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1. Das Fehlen einer Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten hindert einen Wettvermittler bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage, insbesondere solange private Anbieter tatsächlich keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV erlangen können und deshalb Vermittlungserlaubnisse in NRW weder mit Aussicht auf Erfolg beantragt werden können noch erteilt werden, nicht daran, Sportwetten mit feststehenden Gewinnquoten an im EU-Ausland konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln.
2. Ein unionsrechtskonformes Erlaubnisverfahren steht in Nordrhein-Westfalen unverändert und auf absehbare Zeit faktisch nicht zur Verfügung.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 6.7.2006 geändert.
Es wird festgestellt, dass das Fehlen einer Erlaubnis nach §§ 4, 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW die Klägerin bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage, insbesondere solange private Anbieter tatsächlich keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV erlangen können und deshalb Vermittlungserlaubnisse in NRW nicht erteilt werden, nicht daran hindert, Sportwetten mit feststehenden Gewinnquoten an im EU-Ausland – mit Ausnahme der Isle of Man – konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie Sportwetten an private, im EU-Ausland konzessionierte Wettanbieter vermitteln darf, hilfsweise die Erteilung einer Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten mit festen Gewinnquoten.
3Einen Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Sportwettenerlaubnis lehnte das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit Bescheid vom 19.1.2005 unter Hinweis auf das staatliche Sportwettenmonopol ab.
4Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten sei nach den §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 2 Sportwettengesetz NRW zulassungsfähig. Die einzige der Erlaubniserteilung entgegenstehende Vorschrift sei § 1 Abs. 1 Satz 2 Sportwettengesetz NRW, die jedoch wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts außer Betracht bleiben müsse. Die Dienstleistungsfreiheit der EU-ausländischen Sportwettenveranstalter werde durch das staatliche Monopol unzulässig beschränkt. Der Ausschluss Privater sei nicht aus zwingenden Gründen der Sozialpolitik und des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Die staatliche Monopolisierung verfolge nicht das Ziel, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern. Von einer kohärenten und systematischen Politik zur Begrenzung der Wetttätigkeit der Verbraucher könne keine Rede sein. Primär sollten Einnahmen für den Staatshaushalt erzielt werden. Dies ergebe sich im Wesentlichen aus der Zahl der Annahmestellen, der Angebotsausweitung und der Werbung.
5Die Klägerin hat klargestellt, dass sich ihr Feststellungsantrag nur auf die Vermittlung von Sportwetten von Nordrhein-Westfalen aus erstrecken soll. Sie hat beantragt,
6festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, Sportwetten zu feststehenden Gewinnquoten an im EU-Ausland – mit Ausnahme der Isle of Man – konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln,
7hilfsweise,
8den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.1.2005 zu verpflichten, der Klägerin eine Genehmigung zur Veranstaltung von Sportwetten mit festen Gewinnquoten zu erteilen.
9Der Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er hat ausgeführt, das staatliche Monopol sei mit der Berufsfreiheit vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet sei. Soweit dies nicht der Fall sei, sei die bisherige Rechtslage während einer Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiter anzuwenden. Der Beklagte habe bereits damit begonnen, entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts das staatliche Wettmonopol bis zu einer Neuregelung konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht auszurichten. Damit sei ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Genehmigung ausgeschlossen. Dieser ergebe sich auch nicht aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht.
12Das Verwaltungsgericht hat dem Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben. Hierzu hat es ausgeführt, die Vermittlung von Sportwetten in Nordrhein-Westfalen für im EU-Ausland konzessionierte Sportwettenveranstalter sei zulässig. Hierin liege kein Verstoß gegen das Sportwettengesetz NRW. Auch stelle es keine Beihilfe zur unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB oder Werbung für unerlaubtes Glücksspiel gemäß § 284 Abs. 4 StGB dar. Diese Vorschriften seien wegen des Anwendungsvorrangs des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar, weil das staatliche Sportwettenmonopol in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 43 und 49 EG-Vertrag verstoße.
13Mit seiner Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, zwar habe das Sportwettenmonopol in der Vergangenheit gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 43, 49 EGV verstoßen. Aufgrund der Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sei aber bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nicht von der Europarechtswidrigkeit auszugehen. Nach der Neuregelung durch den Glücksspielstaatsvertrag 2012 sei für die Erteilung von Sportwettenkonzessionen bundesweit das Land Hessen zuständig. Hieraus ergebe sich ein gesetzlicher Parteiwechsel infolge der Funktionsnachfolge.
14Die Beklagte beantragt,
15unter Abänderung des Urteils vom 6.7.2006
16die Klage abzuweisen.
17Die Klägerin beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend geltend: Die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols ergebe sich aus der der nationalen Gesetzgebung zu Grunde liegenden Motivationslage. Bloße Änderungen im Vollzug von Werbung und Vertrieb könnten diesen Makel nicht ausräumen. Gemeinschaftsrechtswidriges Recht könne nicht vorübergehend weiter angewandt werden. Auch nach neuer Rechtslage bestehe die Europarechtswidrigkeit fort, weil weiterhin kein mit Europarecht vereinbares Konzessionsvergabeverfahren existiere und zumindest tatsächlich keine Erlaubnis erteilt werde. Seit Beginn des Klageverfahrens vermittele die Klägerin für die Firmen E. und I. Sportwetten. Beiden Firmen sei die Erteilung einer Konzession angekündigt worden. Die Klägerin müsse nach Landesrecht eine Erlaubnis vorweisen, könne dies aber nicht, weil der Zugang zu einem Erlaubnisverfahren ohne die Betätigung für einen zugelassenen Anbieter nicht eröffnet werden könne.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Der Senat hat das Rubrum von Amts wegen dahingehend ergänzt, dass der Beklagte nunmehr auch durch die Bezirksregierung Köln vertreten ist. Zuständig für die Erteilung einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten ist gemäß §§ 19 Abs. 3 Nr. 3, 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW, § 10a Abs. 5 GlüStV die Bezirksregierung Köln. Deshalb ist diese auch beteiligt am Streit über die von der Klägerin begehrte Feststellung gemäß § 43 Abs. 1 VwGO, dass wegen der geltend gemachten Unanwendbarkeit des Erlaubnisvorbehalts kein Rechtsverhältnis zur Erlaubnisbehörde begründet ist. Die durch den Glücksspielstaatsvertrag während der Experimentierphase, während der das staatliche Monopol ausgesetzt worden ist, begründete Zuständigkeit der Bezirksregierung für die Erteilung von Wettvermittlungserlaubnissen an private Anbieter führt zwar nicht zu einem gesetzlichen Parteiwechsel, weil die Bezirksregierung ebenfalls für den bisher nur durch das Ministerium für Inneres und Kommunales vertretenen Beklagten auftritt. Die neue Zuständigkeitsregelung ist aber ebenso wie ein gesetzlicher Parteiwechsel von Amts wegen zu berücksichtigen.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.5.2002 – 5 C 14.01 –, BVerwGE 116, 287 = juris, Rn. 8.
24Auf ausdrücklichen Wunsch des Vertreters des Beklagten führt der Senat das Ministerium für Inneres und Kommunales mit Blick auf seine Zuständigkeit im Rahmen des Erlaubnisverfahrens nach § 21 Abs. 2 GlüSpVO NRW neben der Bezirksregierung Köln auch weiterhin im Rubrum als Vertreter des Beklagten.
25Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Klage ist nur insoweit zulässig (dazu 1.) und begründet (dazu 2.), als die Klägerin mit ihrer Klage (auch) die Feststellung begehrt, dass das Fehlen einer Erlaubnis sie nicht daran hindert, Sportwetten an im EU-Ausland – mit Ausnahme der Isle of Man – konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln. Der Hilfsantrag, über den der Senat erstmals zu entscheiden hat, ist unzulässig (dazu 3.).
261. Die Klage ist teilweise zulässig.
27a) Die Feststellungsklage ist nach § 43 VwGO nur teilweise statthaft.
28aa) Die Klägerin begehrt mit ihrem Antrag die Feststellung des "Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses" (§ 43 Abs. 1 VwGO). Allerdings kann eine Klage mit dem alleinigen Ziel der Nichtigkeitsfeststellung einer Rechtsnorm nicht auf § 43 VwGO gestützt werden, weil eine solche Klage auf kein Rechtsverhältnis abzielt, sondern eine Umgehung des § 47 VwGO ermöglichen würde; dasselbe gilt für eine Klage auf Feststellung der Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm wegen eines Verstoßes gegen Europarecht. Im Rahmen einer Klage nach § 43 VwGO kann allenfalls die Feststellung begehrt werden, dass wegen der Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kein Rechtsverhältnis zu dem anderen Beteiligten begründet ist.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.8.2007 – 7 C 2.07 –, BVerwGE 129, 199 = juris, Rn. 20 ff.
30Um einen solchen Fall geht es hier. Die Klägerin begehrt im Verhältnis zum Beklagten als Rechtsträger der für die Erteilung von Erlaubnissen zur Vermittlung von Sportwetten (im Zusammenwirken mit dem Ministerium für Inneres und Kommunales gemäß § 21 Abs. 2 GlüSpVO NRW) nach §§ 19 Abs. 3 Nr. 3, 13 Abs. 2 AG GlüStV zuständigen Bezirksregierung die Feststellung, ob sie berechtigt sei, Sportwetten zu feststehenden Gewinnquoten an im EU-Ausland – mit Ausnahme der Isle of Man – konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln. Soweit damit auch die zwischen den Beteiligten im Wesentlichen umstrittene Frage aufgeworfen ist, ob das Fehlen einer Erlaubnis nach §§ 4, 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW, § 10a Abs. 5 GlüStV die Klägerin wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts daran hindert, Sportwetten mit feststehenden Gewinnquoten an im EU-Ausland – mit Ausnahme der Isle of Man – konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln, ist der Beklagte Rechtsanwender und die Klage statthaft. Seine Zuständigkeit steht nicht deshalb in Frage, weil es der Klägerin um eine rechtliche Klärung bezogen auf die Vermittlung nicht an gemäß § 10a Abs. 2 GlüStV konzessionierte, sondern an im EU-Ausland konzessionierte Sportwettenveranstalter (noch) ohne eine Konzession nach § 10a Abs. 2 GlüStV geht. Denn sie macht ja gerade geltend, dass ihr wegen Verstoßes gegen Europarecht weder das in § 10 Abs. 6 GlüStV weiterhin grundsätzlich vorgesehene staatliche Sportwettenmonopol, noch das für die Dauer einer siebenjährigen Experimentierphase begründete Erlaubniserfordernis nach § 10a Abs. 1 und 5 GlüStV entgegen gehalten werden darf, solange Private tatsächlich nicht in einem transparent, diskriminierungsfrei und gleichheitsgerecht ausgestalteten Verfahren eine Erlaubnis erhalten können. Ob dies der Fall ist, ist im Verhältnis zur Erlaubnisbehörde zu klären.
31Soweit die mit dem Klageantrag begehrte Feststellung der Berechtigung zur Vermittlung von Sportwetten über die Feststellung hinausgeht, dass das Fehlen einer Erlaubnis die Klägerin nicht daran hindert, Sportwetten zu vermitteln, ist die weitergehende Berechtigung der Klägerin allerdings so umfassend außerhalb eines Erlaubnisverfahrens nicht im Verhältnis zur Erlaubnisbehörde zu klären. Insoweit ist der Beklagte nicht Rechtsanwender und die Feststellungsklage deshalb nicht statthaft. Wenn die Klägerin geltend macht, der Erlaubnisvorbehalt nach § 10a Abs. 5 GlüStV verstoße gegen Europarecht, weshalb ihrer Tätigkeit als Wettvermittlerin die fehlende Erlaubnis nicht entgegen gehalten werden könne, geht es ihr gerade nicht um eine nur in einem Erlaubnisverfahren mögliche umfassende Prüfung der Berechtigung dieser Tätigkeit. Für eine solche Prüfung lässt die Rechtslage nur Raum, sofern es um die im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene Erteilung von Erlaubnissen zur Vermittlung an Sportwettenveranstalter mit einer Konzession nach §§ 4a bis 4e, 10a Abs. 2 GlüStV geht. Die Klägerin möchte Sportwetten jedoch ohne Durchführung eines derartigen (von ihr als ineffektiv und europarechtswidrig beanstandeten) Erlaubnisverfahrens an im EU-Ausland konzessionierte Sportwettenveranstalter, die (trotz aussichtsreicher Position im Konzessionsverfahren noch) keine Konzession nach dem Glücksspielstaatsvertrag haben, vermitteln. Für die im Verhältnis zur Erlaubnisbehörde zu klärende Frage, ob der Erlaubnisvorbehalt nach § 10a Abs. 5 GlüStV die Klägerin an dieser Tätigkeit hindert, ist ohne Belang, ob sonstige von der Erlaubnisbehörde außerhalb eines Erlaubnisverfahrens nicht zu prüfende rechtliche Hindernisse hiergegen bestehen. Ob dies der Fall ist, ist außerhalb eines Erlaubnisverfahrens nicht vom Beklagten als Rechtsträger der Erlaubnisbehörde als Rechtsanwender zu beurteilen, sondern allenfalls von der zuständigen Ordnungsbehörde, die nicht am Verfahren beteiligt ist.
32bb) An der baldigen Feststellung besteht, soweit die Feststellungsklage statthaft ist, ein berechtigtes Interesse der Klägerin gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Das berechtigte Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition des jeweiligen Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.3.2016 – 6 C 66.14 –, NVwZ 2016, 1023 = juris, Rn. 16, m. w. N.
34Die Frage, ob die Klägerin schon deshalb rechtlich an der Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Anbieter gehindert ist, weil sie nicht über die dafür nach §§ 4, 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW, § 10a Abs. 5 GlüStV erforderliche Erlaubnis verfügt, ist zwischen den Beteiligten umstritten. Eine gerichtliche Klärung dieser Frage dient angesichts einer gänzlich unübersichtlichen Rechtslage der Herstellung von Rechtssicherheit für den Wettvermittlungsbetrieb der Klägerin, die sich seit deutlich über zehn Jahren um eine Erteilung einer Wettvermittlungserlaubnis bzw. die Feststellung der Erlaubnisfreiheit bemüht. Die Klärung kann die Rechtsposition der Klägerin mittelbar auch gegenüber der Ordnungsbehörde verbessern.
35Zwar ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten, dass die Klägerin auch über einen Konzessionsnehmer nach § 22 Abs. 2 GlüSpVO NRW derzeit faktisch keine Erlaubnis für eine Wettvermittlung an nach § 10a Abs. 2 GlüStV konzessionierte Anbieter erhalten kann, weil solche Konzessionen trotz des nahenden Endes der siebenjährigen Experimentierphase bisher nicht erteilt worden sind und vom hierfür zuständigen Land Hessen auf absehbare Zeit auch nicht erteilt werden. Auch ist höchstrichterlich ebenso wie in der kürzlich bestätigten Senatsrechtsprechung geklärt, dass eine Untersagung der Sportwettenvermittlung nicht auf das Fehlen einer Erlaubnis gestützt werden kann, wenn das für Private bis zur Anwendung einer glücksspielrechtlichen Neuregelung eingeführte Erlaubnisverfahren nicht transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet worden ist und deshalb faktisch ein staatliches Sportwettenmonopol fortbesteht.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.6.2016 – 8 C 5.15 –, juris, Rn. 27 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 7.10.2016 – 4 B 177/16 –, juris, Rn. 6 f., und vom 9.6.2016 – 4 B 860/15 –, juris, Rn. 9 ff.
37Gleichwohl besteht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin. Denn der Beklagte ist im Wesentlichen unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.10.2008 – 1 BvR 928/08 – und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24.1.2013 – C-186/11 – weiterhin der Auffassung, dass der Erlaubnisvorbehalt unabhängig von der Frage einer Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols mit Unionsrecht vereinbar ist. Auf die Frage des Senats, ob die zuständige Bezirksregierung für den Beklagten zu diesem Verfahren eine Erklärung abgibt, wonach das Fehlen einer Erlaubnis nach §§ 4, 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW die Klägerin bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage, insbesondere solange private Anbieter tatsächlich keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV erlangen können und deshalb Vermittlungserlaubnisse in NRW nicht erteilt werden, nicht daran hindert, Sportwetten mit feststehenden Gewinnquoten an im EU-Ausland – mit Ausnahme der Isle of Man – konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln, hat der Vertreter des Beklagten ausgeführt, eine Erlaubnisfreiheit für die glücksspielrechtliche Betätigung der Klägerin komme unter keinen Umständen in Betracht; auch die Versagung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis unter Wahrung nicht diskriminierender Kriterien in einer Übergangszeit stehe mit Europarecht in Einklang, weil es den Mitgliedstaaten freistehe, das bestehende Monopol zu reformieren und sich das Recht der Sportwetten in einer derartigen Reformphase befinde. Diese Position hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekräftigt und dahingehend näher erläutert, ein transparentes Erlaubnisverfahren sei im Glücksspielstaatsvertrag und dem Landesausführungsgesetz sowie der Glücksspielverordnung geregelt. Deshalb sei es ein Unterschied, ob auf Ebene des Verwaltungsvollzugs von einem Einschreiten allein wegen einer fehlenden Erlaubnis abgesehen werde oder ob im Verhältnis zur Erlaubnisbehörde anerkannt werden solle, dass es einer gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Erlaubnis nicht bedürfe.
38cc) Der Statthaftigkeit der Feststellungsklage steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 VwGO). Sie kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, primär eine Wettvermittlungserlaubnis im Wege der Verpflichtungsklage einklagen zu müssen, weil sie gerade von der Unanwendbarkeit des Erlaubnisvorbehalts ausgeht und § 22 Abs. 2 GlüSpVO NRW ihr, ohne dass insoweit eine gesetzliche Grundlage ersichtlich wäre, kein eigenes Antragsrecht zugesteht.
39dd) Der Feststellungsklage fehlt, soweit sie statthaft ist, auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin die Möglichkeit hätte, ihre Tätigkeit zu legalisieren, indem sie ein im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenes Erlaubnisverfahren abwartet. Auch wenn sie selbst nach § 22 Abs. 2 GlüSpVO NRW eine solche Erlaubnis nicht beantragen könnte, obwohl diese nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV Voraussetzung für ihre der Berufsfreiheit unterfallende und damit grundrechtsrelevante Wettvermittlungstätigkeit ist, gibt es auch über vier Jahre nach Beginn der siebenjährigen Experimentierphase nach § 10a Abs. 1 GlüStV noch keinen einzigen Konzessionsnehmer, der für die Klägerin eine Vermittlungserlaubnis beantragen könnte. Nach den Erklärungen der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Konzessionen durch das Land Hessen vor einer bereits geplanten erneuten Änderung des Glücksspielstaatsvertrages auch nicht zu erwarten. Nach geltendem Recht kann der Klägerin nicht zugemutet werden, die Erteilung einer Wettvermittlungserlaubnis abzuwarten, weil die Voraussetzungen der glücksspielrechtlichen Vorschriften des Landes NRW hierfür ohne eine nicht absehbare Konzessionserteilung nicht gegeben sind.
402. Die Feststellungsklage ist im zulässigen Umfang auch begründet. Das Fehlen einer Erlaubnis nach §§ 4, 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW, § 10a Abs. 5 GlüStV hindert die Klägerin bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage, insbesondere solange private Anbieter tatsächlich keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV erlangen können und deshalb Vermittlungserlaubnisse in NRW weder mit Aussicht auf Erfolg beantragt werden können noch erteilt werden, nicht daran, Sportwetten mit feststehenden Gewinnquoten an im EU-Ausland – mit Ausnahme der Isle of Man – konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln.
41a) Zwar führt allein der in der Senatsrechtsprechung festgestellte und höchstrichterlich bestätigte Verstoß des staatlichen Sportwettenmonopols, das durch § 10a GlüStV nur während einer siebenjährigen Experimentierphase ausgesetzt ist, gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 56, 49 AEUV) noch nicht zur Unionsrechtswidrigkeit des Erlaubnisvorbehalts nach § 4 Abs. 1 GlüStV. Wegen der Unionsrechtswidrigkeit des Monopols darf eine Erlaubnis aber auch bis zur Behebung des Unionsrechtsverstoßes nicht schon wegen des Erlaubnisvorbehalts, sondern nur nach Prüfung unionsrechtskonformer, monopolunabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen ausgeschlossen werden. Deshalb kann das Fehlen einer nach § 4 GlüStV erforderlichen Erlaubnis der Klägerin für ihre Sportwettvermittlung an im EU-Ausland konzessionierte Sportwettenanbieter nur entgegen gehalten werden, wenn ihr die Erlaubnis nicht unionsrechtswidrig vorenthalten oder verweigert wird. Das setzt voraus, dass nationale Behörden Anträge auf Erteilung von Genehmigungen im Glücksspielsektor auch während einer Übergangszeit nach objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien prüfen.
42Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.9.2011 – 4 A 17/08 –, DVBl. 2012, 58 = juris, Rn. 37 ff., 183; BVerwG, Urteil vom 20.6.2013 – 8 C 10.12 –, BVerwGE 147, 47 = juris, Rn. 62, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 24.1.2013 – C-186/11 u. a., Stanleybet Int. Ltd. u. a. –, ECLI: EU:C:2013:33, NVwZ 2013, 785 = juris, Rn. 38 f., 48; EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14, Ince –, ECLI: EU:C:2016:72, NVwZ 2016, 369 = juris, Rn. 55.
43Diesem Erfordernis wird nicht entsprochen, wenn für private Sportwettenvermittler kein Erlaubnisverfahren eröffnet ist, das transparent, diskriminierungsfrei und gleichheitsgerecht ausgestaltet ist oder praktiziert wird und deshalb faktisch weiterhin ein staatliches Sportwettenmonopol besteht.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.6.2016 – 8 C 5.15 –, juris, Rn. 27 f.
45b) Ein nach diesen Maßstäben unionsrechtskonformes Erlaubnisverfahren steht in Nordrhein-Westfalen derzeit unverändert faktisch nicht zur Verfügung.
46So bereits vor Inkrafttreten des Ersten Änderungsstaatsvertrags OVG NRW, Urteil vom 29.9.2011 – 4 A 17/08 –, DVBl. 2012, 58 = juris, Rn. 187; BVerwG, Urteil vom 20.6.2013 – 8 C 10.12 –, BVerwGE 147, 47 = juris, Rn. 62.
47Obwohl § 10a Abs. 5 GlüStV mittlerweile die Erteilung von Sportwettvermittlungserlaubnissen an private Anbieter vorsieht, ist auch dem Beklagten bis heute noch immer kein einziger Fall bekannt geworden, in dem eine entsprechende Erlaubnis beantragt oder erteilt worden ist, weil als Voraussetzung hierfür auch nach mehr als vier von sieben Jahren der Geltungsdauer der Experimentierklausel noch keinem privaten Anbieter eine Konzession nach § 10a Abs. 2 GlüStV erteilt worden ist. Privaten Wettvermittlern steht ein unionsrechtskonformes Erlaubnisverfahren in Nordrhein-Westfalen nicht einmal mittelbar zur Verfügung, weil es keine Konzessionsnehmer gibt, die der Beklagte nach § 22 Abs. 2 GlüSpVO NRW als allein antragsberechtigt ansieht. Der Beklagte, der im hierfür zuständigen Glücksspielkollegium durch ein von der obersten Glücksspielaufsichtsbehörde benanntes Mitglied vertreten ist (§ 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 5 ff. GlüStV), hat auf Nachfrage keinen Fall benennen können, in dem eine Konzession erteilt worden ist. Sein Vertreter hat vielmehr erklärt, er gehe davon aus, dass entsprechend der öffentlichen Bekundungen des hessischen Innenministers keine Konzession erteilt worden sei, weil dieser sich an die gerichtlichen Entscheidungen der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit gebunden fühle. Dementsprechend bleibt das gemeinsame Sportwettangebot staatlicher Anbieter sowie dessen Vermittlung durch Annahmestellen nach § 29 Abs. 1 Satz 3 GlüStV weiterhin bis ein Jahr nach Erteilung der Konzessionen gemäß § 10a GlüStV zulässig.
48Ursächlich hierfür ist ein vor Gerichten ausgetragener Streit darüber, ob das Konzessionsverfahren beim Land Hessen unionsrechtskonform diskriminierungsfrei ausgestaltet ist. Bereits die Ausführungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu einer Verletzung des Transparenzgebots wegen unzutreffender Angaben in der Ausschreibung hinsichtlich des maßgeblichen Auswahlkriteriums und einer mit den Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrags nicht in Einklang stehenden Gewichtung der Auswahlkriterien,
49vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 16.10.2015 – 8 B 1028/15 –, NVwZ 2016, 171 = juris, Rn. 54 ff.,
50belegen, dass nicht alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens so klar, genau und eindeutig formuliert sind, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können. Dieses Erfordernis ergibt sich aber aus dem Transparenzgebot, das aus dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit folgt und mit dem Gleichheitssatz einhergeht.
51Vgl. EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14, Ince –, ECLI: EU:C:2016:72, NVwZ 2016, 369 = juris, Rn. 86 f.
52Der Senat teilt insoweit ausdrücklich die Einschätzung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach das in der Bekanntmachung vom 8.8.2012 (ABl./S. 2012/S 151–253153, 6/7) genannte maßgebliche Auswahlkriterium des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ rechtlich nicht maßgeblich sein kann und deshalb durchschnittlich fachkundige Bieter missverständlich und unzutreffend über die wesentlichen Entscheidungsmaßstäbe informiert. Das in der Bekanntmachung genannte Zuschlagskriterium war als Grundlage für eine rechtlich tragfähige Entscheidung nach § 4b Abs. 5 GlüStV nicht geeignet. Für die Vergabeentscheidung maßgeblich ist danach allein, welcher Bewerber am Ende des Auswahlverfahrens nach Beurteilung der Behörde „am besten geeignet ist“, die unter Nr. 1. bis 5. der Vorschrift aufgeführten Anforderungen zu erfüllen. Diese wiederum sind ausgerichtet am Bestreben des Gesetzgebers, die Berufs- und gegebenenfalls die Dienstleistungsfreiheit im Interesse des Allgemeinwohls einzuschränken und nur eine begrenzte Marktöffnung herbeizuführen. Ziel der Konzessionsvergabe ist nicht die Eröffnung eines Wettbewerbs, um das für den öffentlichen Auftraggeber „preiswerteste“ oder „wirtschaftlich günstigste“ Angebot zu ermitteln, sondern die ordnungsrechtlich motivierte Regulierung des Sportwettenmarktes zur Erprobung, ob durch die Vergabe einer begrenzten Anzahl von Konzessionen an Private eine bessere Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere auch bei der Bekämpfung des in der Evaluierung festgestellten Schwarzmarktes erreicht werden kann (§ 10a Abs. 1 GlüStV).
53Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 16.10.2015 – 8 B 1028/15 –, NVwZ 2016, 171 = juris, Rn. 57 f.
54Aus dem Vergaberecht ergibt sich entgegen den Ausführungen des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung keine Verpflichtung zur Ausschreibung des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ im Glücksspielbereich. Der EuGH hat wiederholt entschieden, dass die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Wegen einer fehlenden Harmonisierung des betreffenden Gebiets durch die Gemeinschaft ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben.
55Vgl. EuGH, Urteil vom 24.1.2013 – C-186/11 u. a., Stanleybet Int. Ltd. u. a. –, ECLI: EU:C:2013:33, NVwZ 2013, 785 = juris, Rn. 24, m. w. N.
56In Deutschland haben die Länder im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1, Art. 72 Abs. 1 GG derartige glücksspielrechtliche Beschränkungen in den Glücksspielstaatsvertrag aufgenommen. Sie unterfallen hingegen nicht den Vorgaben des bundesrechtlich auf der Kompetenzgrundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) und Art. 74 Abs. 1 Nr. Nr. 16 GG (Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung) im vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelten wirtschaftsrechtlichen Vergaberechts. Dieses setzt die Konzessionsvergaberichtlinie 2014/23/EU (RL 2014/23/EU) vom 26.2.2014 (ABl. L 94/1) in nationales Recht um.
57Vgl. Gesetzentwurf, BT-Drs. 18/6281, S. 55 f.
58Nach Nr. 35 der Erwägungsgründe der RL 2014/23/EU sollte die Richtlinie das Recht der Mitgliedstaaten nicht beschränken, im Einklang mit dem Unionsrecht zu entscheiden, auf welche Weise – einschließlich durch Genehmigungen – der Spiel- und Wettbetrieb organisiert und kontrolliert wird. Weiter heißt es dort, es müsse den Mitgliedstaaten möglich bleiben, aufgrund ihrer Verpflichtungen zum Schutz der öffentlichen und sozialen Ordnung den Bereich Spieltätigkeiten auf nationaler Ebene zu regeln; insoweit könne kein wettbewerbliches Verfahren zur Anwendung kommen. Damit gelten für Konzessionsverfahren nach nationalem Recht in diesem Regelungsbereich nicht die vor allem an wirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten Vorgaben des Vergaberechts und der auf das öffentliche Beschaffungswesen zugeschnittenen Konzessionsvergaberichtlinie (vgl. Nr. 3 der Erwägungsgründe). Sie unterliegen, wie ausgeführt, nur den allgemeinen Grundregeln der Verträge, insbesondere Art. 56 AEUV, dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und dem daraus folgenden Transparenzgebot. Die Einführung eines Systems der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot bestimmter Arten von Glücksspielen muss auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern.
59Vgl. EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14, Ince –, ECLI: EU:C:2016:72, NVwZ 2016, 369 = juris, Rn. 55, 86 f.
60Auf sich beruhen kann danach, ob das Konzessionsverfahren auch deshalb rechtlich zu beanstanden ist, weil die Übertragung der verbindlichen Entscheidung über die Konzessionsvergabe auf ein Glücksspielkollegium aus den vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof angeführten Gründen verfassungswidrig ist.
61Dazu etwa Bethge, ZfWG 2016, 386 ff.; Koenig, ZfwG 2016, 2, 4 f.; Kirchhof, ZfWG 2015, 301 ff.; Dietlein, ZfWG Sonderbeilage 4/2015, 1 ff.
62An der nicht unionsrechtskonformen Ausgestaltung des Konzessionsverfahrens ändert jedenfalls für Nordrhein-Westfalen auch die – mittlerweile nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 9.11.2016 (5 L 1609/16.WI) wieder ausgesetzte – Erteilung von Duldungsverfügungen ausschließlich für hessische Sportwettenvermittler durch das Land Hessen unter gesetzlich nicht geregelten Voraussetzungen nichts.
63c) Auch auf absehbare Zeit wird ein unionsrechtskonformes Erlaubnisverfahren in Nordrhein-Westfalen nicht zur Verfügung stehen.
64Als Reaktion auf die bisherigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in Hessen haben sich die Ministerpräsidenten über Änderungen beim Glücksspielstaatsvertrag verständigt. Geplant ist eine Aufhebung der Kontingentierung der Konzessionen für Sportwetten für die Dauer der zunächst bis zum 30.6.2021 zu verlängernden Experimentierphase und eine vorläufige Gestattung der Veranstaltung von Sportwetten gegenüber allen 35 Bewerbern, die im laufenden Konzessionsverfahren die Mindestanforderungen erfüllt haben. Nach Angaben des Beklagten ist das Notifizierungsverfahren betreffend den Entwurf für einen Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages am 9.11.2016 eingeleitet worden, und eine Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz über den Änderungsvertrag ist für März 2017 geplant.
65Vgl. Entwurf für einen Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages, Stand: 28.10.2016, http://www.deutscherlottoverband.de/recht/glueaenstv/; Spiegel Online, Länder wollen mehr Sportwettenanbieter zulassen, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/sportwetten-bundeslaender-wollen-beschraenkungen-aufheben-a-1118785.html; dazu auch Pressemitteilungen vom 28.10.2016 und 8.12.2016 zur Ministerpräsidentenkonferenz, http://www.regierung-mv.de/Landesregierung/stk/Presse/?id=121002&processor=processor.sa.pressemitteilung und http://www.regierung-mv.de/Landesregierung/stk/MPK/
66Soweit ersichtlich, soll aber die Ausschreibung nicht wiederholt werden, obwohl die Auftragsbekanntmachung vom 8.8.2012 (ABl./S. 2012/S 151–253153, 6/7) im Widerspruch zu den Auswahlkriterien nach § 4b Abs. 5 GlüStV als Zuschlagskriterium auf „das wirtschaftlich günstigste Angebot“ abgestellt hat und die nun angedachte Verlängerung der Experimentierphase sowie die Aufhebung der Kontingentierung der Konzessionen seinerzeit den Bewerbern noch nicht bekannt waren. Wegen der geplanten Beschränkung der Gestattung auf die Bewerber in einem Verfahren, das dem Transparenzgebot nicht genügte, und dem damit verbundenen Ausschluss für andere Bewerber trotz wesentlicher Änderungen der Bedingungen für die Konzessionserteilung wird selbst die geplante Änderung nicht zur Eröffnung eines Erlaubnisverfahrens führen, das transparent, diskriminierungsfrei und gleichheitsgerecht ausgestaltet ist, insbesondere auf objektiven Kriterien beruht, die im Voraus bekannt sind. Sofern der Vertragsentwurf insoweit nicht noch rechtzeitig überarbeitet wird, wird die Änderung den bestehenden Verstoß gegen das Transparenzgebot sogar noch verschärfen.
67d) Unter den gegebenen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Einführung der in § 10a GlüStV vorgesehenen Experimentierklausel für Sportwetten die Unvereinbarkeit des staatlichen Monopols auf die Veranstaltung und die Vermittlung von Sportwetten mit Art. 56 AEUV behoben worden ist, weil das Monopol trotz des Inkrafttretens der besagten Reform in Nordrhein-Westfalen in der Praxis weiter Bestand hat.
68Vgl. EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14, Ince –, ECLI: EU:C:2016:72, NVwZ 2016, 369 = juris, Rn. 89 f., 93.
69Darüber hinaus ist nicht absehbar, ob und ggf. wann Erlaubnisse in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren tatsächlich erteilt werden.
703. Der Hilfsantrag, über den der Senat erstmals zu entscheiden hat, ist unzulässig. Für die damit beantragte Erteilung einer Genehmigung (Konzession) zur Veranstaltung von Sportwetten ist nicht der Beklagte, sondern für alle Länder derzeit das Land Hessen im ländereinheitlichen Verfahren nach § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV zuständig. Soweit der Hilfsantrag sinngemäß auf die Vermittlung von Sportwetten bezogen sein sollte, bliebe er ebenfalls ohne Erfolg, weil die gesetzlichen Erlaubnisvoraussetzungen nicht gegeben sind, insbesondere noch kein Konzessionsnehmer existiert.
71Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
72Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.