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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
2Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von den Antragstellerinnen dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet.
31. Zwar kann trotz der nach § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG fehlenden Fiktionswirkung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine Aussetzung der Abschiebung nach § 123 VwGO für die Dauer des Aufenthaltserlaubnisverfahrens erwirkt werden, wenn dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass eine ausländerrechtliche Regelung, die, wie hier der § 25 Abs. 5 AufenthG, einen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, den möglicherweise Begünstigten zu Gute kommt.
4Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 5. Dezember 2011 - 18 B 910/11-, juris, Rn. 35 ff., unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 1 C 5.10 -, InfAuslR 2011, 373, Rn. 10.
5Allerdings haben die Antragstellerinnen auch mit der Beschwerde nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen ein solcher Anspruch zusteht. Anders als sie meinen, folgt eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG nicht aus dem Umstand, dass dem Ehemann der Antragstellerin zu 1. und Vater der Antragstellerin zu 2. eine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3, 4 AufenthG erteilt wurde, denn diese Duldung begründet auch in seiner Person nicht die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit einer Ausreise:
6Nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Dringende persönliche Gründe liegen nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 6. August 2016 geltenden Fassung vor, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Der Gesetzgeber misst der Aufnahme einer Ausbildung ein das öffentliche Interesse an der an sich sofort möglichen und zulässigen Aufenthaltsbeendigung überwiegendes Gewicht bei und räumt dem Auszubildenden einen gesetzlichen Anspruch auf eine Duldung ein. Dies ändert aber nichts daran, dass die Aufnahme einer Berufsausbildung als dringender persönlicher Grund nicht genügt, um in der Person des Auszubildenden eine rechtliche Unmöglichkeit im Sinne der §§ 25 Abs. 5, 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG AufenthG zu begründen.
7Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23. April 2007, BT-Drs. 16/5065 zu § 60a Abs. 2 Satz 3, S. 187; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. September 2007 - 11 S 1964/07 -, juris, Rn. 10; Haedicke, HTK-AuslR / § 60a AufenthG / zu Abs. 2 Satz 3 11/2016 Nr. 1; Kluth, in Kluth/Heusch, Ausländerrecht 2016, § 60a Rn. 23.
8Der gesetzlichen Wertung entsprechend gilt nichts anders für die Familienmitglieder des Auszubildenden. Ihre Bleibeinteressen sind, sofern sie allein vom Auszubildenden abgeleitet werden, nicht höher zu bewerten als die des Auszubildenden selbst. Aus der Zuerkennung eines dringenden Grundes in der Person des Auszubildenden folgt deshalb nicht zugleich die rechtliche Unmöglichkeit ihrer Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG. Eine gemeinsame Ausreise ist der Familie vielmehr ungeachtet der aus § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG folgenden Wertung weiterhin grundsätzlich möglich und zumutbar.
92. Aus den Ausführungen zu 1. folgt zugleich, dass es an den Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG fehlt. Die Abschiebung der Antragstellerinnen ist, auch wenn in der Person des Ehemannes der Antragstellerin zu 1. bzw. Vaters der Antragstellerin zu 2. ein dringender persönlicher Grund für einen Verbleib im Bundesgebiet vorliegt, gleichwohl nicht wegen Art. 6 Abs. 1 GG rechtlich unmöglich.
103. Die Beschwerde bleibt auch erfolglos, sollte sie auf die Erteilung einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG gerichtet sein.
11Vgl. zur Möglichkeit der Erteilung einer solchen Duldung für Angehörige der Kernfamilie Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 21. Dezember 2016 - 122-39.06.13-2-16-230 -.
12a) Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen eines Duldungsanspruchs nach Maßgabe des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG nicht geprüft. Dieses Verständnis ihres Begehrens haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht mit hinreichenden Darlegungen in Frage gestellt.
13Offen bleiben kann deshalb, ob insoweit ein Anordnungsgrund zu bejahen wäre. Zweifelhaft ist dies, weil die Antragstellerinnen vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes beim Antragsgegner keinen Antrag auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG gestellt haben - ihr Begehren war ausdrücklich allein gerichtet auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG (vgl. Bl. 113 VV) und auf Aussetzung der Abschiebung für die Dauer des Verfahrens auf Erteilung dieser Erlaubnis (GA Bl. 2). Die Ausführungen des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren zur Erfolglosigkeit der Beschwerde im Hinblick auf § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG wären im Übrigen auch nicht als Bescheidung eines etwaig erst im gerichtlichen Verfahren gestellten Antrags zu verstehen.
14b) Unabhängig davon weist der Senat hinsichtlich einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG auf Folgendes hin:
15Dringende persönliche Gründe liegen vor, wenn sich bei der erforderlichen Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Interesse des Ausländers an einem vor-übergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet ein deutlich höheres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Ausreise.
16Vgl. Kluth, in Kluth/Heusch, Ausländerrecht 2016, § 60a Rn. 23; Haedicke, HTK-AuslR / § 60a AufenthG / zu Abs. 2 Satz 3 11/2016 Nr. 1.
17Ob dringende persönliche Gründe vorliegen, ist eine gerichtlich nachprüfbare Rechtsfrage und betrifft nicht das Ermessen.
18Vgl. Haedicke, HTK-AuslR / § 60a AufenthG / zu Abs. 2 Satz 3 11/2016 Nr. 1.
19Dringende persönliche Gründe sind nicht erst dann anzunehmen, wenn eine Abschiebung gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstößt, denn in diesem Fall ergäbe sich ein zwingender Duldungsanspruch bereits aus § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 1 GG.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar.