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Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des aufgrund des Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.625 Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin begehrt die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids für die Aufstockung ihres unter dem 20. März 1985 genehmigten eingeschossigen Einfamilienhauses um ein Staffelgeschoss (im Folgenden: Vorhaben) auf dem Grundstück T. 17a (Gemarkung T1., Flur 10, Flurstücke 988, 989 und 990) in C.
4Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des 1972 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. (im Folgenden: Bebauungsplan). Dieser enthält für das Vorhabengrundstück die Festsetzungen Reines Wohngebiet, Grundflächenzahl 0,4, Geschossflächenzahl 0,5, offene Bauweise und Flachdach. Die Grundstücke nördlich der im Bebauungsplan so bezeichneten Erschließungsstraße D (nunmehr S.) sollen nach der Planbegründung eingeschossig und nur ausnahmsweise zweigeschossig bebaut werden dürfen, um einen einwandfreien Übergang der Bebauung zur freien Landschaft zu erreichen.
5Unter dem 1. Oktober 2013 beantragte die Klägerin die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheides für eine Aufstockung des Gebäudes durch ein Staffelgeschoss. Gleichzeitig beantragte sie die Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Anzahl der Vollgeschosse, der Geschoßflächenzahl und der grenzständigen Bebauung. Die zulässige Geschossflächenzahl soll um 0,32 überschritten werden. Unter dem 23. Mai 2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da das Vorhaben bauplanungsrechtlich nicht zulässig sei.
6Die Klägerin hat am 20. Juni 2014 Klage erhoben und vorgetragen: Hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse bedürfe es keiner Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Jedenfalls sei eine solche zu erteilen. Die Errichtung eines Staffelgeschosses sei vom planerischen Willen als Ausnahme offensichtlich mit umfasst. Dem Rat sei es nur darum gegangen, einen einwandfreien Übergang zur freien Landschaft zu erreichen. Das Vorhabengrundstück sei von bebauten Grundstücken umgeben. Gerade nördlich der Straße S. habe die Beklagte schon zahlreiche Aufstockungen genehmigt. Von einer strikten Einhaltung der Eingeschossigkeit könne also schon lange keine Rede mehr sein. Schließlich sei die Genehmigung im Wege der Befreiung möglich.
7Die Klägerin hat beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Vorbescheides vom 23. Mai 2014 zu verpflichten, ihre Bauvoranfrage vom 9. Oktober 2013 positiv zu bescheiden.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung hat sie ergänzend ausgeführt, dass für eine Befreiung von vornherein kein Raum sei. Denn der Plangeber habe sich für eine strikte Einhaltung des von ihm entwickelten Plankonzepts einer lediglich eingeschossigen Bebauung nördlich der Planstraße D bekannt. Letztlich berühre das Vorhaben die Grundzüge der Planung. Eine Befreiung komme regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die hierfür geltend gemachten Gründe sich für eine Vielzahl von Grundstücken anführen ließen und wenn es sich bei der Festsetzung, von der befreit werden solle, um eine solche handele, die für die Planung tragend und damit wesentlich sei.
12Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Erlass des angefochtenen Urteils wird im Übrigen entsprechend § 130b Satz 1 VwGO auf dessen Tatbestand Bezug genommen.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. November 2015 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheides. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Es verstoße jedenfalls gegen die Festsetzungen der Geschossflächenzahl sowie der Zahl der Vollgeschosse. Der Bebauungsplan sei wirksam. Insbesondere sei er trotz der bereits erteilten Befreiungen von seinen Festsetzungen sowohl hinsichtlich des Vorhabengrundstücks als auch hinsichtlich der benachbarten Grundstücke nicht funktionslos geworden. Er sei auch nicht durch das Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr., der in seiner Begründung auf die zweigeschossige Umgebungsbebauung verweise, geändert worden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den dem Vorhaben entgegenstehenden Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Erteilung einer Befreiung scheide tatbestandlich bereits deshalb aus, weil die Grundzüge der Planung berührt seien.
14Aus der Begründung des Bebauungsplans gehe unmissverständlich hervor, dass der Plangeber bei der Festsetzung der Grund- und Geschossflächenzahl sowie der eingeschossigen Bebauung ausdrücklich den Übergang der Bebauung zur freien Landschaft vor Augen gehabt habe und durch entsprechende Festsetzungen eine zum Außenbereich hin aufgelockerte Bebauung habe erreichen und für die höher gelegenen Grundstücke den aufgrund der Hanglage ungestörten freien Blick in die Landschaft habe sichern wollen. Die detaillierten Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sollten damit gerade ein Ausreizen der Grundstücke durch eine übermäßige Bebauung verhindern, um einen „einwandfreien Übergang“ zum Außenbereich gewährleisten.
15Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die die Klägerin ihren Vortrag.
16Sie beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Vorbescheides vom 23. Mai 2014 zu verpflichten, ihre Bauvoranfrage vom 9. Oktober 2013 positiv zu bescheiden.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 und 2) Bezug genommen.
21II.
22Der Senat entscheidet gemäß § 130a Satz 1 VwGO, Art. 6 Abs. 1 EMRK durch Beschluss über die Berufung, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind nach § 130a Satz 2 in Verbindung mit § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört worden. Sie haben keine Einwände erhoben, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebieten.
23Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
24Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten baurechtlichen Vorbescheids.
25Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (§§ 71, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Es ist bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Geschossflächenzahl und der Zahl der Vollgeschosse widerspricht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat.
26Der Vortrag der Klägerin, es handele sich bei dem Vorhaben entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts um ein eingeschossiges Gebäude, ist unzutreffend.
27Nach § 2 Abs. 5 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der hier maßgeblichen Fassung vom 27. Januar 1970 sind Vollgeschosse Geschosse, die vollständig über der festgelegten Geländeoberfläche liegen und über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die für Aufenthaltsräume erforderliche lichte Höhe haben. Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.
28§ 2 Abs. 5 BauO NRW 1970 ist einschlägig. § 18 BauNVO a.F. (heute § 20 Abs. 1 BauNVO) stellt eine statische und keine dynamische Verweisung auf Bauordnungsrecht dar. Maßgebend ist grundsätzlich die Rechtslage, die dem Satzungsbeschluss, gegebenenfalls seiner Bekanntmachung zugrunde liegt.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2009 – 7 A 2091/81 –; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen/ Schulte, § 2 BauO, Rn. 79 ff.
30Für die Annahme, der Rat hätte über § 18 BauNVO a.F. bei Erlass des Bebauungsplans auf eine andere als die seinerzeit geltende Bauordnung verweisen wollen, ist nichts ersichtlich. Auch § 18 BauNVO a.F. gibt für ein solches Verständnis nichts her.
31Vgl. Bad.-Württ. VGH., Urteil vom 15. Februar 1984 – 3 S 1279/83 –, BRS 42 Nr. 114; a.A. HessVGH, Beschluss vom 26. Juli 1984 – 4 TG 1669/84 –, BRS 42 Nr. 113; offen gelassen in OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Januar 2006 – 7 B 1685/05 – und vom 31. Januar 1992 – 11 B 3035/91 –.
32Nach den vom Verwaltungsgericht zutreffend dargestellten Grundsätzen ist der Bebauungsplan auch nicht funktionslos geworden. Die Berufungsbegründung, der Rat habe, als er den Bebauungsplangeändert habe, die vorhandene Bebauung im Geltungsbereich des Ursprungsplans als zweigeschossig bezeichnet und die gegenüber den ursprünglichen Festsetzungen veränderten beziehungsweise abweichenden Verhältnisse zur Kenntnis genommen, rechtfertigen nicht die Annahme, der Bebauungsplan sei funktionslos. Auch dass die Beklagte für sechs Vorhaben im Plangebiet Befreiungen von der Festsetzung zur Zahl der Vollgeschosse erteilt hat, bedeutet nicht, dass die Verwirklichung dieser Festsetzung im Übrigen auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist, zumal nach den Angaben der Beklagten die Festsetzung für mehrere Dutzend Flurstücke im Plangebiet gilt.
33Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB. Eine Abweichung von der festgesetzten Zahl der Vollgeschosse berührt die Grundzüge der Planung im Sinne dieser Vorschrift.
34Mit dem Begriff der Grundzüge der Planung bezeichnet das Gesetz das durch die Hauptziele der Planung bestimmte Grundkonzept eines Bauleitplans. Die Grundzüge manifestierten sich in den diese Hauptziele umsetzenden Festsetzungen. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich jeweils nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen des Plangebers. Ob die Grundzüge der Planung durch die Abweichung eines Bauvorhabens von einer hiernach maßgeblichen Festsetzung berührt werden, lässt sich nicht allgemeingültig festlegen. Entscheidend ist die jeweilige Planungssituation, aus der sich ergibt, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft oder nicht. Je tiefer die Befreiung in den der Planung zugrunde liegenden Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Grundkonzept in einem Maße berührt ist, das eine (Um-)Planung erforderlich macht.
35Eine Befreiung ist danach ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seiner Umgebung bodenrechtliche Spannungen hervorruft oder erhöht, die nur durch eine Planung zu bewältigen sind. Was den Bebauungsplan in seinen Grundzügen und damit auch das planerische Grundkonzept verändert, lässt sich nur durch eine erneute Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden.
36Mit Blick auf die konkrete Planungssituation und die Vorstellungen des Rates beim Satzungsbeschluss betrifft die Festsetzung zur Zahl der Vollgeschosse hier die Grundzüge der Planung. Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass der Rat sich nach entsprechenden Einwendungen im Aufstellungsverfahren ganz bewusst dazu entschieden habe, die Zahl der Vollgeschosse wie festgesetzt zu begrenzen.
37Liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nicht vor, kommt es auf die auch nach dem Vortrag der Beklagten offensichtlich rechtswidrig erteilten Befreiungen in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit nicht an.
38Die Berufung der Klägerin auf das zu einer anderen Rechtslage ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juli 1974 – XI A 1184/73 –, BRS 28 Nr. 64, führt zu keinem anderen Ergebnis. Damals hatte der 11. Senat des Oberverwaltungsgericht dem Kläger, der ebenfalls ein Staffelgeschoss errichten wollte, einen Anspruch auf eine Befreiung von den Festsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse zuerkannt, weil die umbaute und überdachte Grundfläche des Staffelgeschosses weniger als zwei Drittel der Fläche des darunter liegenden Geschosses betrug. Diese Rechtsprechung beruhte auf dem Gedanken, dass § 2 Abs. 5 BauO NRW 1970 ansonsten zu unbefriedigenden Ergebnissen führe, da der Bauherr nach dieser Vorschrift anstelle des Staffelgeschosses entsprechende zusätzliche Räume oberhalb des obersten Vollgeschosses unter einem Satteldach errichten dürfe, obwohl dieses zusätzlich in Erscheinung trete.
39Hier käme eine Befreiung auch nach dieser Rechtsprechung schon deshalb nicht in Betracht, weil, wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat, der Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück ein Flachdach vorschreibt, sodass es der Klägerin auch versagt wäre, die geplanten Räume oberhalb des obersten Vollgeschosses unter einem Satteldach zu errichten.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
43Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 40, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG.