz 1 FWS unterliegen.
22Nach dieser Bestimmung ist jeder Grundstückseigentümer eines mit einer betriebsfertigen Fernwärmeleitung erschlossenen und im Geltungsbereich der Fernwärmesatzung liegenden Grundstücks verpflichtet, dieses vor Bezug an das öffentliche Fernwärmeversorgungsnetz anzuschließen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FWS erstreckt sich der Geltungsbereich der Fernwärmesatzung auch auf das Gebiet des Bebauungsplans „T. . Q. Straße III“, in dem das Grundstück der Kläger liegt.
23Dass es seit Längerem technische Schwierigkeiten bei der Fernwärmelieferung an die Kläger gibt bzw. dabei Mängel aufgetreten sind, die bislang nicht abgestellt sind, ändert am Bestehen des Anschluss- und Benutzungszwangs nichts. Dieser setzt lediglich das Vorhandensein einer betriebsfertigen Fernwärmeleitung voraus.
24c) Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich ferner nicht, dass die Kläger einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang aufgrund von § 5Abs. 1 FWS haben.
25Danach ist eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang im Einzelfall möglich, wenn und soweit der Anschluss des Grundstücks an die Fernwärmeversorgung dem Grundstückseigentümer aus besonderen Gründen, auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls, nicht zugemutet werden kann.
26Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass eine Befreiungslage nicht anzunehmen ist, weil kein Fall der Unzumutbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 FWS vorliegt. Die Kläger legen nicht dar und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Fernwärmeversorgung ihres Grundstücks endgültig nicht mehr leisten kann. Die Beklagte hat im Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht am 1. März 2017 bekundet, nach wie vor gewillt zu sein, die Probleme bei der Fernwärmelieferung zu beheben. Diese Bereitschaft hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 14. September 2017 bekräftigt. Das Amtsgericht X. hatte den Beteiligten in dem dort zwischen ihnen geführten Rechtsstreit - 3 C 120/14 - am 4. März 2015 einen Vergleichsvorschlag dahingehend gemacht, dass die Beteiligten gemeinsam schrittweise an einer Herstellung der fehlerfreien Funktionsfähigkeit der Anlage arbeiten sollen. Diesen Vergleichsvorschlag haben die Kläger jedoch abgelehnt. Solange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, um eine technisch auf Dauer einwandfreie Fernwärmelieferung durch die Beklagte an die Kläger zu bewerkstelligen, kann von einer Unzumutbarkeit, die zu einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang führt, indes nicht gesprochen werden. Es ist nicht festgestellt, dass die vorhandene Anlage irreparabel ist und es deswegen im Lichte von Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG unverhältnismäßig ist, die Kläger an dem Anschluss- und Benutzungszwang festzuhalten.
27Vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 1991 - 7 B 17.91, 7 B 18.91 -, juris Rn. 3.
28Auch aus dem von den Klägern überreichten Sachverständigengutachten von Herrn I1. N. , Gas- und Wasserinstallateur-, Zentralheizungs- und Lüftungsbaumeister, vom 11. Januar 2013 geht nicht hervor, dass die Fernwärmeübergabestation im Haus der Kläger irreparabel ist. Die in diesem Gutachten aufgeführten Mängel ‑ fehlerhafter Anschluss der Übergabestation, fehlende hydraulische Einstellung auf die benötigte Energiemenge, zu hohe Heizkurveneinstellung, Defekte der Energiemengenregulierung, Undichtigkeiten der Absperrorgane am Leitungsanschluss und an den Anschlussverschraubungen des Plattenwärmetauschers - erscheinen behebbar.
29Im Anschluss daran hat das Verwaltungsgericht den Amtsermittlungsgrundsatz aus§ 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO nicht verletzt.
30Zur Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss der Rechtsmittelführer substantiiert ausführen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.
31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, juris Rn. 4.
32Der Zulassungsantrag zeigt nicht auf, dass sich dem Verwaltungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen. Bis die technische Unmöglichkeit der Fernwärmeversorgung des Grundstücks der Kläger durch die Beklagte nicht festgestellt ist, scheidet in der vorliegenden Fallgestaltung die Annahme einer Unzumutbarkeit nach § 5 Abs. 1 FWS aus. Eine derartige Feststellung kann aber nicht erfolgen, wenn nicht die Beklagte zuvor die Gelegenheit erhalten hat, die Reparatur der Anlage nach vorheriger Dokumentation und Analyse der Mängel nachhaltig in Angriff zu nehmen. Dies setzt wiederum die Mitwirkung der Kläger voraus, die Vertretern der Beklagten den Zutritt zu der Anlage gestatten müssen. Bevor diese Maßnahmen nicht ergriffen worden sind, kann ein (weiteres) Sachverständigengutachten keinen Aufschluss darüber geben, ob eine Befreiungssituation wegen des atypischen Falls einer technischen Unmöglichkeit der Fernwärmelieferung zu bejahen ist.
33Infolgedessen war das Verwaltungsgericht auch nicht aufgrund von § 86 Abs. 3 VwGO gehalten, den Klägern weitergehende Hinweise zu erteilen.
342. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen.
35Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Kläger gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dass der Ausgang des Rechtsstreits in dem vorgenannten Sinn offen ist, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens aus den unter 1. genannten Gründen nicht feststellen. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten wirft die Rechtssache auch ansonsten nicht auf.
363. Die Berufung ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
37Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
38Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen schon deswegen nicht gerecht, weil es keine klärungsfähige und klärungsbedürftige Grundsatzfrage formuliert. Aber auch im Übrigen zeigen die Kläger keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf. Zum einen sind die streitgegenständlichen Fragen des Anschluss- und Benutzungszwangs auf der Grundlage der unter 1. zitierten Rechtsprechung ohne Weiteres beantwortbar. Zum anderen ist eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang im Hinblick auf die Fernwärmeversorgung wegen Unzumutbarkeit von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig, die einer verallgemeinernden Klärung nicht zugänglich sind.
39Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
40Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
41Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
42Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).