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Zur Fortnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung eines Tieres auf der Grundlage von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG kann die Tierschutz-behörde auch dann befugt sein, wenn ihr die Person des Halters nicht bekannt ist.
Ob ein auf öffentlicher Fläche angebunden angetroffener Haushund besitzlos und als Fundtier einzustufen ist, hängt von den konkreten Gegebenheiten des Einzel¬falls ab.
Zum Bestehen eines Anspruchs eines Tierschutzvereins gegenüber der Tierschutz-behörde auf Erstattung von Aufwendungen für die Unterbringung eines verletzt auf-gefundenen Haushundes auf der Grundlage der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 330,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28. September 2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um die Kosten für die Unterbringung eines Hundes.
3Der Kläger ist ein Tierschutzverein mit Sitz in N. . Der beklagte Kreis ist in seiner Eigenschaft als Kreisordnungsbehörde zuständige Behörde im Sinne des Tierschutzgesetzes.
4Am Abend des 28. Oktober 2011 war auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarkts in der im Kreisgebiet des Beklagten liegenden Stadt X. ein Hund angebunden. Der Leiter des Einkaufsmarktes setzte die Kreispolizeibehörde des Beklagten hiervon gegen 19.00 Uhr in Kenntnis. Er teilte mit: Eine volltrunkene Frau habe den Hund angebunden und sich anschließend entfernt. Nach einer Wartezeit von ca. 30 Minuten habe er die Polizei verständigt.
5Der Hund wies im Bereich des Halses ältere und frische Verletzungen in der Art von Strangulationsmerkmalen auf. Die Verletzungen wurden nach Entfernung der um seinen Hals geschlungenen Leine und eines Halstuchs sichtbar. Die Polizei brachte den Hund zu einem örtlichen Tierarzt und informierte in der Annahme, der Hund sei ein Fundtier, das Ordnungsamt der Stadt X. . Der Tierarzt versorgte den Hund medizinisch. Anschließend bat er das städtische Ordnungsamt, den Hund bei ihm abzuholen, da er ihn nicht über Nacht behalten könne und es sich um eine leichte Verletzung gehandelt habe. Das Ordnungsamt sah den Hund nicht als Fundtier an und teilte dem Kläger den Vorfall mit.
6Der Kläger gelangte zu dem Ergebnis, die Polizei habe den Hund in Verwahrung genommen. Er holte den Hund bei dem Tierarzt ab und brachte ihn in einer seiner privaten Pflegestellen unter.
7Die Polizei nahm Ermittlungen nach dem Halter des Hundes auf. Sie erhielt am 3. November 2011 von einem Zeugen die Information, Halterin des Hundes müsse Frau X1. -X2. sein, die am Abend des 28. Oktober 2011 nach der Fortbringung des Hundes zum Parkplatz zurückgekehrt sei und dort nach dem Hund gesucht habe. Einer Vorladung der Polizei kam Frau X1. -X2. , die in X. wohnte, nicht nach.
8Mit E-Mail vom 3. November 2011 wandte sich die Stadt X. an den Beklagten und gab an: Der Hund sei herrenlos und eine in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten fallende Tierschutzangelegenheit. Er befinde sich zurzeit beim Kläger. Nach Erhalt des Einsatzberichtes der Polizei werde dieser mit der Rechnung des Tierarztes zur weiteren Bearbeitung übermittelt.
9Das Veterinäramt des Beklagten nahm in einer internen E-Mail vom 4. November 2011 an: Der Hund könne nur ein Fundtier sein, das bis zur Ermittlung des Besitzers verwahrt werden müsse. Könne der Tierhalter ermittelt werden, würden Maßnahmen nach dem Tierschutzgesetz eingeleitet.
10Ein Mitarbeiter der Stadt X. suchte Frau X1. -X2. Ende November 2011 in deren Wohnung auf und teilte ihr mit, sie erhalte den Hund nicht zurück. Auf Aufforderung der Stadt X. erstattete Frau X1. -X2. die ausgelegten Kosten des Tierarztes.
11Unter dem 23. Januar 2012 bat der Kläger die Kreispolizeibehörde des Beklagten um Mitteilung, was mit dem Hund, der in seiner Verwahrung sei, geschehen solle. Die Kreispolizeibehörde erwiderte unter dem 2. Februar 2017, sie habe den Kläger nicht mit der Unterbringung des Hundes beauftragt und sei nicht zuständig. Das von der Kreispolizeibehörde eingeschaltete Veterinäramt des Beklagten blieb bei der Meinung, der Hund sei ein Fundtier in der Zuständigkeit der Stadt X. .
12Im Juni 2012 erhob der Kläger gegen das Land Nordrhein-Westfalen als Träger der Kreispolizeibehörde Klage auf Erstattung der Kosten für die Abholung und Unterbringung des Hundes. Während des Klageverfahrens verstarb im April 2013 der Hund in der Pflegestelle. Im Juli 2014 nahm der Kläger die Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen zurück.
13Unter dem 3. August 2014 forderte der Kläger den Beklagten zur Erstattung der Kosten auf. Der Beklagte kam dem nicht nach. Er holte eine Auskunft des Tierarztes zu dem damaligen Geschehen ein. Der Tierarzt gab in seiner Auskunft vom 27. August 2014 an: Der Hund habe sich in einem mageren Zustand befunden. Er sei freundlich und zutraulich gewesen. Auffällig seien lediglich die ringförmigen, großflächigen Hautwunden gewesen. Hierbei habe es sich um chronifizierte Hautscheuer- und Strangulationswunden in der Halsbandposition gehandelt. In allen Bereichen habe es Granulations- und Narbengewebe gegeben. Das Granulationsgewebe habe bei Berührung geblutet. Die Wunden seien mindestens vier bis sechs Wochen alt gewesen. Anzeichen für eine durchgeführte Versorgung der Wunden seien nicht erkennbar gewesen.
14Im Zeitraum vom 27. bis 29. September 2014 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Ihm stehe gegen den Beklagten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Abholung und Unterbringung des Hundes zu. Er habe den Hund nicht im Auftrag des Ordnungsamtes der Stadt X. untergebracht. Auch sei der Hund kein Fundtier gewesen. Von Anfang an sei bekannt gewesen, dass er von seiner Halterin angebunden worden sei. Der Beklagte sei tierschutzrechtlich verpflichtet gewesen, den Hund tierschutzgerecht unterzubringen und zu versorgen. Er sei aber untätig geblieben, obwohl das Veterinäramt frühzeitig informiert gewesen sei. Die Verletzungen des Hundes seien auch von der Polizei als schwerwiegend eingestuft worden. Die Kosten beliefen sich unter Zugrundelegung sachlich berechtigter Pauschalansätze von 50,00 Euro für die Abholung und von 10,00 Euro/Tag für die Unterbringung auf insgesamt 5.530,00 Euro. Der Tagessatz sei auch bei Tierheimen üblich. Die Pflegestellen erhielten von ihm, dem Kläger, Leistungen zur Abgeltung ihrer Aufwendungen. Der Beklagte habe den Hund nicht kostengünstiger unterbringen können. Der Anspruch auf Erstattung der vom Beklagten ersparten Aufwendungen bestehe auch nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.
15Der Kläger hat nach vorheriger teilweiser Rücknahme der Klage beantragt,
16den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.530,00 Euro nebst Prozesszinsen ab dem 28. September 2014 zu zahlen.
17Der Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Der Beklagte hat vorgetragen: Der Kläger habe den Hund im Auftrag des Ordnungsamtes der Stadt X. bei dem Tierarzt abgeholt und sodann untergebracht. Das Ordnungsamt habe hierbei in eigener Zuständigkeit gehandelt. Der Hund sei ein Fundtier gewesen. Ferner sei das Ordnungsamt von einer eigenen Zuständigkeit ausgegangen, wie sich in den Maßnahmen gegenüber der mutmaßlichen Halterin zeige. Außerdem habe das Ordnungsamt den Fall nicht an das Veterinäramt abgegeben, nachdem ihm die Halterin bekannt geworden sei. Es sei nicht Aufgabe der Tierschutzbehörde, verletzt aufgefundene Tiere zum Tierarzt zu bringen und nach der Behandlung unterzubringen. Maßnahmen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 3 TierSchG hätten nicht ergriffen werden können. Sie kämen lediglich in Betracht, wenn dem Veterinäramt der Halter bekannt sei. Das sei nicht der Fall gewesen. Das Ordnungsamt der Stadt X. habe sich nach der E-Mail vom 3. November 2011 nicht mehr an das Veterinäramt gewandt. Auch seien die Voraussetzungen von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 3 TierSchG nicht erfüllt gewesen. Die Verletzungen des Hundes deuteten zwar auf einen Verstoß gegen § 2 TierSchG hin. Jedoch sei der behördliche Entscheidungsspielraum nicht auf die Unterbringung des Hundes eingeschränkt gewesen. Die Polizei und das Ordnungsamt der Stadt X. hätten ihm, dem Beklagten, gegenüber nicht den Verdacht einer nicht artgerechten Haltung des Hundes geäußert. Der Anspruch sei auch der Höhe nach nicht begründet. Erforderlichenfalls bringe das Veterinäramt Tiere in der Regel in einem Tierheim im Kreisgebiet unter. Im Fall einer absehbar kurzfristigen Unterbringung falle hierfür bei Hunden üblicherweise ein Tagessatz von 10,00 Euro an. Komme eine Veräußerung des Tieres oder ein Haltungsverbot in Betracht, werde mit den Betreibern der Tierheime für die gesamte Dauer der Unterbringung ein Pauschalpreis von 75,00 bis 150,00 Euro vereinbart und werde das Tier dem Tierheim übereignet. Die Kosten der Unterbringung seien dann vom Tierhalter zu erstatten. Der Kläger habe seine Aufwendungen nicht konkretisiert und nicht nachgewiesen.
20Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Klageanspruch sei nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag begründet. Der Kläger habe mit der Abholung und Unterbringung des Hundes eine Aufgabe des Beklagten wahrgenommen. Die Halterin habe den Hund offenkundig erheblich vernachlässigt. Der Beklagte habe nicht die nach § 16a TierSchG erforderlichen Entscheidungen getroffen, sondern ein Tätigwerden vollständig abgelehnt.
21Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten.
22Der Beklagte trägt zur Begründung der Berufung ergänzend und vertiefend vor: Der Kläger habe ein Geschäft der Stadt X. geführt. Zwischen ihm und der Stadt X. bestehe ein Vertrag über die Aufnahme von Fundtieren. Zudem sei der Kläger im Auftrag des Ordnungsamtes der Stadt X. tätig geworden. Die Stadt X. sei als Fundbehörde auch zuständig gewesen. Im Zweifel sei ein aufgefundenes Tier als Fundtier anzusehen. Es sei nicht zweifelhaft gewesen, dass der Hund nicht herrenlos gewesen sei. Das Ordnungsamt der Stadt X. sei auch in eigener Zuständigkeit gegen die Halterin vorgegangen. Erst Ende November 2011 sei Frau X1. -X2. durch das Ordnungsamt der Stadt X. als Halterin des Hundes ermittelt worden. Hierüber sei er, der Beklagte, aber nicht informiert worden. Zuvor habe es lediglich einen Verdacht gegen Frau X1. -X2. gegeben. Kenntnis von der Halterin habe er, der Beklagte, erst im Jahr 2014 im Klageverfahren gegen seine Kreispolizeibehörde erlangt. Maßnahmen auf der Grundlage von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder 3 TierSchG hätten aber die Kenntnis von der Person des Halters vorausgesetzt. Zudem sei eine erhebliche Vernachlässigung des Hundes durch Frau X1. -X2. nicht belegt. Das Anbinden des Hundes und seine Verletzungen reichten diesbezüglich als Nachweis nicht aus. Granulationsgewebe sei nicht innerviert und neige zu Blutungen. Die frischen Blutungen ließen daher nicht auf ein starkes Ziehen an der Leine schließen. Die Verantwortlichkeit der Halterin für die alten Wunden stehe nicht fest. Der bestehende behördliche Ermessensspielraum schließe ebenso wie die besondere Verantwortung des beamteten Tierarztes eine Geschäftsführung ohne Auftrag für die Tierschutzbehörde aus. Allenfalls seien die dem Kläger tatsächlich entstandenen Aufwendungen erstattungsfähig. Diese habe der Kläger aber nicht nachgewiesen. Darüber hinaus habe der Kläger ihn, den Beklagten, nicht von der Unterbringung des Hundes informiert. Hätte er das getan, wäre der Hund im Fall von Maßnahmen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder 3 TierSchG schnellstmöglich weiter vermittelt worden. Die Kosten der Unterbringung wären von der Halterin zu erstatten gewesen. Damit bestehe ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger in Höhe des Klageanspruchs.
23Der Beklagte beantragt,
24das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
25Der Kläger beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Er verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend und vertiefend trägt er zur Begründung vor: Ihm sei kein Auftrag zur Unterbringung des Hundes erteilt worden. Niemand habe sich für zuständig gehalten. Der Hund sei kein Fundtier gewesen. Er sei nicht verloren gegangen. Auch sei er nicht als Fundtier bei der Fundbehörde abgegeben worden. Allenfalls wäre die Kreispolizeibehörde des Beklagten Finder des Hundes gewesen. Das Veterinäramt des Beklagten müsse sich das Wissen der Kreispolizeibehörde zurechnen lassen. Spätestens ab dem 3. November 2011 hätte der Beklagte Ermittlungen aufnehmen und gegen die Halterin vorgehen müssen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
30Die Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
31Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger teilweise zu. Überwiegend ist der Anspruch nicht begründet.
32Anspruchsgrundlage für die Forderung des Klägers auf Erstattung von Aufwendungen für die Abholung und Unterbringung des Hundes sind die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677, § 683 i. V. m. § 670 BGB in entsprechender Anwendung. Diese Vorschriften finden im öffentlichen Recht grundsätzlich entsprechende Anwendung.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 ‑ 4 C 5.86 -, BVerwGE 80, 170; OVG NRW, Urteil vom 12. September 2013 - 20 A 433/11 -, DVBl. 2014, 49.
34Eine gesetzliche Sonderregelung, die ihre Anwendbarkeit vorliegend hindert, besteht nicht.
35Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag sind erfüllt.
36Bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht (§ 683 Satz 1 BGB). In den Fällen des § 679 BGB steht der Anspruch dem Geschäftsführer auch zu, wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht (§ 683 Satz 2 BGB). Ein Beauftragter kann nach § 670 BGB vom Auftraggeber Ersatz von Aufwendungen zum Zweck der Ausführung des Auftrags verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf.
37Der Kläger hat durch die Abholung des Hundes beim Tierarzt und seine anschließende Unterbringung in einer Pflegestelle ein Geschäft für den Beklagten geführt.
38Er hat die von ihm hinsichtlich des Hundes durchgeführten Maßnahmen nicht vorgenommen, um eine eigene Verpflichtung gegenüber der Stadt X. zu erfüllen. Für den Hund betreffende Verpflichtungen des Klägers gegenüber anderen besteht kein Anhaltspunkt.
39Die Stadt X. hat dem Kläger keinen auf die Inobhutnahme des Hundes gerichteten Auftrag erteilt. Die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe sich im Auftrag der Stadt X. um den Hund gekümmert, findet in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen und dem Vorbringen der Beteiligten keine Stütze. Konkrete Anhaltspunkte, die auf die Richtigkeit der Behauptung des Beklagten hindeuten und Anlass zu einer weitergehenden Aufklärung des Sachverhaltes bieten könnten, sind weder dargetan worden noch sonst ersichtlich.
40Der Kläger hat seinen Angaben zufolge selbst und aus freien Stücken am Abend des 28. Oktober 2011 die Entscheidung getroffen, den Hund bei dem Tierarzt, zu dem er von der Kreispolizeibehörde des Beklagten gebracht worden war, abzuholen und anschließend unterzubringen. Zuvor war er von einem Mitarbeiter des Ordnungsamts der Stadt X. telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die Polizei den Hund zu dem Tierarzt gebracht habe, der Tierarzt darum gebeten habe, den Hund bei ihm abzuholen, und zwischen der Polizei und der Stadt X. Uneinigkeit über die Einstufung des Hundes als Fundtier bestehe. Nach dem vom Kläger mitgeteilten Inhalt des Telefongesprächs mit dem Mitarbeiter des Ordnungsamts handelte es sich bei dessen Äußerungen lediglich um Mitteilungen über das seinerzeitige Geschehen, nicht aber um eine Willenserklärung zur Begründung von beiderseitigen Rechten und/oder Verpflichtungen. Eine Beschränkung des Mitarbeiters der Stadt X. auf eine bloße Wiedergabe von Informationen liegt auch nahe, weil er für die Stadt die Fundtiereigenschaft des Hundes und damit, weil es auch kein Anzeichen für eine von dem Hund ausgehende konkrete Gefahr für Rechtsgüter Dritter gab, eine Zuständigkeit der Stadt, als Ordnungsbehörde für den Hund sorgen zu müssen, nicht als gegeben ansah. Zudem unterfiel der Hund aus der Sicht des Mitarbeiters der Stadt X. mangels Eigenschaft als Fundtier auch nicht den zwischen der Stadt und dem Kläger bestehenden vertraglichen Abreden zu Fundtieren. Es ist für den Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts kein nachvollziehbarer Grund erkennbar, dennoch gegenüber dem Kläger den rechtsverbindlichen Willen zu äußern, der Kläger solle sich des Hundes annehmen. Eine derartige Willensäußerung hätte für jedermann erkennbar die Frage der Verantwortlichkeit der Stadt X. für das Wohlergehen des Hundes nach sich gezogen und zudem eine Entgeltpflicht der Stadt X. für die vom Kläger absehbar zu erbringenden Leistungen oder eine Erstattungspflicht für dem Kläger durch die Unterbringung des Hundes entstehende Aufwendungen ausgelöst. Die potentiellen Auswirkungen einer solchen Willensäußerung mussten für den Mitarbeiter der Stadt X. ebenso auf der Hand liegen wie, ausgehend von der Annahme der Unzuständigkeit der Stadt X. , das Fehlen jeder sachlichen Rechtfertigung, zulasten der Stadt X. hinsichtlich des Hundes finanzielle oder andere Verpflichtungen einzugehen.
41Nichts anderes ergibt sich daraus, dass sich der Mitarbeiter des Ordnungsamts der Stadt X. überhaupt an den Kläger gewandt hat. Der Kläger ist ein im Stadtgebiet tätiger Tierschutzverein, bei dem ein Eigeninteresse am Wohlergehen des Hundes vorausgesetzt werden konnte.
42Bei der Abholung und Unterbringung des Hundes handelt es sich auch nicht um Maßnahmen, die der Stadt X. objektiv zugute gekommen sind. Die Stadt X. war nicht verpflichtet, den Hund unterzubringen und zu diesem Zweck bei dem Tierarzt abzuholen.
43Eine solche Verpflichtung konnte sich ausschließlich aus der Zuständigkeit der Stadt ergeben, als Ordnungsbehörde die Aufgaben der Fundsachenverwaltung wahrzunehmen.
44Vgl. hierzu Runderlass des Innenministeriums vom 19. September 2001 - 12/68.10.10 -44/2940/1 (MBl. NRW. S. 1324).
45Die Aufgaben der Fundbehörde schließen die Entgegennahme und Verwahrung von Fundsachen ein. Die Berechtigung des Finders, eine Fundsache bei der zuständigen Behörde abzuliefern (§ 967 BGB), geht einher mit der Verpflichtung der Fundbehörde, die Sache zur Verwahrung anzunehmen. Zu den anzunehmenden und zu verwahrenden Fundsachen gehören nach Nr. 5.1 Satz 3 des vorgenannten Runderlasses grundsätzlich auch Tiere. Das stimmt damit überein, dass die Vorschriften der §§ 965 ff. BGB über den Fund von Sachen auf Tiere entsprechend anzuwenden sind (§ 90a Satz 3 BGB).
46Bezogen auf den Hund bestand keine Pflicht zur Entgegennahme und Verwahrung im Rahmen der Fundsachenverwaltung. Der Hund war kein Fundtier.
47Fundsachen sind Sachen, die verloren sind (§ 965 Abs. 1 BGB). Verloren sind Sachen, die besitzlos, aber nicht herrenlos sind.
48Vgl. Wiegand/Gursky in Staudinger, BGB (2017), § 965 Rn. 1; Oechsler in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 965 Rn. 3.
49Diese Abgrenzungskriterien kommen auch bei potentiellen Fundtieren zum Tragen.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1 August 2016 ‑ 5 B 1265/15 -, NJW 2016, 3673; Hirt/Maisack/ Moritz, TierSchG, 3. Aufl., Einf. Rn. 116.
51Entscheidend für die Besitz- und/oder Herrenlosigkeit von Sachen sind die objektiven Gegebenheiten. Scheinbare Besitz- und/oder Herrenlosigkeit lösen die Rechtsfolgen von §§ 965 ff. BGB nicht aus.
52Vgl. Wiegend/Gursky in Staudinger, a. a. O., § 965 Rn. 1 und 4; Oechsler in Münchener Kommentar zum BGB, a. a. O., § 965 Rn. 4.
53Besitz an einer Sache besteht in der tatsächlichen Sachherrschaft (§ 854 Abs. 1 BGB). Er wird dadurch beendigt, dass der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert (§ 856 Abs. 1 BGB). Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt (§ 856 Abs. 2 GBG).
54Ausgehend hiervon war der auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes in X. angeleinte Hund am Abend des 28. Oktober 2011 gegen 19.30 Uhr, als die Polizei den Hund zum Tierarzt brachte, nicht besitzlos. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Parkplatz zu den Örtlichkeiten zu zählen ist, bei denen der Betreiber an zurückgelassenen Sachen wegen eines generellen Besitzbegründungswillens Besitz erwirbt. Darauf kommt es deshalb nicht an, weil der Besitz der Halterin des Hundes bei objektiver Betrachtung nicht beendigt war. Der Hund war deutlich sichtbar auf dem Parkplatz angeleint, was den Willen der Halterin, die lediglich abwesend und in Person unbekannt war, zur Ausübung der Sachherrschaft eindeutig auch für die Zeit ihrer Abwesenheit zum Ausdruck brachte. Durch das Anleinen war der Hund zwar gegen eine Ansichnahme durch Dritte oder gegen ein "Freilassen" nicht in der Art eines An- oder Verschließens gesichert. Er war vielmehr, weil er sich aufgrund seines zutraulichen Wesens gegenüber Dritten nicht zur Wehr setzte, dem Zugriff von jedermann preisgegeben, der die Leine löste. Jedoch bildete das Anleinen eine gewisse, wenngleich symbolische Sicherung gegenüber der Inbesitznahme durch Dritte oder sonstigen die Fortdauer des Besitzes der Halterin gefährdenden Maßnahmen. Das Anleinen eines Haushundes, zumal eines solchen ohne - wie hier - größeren wirtschaftlichen Werts, wie etwa bei der kurzzeitigen Erledigung von Besorgungen, bei denen ein Hund nicht mitgeführt werden kann oder soll, wird nach der Verkehrsauffassung im Allgemeinen dahingehend respektiert, dass der Hund nicht weggenommen oder anderweitig von Ort und Stelle entfernt wird. Auch bei einer derartigen Sicherung eines Hundes ist jedenfalls für kürzere Zeit bei dem Parkplatz eines innerörtlichen Einkaufsmarkts und während dessen Betriebszeiten sehr wahrscheinlich, dass sich kein Dritter an die Stelle des Besitzers setzt und der Besitzer den unmittelbaren Zugriff wiedererlangt. Die Wartezeit, die der Leiter des Einkaufsmarkts hat verstreichen lassen, bevor er die Polizei von dem Hund in Kenntnis gesetzt hat, bestätigt das. Sie diente ersichtlich dazu abzuwarten, ob der Hund vom Besitzer nach der Erledigung eines Einkaufs oder dem Wegfall sonstiger Gründe für sein Anbinden abgeholt wird. Auch die Polizei ist ausweislich ihres Einsatzberichts nicht tätig geworden, um ein aus ihrer Sicht der Sachherrschaft des Besitzers, der den Hund angeleint hatte, aktuell oder absehbar zukünftig entzogenes Tier in Verwahrung zu nehmen und hierdurch den Besitzer vor dem Verlust des Hundes zu bewahren, sondern um den Hund tierärztlich versorgen zu lassen.
55Die Halterin des Hundes hat ihre Sachherrschaft nicht dadurch aufgegeben oder verloren, dass sie sich nach dem Anleinen des Hundes von dem Parkplatz entfernt und den Hund allein zurückgelassen hat. Sie wohnte in X. und ist nach den Angaben, die ein Zeuge am 3. November 2011 im Rahmen polizeilicher Ermittlungen zum Halter des Tieres gemacht hat, noch am Abend des 28. Oktober 2011 zum Parkplatz zurückgekehrt und hat dort den Hund gesucht. Die Nachschau nach dem Hund lässt erkennen, dass die Halterin den Parkplatz als den Ort kannte, an dem sie den Hund angeleint zurückgelassen hatte und der Hund sich demzufolge ihrer Meinung nach befinden musste, und dass sie den Hund dort abholen wollte. Der Zeitabstand zwischen dem Zurücklassen des Hundes und der Rückkehr der Halterin zum Parkplatz war nicht so lang, dass er zu einer mehr als nur vorübergehenden Verhinderung in der tatsächlichen Ausübung der Gewalt geführt hat. Der Zeuge, der die Polizei gegen 19.00 Uhr von dem angebundenen Hund informiert hat, hat angegeben, er habe die Polizei nach einer Wartezeit von ca. 30 Minuten verständigt. Dieser Zeitraum geht nicht wesentlich über denjenigen hinaus, in dem ein Hund etwa vor einem Ladenlokal angebunden wird, um dort oder in der Nähe ohne Mitführen des Hundes eine Besorgung erledigen zu können. Die Rückkehr der Halterin zum Parkplatz hindert zudem die Annahme, die Halterin habe, als sie den Hund zurückgelassen hat, mit dem Willen gehandelt, den Besitz an dem Hund aufzugeben. Das gilt umso mehr deshalb, weil die Halterin volltrunken gewesen sein soll und gegenüber der Polizei in Verbindung mit der Nutzung des Parkplatzes als Treffpunkt der "Trinkerszene" gebracht worden ist. Das deutet darauf hin, dass die Halterin sich auf dem Parkplatz wiederholt aufgehalten hat.
56Soweit teilweise angenommen wird, ein auf öffentlicher Fläche angebunden angetroffenes Haustier sei regelmäßig besitzlos,
57vgl. OVG M.-V., Urteil vom 30. Januar 2013 - 3 L 93/09 -, NordÖR 2013, 525,
58weist die gegebene Situation aufgrund der vorstehenden Umstände jedenfalls Besonderheiten auf, die zu einer Ausnahme von einer solchen Regel führen. Entsprechendes gilt hinsichtlich der vom Beklagten herangezogenen Auffassung in der Rechtsprechung, ein aufgefundenes Haustier sei in der Regel oder im Zweifel als Fundtier anzusehen.
59Vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. März 2015 - 1 S 570/14 -, juris; VG Gießen, Urteil vom 27. Februar 2012 - 4 K 2064/11.Gi -, juris; OVG M.-V., Urteil vom 12. Januar 2011 ‑ 3 L 272/06 -, DVBl. 2011, 975.
60Die Besitzverhältnisse an einer Sache und damit auch an einem Haushund sind ausgehend von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu bewerten. Verallgemeinerungen können nur bezogen auf sich annähernd wiederholende Situationen gerechtfertigt sein. Daran ändern auch Gesichtspunkte des Tierschutzrechts nichts.
61Keine andere Beurteilung der Besitzverhältnisse ergibt sich daraus, dass die Halterin des Hundes sich nicht an die Polizei gewandt hat, um den Hund zurückzuerhalten, nachdem sie nach ihrer Rückkehr zum Parkplatz von dem Polizeieinsatz erfahren hatte. Das dem vermeintlichen Finden des Hundes nachfolgende Unterlassen von Bemühungen der Halterin, den Hund zurückzuerhalten, lässt keinen verlässlichen Rückschluss auf ihren entscheidungserheblichen Willen im Zeitpunkt des Anbindens oder des "Fundes" zu.
62Das satzungsmäßige Eigeninteresse des Klägers an einer tierschutzgerechten Betreuung und Versorgung des Hundes steht der Führung eines Geschäfts für den Beklagten nicht entgegen. "Für einen anderen" wird ein Geschäft von demjenigen besorgt, der mit dem Wissen und Willen handelt, nicht ausschließlich für sich, sondern zumindest auch im Interesse eines anderen tätig zu werden. Für das Vorhandensein eines solchen Willens spricht eine Vermutung, wenn das Geschäft objektiv, seinem äußeren Erscheinungsbild nach, auch einem anderen zugute kommt.
63Vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2005 - VIII ZR 140/04 -, NJW-RR 2005, 1426; OVG NRW, Urteil vom 12. September 2013 ‑ 20 A 433/11 -,a. a. O.
64Die Voraussetzungen dieser Vermutung sind hinsichtlich des Beklagten erfüllt.
65Objektiv nahm der Kläger mit der Abholung und Unterbringung des Hundes auch fremde Rechte und Interessen bzw. Verpflichtungen wahr. Er stand ihm unabhängig von den in seiner Satzung festgelegten Aufgaben und sich daraus unter Umständen ergebenden Selbstverpflichtungen frei, sich um den Hund zu kümmern. Das war ihm bewusst. Er ist freiwillig tätig geworden, nachdem sich kein anderer als verantwortlich für den Hund betrachtet hatte. Bereits vor der Abholung des Hundes hat er in dem Telefonat mit dem Mitarbeiter des Ordnungsamts der Stadt X. Informationen zur behördlichen Zuständigkeit eingeholt. Seine anfängliche Annahme, die Polizei habe den Hund in Verwahrung genommen mit der Folge, dass er ein Geschäft der Kreispolizeibehörde des Beklagten geführt habe und das Land Nordrhein-Westfalen ihm als Träger der Kreispolizeibehörde zur Erstattung der Aufwendungen für die Unterbringung des Hundes verpflichtet sei, bestätigt, dass er (auch) zur Wahrung der Interessen des Zuständigen tätig werden wollte. Sein Irrtum hinsichtlich der Zuständigkeit gerade der Kreispolizeibehörde für den Hund und damit über die Person des Zuständigen hindert nicht, dass er den Hund (auch) "für" den wirklich Zuständigen untergebracht hat. Den Ausschlag gibt insoweit, wessen Aufgabe es tatsächlich war, den Hund in Obhut zu nehmen. Der Umstand, dass es eigentlich Sache der Halterin war, den Hund anforderungsgerecht unterzubringen und zu versorgen, steht der Führung des Geschäfts auch für den Beklagten ebenfalls nicht entgegen.
66Der Beklagte war verpflichtet, den Hund unterzubringen und zu diesem Zweck beim Tierarzt abzuholen. Er hat als Tierschutzbehörde die Aufgabe, in seinem Kreisgebiet, zu dem die Stadt X. gehört, das Tierschutzgesetz zu vollziehen. Zum Vollzug trifft er die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhinderung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG). Insbesondere kann er ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG).
67Der Beklagte war befugt, gegen die Halterin des Hundes in Wahrnehmung der Befugnis nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG einzuschreiten.
68Hierzu bedurfte es nicht der Kenntnis des Beklagten von der Person der Halterin. Die Unkenntnis von der Identität der Halterin bildete lediglich ein Hindernis gegenüber dem Erlass einer an sie adressierten Anordnung. Bis zur Ausräumung des Hindernisses war der Beklagte aber nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW befugt, Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt anzuwenden, weil das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig war und er innerhalb seiner Befugnisse handelte. § 55 Abs. 2 VwVG NRW ermöglicht, wenn der Ordnungspflichtige nicht bekannt ist, ein zunächst adressatneutrales Vorgehen der Behörde.
69Bei der Gefahrenabwehr sind in dringenden Fällen, in denen sicher ist, dass und wie eingeschritten werden muss, sofortige behördliche Maßnahmen unumgänglich und auch dann zulässig, wenn die Person des Ordnungspflichtigen nicht bekannt oder eine ordnungsgemäße Auswahl unter mehreren Ordnungspflichtigen nicht möglich ist. Die Behörde hat den Ordnungspflichtigen erforderlichenfalls im Rahmen der ihr obliegenden Aufklärung des Sachverhalts nachträglich zu ermitteln und zu bestimmen.
70Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. April 1973 - XI A 551/70 -, OVGE 29, 44.
71Ein derartiges Vorgehen gegen die Halterin des Hundes wäre dem Beklagten auch möglich gewesen. Die Kreispolizeibehörde des Beklagten hat am 3. November 2011, wenige Tage nach der Unterbringung des Hundes durch den Kläger, Frau X1. -X2. als wahrscheinliche Halterin des Hundes ermittelt. Das Ordnungsamt der Stadt X. hat im November 2011 Kontakt zu Frau X1. -X2. aufgenommen. Ihm gegenüber hat Frau X1. -X2. der Sache nach eingeräumt, Halterin des Hundes zu sein. Sie hat sich nach einem Aktenvermerk der Stadt X. vom 30. November 2011 unter anderem damit einverstanden erklärt, den Hund nicht zurückzubekommen, und der Stadt X. die ausgelegten Kosten des Tierarztes erstattet. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte sich die Kenntnisse der Polizei und des Ordnungsamtes der Stadt X. nicht durch Nachfrage oder eigene Ermittlungen hätte verschaffen können. Der Beklagte hat sich aber in der Annahme, für die Unterbringung des Hundes nicht zuständig zu sein, von vornherein nicht um die Erlangung von Informationen hinsichtlich der Person des Halters bemüht. Er hat sich in seiner Reaktion auf die E-Mail der Stadt X. vom 3. November 2011 über den Vorfall darauf beschränkt, sich für den Fall, dass der Tierhalter ermittelt werden könne, bereit zu erklären, Maßnahmen zur Abstellung und Ahndung von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz zu ergreifen. Eigene Maßnahmen zur Ermittlung des Halters wollte der Beklagte danach ebenso wenig durchführen wie Maßnahmen zur Sicherstellung der Unterbringung und Versorgung des Hundes bis zum Zeitpunkt der Erlangung des Wissens um die Person der Halters.
72Im Zeitpunkt der Abholung des Hundes beim Tierarzt und seiner anschließenden Unterbringung in einer Pflegestelle des Klägers lagen die Voraussetzungen für eine Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung des Hundes nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW i. V. m. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG vor.
73Der Hund war von der Halterin entgegen § 2 Nr. 1 TierSchG, wonach ein Tier unter anderem seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen gepflegt werden muss, mit einer um den Hals geschlungenen Leine angebunden worden, obwohl er genau in diesem Körperbereich ausgeprägte ringförmige und zum Teil blutende Wunden aufwies. Die Wunden waren nach der Auskunft des Tierarztes vom 27. August 2014 zum Teil mehrere Wochen alt, chronifiziert und hatten zur Bildung von Narbengewebe geführt. Verursacht worden sind sie nach der bei dem gegebenen körperlichen Befund plausiblen Einschätzung des Tierarztes durch das Aufscheuern der Haut und/oder durch Strangulation. Anzeichen für eine Versorgung der Wunden im Zeitpunkt seiner Behandlung durch den Tierarzt gab es nicht. Die von den Verletzungen gefertigten Lichtbilder lassen eindeutig erkennen, dass die Wunden für jedermann, also auch für die Halterin, schlechthin nicht zu übersehen waren. Sie sind von der Polizei nach Entfernung des Halstuches als sofort behandlungsbedürftig eingestuft worden. Der Tierarzt hat eine Wundbehandlung vorgenommen, was den Schluss stützt, dass die Behandlung notwendig war.
74Unabhängig davon, wodurch die alten Wunden hervorgerufen worden sind und ob die Halterin zu ihrem Entstehen unter Verstoß gegen § 2 TierSchG beigetragen hat, ist der Hund danach von der Halterin jedenfalls in einer Weise angebunden worden, die mit dem Zustand des Halsgewebes und den Wunden trotz deren Auffälligkeit und Empfindlichkeit unvereinbar war. Die um den Hals geschlungene Leine übte selbst dann, wenn der Hund sich dem Angeleintsein nicht widersetzte, Druck und/oder sonstige Reize gerade auf die verletzten Bereiche aus. Das konnte zu einer Verschlimmerung der Wunden führen, war aber zumindest einer Heilung abträglich. Der Hund konnte an der Leine zerren oder sich strangulieren und damit eine Situation herbeiführen, die nach der Einschätzung des Tierarztes für die Entstehung der Wunden ursächlich geworden war. Das um den Hals geschlungene Tuch konnte den von der Leine ausgehenden Druck nicht wesentlich abmildern, sondern entzog die Wunden letztlich lediglich den Augen Dritter. Das Zurücklassen des Hundes war erkennbar verbunden mit Unwägbarkeiten, ob der Hund etwa bei Versuchen, sich fortzubewegen, den von der Leine ausgehenden Druck wiederum intensivieren würde. Die Halterin hatte für die Zeit ihrer Abwesenheit keine Maßnahmen gegen eine Verschlimmerung der Wunden getroffen. Sie hatte den Hund im Gegenteil insoweit sich selbst überlassen.
75Der Umstand, dass sich im Wundbereich Gewebe gebildet hatte, das nach Angaben des Beklagten nicht innerviert und damit nicht schmerzempfindlich war sowie bereits bei leichter Berührung blutete, stellt den Verstoß gegen § 2 Nr. 1 TierSchG nicht in Frage. Gefordert durch diese Vorschrift wird eine art- und bedürfnisgerechte Behandlung von Tieren, nicht nur die Abwesenheit von erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden. Das verlangt bei Verletzungen auch dann, wenn ihr Vorhandensein dem Halter nicht vorzuwerfen ist, eine der Situation angepasste Schonung des Tieres. Die erhebliche Vernachlässigung im Sinne von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG setzt nicht voraus, dass die Zuwiderhandlung gegen die Anforderungen an die Haltung schon zu ins Gewicht fallenden Beeinträchtigungen des Wohlbefindens des Tieres geführt haben. Die Vorschrift dient der Gefahrenabwehr und damit der Vermeidung von Situationen, in denen als Folge von Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG Beeinträchtigungen hinreichend wahrscheinlich sind. Kennzeichen einer erheblichen Vernachlässigung ist dementsprechend, dass die Bedingungen, unter denen das betroffene Tier gehalten wird, erheblich hinter dem Standard zurückbleiben, der durch § 2 TierSchG und die zu dessen Konkretisierung erlassenen Bestimmungen vorgegeben ist.
76Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2015 ‑ 20 A 2085/13 -, m. w. N.; Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 16a Rn. 22.
77Das Vorbringen des Beklagten, auch bei verantwortungsvollem Umgang mit dem Hund ließen sich bei Granulationsgewebe im Halsbereich Blutungen nicht vermeiden, beruht der Sache nach auf der Annahme eines zwingenden Erfordernisses, den Hund überhaupt und zudem speziell in der praktizierten Art und Weise anzuleinen. Ein konkreter Anhaltspunkt für ein solches Erfordernis ist aber nicht erkennbar. Es gibt für das Anleinen von Hunden gebräuchliche Vorrichtungen, die wie etwa ein um die Vorderbeine und den Rücken verlaufendes Geschirr nicht direkt auf dem Halsbereich aufliegen und auf diesen nicht einwirken. Erst recht deutet nichts auf triftige Gründe dafür hin, den Hund trotz der Wunden auf dem Parkplatz anzuleinen und ihn dann derart über mindestens 30 Minuten allein zu lassen.
78Unter den gegebenen Verhältnissen war sofortige Abhilfe zur Vermeidung weiterer Beeinträchtigungen des Hundes angezeigt und war allein die anderweitige pflegliche Unterbringung des Hundes im sofortigen Vollzug geeignet, den Verstoß gegen § 2 Nr. 1 TierSchG und die damit verbundene Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen des Hundes abzuwenden. Mit den gebotenen Schutz des Hundes effektiv gewährleistenden Maßnahmen abzuwarten, um die Halterin ausfindig zu machen und ihr gegenüber sodann Anordnungen zu erlassen, deren Umsetzung überwacht und notfalls erzwungen werden musste, war absehbar mit unvertretbaren Verzögerungen für den Hund verbunden. Zur Schaffung anforderungsgerechter Zustände geeignete und zugleich für die Halterin mildere Mittel gegenüber einer anderweitigen pfleglichen Unterbringung des Hundes zeichnen sich nicht entfernt ab. Die Halterin des Hundes war bei Abschluss seiner tierärztlichen Behandlung noch nicht identifiziert, sodass der Hund ihr zu diesem Zeitpunkt nicht zurückgegeben werden konnte, sondern anderweitig untergebracht werden musste. Ferner hatte sie durch das Anleinen und Zurücklassen des Hundes auf dem Parkplatz unter Beweis gestellt, dass sie nicht bereit und/oder nicht in der Lage war, auf die Wunden am Hals angemessen Rücksicht zu nehmen. Eine medizinische Versorgung der Wunden war nach den Feststellungen des behandelnden Tierarztes unterblieben. Der mit Ausnahme der Wunden im Halsbereich unauffällige Zustand des Hundes und sein zutrauliches Wesen lassen zwar darauf schließen, dass die Halterin nicht völlig außer Stande war, mit dem Hund anforderungsgerecht umzugehen. Sie hatte den Hund jedoch, obwohl er ersichtlich am Hals verletzt war und, wie ausgeführt, taugliche Alternativen zu einer auf diesen Körperbereich einwirkenden Leine bestanden, durch das Anleinen einer Situation ausgesetzt, in der, wenn nicht mit abermaligen oder erneuten Verletzungen, so doch zumindest mit nachteiligen Auswirkungen auf den Heilungsprozess zu rechnen war. Dies zu erkennen und zu vermeiden, verlangte auch keine vorherige behördliche Belehrung darüber, dass das praktizierte Anleinen des Hundes verfehlt war. Vom Halter eines Tieres ist allgemein zu erwarten, dass er über die für die Haltung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt (§ 2 Nr. 3 TierSchG). Zudem muss auch ohne vertiefte Kenntnisse selbstverständlich sein, dass vermeidbare nachteilige Belastungen von offensichtlichen Verletzungen nach Möglichkeit vermieden werden und die Heilung von empfindlichem Narbengewebe gefördert, keineswegs jedoch gestört wird. Den Hund trotzdem nach der tierärztlichen Behandlung auch nur vorübergehend in die Obhut der Halterin zurückgegeben, hätte ihn dem naheliegenden Risiko ausgesetzt, wiederum ohne hinreichende medizinische Behandlung fehlerhaft angeleint zu werden und dadurch Beeinträchtigungen des Wohlbefindens hinnehmen zu müssen. Dagegen sprach nichts Konkretes dafür, dass die Halterin behördliche Belehrungen zum Schutz des Hundes verlässlich umsetzen und behördlichen Anforderungen Folge leisten würde. Bestätigt wird das dadurch, dass die Halterin, nachdem sie den Hund nicht mehr auf dem Parkplatz vorgefunden hat, kein Interesse daran verdeutlicht hat, den Hund zurückzuerhalten. Sie hat sich vielmehr mit der Ende November 2011 vom Ordnungsamt der Stadt X. geäußerten Ankündigung, sie erhalte den Hund nicht zurück, zumindest abgefunden. Das spricht zumindest für eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber dem Hund, keineswegs aber für das Bewusstsein der Verantwortung für ihn und die Bereitschaft, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
79Das Fehlen des Gutachtens eines beamteten Tierarztes ergibt hinsichtlich des Vorliegens der Eingriffsvoraussetzungen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG nichts anderes. Zum einen ist ein derartiges Gutachten entbehrlich, wenn sein Sinn und Zweck, Klarheit über die Anforderungsgerechtigkeit der Haltung zu bekommen, anderweitig erreicht wird.
80Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2012 - 7 C 5.11 -, NVwZ 2012, 1184.
81Insoweit fällt ins Gewicht, dass unter anderem in Gestalt der Auskunft des behandelnden Tierarztes zum Zustand des Hundes im Zeitpunkt der Behandlung und den Lichtbildern aussagekräftiges Erkenntnismaterial vorliegt. Zum anderen gehört die Erstellung eines derartigen Gutachtens zur Verpflichtung des Beklagten, in Angelegenheiten, die seinem Aufgabenbereich unterfallen, den Sachverhalt aufzuklären. Zu diesem Zweck ist der Beklagte personell mit ‑ zumindest - einem beamteten Tierarzt ausgestattet. Dessen Untätigkeit in Fällen, in denen - wie hier - akuter Anlass besteht, ein Einschreiten nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG jedenfalls ernsthaft in Erwägung zu ziehen und dem Vorliegen einer auf mangelnder Erfüllung der Anforderungen nach § 2 TierSchG beruhenden erheblichen Vernachlässigung eines Tieres nachzugehen, ist Teil des behördlichen Verhaltens, das die Erledigung einer tierschutzbehördlichen Aufgabe durch einen Dritten rechtfertigen kann.
82Der Kläger war berechtigt, den Hund für den Beklagten unterzubringen. Das scheitert nicht am Fehlen des Willens des Beklagten, dass der Kläger für ihn Maßnahmen wahrnahm, die für den Beklagten mit kostenmäßigen Auswirkungen einhergingen.
83Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn kommt nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt (§ 679 BGB). Nimmt ein privater Geschäftsführer behördliche Aufgaben wahr, muss das öffentliche Interesse nicht allein an der Erfüllung der Aufgabe an sich bestehen, sondern auch daran, dass dies in der gegebenen Situation durch den privaten Geschäftsführer geschieht.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 ‑ 4 C 5.86 -, a. a. O.; BGH, Urteil vom 2. April 1998 - III ZR 251/96 -, BGHZ 138, 281.
85Das ist nur unter engen Voraussetzungen der Fall. Die Ausübung von Ermessen, das der zuständigen Behörde zusteht, darf nicht in die Hand eines Privaten gegeben werden. Das Ermessen muss dahingehend eingeschränkt sein, dass es rechtmäßig lediglich durch die Entscheidung zur Durchführung der in Rede stehenden Maßnahme wahrgenommen werden kann.
86Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 ‑ 4 C 5.86 -, a. a. O.; Bergmann in Staudinger, BGB (2015), § 679 Rn. 19.
87Von maßgeblicher Bedeutung sind insofern die sachliche und zeitliche Dringlichkeit des Geschäfts wie auch das Verhalten der Behörde. Für tierschutzbehördliche Tätigkeiten gelten keine anderen Maßstäbe.
88Daraus ergeben sich bei einem länger andauernden Geschäft - wie hier - in zeitlicher Hinsicht Begrenzungen. Der Kläger war nicht berechtigt, den Hund länger für den Beklagten unterzubringen, als der Beklagte den Hund zwingend unterbringen musste und nicht anstelle der Unterbringung ermessensfehlerfrei andere Maßnahmen ergreifen konnte. Eine Verlängerung des Zeitraums der berechtigten Unterbringung ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger sich, wie er in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, nicht in der Lage sah, die Unterbringung des Hundes in der Pflegestelle von sich aus zu beenden und den Hund an einen Dritten weiterzugeben. Der Anspruch eines privaten Geschäftsführers aus Geschäftsführung ohne Auftrag für eine Behörde ist begrenzt durch die Aufgaben der Behörde. Es gehört zur Risikosphäre des Geschäftsführers, die Reichweite dieser Aufgaben richtig einzuschätzen. Daran ändert vorliegend auch nichts, dass der Kläger sich unter dem 23. Januar 2012 bei der Kreispolizeibehörde des Beklagten vergeblich erkundigt hat, was mit dem Hund geschehen solle. Die Kreispolizeibehörde des Beklagten ist eine Einrichtung des Landes und mit dem Beklagten als Kreisordnungsbehörde nicht identisch. Sie hat die Anfrage des Klägers in eigener Zuständigkeit beantwortet.
89Am Abend des 28. Oktober 2011 war es, wie ausgeführt, nach Maßgabe von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG zeitlich und sachlich unaufschiebbar und unvermeidbar, den Hund in Obhut zu nehmen. Die Halterin des Hundes kam mangels Kenntnis ihrer Identität für eine Rückgabe nicht in Betracht. Ferner schied aus, den Hund zum Parkplatz zurückzubringen und dort anzuleinen oder ihn laufen zu lassen. Der Tierarzt, der den Hund behandelt hatte, wollte ihn nicht aufnehmen. Die Stadt X. und die Kreispolizeibehörde des Beklagten hielten sich gleichermaßen für unzuständig. Das Veterinäramt des Beklagten, das durch eine E-Mail der Stadt X. am 3. November 2011 von der Angelegenheit erfahren hat, sah in einer internen E-Mail vom folgenden Tag seine eigene Zuständigkeit ebenfalls nicht als gegeben an. Es sah sich auch nicht verpflichtet, den Sachverhalt hinsichtlich der Person des Halters des Hundes durch eigene Maßnahmen, sei es auch im Wege der Inanspruchnahme von Amtshilfe, zu ermitteln. Die Ankündigung der Stadt X. , sie werde dem Beklagten den Einsatzbericht der Polizei nach Erhalt mit der Rechnung des Tierarztes zur weiteren Bearbeitung übermitteln, hat das Veterinäramt des Beklagten ebenso wie den Hinweis, der Hund befinde sich zur Zeit beim Kläger, lediglich zur Kenntnis genommen. Da dem Beklagten bekannt war, dass die von ihm für zuständig gehaltene Stadt X. seine Auffassung zur Zuständigkeit nicht teilte, lief das Ablehnen eigenen Eingreifens darauf hinaus, Maßnahmen privater Dritter abzuwarten oder den Hund absehbar schutzlos stellen. Darauf zu vertrauen, der Kläger oder ein sonstiger Tierschützer werde den Hund wegen uneigennütziger Ausrichtung auf den Schutz von Tieren weiterhin versorgen, hieße, die behördliche Vollzugsaufgabe wegen faktisch erzwungener privater Hilfeleistungen als nachrangig und entbehrlich einzustufen. Ein derartiges Rangverhältnis ist in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG nicht angelegt und widerspricht der behördlichen Aufgabenzuweisung.
90Allerdings war das Ermessen des Beklagten nicht dahin eingeschränkt, den Hund auf Dauer oder auch nur für längere Zeit unterzubringen. Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 und 3 TierSchG war der Beklagte befugt, der Halterin eine Frist zur Sicherstellung anforderungsgerechter Haltungsbedingungen zu setzen und den Hund nach ergebnislosem Ablauf der Frist zu veräußern oder notfalls unter Vermeidung von Schmerzen töten zu lassen. Das Setzen der Frist war zwar nicht von vornherein entbehrlich. Insbesondere hält der Beklagte die Anordnung eines sofort vollziehbaren Verbots der Hundehaltung, bei dem von einer Fristsetzung gegebenenfalls abgesehen werden kann, angesichts der mit Ausnahme des Vorfalls am 28. Oktober 2011 nicht auffällig gewordenen Hundehaltung und des Fehlens belastbarer Anhaltspunkte für das Zufügen erheblicher Beeinträchtigungen im Sinne von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 TierSchG nachvollziehbar für nicht gerechtfertigt. Die Frist konnte aber einerseits vor dem Hintergrund von Art und Umfang der Zuwiderhandlungen der Halterin sowie des naheliegenden Risikos, gegen sie den Anspruch auf Erstattung der Kosten der Unterbringung realisieren zu können, durchaus kurz bemessen werden. Andererseits musste die Frist mehr als eine bloße Formalität sein und eine nicht von vornherein völlig unrealistische Chance zur Verbesserung der Haltungsbedingungen etwa durch die Inanspruchnahme von Hilfe bei der Haltung oder durch die Verschaffung von Kenntnissen über das Anleinen bei Verletzungen und die Anschaffung entsprechender Hilfsmittel bieten. Einzubeziehen ist ferner, dass Frau X1. -X2. am 3. November 2011 als wahrscheinliche Halterin des Hundes ermittelt worden ist und sie, wie die Maßnahmen der Stadt X. Ende November 2011 gezeigt haben, in ihrer Wohnung erreichbar und mit dem dauernden Entzug des Hundes im Ergebnis einverstanden war. Darüber hinaus hätte der Beklagte sowohl die Fristsetzung als auch die nach deren Ablauf zu treffende Entscheidung büromäßig vorbereiten und erlassen müssen. Insgesamt erscheint auch bei einer zeitnahen und zügigen Bearbeitung der Sache durch den Beklagten eine Unterbringung des Hundes über einen kürzeren Zeitraum als vier Wochen unvertretbar und fehlerhaft.
91Für diesen Zeitraum kann der Kläger Aufwendungen in Höhe von 280,00 Euro in Ansatz bringen. Ein dem zugrunde liegender pauschalierter Tagessatz in Höhe von 10,00 Euro je Tag ist nach den Angaben des Beklagten bei einer von ihm veranlassten Unterbringung eines Hundes in einem Tierheim in seinem Kreisgebiet üblich. Der Kläger hat den Hund zwar nicht in einem Tierheim, sondern in einer privaten Pflegestelle untergebracht. Damit gehen andere Kosten einer Unterbringung als beim Betrieb eines Tierheims einher. Dennoch sind dem Kläger Aufwendungen für die Unterbringung des Hundes entstanden, die lediglich nicht exakt aufgegliedert und individuell dem Hund zugeordnet werden können. Er lässt den Pflegestellen Leistungen zur Abgeltung des Aufwands für die Betreuung und Versorgung der bei ihnen untergebrachten Tiere zukommen. Zudem war dem Beklagten aufgrund der E-Mail der Stadt X. vom 3. November 2011 bekannt, dass der Hund beim Kläger untergebracht war. Es ist in sich widersprüchlich, einerseits im Wissen um die Unterbringung des Hundes beim Kläger sowie um den Zuständigkeitsstreit untätig zu bleiben und andererseits dem Kläger die vom Beklagten anderweitig akzeptierte Vorgehensweise vorzuhalten, bei der Unterbringung von Hunden zur Abgeltung der Aufwendungen pauschalisierte Tagessätze in üblicher Höhe zu erheben. Entsprechendes gilt für den Pauschalbetrag in Höhe von 50,00 Euro, den der Kläger für die Abholung des Hundes beim Tierarzt geltend macht.
92Daran ändert nichts, dass der Kläger für die Unterbringung von Tieren nicht über eine Erlaubnis nach § 11 TierSchG verfügte. Das Erfordernis einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG zielt auf die Einhaltung materieller Anforderungen an das Halten von Tieren (§ 11 Abs. 2 TierSchG in der bis zum Gesetz vom 4. Juli 2013 - BGBl. I S. 2182 - geltenden Fassung), deren Beachtung vorliegend nicht streitig ist. Es hindert bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, die von jedermann praktiziert werden kann, nicht den Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen.
93Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger auch nicht auf der Grundlage anderer Rechtsvorschriften zu. Eine ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten, die nach § 684 Satz 1 BGB oder unter dem Gesichtspunkt eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs Anknüpfungspunkt eines solchen Anspruchs sein kann, kann nur dadurch eingetreten sein, dass der Beklagte Aufwendungen erspart hat, die er ohne die Maßnahmen des Klägers hätte aufbringen müssen. Eine solche Ersparnis kommt aber bezogen auf die Unterbringungskosten, die vom Beklagten nicht bereits nach dem Vorstehenden zu erstatten sind, nicht in Betracht, weil der Beklagte, wie ausgeführt, nicht die Aufgabe hatte, den Hund länger als vier Wochen unterzubringen.
94Der Erstattungsanspruch des Klägers scheitert nicht an der vom Beklagten erhobenen Gegenforderung auf Ersatz eines Schadens in Höhe des dem Kläger als Folge seiner Maßnahmen hinsichtlich des Hundes zu erstattenden Betrags. Unabhängig davon, dass der Beklagte nicht die Aufrechnung mit dem behaupteten Gegenanspruch erklärt hat, steht dieser ihm offensichtlich nicht zu. Ein Schaden in Gestalt von Mehrkosten der Maßnahmen des Klägers gegenüber einer vom Beklagten üblicherweise praktizierten Unterbringung in einem Tierheim im Kreisgebiet scheidet nach dem Vorstehenden aus. Derartige Mehrkosten sind, da der Hund in einem Tierheim weder für kürzere Zeit noch zu für den Beklagten günstigeren finanziellen Bedingungen hätte untergebracht werden können, nicht erkennbar. Sie sind auch nicht konkret dargetan worden. Soweit der Beklagte den Anspruch darauf stützt, dass der Kläger ihn unter Verstoß gegen § 681 BGB nicht von der Übernahme der Geschäftsführung informiert habe und die Halterin des Hundes die Unterbringungskosten im Fall eines Einschreitens auf der Grundlage von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG hätte erstatten müssen, fehlt es an dem notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen der vermissten Information und dem angenommenen Ausfall der Möglichkeit des Rückgriffs bei der Halterin. Der in Rede stehenden Information bedurfte es nicht. Dem Beklagten war aufgrund der E-Mail der Stadt X. vom 3. November 2011 bekannt, dass der Hund beim Kläger war. Er hat in diesem Wissen, wie ausgeführt, seine Zuständigkeit verneint, ohne sich weiter um die Versorgung des Hundes zu kümmern. Insbesondere hat er keine Entscheidung hinsichtlich des Verbleibs des Hundes getroffen und sich durch die Kenntnis von dessen Unterbringung beim Kläger in der Beurteilung seiner Zuständigkeit nicht umstimmen lassen. Sinn und Zweck einer Information nach § 681 BGB ist aber, dem Geschäftsherrn die Gelegenheit zu geben, über die Geschäftsführung zu bestimmen und/oder den Geschäftsherrn in den Fällen des § 679 BGB - wie hier - zu veranlassen, das Geschäft selbst auszuführen.
95Vgl. Bergmann in Staudinger, BGB ( 2015), § 681 Rn. 3, 6; Seiler in Münchener Kommentar zum BGB, a. a. O., § 681 Rn. 5.
96Dieser Zweck ist hier dadurch erreicht, dass der Beklagte von der Stadt X. über den Aufenthalt des Hundes beim Kläger in Kenntnis gesetzt worden ist. Der Beklagte hat sich durch die objektiv unzutreffende Einschätzung seiner Zuständigkeit, die er in Reaktion auf die E-Mail der Stadt X. vom 3. November 2011 vorgenommen hat, und durch seine daraus folgende Untätigkeit selbst der Möglichkeit begeben, die ihm im Nachhinein sinnvoll erscheinenden Entscheidungen über die Art und Weise der Unterbringung des Hundes zu treffen.
97Der Beklagte hat auf den von ihm geschuldeten Betrag Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen (§ 291 Satz 1 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).
98Die Kostenentscheidung beruht bezogen auf das nach der erstinstanzlich erklärten teilweisen Rücknahme der Klage noch anhängige Begehren des Klägers auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO und bezieht im Übrigen die erstinstanzliche Kostenentscheidung nach § 155 Abs. 2 VwGO ein. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
99Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.