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Für die Annahme einer unselbständigen Zweigstelle bedarf es über das Unterhalten von Geschäftsbeziehungen zu Dritten hinaus einer eigenen organisatorisch erkenn-baren festen Infrastruktur, von der aus gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, die dau-erhaft von einer verantwortlichen Person für den Gewerbetreibenden betrieben wird.
Das Verfahren wird hinsichtlich der streitbefangenen Gewerbemeldeverpflichtung der Klägerin für die Örtlichkeiten S. Q. 1 und X. 10 in C. eingestellt. In diesem Umfang ist das angefochtene Urteil wirkungslos.
Im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerin das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29.1.2014 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Minden abgeändert.
Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 17.12.2012 in der Fassung vom 20.1.2014 wird aufgehoben, soweit sie die Gewerbemeldeverpflichtung der Klägerin für die Örtlichkeit B. -C1. -Straße 14 in C. betrifft.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin wehrt sich gegen die ihr von der Beklagten auferlegte Verpflichtung zur Gewerbeanzeige für die von ihr in C. durchgeführten Kurse in Erster Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen.
3Sie betreibt von ihrem Sitz in C2. aus deutschlandweit Kurse für Erste-Hilfe und lebensrettende Sofortmaßnahmen. Dort beschäftigt sie sieben Angestellte. In C. bietet sie seit dem 3.6.2011 Kurse für Erste-Hilfe, lebensrettende Sofortmaßnahmen sowie Sehtests und die Erstellung von Passfotos jeweils freitags, samstags und sonntags an. Dafür hat sie zuerst vom 26.5.2011 bis zum 18.12.2011 stundenweise Schulungsräume in den örtlichen Schulungsgebäuden der VHS (S. Q. 1, C. ) angemietet, seit dem 4.11.2011 in den H. C3. NRW GmbH, zunächst X. 10, ab dem 3.7.2012 in der B. -C1. -Str. 14. Einen Schlüssel erhält sie für die Schulungsräume nicht, diese werden jeweils durch Hausverwalter für die Schulungszeiten geöffnet. Der Mietvertrag mit den H. C3. beinhaltet die Möglichkeit zum Aufstellen eines verschließbaren Materialschranks oder einer abgeschlossenen Lagermöglichkeit. Die Kurse werden ausschließlich von Honorarkräften abgehalten.
4Nachdem die Klägerin der wiederholten formlosen Aufforderung der Beklagten, ihre Tätigkeit als Gewerbe anzumelden, nicht nachgekommen war, verlangte die Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 17.12.2012, dass sie innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft der Verfügung im einzelnen genannte Anzeigen ihrer gewerblichen Tätigkeit in C. nach § 14 GewO vornimmt. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte die Beklagte der Klägerin die Festsetzung von Zwangsgeldern an. Mit Schriftsatz vom 20.1.2014 änderte sie ihre Ordnungsverfügung vom 17.12.2012 hinsichtlich der Zeiten der Gewerbean- und abmeldungen für die einzelnen Schulungsorte in C. ab.
5Die Klägerin hat gegen die Ordnungsverfügung vom 17.12.2012 rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die von ihr nur für die Dauer der angebotenen Kurse angemieteten Schulungsräume erfüllten nicht die Voraussetzungen einer unselbständigen Zweigstelle im Sinne von § 14 Abs. 1 GewO. Hierfür sei in Anlehnung an den Betriebsstättenbegriff in § 12 AO das Bestehen einer nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht des Unternehmens über die genutzten Räumlichkeiten erforderlich. Diese bestehe jedoch bei den von ihr angemieteten Räumlichkeiten nicht. Sie habe keine Schlüssel für die Räume. Der Zugang werde ihr ausschließlich über die Mitarbeiter des jeweiligen Schulungsgebäudes gewährt. Sie habe auch keine eigenen Gegenstände in den Räumen abgestellt. Alle benötigten Unterlagen würden von den Ausbildern zu den einzelnen Kursen mitgebracht. Ihre gewerberechtliche Zuverlässigkeit werde durch die Gewerbebehörde am Sitz der Gesellschaft in C2. überwacht. Daneben benötige sie die Anerkennung der Bezirksregierung E. für die Durchführung von Kursen in Erster Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen. Dort seien auch die Orte, an denen sie Kurse anbiete, anzugeben. Die gewerberechtliche Überwachung erfolge insoweit durch die Bezirksregierung E. , die das entsprechende Verfahren bereits durchgeführt habe.
6Die Klägerin hat beantragt,
7die Ordnungsverfügung der Beklagen vom 17.12.2012 in der Fassung der Ordnungsverfügung vom 20.1.2014 aufzuheben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf die Gründe ihrer Bescheide ausgeführt, die Klägerin unterhalte in den jeweiligen Schulungsräumen in C. unselbständige Zweigstellen ihres Gewerbes. Auf die steuerrechtliche Bewertung einer Betriebsstätte komme es nicht an. Die Anzeige sei erforderlich zur umfassenden Gewerbeaufsicht und Durchführung der ihr, der Beklagten, obliegenden statistischen Erhebungen. Das Anerkennungsverfahren durch die Bezirksregierung E1. diene anderen gesetzlichen Zwecken. Auch die Gewerbeanzeige am Sitz in C2. entbinde nicht von der Verpflichtung zur Anzeige weiterer Zweigstellen.
11Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Anfechtungsklage sei unbegründet, weil die Beklagte die Klägerin zu Recht zur Gewerbeanmeldung aufgefordert habe. Die Anzeigepflicht der Klägerin sei gemäß § 14 Abs. 1 GewO gegeben, weil sie an den im einzelnen benannten Orten in C. unselbständige Zweigstellen ihres deutschlandweiten Angebots an Kursen in Erster Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen, der Abnahme von Sehtests sowie der Erstellung von Passfotos betreibe. Da der Klägerin jeweils durch die Mietverträge der Zugang zu den Schulungsräumen zugesichert sei, habe sie auch die von ihr für notwendig erachtete Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten. Die Erlaubnis der Bezirksregierung E1. nach § 68 FeV diene der Sicherung und Einheitlichkeit der Ausbildung für Fahrerlaubnisbewerber und der hierbei eingesetzten Lehrkräfte. Sie könne die aus gewerbeaufsichtsrechtlichen Gründen bestehende Anzeigepflicht nach § 14 GewO nicht ersetzen.
12Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor:
13Die Beklagte habe verkannt, dass die Klägerin mit dem Angebot von Erste-Hilfe-Kursen und Kursen in lebensrettenden Sofortmaßnahmen kein Gewerbe ausübe. Ihre Tätigkeit sei gemäß § 6 Satz 1 GewO vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen, weil sie im engen tatbestandlichen Zusammenhang mit der Ausübung der ärztlichen und anderen Heilberufe stehe. Nicht nur die Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, wie in § 1 Abs. 2 des Heilpraktikergesetzes beschrieben, unterfielen dieser Vorschrift, sondern auch die Ausbildung hierzu. In den von ihr angebotenen Kursen würden unter anderem die Hilfeleistung in der Not im Interesse der Feststellung und Linderung von Körperschäden bei Menschen und die Verhinderung weiterer Körperschäden in einer Notsituation gelehrt. Aus diesem Grunde sei die Geschäftsführerin der Klägerin auch Ärztin.
14Darüber hinaus unterhalte sie mit ihrem Kursangebot in C. keine unselbständige Zweigstelle im Sinne des § 14 Abs. 1 GewO. Voraussetzung hierfür sei eine feste örtliche Anlage oder ständige Einrichtung, die der Ausübung eines stehenden Gewerbes diene. Fehle ein eigenes Geschäftslokal, so müsse wenigstens eine Organisation vorhanden sein, die alle oder einen wesentlichen Teil der an diesem Ort zu vollbringenden Aufgaben selbständig von der Hauptniederlassung regle und erledige. Dies erfordere in den meisten Fällen zumindest die Existenz einer telefonischen Anlaufstelle, über die sie nicht verfüge. Sie unterhalte keinerlei Repräsentanz im Bezirk der Beklagten. Ausschließlich am Sitz der Verwaltung in C2. erfolge die gesamte Abwicklung der Kurse, so auch die Bereitstellung der notwendigen Geräte und Unterrichtsmaterialien. Lediglich der Unterricht werde in den angemieteten Räumen im Bezirk der Beklagten durchgeführt.
15In der mündlichen Verhandlung am 20.3.2017 sind sich die Beteiligten darüber einig geworden, dass die angefochtene Verfügung vom 17.12.2012 in Gestalt der Änderung vom 20.1.2014 ihre Erledigung gefunden hat, soweit der Klägerin die Vornahme von Gewerbemeldungen für die Anschriften S. Q. 1 und X. 10 aufgegeben worden ist und sich die Zwangsgeldandrohungen hierauf beziehen. Insoweit haben sie den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerin beantragt nunmehr,
16soweit das Verfahren nicht in der Hauptsache erledigt ist, das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.1.2014 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Minden abzuändern und die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 17.12.2012 in der Fassung vom 20.1.2014 aufzuheben.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung zu ihrem Geschäftsmodell der Ausrichtung von Erste-Hilfe-Kursen und Kursen in lebensrettenden Sofortmaßnahmen sowie zu ihrer Tätigkeit in C. befragt worden. Hinsichtlich ihrer Ausführungen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.3.2017 verwiesen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (ein Hefter) Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22Der Senat hat das Rubrum wegen Umfirmierung der Klägerin nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen geändert.
23Soweit die Klägerin und die Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das erstinstanzliche Urteil entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO in Verbindung mit § 173 VwGO für wirkungslos zu erklären.
24Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin begründet. Die Klage hat Erfolg. Die angegriffene Ordnungsverfügung der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, soweit sie die Klägerin unter entsprechender Zwangsgeldandrohung zur Gewerbemeldung für die Örtlichkeit B. -C1. -Straße 14 in C. verpflichtet. Da die Klägerin an dieser Örtlichkeit keine unselbständige Zweigstelle unterhält, ist sie dort auch nicht zur Anzeige ihres Gewerbes verpflichtet.
25Rechtsgrundlage für die Aufforderung, eine Gewerbeanmeldung vorzunehmen, ist § 14 Abs. 1 GewO. Nach dieser Vorschrift muss, wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder unselbständigen Zweigstelle anfängt, dies der für den betreffenden Ort zuständigen Behörde anzeigen. Hieraus ergibt sich zugleich, dass die zuständige Behörde im Einzelfall durch Verwaltungsakt zur Erfüllung der Anzeigepflicht auffordern kann, wenn der Anzeigepflichtige dieser Verpflichtung nicht von sich aus nachkommt.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.1.1993 – 1 C 25.91 –, NVwZ 1993, 775 = juris, Rn. 15, m. w. N.
27I. Die Klägerin betreibt mit dem bundesweiten Angebot von Kursen in Erster Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen ein Gewerbe im Sinne von § 14 Abs. 1 GewO.
28Übereinstimmend gehen Literatur und Rechtsprechung vom Vorliegen eines Gewerbes aus, wenn es sich um eine erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte, selbständige Tätigkeit handelt, die nicht den Bereichen der Urproduktion, den Freien Berufen oder der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zuzurechnen ist.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2013 – 8 C 8.12 –, NJW 2013, 2214 = juris, Rn. 12, m. w. N.
30Dass ihre erlaubte und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit auf Gewinnerzielung gerichtet ist, bezweifelt die Klägerin nicht. Ihre Tätigkeit ist auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 GewO vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen. Diese Vorschrift enthält eine (nicht abschließende) Aufzählung einzelner Freier Berufe, die dem Geltungsbereich der Gewerbeordnung nicht unterstellt sind. Sie haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation und schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2013 – 8 C 8.12 –, a. a. O., Rn. 15, m. w. N.
32Hierzu zählen Kurse in lebensrettenden Sofortmaßnahmen und Erster Hilfe nicht. Sie unterfallen weder dem landesgesetzlich geregelten Unterrichtswesen im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 GewO,
33vgl. BVerwG, Urteil vom 1.7.1987 – 1 C 25.85 –, BVerwGE 78, 6 = juris, Rn. 22,
34noch geht es um Ausübung der ärztlichen und anderer Heilberufe im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz GewO.
35Vgl. zur Tätigkeit eines Epithetikers: OVG Lüneburg, Urteil vom 17.4.2013 – 7 LC 10/12 –, GewArch 2013, 315 = juris, Rn. 24 ff.; für die Tätigkeit eines Kinesiologen: VG Hamburg, Urteil vom 15.1.2002 – 14 VG 2162/2000 –, juris, Rn. 23 ff.; für den Betrieb einer Heilpraktikerschule: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.3.2002 – 14 S 2578/01 –, GewArch 2002, 425 = juris, Rn. 17; siehe zur Ausbildung von Fahrerlaubnisbewerbern in der Ersten Hilfe auch: BVerwG, Urteil vom 22.12.1993 – 11 C 46.92 –, BVerwGE 95, 15 = juris, Rn. 20.
36Die Kurse befassen sich nicht mit der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, wie es in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HeilprG) definiert ist. Vielmehr sollen die Kurse – beispielsweise als eine Voraussetzung zum Erwerb der Fahrerlaubnis nach § 19 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV) – die Kursteilnehmer in die Lage versetzen, die von jedermann durchzuführenden Maßnahmen anzuwenden, um menschliches Leben zu retten, bedrohende Gefahren oder Gesundheitsstörungen bis zum Eintreffen professioneller Hilfe abzuwenden oder zu mildern. Dazu gehören insbesondere das Absetzen eines Notrufes, die Absicherung der Unfallstelle und die Betreuung der Verletzten.
37II. Jedoch betreibt die Klägerin mit ihren Kursangeboten in Erster Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen in dem Bildungszentrum B. -C1. -Straße 14 in C. keine unselbständige Zweigstelle.
381. Die in § 14 Abs. 1 Satz 1 GewO verankerte Pflicht zur Anzeige eines stehenden Gewerbes unter Einschluss des Betriebs einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle dient dem Zweck, der zuständigen Behörde Aufschluss über die Zahl und Art der in ihrem Bezirk vorhandenen stehenden Gewerbebetriebe zu geben und eine wirksame Überwachung der Gewerbeausübung zu ermöglichen. Daneben verfolgt sie das Ziel, anderen Stellen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Informationen zugänglich zu machen und der interessierten Öffentlichkeit bei Vorliegen eines berechtigten Interesses Auskünfte aus dem Gewerberegister oder der Gewerbekartei zu erteilen. Dadurch sollen erkennbar alle Formen gewerblicher Betätigung erfasst werden, die im öffentlichen Interesse oder im Hinblick auf schutzwürdige Belange von Geschäftspartnern des Gewerbetreibenden einer behördlichen Überwachung bedürfen. Dieser Zielrichtung entsprechend umfasst der Begriff der unselbständigen Zweigstelle im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 GewO im Grundsatz jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines stehenden Gewerbes dient oder die die Abwicklung der von der Hauptstelle aus geschlossenen Geschäfte erleichtern soll. Nicht erfasst werden allerdings von dem Hauptbetrieb getrennte unselbständige Einrichtungen, für die keine Überwachungsnotwendigkeit besteht, wie etwa ein Postschließfach, ein Lagerraum oder ein Telefonanschluss. Es muss vielmehr eine Anlage oder eine Einrichtung bestehen, die eine eigene Geschäftstätigkeit erkennen lässt und die der Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen zu Dritten dient.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.12.1995 – 4 B 189/95 –, DÖV 1996, 520 = juris, Rn. 7 ff., m. w. N.; Ziffer 3.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der §§ 14, 15 und 55c der Gewerbeordnung (GewAnzVwV), abgedruckt bei Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Band II, Ergänzende Vorschriften, 73. Ergänzungslieferung, Stand: August 2016.
40Danach reicht das bloße Unterhalten von Geschäftsbeziehungen zu Dritten, ohne dass eine eigene Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden mit eigenständiger Organisation vor Ort erkennbar ist, für die Annahme einer unselbständigen Zweigstelle nicht aus. Andernfalls käme es zu einer nicht gewollten Überspitzung der Anzeigepflicht von Zweigstellen, die z. B. auch Baustellen und reine Telefonvermittlungsstellen umfasste.
41Vgl. zur erforderlichen Eingrenzung der unselbständigen Zweigstelle: Marcks, in: Landmann-Rohmer, GewO, Band I, Gewerbeordnung, 73. Ergänzungslieferung, Stand: August 2016, § 14 Rn. 44b; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, Gewerbeordnung, Kommentar, 8. Auflage 2011, § 14 Rn. 21 ff.; Heß, in: Friauf, Kommentar zur Gewerbeordnung, 297. Lieferung, Stand: November 2016, § 14 Rn. 94 ff., 103.
42Ein derart weites Verständnis der unselbständigen Zweigestelle lässt sich weder dem Sinn und Zweck der Vorschrift noch der Gesetzessystematik entnehmen. Vielmehr bedarf es danach zur Annahme einer unselbständigen Zweigstelle über das Unterhalten von Geschäftsbeziehungen zu Dritten hinaus einer eigenen organisatorisch erkennbaren festen Infrastruktur, von der aus gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, die dauerhaft von einer verantwortlichen Person für den Gewerbetreibenden betrieben wird.
43Die Verpflichtung der Ordnungsbehörden zur umfänglichen Gewerbeüberwachung dient vornehmlich dem Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.1.1993 – 1 C 25.91 –, NVwZ 1993, 775 = juris, Rn. 18, m. w. N.
45Dieser Überwachungszweck gebietet es nicht, jedes Unterhalten von Geschäftsbeziehungen zu Dritten der Anzeigepflicht für eine unselbständige Zweigstelle zu unterwerfen. Maßgeblicher Ansatzpunkt für die Anzeigepflicht ist nach der Gesetzessystematik vielmehr die Geschäftstätigkeit eines Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe. Sie zeichnet sich vor allem durch das Erfordernis einer unternehmerischen Organisation – sei es in einer festen räumlichen Bindung durch Unterhalten eines Büros, sei es in einer örtlich verfestigten organisatorischen Tätigkeit für die Hauptstelle – aus.
46Vgl. zur Nutzung einer Wohnung als gewerbliche Niederlassung eines Handwerkers: BVerwG, Beschluss vom 9.3.2004 – 6 B 4.04 –, GewArch 2004, 482 = juris, Rn. 8; zur Abgrenzung Vermögensverwaltung und gewerbliche Tätigkeit: BFH, Urteil vom 14.7.2016 – IV R 34/13 –, NJW 2017, 348 = juris, Rn. 37.
47Die Abgrenzung zwischen dem nach § 14 Abs. 1 GewO anzeigepflichtigen stehenden Gewerbe und dem nicht anzeige-, aber erlaubnispflichtigen Reisegewerbe hängt gemäß § 55 Abs. 1 GewO maßgeblich vom Bestehen einer Niederlassung im Sinne von § 4 Abs. 3 GewO ab.
48Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6.10.2014 – 4 B 88/14 –, GewArch 2015, 135 = juris, Rn. 85, m. w. N.; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Kommentar, 71. Ergänzungslieferung Stand: Januar 2016, § 14 Rn. 38 ff.; Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, Kommentar, 61. Ergänzungslieferung Stand: Juni 2012, § 4 Rn. 44 ff.
49Nach § 55 Abs. 1 GewO betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung (§ 4 Abs. 3 GewO) oder ohne eine solche zu haben, unter anderem Leistungen anbietet. Besteht dagegen eine Niederlassung, auch in Gestalt einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle, handelt es sich schon deshalb nicht um Reisegewerbe, sondern um stehendes Gewerbe. Eine Niederlassung besteht gemäß § 4 Abs. 3 GewO dann, wenn eine selbständige gewerbsmäßige Tätigkeit auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Einrichtung von dieser aus tatsächlich ausgeübt wird. Damit hat § 4 Abs. 3 GewO in Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG vom 12.12.2006 (ABl. L 376/36) die Definition aus Artikel 4 Nr. 5 der Richtlinie aufgenommen und sie nicht nur für den grenzüberschreitenden, sondern auch für den nationalen Dienstleistungsverkehr zum Maßstab erhoben.
50Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Gewerberecht und in weiteren Rechtsvorschriften, BT-Drs. 16/12784, S. 12 ff..
51Nach Art. 4 Nr. 5 der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Niederlassung“ die tatsächliche Ausübung einer von Artikel 43 des Vertrags erfassten wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Dienstleistungserbringer auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Infrastruktur, von der aus die Geschäftstätigkeit der Dienstleistungserbringung tatsächlich ausgeübt wird. In Erwägungsgrund 37 zu der Richtlinie heißt es erläuternd, dass eine Niederlassung nicht die Form einer Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur haben muss, sondern aus einer Geschäftsstelle bestehen kann, die von einem Beschäftigten des Dienstleistungserbringers oder von einem Selbständigen, der ermächtigt ist, dauerhaft für das Unternehmen zu handeln, betrieben wird, wie dies z. B. bei einer Agentur der Fall ist.
52Hierzu auch: EuGH, Urteil vom 23.2.2016 – C-179/14 –, EuZW 2016, 439 = juris, Rn. 106.
53Nach diesen Definitionen und Erläuterungen erfordert auch eine unselbständige Zweigstelle im stehenden Gewerbe eine erkennbare, feste Einrichtung bzw. Infrastruktur, von der aus das Gewerbe auf unbestimmte Zeit tatsächlich betrieben wird, wobei zusätzlich die Tätigkeit eines für die Einrichtung verantwortlichen Beschäftigten für den Gewerbetreibenden zu verlangen ist. Denn andernfalls fehlt es an den Voraussetzungen für das Bestehen einer Niederlassung im stehenden Gewerbe.
54Auch im ausdrücklich geregelten Spezialfall der Automatenaufsteller hat der Gesetzgeber das Unterhalten von Geschäftsbeziehungen zu Dritten für die Annahme einer anmeldepflichtigen unselbständigen Zweigstelle nicht (mehr) als ausreichend angesehen. Dort hat er das Aufstellen der Automaten, also das nach außen hin erkennbare Unterhalten von Geschäftsbeziehungen zu den Automatenspielern, am Aufstellort nicht mehr für anmeldepflichtig erachtet. Mit der Neufassung des § 14 Abs. 3 GewO durch Art. 9 Nr. 2 des Dritten Mittelstandsentlastungsgesetzes vom 17.3.2009 (BGBl. I S. 550) ist die vormalige, für jeden (ersten) Aufstellort von Automaten (im Bezirk) geltende Anzeigepflicht von Automatenaufstellern auf die Pflicht zur Anzeige nur bei der zuständigen Behörde der Hauptniederlassung beschränkt worden. Damit hat der Gesetzgeber zugleich klargestellt, dass das Aufstellen von Automaten außerhalb der Hauptniederlassung nicht (mehr) als eine nach § 14 Abs. 1 GewO anzeigepflichtige Eröffnung einer Zweigstelle anzusehen ist. Die Anzeigepflicht am Aufstellort sollte ausdrücklich ohne Einbußen in der Gewerbeüberwachung abgeschafft werden, um unnötigen Bürokratieaufwand zu beseitigen.
55Vgl. Begründung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft, BT-Drs. 16/10490, S. 1 ff.,15, 19; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Kommentar, 71. Ergänzungslieferung Stand: Januar 2016, § 14 Rn. 3, 50.
56Dieser Absicht widerspräche es, einen abseits der Hauptniederlassung aufgestellten Automaten nur wegen der hierüber abgewickelten Geschäftsbeziehungen zu Dritten als unselbständige Zweigstelle anzusehen.
572. Die Voraussetzungen für die Annahme einer unselbständigen Zweigstelle sind bezogen auf die Kurse der Klägerin in C. mangels eigener, organisatorisch erkennbarer fester Infrastruktur, von der aus gewerbliche Tätigkeiten ausgeübt wird, nicht erfüllt. Darüber hinaus fehlt es an einer für eine organisatorische Infrastuktur in C. verantwortlichen Person.
58Nach den Schilderungen der Klägerin stellt sich ihr Geschäftsmodell wie folgt dar: Sie unterhält ihre Geschäftsräume in C2. . Dort beschäftigt sie sieben Arbeitnehmer, deren Aufgabe es unter anderem ist, die Kurse zu organisieren. Dazu gehören die Beantwortung von telefonischen Anfragen, die Miete von Schulungsräumen, die Organisation von Honorarkräften als Dozenten, die Beschaffung und Verteilung des für die Ausbildung benötigten Materials, das Beschwerdemanagement, die Finanzbuchhaltung und das Marketing.
59Für die Kurse am Unterrichtsort in C. ist stundenweise ein Schulungsraum in dem H. Bildungszentrum, B. -C1. -Straße 14, angemietet. Für die restliche Woche hat die Klägerin keinen Zugriff auf die Räume. Sie hat weder einen Schlüssel für das Gebäude noch einen Schlüssel für den jeweiligen Raum. Beides wird am Unterrichtstag von einem Hausverwalter aufgeschlossen. In dem Schulungsraum befindet sich ausschließlich ein ihr allein zur Verfügung stehender Stahlschrank für Schulungsmaterialien. Für die Kurse ist mittlerweile eine Anmeldung sowie auch Bezahlung per Internet mit entsprechenden Preisnachlässen vorgesehen. Interessenten, die sich nicht vorab angemeldet haben, können an dem jeweiligen Kurs teilnehmen, soweit noch Plätze freigeblieben sind. Die Honorarkräfte erhalten über einen Intranetzugang Informationen zu den Kursterminen und -teilnehmern. Soweit das Kursentgelt noch nicht vorab bezahlt ist, wird es an die Honorarkraft entrichtet. Diese meldet die Teilnehmer und Zahlungseingänge wiederum per Intranet an die Klägerin. Von dort aus wird die Honorarkraft bezahlt. Auf diese Weise benötigt die Klägerin weder in C. noch in C2. eine eigenständige organisatorische Struktur für C. und auch keine hierfür verantwortliche Person. Vielmehr sind die Mitarbeiter in C2. angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten (Internet, Intranet) in der Lage, alle Kurse und Honorarkräfte in Deutschland zentral zu verwalten.
60Damit findet in den Räumen in C. keine ausreichend verfestigte eigene verwaltende oder organisierende Tätigkeit statt. Vielmehr dienen die Räumlichkeiten ausschließlich dazu, die zentral von C2. aus organisierten Kurse durchzuführen.
61Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin bei diesem Geschäftsmodell in C. einer Gewerbeüberwachung unterliegen müsste. Nach ihrem Modell kann ihre gewerberechtliche Zuverlässigkeit angesichts fehlender organisatorisch verfestigter Geschäftstätigkeit dort gar nicht überprüft werden. Ihre persönliche Zuverlässigkeit sowie ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Erfüllung steuerlicher Anforderungen sind anhand ihrer Geschäftstätigkeit am Sitz in C2. zu beurteilen. Dort sind ihre Verwaltung und Geschäftsabwicklung ansässig, die einer gewerberechtlichen Aufsicht unterliegen müssen. Soweit der Verbraucherschutz nicht nur eine Information der Ordnungsbehörde, sondern auch der Verbraucher über die Tätigkeit der Klägerin fordert, wird dem durch die Ordnungsbehörde am Hauptsitz der Klägerin ausreichend Rechnung getragen. An diese können sich die Kunden der Klägerin wenden. Die Klägerin hat die Informationspflichten nach §§ 6 Abs. 1a, 6c GewO i. V. m. §§ 2 und 3 Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung vom 12.3.2010 (BGBl. I S. 267) zu erfüllen, zu denen unter anderem die Mitteilung der Anschrift ihrer Niederlassung an die Dienstleistungsempfänger vor Erbringung der Dienstleistung gehört. Darüber hinaus ist sie nach § 37a HGB verpflichtet, auf allen Geschäftsbriefen gleichviel welcher Form, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, neben ihrer Firma unter anderem den Ort ihrer Hauptniederlassung anzugeben. Schließlich ist der Hauptsitz der Klägerin auch aus ihrer Internetdarstellung ersichtlich. Auch der Schutz der von der Klägerin beschäftigten Honorarkräfte gebietet keine Gewerbeanzeige in C. . Da diese zentral von C2. aus beschäftigt und ihre Angelegenheiten dort verwaltet werden, reicht auch zu ihrem Schutz die Gewerbeanzeige der Klägerin in C2. aus.
62Ob daneben die Tätigkeit der Honorarkräfte selbst über die Überwachung seitens der Bezirksregierung E1. nach § 68 FeV hinaus bezogen auf ihre persönliche Zuverlässigkeit einer gewerberechtlichen Überwachung bedarf, ist für das Vorliegen einer unselbständigen Zweigstelle im stehenden Gewerbe unerheblich. Auch insofern bedarf es keiner Überwachung der persönlichen und fachlichen Zuverlässigkeit der Klägerin als Geschäftsinhaberin.
63Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.4.2004 – 6 B 5.04 –, GewArch 2004, 488 = juris, Rn. 8.
64In Betracht kommt lediglich, dass die Honorarkräfte ihrerseits für ihre Tätigkeit außerhalb einer unselbständigen Zweigstelle einer Reisegewerbekarte bedürfen, was vorliegend auf sich beruhen kann, weil dies zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht.
65Besteht mithin keine Gewerbemeldeverpflichtung der Klägerin für den Kursort B. -C1. -Straße 14 in C. , so ist auch die hiervon abhängige Zwangsgeldandrohung hinfällig (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW). Unter Berücksichtigung der teilweisen Erledigung ist die angegriffene Ordnungsverfügung mit Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils insgesamt unwirksam, § 43 Abs. 2 VwVfG NRW.
66Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, der Beklagten auch die Kosten des erledigten Teils des Verfahrens aufzuerlegen. Denn sie wäre ohne Eintritt der Erledigung aus den oben genannten Gründen hinsichtlich einer Gewerbemeldeverpflichtung der Klägerin für die Örtlichkeiten S. Q. 1 und X. 10 in C. voraussichtlich ebenfalls unterlegen.
67Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
68Die Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.