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Zum Vorliegen eines Plagiats bei einer experimentellen Doktorarbeit.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin beantragte unter dem 3.8.2009 die Einleitung und Durchführung des Verfahrens zur Erlangung eines Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Beklagten. Dazu fertigte sie eine Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doctor medicinae dentium (Dr. med. dent.) zum Thema "Pharmacological investigation of spreading depression propagation in rat neocortical tissues" an. Unter dem 4.8.2009 gab sie die Erklärung ab, dass sie die Dissertation u. a. "1. selbständig angefertigt, 2. nur unter Benutzung der im Literaturverzeichnis angegebenen Arbeit (sic!) angefertigt und sonst kein anderes gedrucktes oder ungedrucktes Material verwendet" habe. Die Arbeit wurde vom Erstberichterstatter PD. Dr. med. H. und vom Zweitberichterstatter Prof. Dr. med. H1. magna cum laude bewertet. Nach einer ebenfalls magna cum laude bewerteten Disputation wurde der Klägerin von der Medizinischen Fakultät der Beklagten unter dem 20.11.2009 der genannte Grad verliehen.
3Auf Grund eines Hinweises von Mitarbeitern einer Internetplattform im April 2014 auf angebliche Plagiate in dieser und anderen Dissertationen setzte der Fachbereichsrat der Medizinischen Fakultät der Beklagten eine Untersuchungskommission zur Bearbeitung von Plagiatsverdacht bei Dissertationen ein.
4Der Erstberichterstatter äußerte sich zum Plagiatsverdacht dahingehend, dass die Aufgabenstellung sein persönliches Gedankengut sei und die aufwändige experimentelle Arbeit von ihm angeleitet und betreut worden sei. Die Originalität der Aufgabenstellung und der nachfolgenden experimentellen Untersuchungen sei zweifelsfrei. Der Zweitberichterstatter, der in dem der Arbeit zugrunde liegende Spezialgebiet maßgeblich tätig sei, hätte ein Plagiat erkannt und nicht zugelassen.
5Mit Schreiben vom 4.6.2014 teilte der Dekan der medizinischen Fakultät der Beklagten der Klägerin den Plagiatsverdacht mit, verwies auf die Möglichkeit des Vorliegens einer Täuschung und des Nichtvorliegens einer eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit und gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie äußerte sich mit Schreiben vom 18.6.2014 dahin, dass es sich bei der Dissertation, deren Thema vom Erstberichterstatter vorgegeben worden sei, um eine eigenständige experimentelle Arbeit handele. Sie sei von Januar bis September 2006 täglich experimentell am elektrophysiologischen Arbeitsplatz tätig gewesen. Untersucht worden sei der Ausbreitungsmechanismus der "Spreading Depression" im isolierten Rattenhirnschnitt zur Entwicklung von Substanzen zur effektiveren Behandlung von Migräne bzw. Kopfschmerzen. Sodann gab sie eine Erklärung für einzelne parallele Textstellen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bl. 101 bis 104 der Beiakte 1 Bezug genommen.
6Das um ein Gutachten gebetene Mitglied der Untersuchungskommission Prof. Dr. med. F. urteilte mit Gutachten vom 30.6.2014, dass die Textstellen ohne Quellenangabe oder ohne Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme die Vortäuschung einer eigenen wissenschaftliche Leistung darstellten und wesentliche Voraussetzungen für die Zulassung der Promotion nicht erfüllt seien.
7Das ebenfalls um ein Gutachten gebetene Mitglied der Untersuchungskommission Prof. Dr. rer. nat. T. urteilte mit Gutachten vom 31.10.2014, dass eine eigenständige und originäre experimentelle Arbeit vorliege, die allerdings mit Zitierfehlern und vor allem wörtlichen Übernahmen behaftet sei. Das sei ein schwerwiegender Mangel der vorgelegten Arbeit, wobei er annehme, dass sich die Klägerin der Tragweite dieses Vorgehens nicht bewusst gewesen sei. Es dränge sich der Verdacht auf, dass sie mit den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis nicht in Berührung gekommen sei. Er empfehle die Erteilung einer strengen Rüge.
8Mit Schreiben vom 10.7.2015 hielt der Dekan der Medizinischen Fakultät der Klägerin vermeintliche Plagiatsstellen vor und teilte mit, dass er in Betracht ziehe, dem Fachbereichsrat der Fakultät vorzuschlagen, die Dissertation für ungültig zu erklären und die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen. Dagegen wandte die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten ein, sie habe zu keinem Zeitpunkt eine Täuschung begangen und bewusst ohne Offenlegung fremde Texte übernommen. Textübereinstimmungen seien darauf zurückzuführen, dass sich in dem betroffenen engen Forschungsbereich solche Übereinstimmungen bei sehr ähnlichen Problemstellungen in der experimentellen Forschung ergeben könnten.
9Nach Zustimmung der Untersuchungskommission beantragte der Dekan der Medizinischen Fakultät der Beklagten beim Fachbereichsrat der Fakultät, die Promotionsleistungen der Klägerin für ungültig zu erklären und die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen. So beschloss der Fachbereichsrat am 12.4.2016 einstimmig bei einer Enthaltung. Mit Bescheid vom 28.4.2016 erklärte der Dekan der Medizinischen Fakultät der Beklagten die Promotionsleistungen der Klägerin nach § 19 Abs. 1 Satz 1 der Promotionsordnung des Fachbereichs 5 Medizinische Fakultät vom 23.10.2008 i.d.F. der Änderungsordnung vom 14.2.2014 (PromO) für ungültig (Nr. 1 der Verfügung) und nahm die Verleihung des Doktorgrades vom 20.11.2009 zurück (Nr. 2 der Verfügung). Zur Begründung führte er aus: Die Klägerin habe vorsätzlich beim Erbringen der Promotionsleistung durch die übernommenen, nicht ausreichend gekennzeichneten Textstellen darüber getäuscht, dass es sich in nicht unerheblichen Teilen nicht um eine eigene Leistung handelte. Außerdem seien irrigerweise wesentliche Voraussetzungen für die Zulassung der Promotion angenommen worden, nämlich dass es sich eine selbständig angefertigte wissenschaftliche Arbeit handele, was wegen der weitreichenden Textübereinstimmungen nicht der Fall sei. Bei einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs für die Klägerin und dem öffentlichen Interesse an der wissenschaftlichen Redlichkeit überwiege letzteres. Zwar stelle die Ungültigerklärung der Promotionsleistung durch den makelbehafteten Verlust der zeitintensiven Dissertation für die berufliche Situation der Klägerin und ihr allgemeines gesellschaftliche Ansehen eine Belastung von erheblicher Schwere dar. Jedoch sei der Nachweis erfolgreicher Promotionsleistungen keine notwendige Bedingung für eine berufliche Zukunft als Ärztin. Demgegenüber überwiege angesichts der quantitativ beträchtlichen und auch für die Gesamtdarstellung inhaltlich bedeutsamen plagiierten Stellen der Gesichtspunkt wissenschaftlicher Redlichkeit und des Vertrauens der Öffentlichkeit in den Wissenschaftsbetrieb. Der Stellenwert einer Dissertation würde verfallen, wenn eine so unselbständige Arbeit als wissenschaftliche Prüfungsleistung erhalten bliebe. Gleichzeitig nahm der Dekan die Verleihung des Doktorgrades gemäß § 48 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) als rechtswidrig zurück und verwies wegen der Ermessenserwägungen auf die Interessenabwägung hinsichtlich der Ungültigerklärung der Promotionsleistungen.
10Mit der am 12.5.2016 erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen den Bescheid gewandt und vorgetragen: Die Verleihung des Doktorgrades könne nicht zurückgenommen werden, da sie rechtmäßig gewesen sei. Auch ohne die vermeintlich plagiierten Stellen habe sie, die Klägerin, eine selbständige wissenschaftliche Arbeit im Sinne der Promotionsordnung erbracht, die eine promotionswürdige Bereicherung des ärztlichen Wissens darstelle. In der bloßen Vernachlässigung der wissenschaftlichen Zitierweise liege keine Täuschung. Schon das Vorliegen einer Täuschungshandlung sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden, da sich die Gutachten durch apodiktische Kürze und Oberflächlichkeit auszeichneten. Zu Recht bezweifele daher auch der Gutachter Prof. Dr. T. eine Täuschungsabsicht. Außerdem sei kein Irrtum erregt worden. Prof. Dr. H1. , dessen Werke vor allem als nicht ordnungsgemäß zitiert gerügt würden, kenne seine Veröffentlichungen und sei mit deren Nutzung einverstanden gewesen. Auch der sachlich mit dem Thema vertraute Erstberichterstatter sei keinem Irrtum verfallen und bestätige im Übrigen auch den fehlenden Irrtum auf Seiten des Zweitberichterstatters. Der Dekan habe sich schon deshalb nicht geirrt, weil er auf der Grundlage der Gutachten dieser beiden Berichterstatter entschieden habe. Ganz allgemein wende sich die Dissertation an ein fachkundiges Publikum, das deshalb keinem Irrtum über die Ausgangswerke unterliege. Jedenfalls sei fraglich, ob die angebliche Täuschung ursächlich für die Verleihung des Doktorgrades gewesen sei. Wegen der unbezweifelten Forschungsleistung wäre der Doktortitel nämlich auch ohne die angebliche Täuschung verliehen worden.
11Die Beklagte habe aus den möglichen Reaktionen ermessensfehlerhaft ausgewählt. Angesichts der nachlässigen Zitierweise sei lediglich eine Rüge oder eine Herabsetzung der Bewertung unter Zugrundelegung der Arbeit ohne die vermeintlich plagiierten Stellen angemessen. Auch sei, was bei der sehr guten Bewertung in Betracht komme, eine Nachbesserung nicht erwogen worden. Die Entscheidung lege ganz grundsätzlich sachfremde Bewertungskriterien an. Bei einer experimentellen Doktorarbeit im Gegensatz zu einer mit geistiger Thematik stehe die experimentelle Forschungsleistung selbst im Vordergrund, während die Vorstellung des experimentellen Ergebnisses nachrangig sei. Schon der geringe Textumfang der Dissertation, der nichts über die wissenschaftliche Forschungsleistung aussage, zeige dies. Ihre Forschungsleistung, die tatsächlich eine hohe Eigenleistung darstelle, werde aber von der Beklagten nicht angegriffen, lediglich die wissenschaftliche Zitierweise. Es könne ihr, der Klägerin, nicht angelastet werden, dass ihre Ausbildung den Schwerpunkt auf die wissenschaftliche Laborforschung und nicht das Erlernen guter wissenschaftlicher Praxis gelegt habe. Letztlich hätte die Beklagte daher ihre Laborberichte und Forschungsergebnisse in die Beurteilung einbeziehen müssen. Schließlich geböten auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes, von der Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades abzusehen.
12Die Klägerin hat beantragt,
13den Bescheid der Beklagten vom 28.4.2016 aufzuheben.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat vorgetragen: Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Doktorgrades lägen vor. Die Klägerin habe entgegen ihrer Erklärung vom 4.8.2009 über die ausschließliche Benutzung der angegebenen Literatur und über das selbständige Erbringen der Leistung getäuscht, indem sie fremde Texte übernommen habe, ohne dies für den Leser erkennbar zu kennzeichnen. Der betroffene Leserkreis sei nämlich keineswegs auf Personen beschränkt, die eine genaue Kenntnis der veröffentlichten Arbeiten zum Thema hätten. Angesichts des quantitativen und qualitativen Umfangs der Übernahme sei die Erheblichkeitsschwelle überschritten. Bei experimentellen medizinischen Doktorarbeiten liege zwar das Schwergewicht auf der experimentellen Arbeit, aber die wissenschaftlichen Anforderungen an die Darstellung seien nicht geringer. Unerheblich sei, ob ein nach Abzug der übernommenen Textstellen verbleibender Rest noch hinreichend für eine Doktorarbeit sei. Die Täuschung habe auch einen Irrtum hervorgerufen. Schon bei dem Erstberichterstatter PD Dr. H. sei es zweifelhaft, ob er die Übernahmen erkannt habe. Jedenfalls aber der Dekan und die Mitglieder des Promotionsausschusses hätten die fehlende Eigenständigkeit der Arbeit durch die weitgehenden Übernahmen nicht erkannt. Die systematische und planmäßige Übernahme von Textblöcken beweise den Vorsatz der Klägerin. Auch Prof. Dr. T. habe an seiner ursprünglichen Auffassung nicht mehr festgehalten und sich in der Untersuchungskommission für die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades ausgesprochen. Ermessensfehler lägen nicht vor. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin angesichts ihrer arglistigen Täuschungshandlung nicht berufen. Ein milderes Mittel sei nicht in Betracht gekommen. Eine Nachbesserung der Dissertation komme nur bei noch laufendem Promotionsverfahren in Frage.
17Mit Urteil vom 13.3.2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: § 19 der Promotionsordnung verstoße gegen das Berufsgrundrecht aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Rücknahme- und Widerrufsvorschriften der §§ 48, 49 VwVfG NRW würden nach der Rechtsprechung des erkennen den Gerichts durch die Vorschrift der Promotionsordnung verdrängt. Diese sehe aber keine Ermessensermächtigung zur Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vor, sondern schreibe zwingend die Ungültigerklärung der Promotionsleistung vor. Das verstoße ‑ ebenfalls nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts ‑ gegen die Berufsfreiheit. Für einen Irrtum komme es alleine auf die beiden Berichterstatter an, mit denen der Inhalt der Arbeit besprochen und abgestimmt gewesen sei und die sich nicht im Irrtum über übernommene Textpassagen befanden hätten. Die Mitglieder des Promotionsausschusses und der Dekan hätten sich keine Gedanken über übernommene Textstellen gemacht; dafür gebe der Verwaltungsvorgang nichts her. Das Verwaltungsgericht spekuliere insoweit. Vielmehr seien sie allein den Voten der Berichterstatter gefolgt.
18Die Klägerin beantragt,
19unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts den Bescheid der Beklagten vom 28.4.2016 aufzuheben.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Die Klägerin habe durch die ungekennzeichnete Verwendung fremder Texte getäuscht. Die Promotionsordnung verlange eine selbständige Bearbeitung einer wissenschaftlichen Themenstellung. Das bedinge die Zitierung der verwendeten Quellen. Durch die Einreichung der Arbeit als Dissertation werde erklärt, sie selbständig erarbeitet zu haben. Darüber hinaus habe die Klägerin dies auch ausdrücklich schriftlich erklärt. Beim Dekan und den Mitgliedern des Promotionsausschusses sei dadurch der Irrtum hervorgerufen worden, es handele sich um eine selbständige wissenschaftliche Arbeit. Das nähmen sie bei jeder Dissertation an. Diese Selbstverständlichkeit bedürfe keiner besonderen Dokumentation.
23Die Beklagte hat im Laufe des Berufungsverfahrens eine Synopse der nach ihrer Auffassung nicht ordnungsgemäß gekennzeichneten verwendeten Fremdtexte erstellt. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Der Senat entscheidet gemäß §§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter.
27Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil sie zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28Die Entscheidung, die Promotionsleistungen für ungültig zu erklären (Nr. 1 des angefochtenen Bescheids), rechtfertigt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 PromO. Danach sind auf Antrag des Dekans die Promotionsleistungen für ungültig zu erklären, wenn sich vor oder nach Aushändigung der Promotionsurkunde ergibt, dass sich der Doktorand beim Erbringen der Promotionsleistung einer Täuschung schuldig gemacht hat oder dass wesentliche Voraussetzungen für die Zulassung zur Promotion irrigerweise angenommen wurden.
29Die Vorschrift ist wirksam. Sie rechtfertigt sich aus §§ 64, 67 Abs. 3 Satz 3 des Hochschulgesetzes vom 31.10.2006 ‑ HG ‑ (GV.NRW. S. 474). Danach erlässt der Fachbereichsrat als Prüfungsordnung eine Promotionsordnung, in der das Nähere zum Promotionsstudium, u. a. die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften, geregelt werden. In ihrem Anwendungsbereich verdrängen diese Regelungen die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen (§ 1 Abs. 1 VwVfG NRW).
30Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, NRWE, Rn. 66 ff.
31Die Promotionsordnung regelt in § 19 Absatz 1 nicht die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades, sondern lediglich die Behandlung erbrachter Prüfungsleistungen, und zwar in der Form, dass sie "für ungültig" erklärt werden. Ihnen soll somit die Eigenschaft einer wirksam erbrachten Prüfungsleistung aberkannt werden, sie sollen als nicht erbracht angesehen werden. Damit entfällt gleichzeitig die Voraussetzung für den Vollzug der Promotion durch Verleihung des Doktorgrades, die gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 PromO voraussetzt, dass der Doktorand alle Verpflichtungen dieser Promotionsordnung erfüllt hat. Dazu gehört die Ablieferung einer wissenschaftlichen Arbeit, aus der die Befähigung des Doktoranden hervorgeht, ein wissenschaftliches Problem zu erfassen, selbständig zu bearbeiten und unter Berücksichtigung des vorhandenen Schrifttums verständlich darzustellen (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 PromO). Die Rücknahme des Vollzugs der Promotion ist nicht nur dem Wortlaut nach nicht Gegenstand des Absatzes 1 der Vorschrift. Sie kann dies nicht sein, weil die Regelung auch anwendbar ist auf den Fall, dass sich der Mangel vor Aushändigung der Promotionsurkunde, also vor dem Vollzug der Promotion, ergibt. Dann kann die Verleihung des Doktorgrades nicht zurückgenommen werden, sondern nur der Vollzug der Promotion im Hinblick auf das Fehlen der erforderlichen Prüfungsleistung abgelehnt werden.
32Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Vorschrift nicht deshalb unwirksam, weil sie dem Fachbereichsrat kein Ermessen einräumt. Richtig ist, dass die Entziehung des Doktorgrades wegen der möglicherweise einschneidenden Wirkungen eine Prüfung und Abwägung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Gewichts des Eingriffs für die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und für das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht erfordert.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.6.2017 ‑ 6 C 3.16 ‑, NVwZ 2017, 1786, Rn. 29 f., 40.
34Das kann etwa durch eine Ermessenseinräumung sichergestellt werden.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, NRWE, Rn. 96.
36In Anwendung des § 19 Abs. 1 PromO geht es jedoch ‑ wie oben ausgeführt ‑ nicht um die Entziehung des Doktorgrades, sondern um die vorgelagerte ausschließlich wissenschaftsrelevante Frage, ob die Prüfungsleistungen wegen einer Täuschung des Doktoranden oder wegen irrigerweise angenommener wesentlicher Voraussetzungen für die Zulassung zur Promotion als nicht wirksam erbracht einzustufen sind. Dies erfordert keine Abwägung zwischen der Schwere des Grundes für die Ungültigerklärung und den Grundrechten des Doktoranden. Erforderlich ist vielmehr die wissenschaftsbezogene Prüfung, ob eine Täuschung bei Erbringen der Promotionsleistungen oder das Fehlen einer angenommenen wesentlichen Voraussetzung für die Promotionszulassung die erbrachten Prüfungsleistungen (Dissertation nach § 4 PromO oder Disputation nach § 10 Abs. 1 PromO) so entwerten, dass sie nicht mehr als der Promotionsordnung entsprechende wissenschaftliche Leistungen angesehen werden können. Ob dann, wenn dies der Fall ist, der Doktorgrad entzogen werden soll, regelt die Vorschrift nicht.
37Die Voraussetzungen für die Ungültigerklärung der Promotionsleistungen liegen vor. Die Klägerin hat sich einer Täuschung schuldig gemacht, die ihre Dissertation als der Promotionsordnung entsprechende eigene wissenschaftliche Leistung entwertet.
38Der Doktorand muss eine über das allgemeine Studienziel hinausgehende Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit nachweisen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 HG). Deshalb muss er eine wissenschaftliche Arbeit verfassen, die das ärztliche oder zahnärztliche Wissen bereichert und aus der seine Befähigung hervorgeht, ein wissenschaftliches Problem zu erfassen, selbständig zu bearbeiten und unter Berücksichtigung des vorhandenen Schrifttums verständlich darzustellen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 PromO). Er muss also einen eigenen Beitrag zum Wissenschaftsprozess erbringen; er darf nicht fremde Beiträge als eigene ausgeben. Ob eine Dissertation noch als Eigenleistung des Doktoranden gelten kann, ist unter Berücksichtigung der Anzahl der Plagiatsstellen, ihres quantitativen Anteils an der Dissertation sowie ihres qualitativen Gewichts, d. h. ihrer Bedeutung für die wissenschaftliche Aussagekraft der Arbeit, zu würdigen. Die Plagiatsstellen müssen die Arbeit quantitativ, qualitativ oder in einer Gesamtschau beider Möglichkeiten prägen. Eine quantitative Prägung ist zu bejahen, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen und deren Anteil an der Arbeit angesichts des Gesamtumfangs überhandnehmen. Derartige Passagen prägen die Arbeit qualitativ, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht genügt.
39Vgl. BverwG, Urteil vom 21.6.2017 ‑ 6 C 3.16 ‑, NVwZ 2017, 1786, Rn. 43 f.
40Grundsätzlich mögen hier die experimentelle Themenstellung und die Durchführung des Experiments den wissenschaftlichen Anforderungen an eine promotionswürdige Leistung entsprechen. Damit alleine sind die geforderten promotionswürdigen Prüfungsleistungen aber nicht erfüllt. Ein ‑ möglicherweise sogar vom Professor vorgegebenes ‑ Experiment kann auch ein biologisch-technischer Assistent ordnungsgemäß durchführen. Vielmehr muss in der Dissertation als schriftlicher Leistung das wissenschaftliche Problem und die experimentelle Lösung selbständig bearbeitet und unter Berücksichtigung des vorhandenen Schrifttums verständlich dargestellt werden. Erst in ihr zeigt sich die wissenschaftliche Befähigung des Doktoranden. Daran fehlt es hier.
41Wie die von der Beklagten erstellte Synopse, die die übernommenen Texte zutreffend wiedergibt, zeigt, besteht praktisch die gesamte Arbeit aus meist wörtlich übernommenen Fremdtexten, die lediglich der hier in Rede stehenden experimentellen Fragestellung angepasst wurden. Diese Fremdtexte wurden entweder gar nicht ‑ zum Teil noch nicht einmal im Literaturverzeichnis ‑ oder durch nichtssagende Verweise unvollständig gekennzeichnet.
42Auf den Seiten 6 bis 11 der Dissertation führt die Klägerin in das untersuchte Phänomen der Spreading depression (SD) ein. Der erste Absatz auf S. 6 besteht aus der Übernahme von Textteilen aus einem Aufsatz von T1. u. a. in der Zeitschrift Biological Reviews. Die dort zitierten Fundstellen sind übernommen, die übernommene Fundstelle selbst wird jedoch weder zitiert, noch ist sie im Literaturverzeichnis enthalten. Eigenständig formuliert sind lediglich die beiden Eingangssätze und in der Mitte der Überleitungssatz zur Auslösung von SD durch KCl. Der zweite Absatz auf S. 6, der sich mit der ersten Arbeit zu SD befasst, ist ohne Kennzeichnung vollständig aus einem Aufsatz von T2. übernommen, der lediglich im Literaturverzeichnis erwähnt wird. Der ersten beiden Absätze auf S. 7 sind im Wesentlichen wörtliche Übernahmen aus einem Aufsatz des Zweitberichterstatters. Die Änderungen betreffen vor allem sprachliche Abweichungen (etwa crucial manifestation statt necessary manifestation, duration of more than 30 sec statt duration of more than 0.5-1 min, cellular depolarisation statt neuroglial depolarisation, compartments statt spaces). Der Aufsatz wird lediglich am Ende des zweiten Absatzes zitiert, ohne dass erkennbar wird, dass sich der Nachweis nicht nur auf den Satz betreffend die Senkung der Schwelle zur Auslösung von SD bezieht, sondern auf die gesamten beiden vorstehenden Absätze.
43Seite 7, dritter Absatz, bis S. 8, vorletzter Absatz, ist eine im Wesentlichen wörtliche Übernahme aus einer weder zitierten noch im Literaturverzeichnis aufgeführten Dissertation von T3. , wobei lediglich hinsichtlich des übernommenen Bildes von Verlaufskurven eine Fundstelle angegeben wird. Der Rest von S. 8 und der erste Absatz von S. 9, die sich mit SD und Epilepsie beschäftigen, sind eine Übernahme aus dem bereits erwähnten Aufsatz des Zweitberichterstatters. Hier wurden noch nicht einmal sprachliche Änderungen vorgenommen. Eine Fundstelle ist nicht angegeben. Seite 9, zweiter Absatz, bis S. 10, zweiter Absatz, die sich mit der Ausbreitung von SD befassen, sind wörtlich übernommen aus einem nicht zitierten und auch im Inhaltsverzeichnis nicht vermerkten Aufsatz von I. u. a. in der Zeitschrift Journal of Neuroscience. Der letzte Absatz der Einleitung stammt wörtlich aus einem nicht zitierten und auch nicht im Literaturverzeichnis erwähnten Beitrag des Zweitberichterstatters in der Zeitschrift Pharmacopsychiatry. Die beiden Schlusssätze der Einleitung, die die Bedeutung der Ausbreitung von SD für krankhafte Hirnprozesse und die daraus abgeleitete Notwendigkeit der Untersuchung der pharmakologischen Mechanismen an Rattenhirngewebe betonen, stammen von der Klägerin. Insgesamt ist die Einleitung daher praktisch vollständig im Wesentlichen wörtlich aus irreführend zitierten oder vollständig ungekennzeichneten Quellen kompiliert, die zudem teilweise noch nicht einmal im Literaturverzeichnis aufgeführt werden. Eine selbständige wissenschaftliche Leistung stellt die Einleitung in das Thema nicht dar.
44Auf den Seiten 12 bis 14 der Dissertation stellt die Klägerin eingesetztes Material und Methode des Experiments vor. Auch diese Passagen sind teilweise (S. 12, Mitte erster Absatz, bis S. 13, erster Absatz) aus zwei anderweitigen Veröffentlichungen wörtlich entnommen, ohne dass dies gekennzeichnet und in einem Fall (Beitrag des Zweitberichterstatters in der Zeitschrift Pharmacopsychiatry) auch nicht im Literaturverzeichnis vermerkt ist. Der Rest der Darstellung (S. 13, zweiter Absatz, bis Seite 14), der sich mit der konkreten Darstellung des Experiments der Klägerin befasst, stammt von ihr. Insgesamt ist die Arbeit in diesem Teil zwar auch mangelbehaftet, da übernommene Quellen nicht zitiert werden. Jedoch handelt es sich nur um technische Beschreibungen eines Experimentalvorgangs, der nur beschränkt einer Beschreibung in selbständiger Bearbeitung zugänglich und bedürftig ist. Eine wissenschaftliche Entwertung der Leistung ist deshalb durch die ungekennzeichnete Übernahme nicht eingetreten, allerdings stellt die bloße Beschreibung des Experimentalvorgangs in eigenen Worten auch nicht den relevanten Teil einer promotionswürdigen Leistung dar.
45Auf den Seiten 15 und 16 stellt die Klägerin die Ergebnisse des Experiments vor. Im ersten Absatz auf S. 15 stellt sie die Wirkung von KCl auf die Hirnschnitte dar. Einen gleichen Experimentalteil hatte auch T3. in seiner nicht zitierten und auch im Literaturverzeichnis nicht erwähnten Dissertation bei der Medizinischen Fakultät der Beklagten dargestellt, dessen mündliche Prüfung im Januar 2009 stattfand. Die Klägerin, deren Darstellung mit dessen zum Teil übereinstimmt, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Im zweiten Absatz gibt die Klägerin dann die Ergebnisse ihres Experiments wieder, und zwar in Anlehnung an die Wiedergabe des insoweit abweichenden Experiments T3. auf S. 15, 2. Absatz, und S. 22, erster Absatz, in dessen Dissertation. Insgesamt ist die Bearbeitung des Teils Resultate eine Übernahme aus einer parallelen Dissertation, soweit die Experimente parallel gelagert waren, und einer im Wesentlichen eigenen Darstellung der spezifischen Ergebnisse ihres Experiments. Schwerwiegend fällt ins Gewicht, dass die zeitlich vorhergehende Dissertation T3. nicht erwähnt wird, soweit sie hinsichtlich der Wirkung der Zugabe von KCl zu gleichen Ergebnissen kommt, obwohl sich die Darstellungen bis in die Wortwahl gleichen. Dies entwertet diesen Teil der Ergebnisse in wissenschaftlicher Hinsicht.
46Auf den Seiten 17 bis 20 erörtert die Klägerin die Ergebnisse des Experiments. In den beiden ersten Sätzen werden die Ergebnisse zusammengefasst, nämlich dass die Blockierung eines bestimmten Glutamat-Unterrezeptors eine wichtige Rolle bei der horizontalen Ausbreitung von SD im untersuchten Rattenhirngewebe spiele, während das für näher bezeichnete andere Rezeptoren und Unterrezeptoren bei der seitlichen Ausbreitung nicht der Fall sei. Der nächste Absatz ist wörtlich aus der Diskussion der nicht erwähnten Dissertation T3. übernommen. Sodann folgt eine lange, sich von Seite 17, dritter Absatz, bis Seite 19, erster Absatz, hinziehende praktisch wörtliche Übernahme von Ausführungen des Zweitberichterstatters in der Zeitschrift Brain Research Reviews. Auch die in diesem Beitrag nachgewiesenen Fundstellen sind übernommen worden. Die Passagen sind nicht als Zitat gekennzeichnet. Zwar wird auf S. 17 einmal für den Umstand, dass die Auslösung von SD die Aktivierung eines bestimmten Glutamatrezeptors im menschlichen Neokortexgewebe erfordere, der Zweitberichterstatter zitiert, jedoch ist dies im übernommen Text aus der Zeitschrift Brain Research Reviews ebenfalls so. Lediglich im Literaturverzeichnis wird dieser Aufsatz erwähnt.
47Zu Beginn des zweiten Absatzes auf S. 19 stehen die beiden Sätze, die wohl die neuen Erkenntnisse der Dissertation wiedergeben: "Our data revealed that GABA receptors have no effect on CSD lateral propagation. However, it should be noted that these receptors are important for CSD initiation." Der anschließende Text ist wiederum wörtlich übernommen aus der nicht zitierten und nicht in das Literaturverzeichnis aufgenommenen Dissertation T3. . Sodann werden in drei eigenständig formulierten Sätzen die Ergebnisse zusammengefasst.
48Die Erörterung der Ergebnisse des Experiments ist wissenschaftlich vollständig entwertet. Bis auf die erwähnten sieben Sätze zu Beginn, in der Mitte und als Zusammenfassung wird auf dreieinhalb Seiten der Diskussion und Zusammenfassung der Ergebnisse im Wesentlichen wörtlich und ungekennzeichnet Literatur zitiert, die zum Teil noch nicht einmal im Literaturverzeichnis wiedergegeben ist.
49Insgesamt und vor allem in dem besonders wissenschaftsrelevanten Teil der Einleitung und der Diskussion der Ergebnisse besteht die Dissertation damit praktisch vollständig ‑ bis auf die Wiedergabe der Experimentdurchführung und der gemessenen Ergebnisse ‑ aus Plagiaten. Eine promotionswürdige eigene wissenschaftliche Leistung liegt nicht vor. Sollte sogar die Konzeption des Experiments vom Erstberichterstatter vorgegeben sein, wie seiner Stellungnahme vom 25.6.2014 entnommen werden könnte ("Die Aufgabenstellungen der Dissertationen sind mein persönliches Gedankengut"), bestünde die Leistung der Klägerin bei der Durchführung des Experiments, der Zusammenstellung der Ergebnisse und der Literaturkompilation aus nicht mehr als der einer biologisch-technischen Assistentin.
50Die Klägerin hat über die Tatsache fehlender eigenständiger Bearbeitung getäuscht. Auch ohne ausdrückliche Erklärung ergibt sich aus der Abgabe eines nicht als Zitat gekennzeichneten Dissertationstexts angesichts des in § 67 Abs. 1 HG und § 4 Abs. 1 PromO niedergelegten Erfordernisses selbständiger wissenschaftlicher Arbeit die Erklärung, dass der Doktorand den Text selbständig verfasst hat. Hier hat die Klägerin unter dem 4.8.2009 sogar ausdrücklich erklärt, die Dissertation selbständig und nur unter Benutzung der im Literaturverzeichnis angegebenen Arbeiten angefertigt zu haben. Die Promotionsordnung verlangt eine solche Erklärung als Voraussetzung zur Zulassung zur Promotionsprüfung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PromO). Dieser Erklärung hat die Klägerin bewusst zuwidergehandelt. Denn die praktisch vollständige Übernahme des Dissertationstextes aus Fremdtexten, soweit nicht an den wenigen Stellen wegen der Besonderheit des Experiments eigenständig formuliert werden musste, kann nur in bewusster Missachtung der abgegeben Erklärung geschehen sein in der Hoffnung oder dem leichtsinnigen Glauben, es werde nicht auffallen. Eine bloß zufällige Übereinstimmung in der Wortwahl oder nachlässiges Übersehen fehlender Zitierung scheiden bei diesem Plagiatsumfang aus. Die bewusste Zuwiderhandlung gegen die Erklärung ergibt sich zusätzlich aus der erkennbaren Verschleierungsabsicht. Die zum Teil erfolgten Umformulierungen im Text, die sachlich nicht geboten waren, und der Umstand, dass manche übernommenen Texte auch im Literaturverzeichnis nicht genannt werden, offenbaren diese Verschleierungsabsicht.
51Dies alles geschah auch in Täuschungsabsicht, also um einen Irrtum zu erregen. Denn jedem Doktoranden ist klar und speziell jemandem, der eine solche Erklärung, wie sie nach der Promotionsordnung vorgeschrieben ist, unterschrieben hat, dass nur eine nicht abgeschriebene Doktorarbeit den Anforderungen der Promotionsordnung entspricht. Bewusst ungekennzeichnetes Abschreiben erfolgt daher in der Absicht, über diesen Umstand diejenigen zu täuschen, die an der Promotion entscheidend mitwirken. Das sind auch die Berichterstatter, denn im Falle der Ablehnung der Dissertation ist nur über eine Fortführung des Verfahrens durch Überarbeitung zu entscheiden (§ 7 Abs. 7 PromO). Insofern mag offen bleiben, ob, wie die Klägerin behauptet, die Berichterstatter mit ihrer unwissenschaftlichen Vorgehensweise einverstanden waren und somit gar nicht getäuscht werden mussten. An der Promotion wirkt aber auch der Dekan entscheidend mit. Im ‑ hier vorliegenden Fall ‑ der einhelligen Annahmeempfehlung durch die Berichterstatter und fehlenden Widerspruchs hat der Dekan zwar die Annahme der Dissertation und die Bewertung festzustellen, (§ 7 Abs. 4 PromO). Jedoch kann er im Täuschungsfall beantragen, die Promotionsleistungen für ungültig zu erklären (§ 19 Abs. 1 Satz 1 PromO). Daher muss sich der Dekan über den Umstand fehlender Selbständigkeit der Arbeit im Irrtum befinden, wenn er die genannte Feststellung treffen soll. Weiterhin müssen auch alle promovierten Mitglieder des Fachbereichsrats in diesen Irrtum versetzt werden. Denn sie sind gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PromO befugt, Widerspruch einzulegen mit der Folge, dass der Promotionsausschuss über die Annahme der Arbeit entscheidet (§ 7 Abs. 5 Satz 1 PromO). Dann müssen weiter auch diese Personen in den genannten Irrtum versetzt werden, um promoviert zu werden. Auf die Erregung eines entsprechenden Irrtums bei all diesen an der Promotion maßgeblich mitwirkenden Personen ist die fehlende Kennzeichnung der übernommenen Fremdtexte durch die Klägerin gerichtet gewesen.
52Es ist nicht erheblich, ob die Täuschung erfolgreich war, also kausal zu dem genannten Irrtum bei den an der Promotion entscheidend Mitwirkungsberechtigten geführt hat. Das mag bei anders formulierten Regelungen erforderlich sein, etwa wenn sie voraussetzen, dass der Doktorgrad durch Täuschung erworben ist (so etwa § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a des früheren Reichsgesetzes über die Führung akademischer Grade). Hier ist aber nur eine Täuschung gefordert, also eine auf Irrtumserregung angelegte Handlung. Dass ein Erfolg der Täuschung nicht erforderlich ist, ergibt sich schon daraus, dass die Vorschrift auch den Fall erfasst, dass die Täuschung vor Vollzug der Promotion erkannt wird, also die Täuschung gerade misslingt.
53Unabhängig davon ist aber auch tatsächlich ein Irrtum des Dekans und der promovierten Fachbereichsratsmitglieder über die Selbständigkeit der Dissertation anzunehmen. Das ist zwar möglicherweise nicht durch eine im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Zitate erfolgte prüfende Lektüre der Dissertation geschehen. Wohl aber durch das allgemeine Bewusstsein, dass mit der Einreichung eines ungekennzeichneten Dissertationstextes, also auch hier, eine selbständige Arbeit eingereicht wird. Erst dadurch, dass die Klägerin nicht pflichtgemäß offengelegt hat, dass sie im Wesentlichen eine Literaturkompilation abgibt, hat sie diesen Irrtum aufrechterhalten und dadurch den Promotionsvollzug herbeigeführt.
54Hat sich somit die Klägerin einer Täuschung bei der Erbringung der Promotionsleistung schuldig gemacht, die ihre Dissertation als der Promotionsordnung entsprechende eigene wissenschaftliche Leistung entwertet, so war der Fachbereichsrat auf den Antrag des Dekans hin verpflichtet, die Promotionsleistungen für ungültig zu erklären. Auf die zusätzlich vorgenommene Abwägung mit vermeintlich gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen kommt es nicht an.
55Zusätzlich liegt auch das Merkmal vor dass eine wesentliche Voraussetzung für die Zulassung zur Promotion irrigerweise angenommen wurde. Wie sich aus §§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 PromO ergibt, ist Voraussetzung für die Zulassung zur Promotion die Einreichung einer selbständig bearbeiteten wissenschaftlichen Arbeit. Das ist vom Dekan irrigerweise angenommen worden, wie oben bereits ausgeführt wurde. Daher rechtfertigt sich die Ungültigerklärung auch aus diesem Gesichtspunkt.
56Nr. 2 der angefochtenen Verfügung (Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades vom 20.11.2009) rechtfertigt sich aus § 48 Abs. 1 VwVfG NRW. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
57Die Vorschrift ist anwendbar. Sie wird nicht durch Vorschriften der Promotionsordnung verdrängt, insbesondere nicht durch § 19 Abs. 2 PromO. Danach kann der verliehene Doktorgrad bei bestimmten Straftaten wieder entzogen werden. Das ist nicht als abschließende Regelung der Entziehung des Doktorgrades zu verstehen. Vom Wortlaut her ist die Entziehung nicht auf diese geregelten Fälle beschränkt, etwa indem das Wort nur eingefügt wäre. Eine Beschränkung auf diese Fälle, insbesondere ein Ausschluss der allgemeinen Rücknahmebestimmungen, wäre angesichts der Regelung in § 19 Abs. 1 PromO geradezu unverständlich. Denn dort ist, wie oben ausgeführt wurde, nicht die Entziehung des Doktorgrades, sondern die Ungültigerklärung der Promotionsleistungen vor oder nach Vollzug der Promotion geregelt. Die Ungültigerklärung bliebe sanktionslos bei vollzogener Promotion. Daher ist der Vorschrift im Gesamtzusammenhang zu entnehmen, dass es bei vollzogener Promotion bei den allgemeinen Rücknahmebestimmungen verbleiben und zusätzlich im Hinblick auf Straftaten eine über die allgemeinen Rücknahmebestimmungen hinausgehende Regelung getroffen werden soll. Es liegt also keine vollständige eigene Regelung der Beklagten zur Regelung der Entziehung des Doktorgrades vor, sondern nur eine Teilregelung, die die Anwendung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Rücknahmevorschrift ermöglicht.
58Vgl. zu dieser Regelungsmöglichkeit OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, NRWE, Rn. 69.
59Die Verleihung des Doktorgrades war rechtswidrig, weil sie, wie ausgeführt, nach dem Hochschulgesetz und der Promotionsordnung nur auf Grund einer selbständig bearbeiteten wissenschaftlichen Arbeit erfolgen darf. Daran fehlte es, wie ebenfalls oben ausgeführt ist.
60Eine Rücknahmefrist musste nicht eingehalten werden, da eine solche bei Verwaltungsakten, die durch arglistige Täuschung erwirkt wurden, nicht besteht (§ 48 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Wie oben ausgeführt, wurde die Verleihung des Doktorgrades durch arglistige Täuschung des Dekans erwirkt. Unabhängig davon wäre die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW aber auch eingehalten. Danach ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Tatsachen zulässig, welche die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen. Das ist regelmäßig frühestens der Zeitpunkt, in dem dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Anhörung nach § 28 VwVfG NRW). Das war hier frühestens mit dem Anhörungsschreiben vom 10.7.2015 nach einer angemessenen Frist zur Stellungnahme der Fall.
61Vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts BverwG, Urteil vom 8.5.2003 ‑ 1 C 15.02 ‑, BverwGE 118, 174 (179); Urteil vom 20.9.2001 ‑ 7 C 6.01 -, NVwZ 2002, 485.
62Damit ist die am 4.5.2016 zugegangene Rücknahmeentscheidung rechtzeitig getroffen worden. Nicht entscheidend ist die Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 4.6.2014, auf die hin die Klägerin ihre Stellungnahme vom 18.6.2014 abgab. Diese betraf nämlich die Frage des Verdachts des Vorliegens von Plagiaten in der Dissertation. Die Ungültigerklärung der Promotionsleistungen und die Entziehung des Doktorgrades wurden nur als mögliche Konsequenz eines noch festzustellenden Plagiats angesprochen, nicht aber, dass dies im vorliegenden Fall beabsichtigt sei. Daher verhält sich die Stellungnahme der Klägerin vom 18.6.2014 auch nur zum Plagiatsverdacht.
63Eine grundsätzlich in Betracht kommende Verwirkung des Rücknahmerechts,
64vgl. dazu BverwG, Urteil vom 20.9.2001 ‑ 7 C 6.01 -, NVwZ 2002, 485,
65scheidet hier aus. Die Beklagte hat unmittelbar nach einem Hinweis im April 2014 die Untersuchung eingeleitet, ob ein wissenschaftsrelevantes Plagiat vorliegt. Dazu hat sie neben der Klägerin den Erstberichterstatter angehört und Gutachten entgegengenommen, deren letztes unter dem 31.10.2014 erstellt wurde. Mit Anhörungsschreiben vom 10.7.2015 wurde dann die Absicht mitgeteilt, die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen. Damit war schon vom Zeitablauf, aber auch vom Verhalten der Beklagten her die Annahme nicht gerechtfertigt, die Beklagte nehme von der Rücknahme Abstand.
66Vgl. zu den Voraussetzungen der Verwirkung Stober/Kluth/Korte/Eisenmenger, Verwaltungsrecht I, 13. Aufl., § 37, Rn. 17a.
67Einen über den Verwirkungsaspekt hinausgehenden Anspruch auf Vertrauensschutz steht der Klägerin nicht zu. Das gilt schon deshalb, weil das Vertrauen eines Begünstigten, eine Rechtsposition behalten zu dürfen, nicht schutzwürdig ist, wenn er sie durch Täuschung erwirkt hat.
68BverwG, Urteil vom 21.6.2017 ‑ 6 C 3.16 ‑, NVwZ 2017, 1786, Rn. 49.
69Die Entscheidung des Fachbereichsrats mit 14 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung ist mit der notwendigen Mehrheit getroffen worden. Der Fachbereichsrat bestand aus 15 voll stimmberechtigten Personen (§ 28 Abs. 2 HG, Art. 16 Abs. 2 der Verfassung der Beklagten vom 24.8.2015). § 19 Abs. 2 Satz 2 PromO sieht vor, dass die Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades der Fachbereichsrat mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder trifft. Selbst wenn diese Regelung nicht nur auf die in Satz 1 der Vorschrift geregelte Entziehung des Doktorgrades wegen Straftaten, sondern für jede Entziehung des Doktorgrades Geltung beansprucht, wäre dieses Quorum hier eingehalten.
70Die Ausübung des Ermessens hinsichtlich der Rücknahmeentscheidung ist fehlerfrei. Die Beklagte hat die für die Klägerin aus einer Rücknahme entstehenden beruflichen und persönlichen Nachteile in ihre Erwägungen einbezogen und mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherstellung wissenschaftlicher Redlichkeit und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wissenschaftsbetrieb abgewogen. Auch eine Fehlgewichtung dieser Abwägung liegt nicht vor, so dass die Beklagte von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
71Ein milderes Mittel musste die Beklagte nicht auswählen. Es kann dahinstehen, ob eine Rüge, Notenherabsetzung oder die Aufgabe der Nachbesserung überhaupt in Betracht gekommen wären. Eine Nachbesserung sieht die Promotionsordnung nur bei Ablehnung der Dissertation in der eingereichten Fassung vor (§ 7 Abs. 7 PromO), nicht aber bei angenommenen Dissertationen. Die Rüge oder eine Notenherabsetzung nach Promotionsvollzug sind gar nicht vorgesehen. Ob ein nicht vorgesehenes Sanktionsmittel bei nur geringfügigeren Täuschungshandlungen statt der in einer Prüfungsordnung allein vorgesehenen Sanktion ergriffen werden kann,
72so Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl., Rn. 240; Haase in: Johlen/Oerder, Münchener Anwaltshandbuch Verwaltungsrecht, 3. Aufl., § 16, Rn. 276; offen gelassen in OVG NRW, Beschluss vom 30.3.2015 ‑ 14 A 447/15 -, S. 3 f. des amtl. Umdrucks,
73kann dahinstehen. Bei dem hier in Rede stehenden umfangreichen Plagiat, das die Befähigung der Klägerin zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit in Frage stellt, ist die Entziehung indiziert.
74BverwG, Urteil vom 21.6.2017 ‑ 6 C 3.16 ‑, NVwZ 2017, 1786, Rn. 45.
75Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
76Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung.
77Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO dafür nicht vorliegen.