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Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 19.12.2012 und ihres Widerspruchsbescheides vom 5.2.2013 verurteilt, an den Kläger 1.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.3.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen - unter Einbeziehung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung - der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils ihm gegenüber vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Der am 15.4.19 geborene Kläger steht seit dem 1.4.2004 im Dienst der Beklagten, derzeit als Brandmeister (Besoldungsgruppe A 7 BBesO).
3Mit Schreiben vom 3.4.2012, bei der Beklagten eingegangen am 2.5.2012, widersprach er der Höhe seiner Besoldung und begehrte rückwirkend ab dem 1.1.2009 eine Besoldung aus der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe. Zur Begründung berief er sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 8.9.2011 in Sachen „I. und N. “, nach der die Festsetzung einer Gehaltsstufe aufgrund eines Lebensalters und die damit verbundene Gehaltszahlung orientiert am Lebensalter unzulässig seien. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sei auch auf Beamte anwendbar.
4Mit Bescheid vom 19.12.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neuberechnung der Besoldung ab. Die Bemessung des Grundgehalts nach dem für das Land Nordrhein-Westfalen auf dem Stand vom 31.8.2006 fortgeltenden Bundesbesoldungsgesetz (BBesG 2006) verstoße nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Außerdem stehe dem Kläger für den Zeitraum vor dem Jahr 2012 deshalb kein Anspruch auf Neufestsetzung seiner Besoldung zu, weil er ihn nicht zeitnah geltend gemacht habe. Den Widerspruch des Klägers vom 28.12.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5.2.2013 zurück.
5Der Kläger hat am 5.3.2013 Klage erhoben. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, der rückwirkend ab dem 1.1.2009 geforderten Anpassung der Besoldung könne das Erfordernis zeitnaher Geltendmachung nicht entgegen gehalten werden. Die geltend gemachten Ansprüche seien bereits ausreichend begrenzt durch die analog anzuwendenden bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften. Damit seien auch die berechtigten Belange des Dienstherrn ausreichend gewahrt.
6Der Kläger hat der Sache nach beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19.12.2012 und ihres Widerspruchsbescheides vom 5.2.2013 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum ab dem 1.1.2009 bis zum 31.5.2013 die Differenz zwischen der ihm tatsächlich gezahlten Besoldung und der höchsten Stufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe zu zahlen und den Gesamtbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.3.2013 zu verzinsen,
8hilfsweise, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 19.12.2012 und ihres Widerspruchsbescheides vom 5.2.2013 zu verurteilen, ihm für die Monate Januar 2012 bis N. 2013 wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen und den Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.3.2013 zu verzinsen.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Zahlung zusätzlicher Besoldungsleistungen in Höhe der Differenz zwischen der seinerzeit tatsächlich bezogenen Besoldung und der Besoldung nach der – jeweils – höchsten Stufe der Besoldungsgruppe ergebe sich nicht aus den insoweit allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden besoldungsrechtlichen Bestimmungen des Bundes oder des Landes Nordrhein-Westfalen. Die für den Zeitraum bis einschließlich 31.5.2013 erfolgte Altersdiskriminierung könne nicht durch eine Einstufung des Klägers in eine höhere oder in die höchste Dienstaltersstufe seiner Besoldungsgruppe ausgeglichen werden. Da von der Diskriminierung potentiell alle Beamtinnen und Beamten erfasst seien, bestehe kein gültiges Bezugssystem, an dem sich die diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könne. Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG stehe dem Kläger nicht zu. Ein ersatzfähiger materieller Schaden sei schon nicht bezifferbar. Ein Zahlungsanspruch ergebe sich ferner nicht unmittelbar aus Art. 17 Satz 1 der Richtlinie (RL) 2000/78/EG. Dieser Bestimmung fehle die für die unmittelbare Wirkung von Richtlinien erforderliche hinreichende Genauigkeit. Der Kläger habe auch keinen anderweitigen Entschädigungsanspruch. Ein solcher ergebe sich weder aus § 15 Abs. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG noch nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs. Ein Anspruch nach § 15 AGG scheitere daran, dass der Kläger die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nicht gewahrt habe. Der Kläger hätte innerhalb von zwei Monaten nach der Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen „I. und N. “ am 8.9.2011 seinen Anspruch geltend machen müssen. In der altersdiskriminierenden Besoldung liege keine monatlich wiederkehrende Benachteiligung in dem Sinne, dass für jeden monatlich wiederkehrenden, in sich geschlossenen Diskriminierungsakt ein einzelner, auf den jeweiligen Monat bezogener Entschädigungsanspruch entstehe. Vielmehr gehe es um die Entschädigung wegen einer Diskriminierung, deren maßgebliche Vorgänge bereits abgeschlossen seien und lediglich nachwirkten. Ob der unionsrechtliche Haftungsanspruch neben den in § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG geregelten Sekundäransprüchen überhaupt noch Anwendung finden könne, sei zweifelhaft. Jedenfalls scheitere er an der Versäumung der sich aus § 15 Abs. 4 AGG ergebenden Ausschlussfrist. Diese sei in der hier vorliegenden Fallgestaltung anwendbar.
12Der Kläger hat gegen das Urteil rechtzeitig die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Der mit dem Hauptantrag begehrte Schadensersatzanspruch ergebe sich aus § 15 Abs. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG. Der materielle Schaden sei bezifferbar. Die höchste Besoldungsstufe seiner Besoldungsgruppe stelle den gesetzlichen Bezugsrahmen dar. Dem mit dem Hilfsantrag verfolgten Entschädigungsanspruch – in einer angemessenen Höhe von monatlich 200,00 € – könne § 15 Abs. 4 AGG nicht entgegengehalten werden. Die darin vorgesehene Ausschlussfrist widerspreche dem Effektivitätsgrundsatz. Durch sie werde dem betroffenen Beamten die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte übermäßig erschwert. Auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch fänden ohnehin ausschließlich der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB und der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung Anwendung, denen er mindestens für den Zeitraum ab Januar 2012 entsprochen habe.
13Der Kläger beantragt,
14das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinen erstinstanzlichen Klageanträgen zu erkennen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Zunächst sei zweifelhaft, inwieweit der Kläger ein erforderliches Vorverfahren hinsichtlich des Entschädigungs- bzw. Schadensersatzanspruchs durchgeführt habe. Bezüglich des Hauptantrags sei weder den besoldungsrechtlichen Bestimmungen des Bundes noch denen des Landes Nordrhein-Westfalen zu entnehmen, dass die höchste Besoldungsstufe einer Besoldungsgruppe den gesetzlichen Bezugsrahmen für die Berechnung der Differenz zu einer diskriminierungsfreien Besoldung darstelle. Hinsichtlich des Hilfsantrags sei zu beachten, dass die Vereinbarkeit der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG mit dem Effektivitätsgrundsatz bereits höchstrichterlich bestätigt worden sei. Erstrecke man den Rechtsgedanken der in § 15 Abs. 4 AGG geregelten Ausschlussfrist im Falle der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs wegen altersdiskriminierender Besoldung nicht auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch, werde angesichts der Parallelität des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs mit den Haftungsnormen des § 15 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG der mit der Ausschlussfrist beabsichtigte Zweck vereitelt. Danach sollten innerhalb einer kurzen Frist Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Bezug auf solche Ansprüche bestehen, die auf den besonderen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung wegen des Alters gegründet worden seien. Mit der bloßen Anwendung des Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB und des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung lasse sich dies nicht erreichen. Auch in diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 3.4.2012 weder einen Schadensersatz- noch einen Entschädigungsanspruch ausdrücklich geltend gemacht habe.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Hefter) Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
21I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet.
22Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung zusätzlicher Besoldungsleistungen in Höhe der Differenz zwischen der seinerzeit tatsächlich bezogenen Besoldung und der Besoldung nach der – jeweils – höchsten Stufe der Besoldungsgruppe für den Zeitraum von Januar 2009 bis N. 2013. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem für nordrhein-westfälische Kommunalbeamte in diesem Zeitraum fortgeltenden Bundesbesoldungsrecht, § 85 BBesG, Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG. Berechnungsfehler im Rahmen der damaligen Besoldungszahlungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die dabei erfolgte Altersdiskriminierung durch nach dem – vom Lebensalter abhängigen – Besoldungsdienstalter bestimmte Stufen, §§ 27, 28 BBesG 2006, ist nicht durch eine (faktische) Einstufung des Klägers in eine höhere oder in die höchste Dienstaltersstufe seiner Besoldungsgruppe auszugleichen. Da von der Diskriminierung potentiell alle Beamten erfasst waren, besteht auf der Grundlage des bis zum 31.5.2013 fortgeltenden Bundesbesoldungsgesetzes 2006 kein gültiges Bezugssystem, an dem sich eine diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könnte.
23Vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 – C-501/12 u.a. –, juris, Rn. 96; BVerwG, Urteile vom 20.5.2015 – 2 A 9.13 –, juris, Rn. 10, und vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 18 ff; OVG NRW, Urteil vom 20.1.2016 – 1 A 1432/13 –, juris, Rn. 21 ff.
24Dies schließt auch die Feststellung eines ersatzfähigen materiellen Schadens durch die Altersdiskriminierung und mithin einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG,
25vgl. VG Berlin, Urteil vom 16.9.2016 – 7 K 156.10 –, juris, Rn. 65,
26und einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch, soweit dieser auf materiellen Schadensersatz gerichtet ist, aus.
27Vgl. zur Problematik der Feststellung eines materiellen Schadens VG Bremen, Urteil vom 24.2.2015 – 6 K 2257/13 –, juris, Rn. 21; Wonka, DVBl. 2015, 79, 82.
28Ein Zahlungsanspruch in Höhe des Unterschieds zwischen der tatsächlichen Besoldung und der Besoldung nach der höchsten Stufe der Besoldungsgruppe ergibt sich auch nicht unmittelbar aus dem keine derartige konkrete Sanktion vorgebenden Art. 17 Satz 1 der Richtlinie (RL) 2000/78/EG.
29Vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 – C-501/12 u.a. –, juris, Rn. 108; BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 24.
30II. Die Klage ist mit dem Hilfsantrag teilweise begründet. Der Kläger hat Anspruch auf eine Entschädigung für immaterielle Schäden in Höhe von 100,00 € monatlich für den Zeitraum vom 1.4.2012 bis 31.5.2013 (1.) nebst Rechtshängigkeitszinsen (3.). Einen weitergehenden Entschädigungsanspruch kann der Kläger nicht aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch herleiten (2.).
311. Der Entschädigungsanspruch beruht auf § 15 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG. Danach kann die Beamtin oder der Beamte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Wie sich aus der Zusammenschau mit § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ergibt, setzt der Entschädigungsanspruch einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG voraus und verpflichtet den Arbeitgeber. Anders als der Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG ist der Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG verschuldensunabhängig. Er ist nicht (in direkter oder analoger Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG) davon abhängig, dass der Arbeitgeber die Pflichtverletzung in Gestalt des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot zu vertreten hat.
32Vgl. BT-Drs. 16/1780, S. 38; BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 34 f.; Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 15, Rn. 50 m. w. N.
33a) Der Entschädigungstatbestand ist erfüllt. Der Kläger ist als Beamter gemäß § 24 Nr. 1 AGG unter Berücksichtigung seiner besonderen Rechtsstellung möglicher Berechtigter des Entschädigungsanspruchs. Der von § 15 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 AGG vorausgesetzte, den Kläger betreffende Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG – hier in Gestalt einer Benachteiligung aus Gründen des Alters – lag bis einschließlich 31.5.2013 in der Zahlung einer an das Besoldungsdienstalter anknüpfenden Besoldung durch die Beklagte. Die von ihr geleistete Besoldung des Klägers beruhte bis dahin (§ 85 BBesG, Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG) auf den gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoßenden §§ 27, 28 BBesG 2006.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 14 ff.
35Trotz dieses Verstoßes blieben die Besoldungsvorschriften wirksam. § 7 Abs. 2 AGG, wonach Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam sind, findet auf gesetzliche Vorschriften keine Anwendung. Er erfasst lediglich Bestimmungen in Kollektiv- und Individualvereinbarungen sowie einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 17.
37Der in Anwendung legislativen Unrechts erfolgte administrative Vollzugsakt der Besoldungszahlung verstieß – unabhängig davon, ob die Gesetzgebungskompetenz beim Dienstherrn lag – ebenfalls gegen das Diskriminierungsverbot.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 36 ff. und 58.
39Ein konkreter gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ersatzfähiger immaterieller Schaden, der durch diesen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entstanden ist, muss nicht nachgewiesen werden. Er wird unwiderleglich vermutet.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 ‑, juris, Rn. 45 m. w. N.; Bauer/Krieger, AGG, 4. Aufl. 2015, § 15, Rn. 36; Deinert, in: Däubler/Bertzbach, AGG, 3. Aufl. 2013, § 15, Rn. 51.
41b) Der Anspruch besteht für die Zeit vom 1.4.2012 bis 31.5.2013; für die Zeit bis zum 31.3.2012 ist er mangels rechtzeitiger Geltendmachung erloschen.
42aa) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss der Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Diese materielle Ausschlussfrist ist europarechtlich nicht zu beanstanden. Sie steht insbesondere mit den Vorgaben der RL 2000/78/EG, dem „Effektivitätsgrundsatz“ und dem „Äquivalenzgrundsatz“ in Einklang.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 -, juris, Rn. 48; EuGH, Urteil vom 8.7.2010 – C-246/09 –, juris, Rn. 34 ff.; Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 15, Rn. 101 ff. m. w. N.
44bb) Seinen Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 3.4.2012 gegenüber der Beklagten schriftlich i. S .v. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht. Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses ist es, den Arbeitgeber bzw. Dienstherrn über etwaige Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot in Kenntnis zu setzen und ihm die rechtzeitige Prüfung der Ansprüche, die Beweissicherung und die Rücklagenbildung zu ermöglichen,
45Vgl. BT-Drs. 16/1780, S. 38; BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 49.
46Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom 3.4.2012. Eine Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB ergibt, dass der Kläger Ansprüche auf Geldleistung wegen der altersdiskriminierenden Besoldung umfassend geltend machen wollte. Er spricht ausdrücklich vom Ausgleich einer Ungleichbehandlung und erwähnt das AGG.
47cc) Mit diesem am 2.5.2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben hat der Kläger seinen Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG für den Zeitraum vom 1.4.2012 bis zum 31.5.2013 auch innerhalb einer Frist von zwei Monaten i. S. v. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht. Demgegenüber sind Ansprüche für die Zeit bis zum 31.3.2012 erloschen.
48Die Frist beginnt gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung – wie hier – zu dem Zeitpunkt, in dem die oder der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Liegt eine wiederkehrende Benachteiligung durch jeweils eigenständige Diskriminierungsakte vor, entsteht durch jeden von diesen ein einzelner Entschädigungsanspruch, bezüglich dessen die Ausschlussfrist einzuhalten ist.
49Vgl. Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 15, Rn. 108 (bzgl. regelmäßig zu zahlender Entgelte); LAG Hamm, Urteil vom 30.1.2014 – 8 Sa 942/13 –, juris, Rn. 22 (bzgl. des Schadensersatzanspruchs einer Verwaltungsangestellten aus § 15 Abs. 1 AGG wegen einer altersdiskriminierenden Ermäßigung der Arbeitszeit für ältere Arbeitnehmer, die sich aus Sicht bestimmter Teilzeitkräfte als am Lebensalter ausgerichtete Staffelung der Arbeitsvergütung darstellt); VG Bremen, Urteil vom 25.8.2015 – 6 K 1378/14 –, juris, Rn. 29; LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2011 – 5 Sa 208/11 –, juris, Rn. 180.
50Eine derartige wiederkehrende Benachteiligung liegt hier vor.
51Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 54; Hess. VGH, Urteil vom 11.5.2016 – 1 A 1927/15 –, juris, Rn. 51 ff.
52Es erfolgte nicht etwa nur eine einmalige bzw. einheitlich zu betrachtende Diskriminierung mit der Folge, dass die Rügefrist hieran anknüpfte. Diskriminierungshandlung ist vielmehr (neben dem Besoldungsgesetz) die einzelne monatliche Besoldungszahlung.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 57.
54Mithin entsteht für jeden Monat, für den Besoldung auf einer altersdiskriminierenden Rechtsgrundlage gewährt wird, ein einzelner Entschädigungsanspruch, der für sich zu betrachten ist. Es handelt sich um sowohl von der Schaffung/Aufrechterhaltung der Rechtsgrundlage als auch von der jeweils vorangegangenen und nachfolgenden Besoldungszahlung logisch trennbare selbstständige Benachteiligungstatbestände, nicht bloß um die Nachwirkung einer abgeschlossenen vorangegangenen Benachteiligung (1) oder einen diskriminierenden Dauertatbestand (2).
55(1) Die in der an das Lebensalter anknüpfenden monatlichen Besoldung liegende Diskriminierung ist nicht schlichte Nachwirkung der am Lebensalter orientierten Einordnung des Klägers in eine Altersstufe der Grundgehaltstabelle.
56A.A. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28.7.2015 – 12 K 3414/12 –, juris, Rn. 44; Ebenhoch-Combs, RiA 2015, 103, 108.
57Die Bezüge mussten monatlich berechnet und im Voraus gezahlt werden.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 57; Hess. VGH, Urteil vom 11.5.2016 – 1 A 1927/15 –, juris, Rn. 54; VG Frankfurt, Urteil vom 13.11.2015 – 9 K 2555/13.F –, juris, Rn. 51.
59Dabei wurde stets aufs Neue entschieden und dem Kläger gegenüber in Gestalt des Überweisungsbetrags mitgeteilt, nach – altersdiskriminierenden – Dienstaltersstufen zu besolden. Dies ist nicht vergleichbar mit der als schlichte Nachwirkung angesehenen bloßen weiteren Sichtbarkeit einer Schmiererei, wenn die abgeschlossene Benachteiligung in der bekannt gegebenen Entscheidung des Arbeitgebers besteht, diese nicht entfernen zu wollen.
60Vgl. BAG, Urteil vom 24.9.2009 – 8 AZR 705/08 –, juris, Rn. 61.
61(2) Ein diskriminierender Dauertatbestand ist ebenfalls nicht gegeben. Ein solcher setzt voraus, dass fortlaufend neue Tatsachen eintreten, die für eine Benachteiligung von Bedeutung sind. Ein länger währender Vorgang der Diskriminierung ist dann noch nicht abgeschlossen. Dies ist der Fall, wenn die einzelnen Benachteiligungshandlungen auf der Grundlage eines einheitlichen Tatentschlusses erfolgen und in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, so dass ein Aufspalten dieses einheitlichen Lebenssachverhalts künstlich wäre.
62Vgl. BAG, Urteil vom 24.9.2009 – 8 AZR 705/08 –, juris, Rn. 59 f.; LAG Hamm, Urteil vom 1.6.2012 – 18 Sa 683/11 –, juris, Rn. 127; Hess. LAG, Urteil vom 7.2.2012 – 2 Sa 1411/10 –, juris, Rn. 51; Bauer/Krieger, AGG, 4. Aufl. 2015, § 15, Rn. 52; Sponer/Steinherr, TVöD Gesamtausgabe, Stand: 1.6.2015, § 15 AGG, Rn. 81.
63Auch diese Voraussetzungen sind bei wiederholten Besoldungszahlungen nicht erfüllt. Schon die erste Besoldungszahlung stellt einen in sich abgeschlossenen Diskriminierungstatbestand dar. Die Bedeutung der darin liegenden Benachteiligung ändert sich nicht dadurch, dass weitere diskriminierende Besoldungszahlungen folgen oder nicht. Insbesondere bedarf es nicht erst mehrerer derartiger Handlungen, um eine Benachteiligung annehmen zu können.
64Vgl. die vorliegende Fallgestaltung abgrenzend zu aus mehreren für sich vernachlässigbar erscheinenden Handlungen, die erst in ihrer Gesamtschau als Mobbing-Situation eine Benachteiligung ergeben: Hess. VGH, Urteil vom 11.5.2016 – 1 A 1927/15 –, juris, Rn. 52 ff.; a. A. VG Frankfurt, Urteil vom 13.11.2015 – 9 K 2555/13.F –, juris, Rn. 49 f.; Tiedemann, RiA 2015, 97, 100.
65dd) Grundsätzlich hat der Beschäftigte gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 AGG Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann nicht vor dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Maßgeblich dafür ist die objektive Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 ‑, juris, Rn. 51.
67(1) Hiernach war dem Kläger das Geltendmachen einer Diskriminierung erst ab der Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen I. und N. am 8.9.2011 abzuverlangen. Mit dieser Entscheidung ist die bis dahin unklare und unsichere Rechtslage in Bezug auf ein mit §§ 27 f. BBesG 2006 vergleichbares Vergütungssystem hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Vorgaben der RL 2000/78/EG (und demgemäß auch mit § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG) geklärt worden.
68Vgl. BVerwG, Urteile vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 52 ff, und vom 20.5.2015 – 2 A 9.13 –, juris, Rn. 13; EuGH, Urteil vom 19.6.2014 – C-501/12 u. a. – juris, Rn. 104; OVG NRW, Urteil vom 20.1.2016 – 1 A 1432/13 –, juris, Rn. 65 ff.
69Der Senat folgt nicht der abweichenden Rechtsauffassung, maßgeblich sei insoweit der Zeitpunkt des Ergehens des Urteils des EuGH vom 19.6.2014.
70Vgl. OVG Saarl., Urteil vom 6.8.2015 – 1 A 290/14 –, juris, Rn. 35 ff.
71Zwar mag zutreffen, dass fallbezogene entscheidungserhebliche und in der Fachwelt bis in das Jahr 2014 unterschiedlich beurteilte Einzelfragen erst zu diesem Zeitpunkt höchstrichterlich geklärt worden sind. Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG beginnt jedoch nicht erst zu laufen, wenn alle denkbaren Zweifelsfragen restlos höchstrichterlich geklärt sind. Dies ist vielmehr – wie ausgeführt – bereits dann der Fall, wenn die maßgeblichen offenen Fragen soweit höchstrichterlich geklärt sind, dass eine Klage für den Betroffenen zumutbar, also hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist.
72Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.1.2016 – 1 A 1432/13 –, juris, Rn. 70; Hess. VGH, Urteile vom 11.5.2016 – 1 A 1927/15 –, juris, Rn. 56 f., und vom 15.9.2015 – 1 A 861/15 –, juris, Rn. 24 f.
73Dass dies bereits durch die Entscheidung des EuGH vom 8.9.2011 der Fall war, belegt nicht zuletzt die Vielzahl der kurz darauf und mit Hinweis auf diese Entscheidung erhobenen Widersprüche gegen altersdiskriminierende Besoldung. Beim Senat sind zahlreiche Verfahren anhängig, in denen entsprechende Widersprüche – vielfach mit Musterschreiben der verschiedenen Verbände – Ende 2011 und in der ersten Jahreshälfte 2012 erhoben worden sind.
74(2) Hinzu kommen muss die Kenntnis von der konkreten Benachteiligung in Gestalt einer auf altersdiskriminierender Rechtsgrundlage gewährten Besoldungszahlung. Diese erhält der Beamte grundsätzlich im Zeitpunkt des Eingangs der jeweiligen Monatsbesoldung, also am letzten Bankarbeitstag des Monats, der dem Monat, für den die Bezüge geleistet wurden, vorangegangen ist, § 3 Abs. 5 BBesG 2006 (entspricht § 3 Abs. 4 BBesG n. F.).
75Vgl. zur Zahlungspflicht am letzten Bankwerktag des Vormonats: Schollendorf, in: Clemens/Millack/Lantermann/Engelking/Henkel, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: N. 2014, § 3 BBesG, Rn. 26; Kathke, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juli 2010, § 3 BBesG, Rn. 67 f.
76Ausgehend davon muss der auf den jeweiligen Besoldungsmonat bezogene Entschädigungsanspruch gemäß § 188 Abs. 2 i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB bis zum Ablauf des diesem letzten Bankarbeitstag des Vormonats durch seine Zahl entsprechenden Tages des übernächsten Monats geltend gemacht werden, es sei denn, dieser ist ein Sonn- oder Feiertag oder ein Sonnabend. In diesen Fällen tritt an seine Stelle der nächste Werktag (§ 193 BGB).
77Vgl. zur unmittelbaren Anwendung der §§ 187 ff. BGB auf die Fristberechnung nach § 15 Abs. 4 AGG; Bauer/Krieger, AGG, 4. Aufl. 2015, § 15, Rn. 47; Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 15, Rn. 110.
78Mithin hätte der Entschädigungsanspruch für die Besoldungszahlung für März 2012 (letzter Bankarbeitstag des Vormonats war Mittwoch, der 29.2.2012) bis Montag, den 30.4.2012, geltend gemacht werden müssen. Das am 2.5.2012 bei der Beklagten eingegangene Schreiben vom 3.4.2012 war dementsprechend erst für die Besoldungszahlung für den Monat April 2012 fristgerecht, wirkte aber für die Zukunft fort. Der Entschädigungsanspruch muss bei wiederholten gleichartigen Diskriminierungshandlungen wie Besoldungszahlungen nur einmal geltend gemacht werden.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 54; Hess. VGH, Urteil vom 11.5.2016 – 1 A 1927/15 –, juris, Rn. 55.
80Ansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG für die vor April 2012 liegenden Zeiträume sind demgegenüber wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG erloschen.
81c) Die Regelung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG ist abschließend. Hat die Beamtin oder der Beamte diese gesetzliche Frist gewahrt, kann der im Beamtenrecht geltende Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung, der sich auf nicht unmittelbar durch Gesetz begründete Besoldungsansprüche bezieht, keine Anwendung finden.
82Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 ‑, juris, Rn. 55.
83d) Die fristgerecht geltend gemachten Entschädigungsansprüche aus § 15 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG sind auch nicht verjährt. Bei den monatsweise entstandenen Ansprüchen beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (vgl. § 195 BGB) mit dem Schluss des jeweiligen Jahres (vgl. § 199 Abs. 1 BGB).
84Vgl. BVerwG, Urteile vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 60.
85Auch die für den ältesten nicht untergegangenen Anspruch betreffend April 2012 danach am 1. Januar 2013 (§ 187 Abs. 1 BGB) beginnende regelmäßige Verjährungsfrist hat der Kläger jedenfalls mit seiner Klageerhebung am 5.3.2013 gewahrt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
86e) Als Ausgleich für die Benachteiligung bei der Besoldungszahlung wegen des Lebensalters sieht der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Pauschalbetrag in Höhe von 100,00 Euro je Monat und damit in Höhe von insgesamt 1.400,00 Euro für den Zeitraum vom 1.4.2012 bis 31.5.2013 als angemessen im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an. Dieser Wert orientiert sich an der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sowie § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Wertung des Bundesgesetzgebers, wonach im Falle der überlangen Dauer von Gerichtsverfahren die Entschädigung 1.200,00 Euro für jedes Jahr der Verzögerung beträgt. Dieser Betrag ist unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Benachteiligung, ihrer Dauer und Folgen, des Anlasses und Beweggrundes des Handelns, des Grades der Verantwortlichkeit des Dienstherrn, einer nicht geleisteten Wiedergutmachung oder erhaltenen Genugtuung, des Vorliegens eines Wiederholungsfalls sowie mit Rücksicht auf den Sanktionszweck und die von § 15 AGG bezweckte Abschreckungswirkung in der gegebenen Fallgestaltung angemessen.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 61 ff.; Hess. VGH, Urteil vom 11.5.2016 – 1 A 1927/15 –, juris, Rn. 59 f.; OVG Saarl., Urteil vom 6.8.2015 – 1 A 290/14 –, juris, Rn. 60 f.; VG Berlin, Urteil vom 16.9.2016 – 7 K 156.10 –, juris, Rn. 70; a. A. VG Frankfurt, Urteil vom 13.11.2015 – 9 K 2555/13.F –, juris, Rn. 32 ff.
88Ein bei der Bemessung des Entschädigungsanspruchs evtl. zu berücksichtigendes Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB trifft den Kläger nicht. Soweit er seinen Anspruch aus § 15 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG fristgerecht geltend gemacht und dabei ausdrücklich einen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung beanstandet hat, hat er das getan, was ihm zur Schadensvermeidung möglich gewesen ist.
89Der Senat weist zur Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Urteils darauf hin, dass die Entschädigung wegen immateriellen Schadens nicht einkommensteuerpflichtig sein dürfte.
90Vgl. BT-Drs. 16/3710, S. 14, unten; Bauer/Krieger, AGG, 4. Aufl. 2015, § 15, Rn. 69; VG Berlin, Urteil vom 16.9.2016 – 7 K 156.10 –, juris, Rn. 96; vgl. auch BFH, Beschluss vom 27.7.2013 – III B 15/13 –, juris.
912. Einen weitergehenden Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten kann der Kläger nicht aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch herleiten. Dieser setzt voraus, dass die unionsrechtliche Norm, deren Verletzung geltend gemacht wird, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen diesem Verstoß und einem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
92Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 ‑, juris, Rn. 26.
93An einem hinreichend qualifizierten Verstoß der Beklagten gegen Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG fehlt es.
94Zwar stellt das legislative Unrecht der Nichtanpassung der §§ 27 und 28 BBesG 2006 an das Unionsrecht für den Zeitraum ab Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen I. und N. am 8.9.2011 einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar.
95Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6.13 –, juris, Rn. 29.
96Doch beging diesen nicht die Beklagte als Kommune, sondern der Besoldungsgesetzgeber.
97Der in Anwendung legislativen Unrechts erfolgte administrative Vollzugsakt der Besoldungszahlung durch die Beklagte verstößt zwar – wie dargestellt – ebenfalls gegen das Unionsrecht. Mangels Handlungsalternative der Beklagten ist dieser Verstoß jedoch nicht hinreichend qualifiziert. Die in Rede stehende Fallgestaltung ist nicht vergleichbar mit der Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs von Unionsrecht durch den Dienstherrn.
98Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.7.2012 – 2 C 29.11 –, juris, Rn. 19 a. E.
99Mangels rechtmäßigen Bezugssystems für eine diskriminierungsfreie Besoldung konnte die – nicht gesetzgebungsbefugte – Beklagte angesichts des strengen Gesetzesvorbehalts im Besoldungsrecht (§ 2 Abs. 1 BBesG 2006) keine rechtmäßige Besoldung leisten. Grundsätzlich ist Anspruchsverpflichteter beim unionsrechtlichen Haftungsanspruch der Mitgliedstaat, der die Verantwortlichkeit innerstaatlich verteilen kann.
100Vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 623.
101Letzteres dürfte durch die Übertragung der Besoldungsgesetzgebungskompetenz auf die Länder geschehen sein. Dass die diesbezügliche Verantwortlichkeit von den Ländern auf die Kommunen übergegangen sein könnte, ist indes nicht ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass die effektive Durchsetzung des Unionsrechts es erforderte, die Kommunen anstelle des Gesetzgebers in Haftung zu nehmen. Vielmehr dient es der effektiven Durchsetzung des Unionsrechts, den zur Herbeiführung unionsrechtskonformer Zustände aufgerufenen Gesetzgeber und nicht die insoweit handlungsunfähige Kommune dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch auszusetzen. Das Haftungstatbestandsmerkmal des hinreichend qualifizierten Verstoßes zielt gerade auf die „entscheidende Instanz“ des Mitgliedstaates ab, also diejenige, die sich rechtmäßig hätte verhalten können, und bewertet deren Handlungsspielräume.
102Vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 607 ff.
1033. Der Anspruch auf Prozesszinsen beruht auf § 90 VwGO i. V. m. §§ 291, 288 Abs.1 Satz 2 BGB.
104III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
105Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 132 Abs. 2 VwGO, 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, 127 BRRG.