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Die Beurteilung nächtlicher Geräuschimmissionen als schädliche Umwelteinwirkungen muss nicht zwingend auf Lärmmessungen beruhen. Grundlage einer rechtlich nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Überzeugungsbildung können unter Berücksichtigung insbesondere der konkreten örtlichen Verhältnisse auch wiederholte Nachbarbeschwerden sowie behördliche und polizeiliche Feststellungen sein.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 4.7.2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag,
2die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 5444/17 (VG Arnsberg) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27.4.2017 wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen,
3im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, an der von der Antragsgegnerin verfügten Sperrzeitverlängerung bestehe ein öffentliches Bedürfnis. Die Schankwirtschaft des Antragstellers rufe erhebliche nächtliche Lärmbelästigungen der Nachbarschaft hervor. Dies ergebe sich aus der Verwaltungsakte, die von der Lärmproblematik wie von einem roten Faden durchzogen sei. Dass die entsprechenden Nachbarbeschwerden sämtlich auf purer Erfindung oder sachwidrigen Motiven beruhten, sei nach Lage der Dinge ausgeschlossen.
4Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
5Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i. V. m. § 3 Abs. 6 GewRV kann u. a. die in § 3 Abs. 3 Satz 1 GewRV geregelte, von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr dauernde allgemeine Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden. Da der Schutzzweck der Sperrzeitfestsetzung weitgehend mit demjenigen des § 5 GastG übereinstimmt, ist hierbei insbesondere von Bedeutung der in § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG normierte Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und gegen sonstige erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2016 – 4 A 17/14 –, GewArch 2016, 350 = juris, Rn. 4 f., m. w. N.
7Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind Immissionen, insbesondere einwirkende Geräusche, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 und 2 BImSchG). Zu den im vorliegenden Zusammenhang zu berücksichtigenden Immissionen gehören nicht nur unmittelbar durch den eigentlichen Gaststättenbetrieb hervorgerufene Geräusche, sondern auch solche durch das Verhalten von Gästen vor der Gaststätte oder auf dem Weg zu und von ihr, sofern noch ein erkennbarer Bezug zu dem Betrieb besteht. Ein Gastwirt hat sicherzustellen, dass es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft durch seinen Betrieb und insbesondere durch Lärm aufgrund des Verhaltens seiner Gäste kommt.
8Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 = juris, Rn. 27 ff., 34 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, GewArch 2012, 370 = juris, Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2016 – 4 A 17/14 –, GewArch 2016, 350 = juris, Rn. 13 f.
9Ausgehend davon hält die Beschwerde der Auffassung des Verwaltungsgerichts nichts Durchgreifendes entgegen. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung angenommen, es bestehe ein öffentliches Interesse an der streitigen Sperrzeitverlängerung, weil es in der Vergangenheit wiederholt durch lautstarkes Verhalten von Gästen der Schankwirtschaft des Antragstellers zu erheblichen Störungen der Nachtruhe von Anwohnern gekommen sei.
10Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, die Antragsgegnerin habe die Sperrzeitverlängerung nicht ohne weitere Ermittlungen insbesondere zu der Frage, ob einschlägige Lärmrichtwerte überschritten seien, allein auf der Grundlage von Anwohnerbeschwerden erlassen dürfen.
11Zutreffend ist, dass die Antragsgegnerin und ihr folgend das Verwaltungsgericht ihre Entscheidungen jeweils maßgeblich auf die der Antragsgegnerin vorliegenden Beschwerden zahlreicher Anwohner sowie des Eigentümers eines benachbarten Hauses wegen nächtlicher Ruhestörungen insbesondere durch Gäste des Antragstellers gestützt haben. Die Antragsgegnerin hat keine unmittelbaren eigenen Feststellungen getroffen, insbesondere keine Lärmmessungen durchgeführt. Dies ist unter den gegebenen Umständen nicht zu beanstanden.
12Die Beurteilung nächtlicher Geräuschimmissionen als schädliche Umwelteinwirkungen muss nicht zwingend auf Lärmmessungen beruhen. Grundlage einer rechtlich nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Überzeugungsbildung können unter Berücksichtigung insbesondere der konkreten örtlichen Verhältnisse auch wiederholte Nachbarbeschwerden sowie behördliche und polizeiliche Feststellungen sein.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1991 – 7 B 165/91 –, NVwZ 1993, 268 = juris, Rn. 2; Bay. VGH, Beschluss vom 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, GewArch 2012, 370 = juris, Rn. 21. Siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 28.5.2008 – 4 B 2090/07 –, juris, Rn. 13 f.
14Ausgehend davon durften Antragsgegnerin und Verwaltungsgericht aufgrund der Vielzahl der Beschwerden zahlreicher Nachbarn davon ausgehen, dass die von dem Gaststättenbetrieb hervorgerufenen nächtlichen Geräusche das Maß dessen überschreiten, was der in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Wohnbevölkerung unter Berücksichtigung der Bedeutung eines störungsfreien Nachtschlafs für die menschliche Gesundheit,
15vgl. BVerwG, Urteil vom 9.11.2006 – 4 A 2001.06 –, BVerwGE 127, 95 = juris, Rn. 86,
16zumutbar ist. Viele Nachbarn hatten sich wiederholt über vielfache Störungen der Nachtruhe insbesondere durch Gäste der Schankwirtschaft des Antragstellers beklagt. Gegenstand der Beschwerden ist permanenter Lärm, insbesondere durch an- und abfahrende Fahrzeuge, durch im Freien geführte lautstarke Unterhaltungen, Telefonate sowie Geschrei von Gästen sowohl vor dem Haupteingang der Gaststätte als auch vor der als Notausgang deklarierten Tür zum rückwärtigen Innenhof, die tatsächlich als zweite Eingangstür genutzt würde.
17Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, Glaubwürdigkeit und Aussagekraft der von zahlreichen Anwohnern teils unter Vorlage detaillierter Lärmprotokolle vorgebrachten Beschwerden zu erschüttern.
18Soweit der Antragsteller den beschwerdeführenden Nachbarn eine auf die Schließung seines Betriebs zielende konzertierte Aktion unterstellt, vermag er damit nicht durchzudringen. Die von Nachbarn protokollierten und in der angefochtenen Ordnungsverfügung aufgezählten Lärmereignisse als solche stellt der Antragsteller nicht substantiiert in Abrede. Ein lediglich pauschales Bestreiten der unter Angabe von Datum und Uhrzeit im Einzelnen beschriebenen Vorfälle genügt nicht. Der Antragsteller benennt auch keine konkreten Belege dafür, dass die Lärmbeschwerden auf sachwidrigen Motiven beruhen und deshalb nicht den Tatsachen entsprechen könnten. Soweit er einer der Beschwerdeführerinnen eine querulatorische Neigung unterstellt, verfängt dieser Einwand schon deshalb nicht, weil sich daneben noch eine Reihe weiterer Anwohner beschwert haben. Fehlt es mithin an erforderlichen konkreten Hinweisen für sachwidrige Motive der Nachbarn, kann auf sich beruhen, ob der vom Verwaltungsgericht mit Blick auf die Einschaltung einer Rechtsanwaltskanzlei durch vier der Anwohner zugrunde gelegte Erfahrungssatz zutrifft, wonach derjenige, der einem anderen dadurch Schaden zufügen wolle, dass er ihn bei der Behörde anschwärze, sich hierzu nicht anwaltlicher Hilfe bediene.
19Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die von dem Antragsteller vorgelegten Erklärungen, mit denen (andere) Nachbarn bestätigen, sie fühlten sich durch den Betrieb des Antragstellers in keiner Weise belästigt. Teilweise erscheinen die Erklärungen schon deshalb nicht aussagekräftig, weil die betreffenden Personen nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnen (Frau N. und Frau B. -U. , jeweils wohnhaft U1. -I. -Straße) oder sich ersichtlich nur tagsüber dort aufhalten (Frau H. , Bäckerei „C. “; Herr P. , Arztpraxis). Auf einer der formularmäßig vorformulierten Erklärungen fehlt die Unterschrift (F. L. ). Im Übrigen erschöpfen sich sämtliche Erklärungen in der pauschalen Mitteilung, man fühle sich nicht belästigt. In zwei offenbar von unmittelbaren Anwohnern stammenden Erklärungen – nur eine davon trägt eine Unterschrift – findet sich darüber hinaus die ebenso pauschale Angabe, man finde „diese Behauptungen, die hier berichtet wurden, einfach unverschämt und nicht der Wahrheit entsprechend“. Derartige pauschale und ersichtlich vom Antragsteller vorgefertigte Erklärungen sind nicht geeignet, die der Antragsgegnerin vorliegenden Beschwerden über eine Vielzahl detailliert protokollierter konkreter Lärmereignisse durchgreifend in Zweifel zu ziehen.
20Im Übrigen sprechen auch polizeiliche Feststellungen für die Glaubwürdigkeit der vorliegenden Lärmbeschwerden. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller zu Recht sinngemäß rügt, das Verwaltungsgericht hätte den Polizeieinsatz am 12./13.6.2017 nicht berücksichtigen dürfen, weil dieser erst nach Erlass der Ordnungsverfügung erfolgt sei.
21Vgl. zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt einerseits OVG NRW, Beschluss vom 28.5.2008 ‑ 4 B 2090/07 -, juris, Rn. 11 f., andererseits VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.9.1993 – 14 S 1946/93 –, juris, Rn. 3; Michel/Kienzle/Pauly, GastG, 14. Aufl. 2003, § 18 Rn. 33.
22Denn auch schon im zeitlichen Vorfeld der streitigen Sperrzeitverlängerung hat die Polizei bei einem Einsatz am 16.4.2017 eine nächtliche Ruhestörung durch aus der Gaststätte dringende überlaute Musik festgestellt. Und bereits am 5.3.2017 konnten Polizeibeamte vor Ort Lichtbilder von zwei Föhnen fertigen, nachdem Anwohner wiederholt Beschwerde darüber geführt hatten, vor dem Hinterausgang der Gaststätte, einer Shishabar, würde – auch nachts – unter Einsatz eines Föhns Kohle erhitzt, was zu ruhestörendem Lärm führe.
23Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, es sei nicht ersichtlich, ob und inwieweit etwaige Ruhestörungen gerade von seinen Gästen verursacht würden. Sein Betrieb befinde sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Vielzahl anderer Gastronomie-betriebe im Bereich einer Fußgängerzone mit einer gewissen Fußgängerfrequenz auch noch nachts. Dabei sei von Bedeutung namentlich das wesentlich größere und über eine Außengastronomie verfügende Café F1. , in dem überdies – anders als in seiner Gaststätte – Alkohol ausgeschenkt werde, womit in aller Regel höhere Lärmpegel durch heimkehrende Gäste verbunden seien. Auch insoweit erschöpft sich das Beschwerdevorbringen in unsubstantiierten Mutmaßungen. Konkrete Hinweise dafür, dass es sich bei den die beanstandeten Ruhestörungen verursach-enden Personen entgegen den Angaben der beschwerdeführenden Nachbarn nicht um Gäste der Gaststätte des Antragstellers oder dort Beschäftigte gehandelt haben könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil: Jedenfalls ganz überwiegend erscheint eine fehlerhafte Zuordnung nach der Art bzw. den Umständen des lärmverursachenden Verhaltens praktisch ausgeschlossen. Das gilt für Lärm durch an- und abfahrende Fahrzeuge, deren Ziel- bzw. Startpunkt eindeutig fest-stellbar sein dürfte, ebenso wie für Lärm durch vor der Gaststätte sitzende oder sie verlassende Personen. In besonderer Weise frei von Zweifeln ist die Zuordnung der im rückwärtigen Innenhof hervorgerufenen, detailliert protokollierten Ruhestörungen zum Betrieb des Antragstellers. Ein allgemeiner Fußgängerverkehr findet dort, soweit ersichtlich, nicht statt.
24Erfolglos macht der Antragsteller geltend, die Antragsgegnerin sei nicht der Frage nachgegangen, ob und inwieweit die nächtliche Geräuschentwicklung, die die Nachbarn beklagten, überhaupt geeignet sei, „eine Überschreitung der zu tolerierenden Emissionswerte darzustellen, geschweige denn, ob dies konkret der Fall war“ Aus einer von ihm eingeholten sachverständigen Schallimmissionsprognose gehe vielmehr hervor, dass an sämtlichen untersuchten Immissionsorten die einschlägigen Richtwerte nach der TA Lärm grundsätzlich nicht überschritten würden.
25Das von dem Antragsteller vorgelegte Prognosegutachten ist hinsichtlich der tatsächlichen Lärmsituation, wie sie sich auf der Grundlage der glaubwürdigen Nachbarbeschwerden nach Aktenlage darstellt, nur beschränkt aussagekräftig. Betriebsbedingte nächtliche Außengeräusche finden darin nur insoweit Berücksichtigung, als sie durch (wenige) Parkbewegungen von Mitarbeitern sowie technische Anlagen im Außenbereich hervorgerufen werden (vgl. Seiten 5 bis 8 des Gutachtens). Unberücksichtigt bleiben unmittelbar durch das Verhalten von Gästen im Freien sowie durch an- und abfahrende Besucherfahrzeuge verursachte nächtliche Immissionen, wie sie hier in Rede stehen. Überdies geht das Gutachten von der Annahme aus, die hintere Tür der Gaststätte diene nicht als Eingang und werde nur in Notfällen oder zum Verlassen des Gebäudes nach Betriebsschluss genutzt (vgl. Seite 5 des Gutachtens). Ausweislich der vorliegenden Nachbarbeschwerden und polizeilichen Feststellungen stellt sich die tatsächliche Situation gänzlich anders dar. Danach wird der Hintereingang regelmäßig auch von Gästen frequentiert, die mitunter durch lautes Trommeln gegen die Tür Einlass begehren oder sich sonst lautstark verhalten. Überdies wird der rückwärtige Innenhof regelmäßig durch Besucher der Gaststätte angefahren, bleibt der dort durch den Betrieb des Antragstellers ausgelöste Fahrzeugverkehr also entgegen der Prämisse des Gutachtens nicht auf Mitarbeiter beschränkt. Auch lärmträchtige Verhaltensweisen des Antragstellers bzw. seiner Beschäftigten im Bereich des Hintereingangs, namentlich der erwähnte Einsatz eines Föhns zum Anheizen von Kohle, findet in dem Gutachten keinen Niederschlag.
26Stellt man diese zusätzlichen Belastungen in Rechnung, untermauert das Gutachten sogar die von der Antragsgegnerin in – wie ausgeführt – nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage der Nachbarbeschwerden vorgenommene Beurteilung der Gaststättengeräusche als schädliche Umwelteinwirkungen. Denn schon für das in dem Gutachten zugrunde gelegte „gemäßigte“ Betriebsszenario gelangen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass der nach Nr. 6.1 Satz 1 der TA Lärm u. a. für Mischgebiete geltende Immissionsrichtwert von 45 dB(A) nachts an den Immissionsorten IO2a, IO2b, IO3b und IO6 entweder erreicht oder mit 42, 43 bzw. 44 dB(A) nur knapp unterschritten werde (vgl. Seiten 4 und 11 des Gutachtens). Für das Spitzenpegelkriterium nach Nr. 6.1 Satz 2 der TA Lärm kommt das Gutachten sogar zu dem Ergebnis, dass an besagten Immissionsorten eine Überschreitung nachts nicht ausgeschlossen werden könne (vgl. Seite 12 des Gutachtens). Da sich die tatsächliche Situation nach Lage der Dinge anders, nämlich lärmträchtiger darstellt, als in dem Gutachten vorausgesetzt, spricht mithin alles dafür, dass die genannten Richtwerte, deren Einhaltung dem Antragsteller in der ihm von der Antragsgegnerin für seine Gaststätte erteilten Baugenehmigung bestandskräftig aufgegeben ist, im Realbetrieb überschritten werden.
27Ohne Erfolg bleiben auch die Einwände, mit denen der Antragsteller die Verhältnismäßigkeit der streitigen Sperrzeitverlängerung in Abrede stellt.
28Mildere Mittel, die zum Schutz der Nachtruhe der Anwohner in gleicher Weise geeignet wären, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für eine von dem Antragsteller angesprochene Verlängerung der Sperrzeit lediglich bis 0:00 Uhr, da es ausweislich der vorliegenden Lärmprotokolle in der Vergangenheit auch schon zwischen 22:00 Uhr und Mitternacht wiederholt zu Ruhestörungen gekommen ist. Im Übrigen ist ein Betrieb der Gaststätte baurechtlich ohnehin nur bis 24:00 Uhr genehmigt, worüber sich der Antragsteller nach Aktenlage wiederholt hinwegsetzt hat, wie sich ebenfalls aus den Lärmprotokollen sowie polizeilichen Meldungen ergibt. Seine Berufung darauf, die Antragsgegnerin habe ihm vorab nicht mittgeteilt, dass sie den Erlass einer Sperrzeitverlängerung erwäge, ist sachlich unzutreffend. Mit Schreiben vom 21.2.2017 hat ihn die Antragsgegnerin auf Anwohnerbeschwerden und seine Verantwortlichkeit für das Verhalten seiner Gäste hingewiesen sowie ordnungsbehördliche Maßnahmen für den Fall angekündigt, dass es zu weiteren Beschwerden käme. Mit Schreiben vom 7.3.2017 hat sie, nachdem weitere Beschwerden vorlagen, konkret eine Verlängerung der Sperrzeit als denkbare ordnungsbehördliche Maßnahme benannt. Mit Schreiben vom 5.4.2017 hat die Antragsgegnerin dem Antrag-steller schließlich Gelegenheit gegeben, sich zu der konkret beabsichtigten Sperrzeitverlängerung zu äußern.
29Die streitige Sperrzeitverlängerung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Angesichts der festgestellten erheblichen nächtlichen Ruhestörungen kann der Antragsteller sich nicht mit Erfolg auf eine wirtschaftliche Unrentabilität seines Betriebs berufen, die bei einer Schließung bereits ab 22:00 Uhr zu erwarten sei.
30Der mit einer Verlängerung der Sperrzeit verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ist verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, dass die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleibt.
31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.2.2011 – 8 B 105.10 –, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2016 – 4 A 17/14 –, GewArch 2016, 350 = juris, Rn. 29 ff.
32So liegt es hier. Die streitige Sperrzeitverlängerung dient insbesondere dem Schutz der Nachtruhe und damit auch der Gesundheit der Anwohner, mithin einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin dem Gesundheitsschutz Vorrang gegenüber der Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers sowie der Verhaltensfreiheit seiner Gäste einräumt.
33Vgl. auch BVerfG, Urteil vom 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u. a. –, BVerfGE 121, 317 = juris, Rn. 121 f.; BVerwG, Urteil vom 5.11.1985 – 1 C 14.84 –, GewArch 1986, 96 = juris, Rn. 19.
34Nichts anderes gilt mit Blick auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Antragstellers. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt.
35Vgl. dazu, im Einzelnen ebenfalls offenlassend, BVerfG, Urteil vom 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11u. a. –, BVerfGE 143, 246 = juris, Rn. 240, m. w. N.
36Denn § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i. V. m. § 3 Abs. 6 GewRV treffen jedenfalls eine verfassungskonforme Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese lässt die Sperrzeitverlängerungen gegebenenfalls ohne Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit des Gaststättenbetriebs zu. Bei deren Anwendung im vorliegenden Einzelfall überwiegt das öffentliche und private Interesse an gesunden Lebensverhältnissen die wirtschaftlichen Belange des Antragstellers. Die Möglichkeit, eine Gaststätte gewinnbringend zu betreiben, ist bei Vorliegen entgegenstehender höherwertiger Belange verfassungsrechtlich nicht garantiert.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1985 – 1 C 14.84 –, GewArch 1986, 96 = juris, Rn. 19.
38Soweit der Antragsteller schließlich eine unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gaststättenbetrieben im näheren Umfeld, insbesondere dem Café F1. rügt, ist schon nicht dargelegt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unter diesem Gesichtspunkt fehlerhaft sein könnte. Bei dem Vorbringen, der Antragsgegnerin lägen insoweit vergleichbare Anwohnerbeschwerden vor und sie sehe gleichwohl von Sperrzeitverlängerungen ab, handelt es sich um eine durch nichts belegte Mutmaßung.
39Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
40Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Grundsätzlich legt der Senat in Verfahren betreffend Sperrzeitregelungen in Orientierung an Nr. 54.4 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58) den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten zusätzlichen Gewinns, mindestens aber 7.500,00 EUR zugrunde.
41Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5.9.2014 – 4 B 830/14 –, GewArch 2015, 35 = juris, vor Rn. 1, Rn. 2 und 21, vom 7.3.2016 – 4 A 2347/15 –, ZfWG 2016, 245 = juris, vor Rn. 1, Rn. 2, und vom 24.4.2017 – 4 B 139/17 –, juris, vor Rn. 1.
42Wird – wie hier – geltend gemacht, eine Sperrzeitverlängerung habe existenzbedrohende Folgen, ist das wirtschaftliche Interesse in Anlehnung an Nrn. 54.1 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens aber mit 15.000,00 EUR zu bemessen.
43Vgl. ebenso BayVGH, Beschluss vom 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, GewArch 2012, 370 = juris, Rn. 48.
44Dieser Betrag ist wegen der Vorläufigkeit des Eilverfahrens zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).
45Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).