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Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 30. März 2015 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2015 verpflichtet, dem Kläger einen Aufnahmebescheid zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Der am 17. April 1983 in Litauen geborene Kläger ist der Sohn der im Jahr 1959 geborenen W. L. , geb. T. , und des im Jahr 1955 geborenen T1. L1. . Seine Großeltern mütterlicherseits sind der im Jahr 1925 geborene B. T. und die im Jahr 1930 geborene und inzwischen verstorbene S. T. , geb. L2. . Ausweislich der Spätaussiedlerbescheinigung vom 24. Februar 2003 besaß die Großmutter des Klägers mütterlicherseits die Spätaussiedlereigenschaft.
3Der Kläger stellte im Oktober 2003 einen Aufnahmeantrag. Diesem fügte er die Kopie einer im Jahr 2003 ausgestellten Geburtsurkunde bei, in der sein Vater mit russischer und seine Mutter mit deutscher Nationalität eingetragen ist. Sein ebenfalls im Jahr 2003 ausgestellter Inlandspass wies keinen Nationalitätseintrag auf. In dem Antragsformular gab er an: Er habe die deutsche Sprache ab dem 3. Lebensjahr von seiner Mutter und seinem Großvater erlernt. Außerdem habe er Deutschkurse im deutsch-russischen Haus in Moskau besucht. Anlässlich eines am 31. August 2006 in der Deutschen Botschaft in Moskau durchgeführten Sprachtests wurde festgestellt, dass mit dem Kläger ein Gespräch in deutscher Sprache trotz gelegentlicher Mängel (Kategorie II) möglich ist. Er verfüge nach Einschätzung des Sprachprüfers über gute Kenntnisse der hochdeutschen Sprache. Er spreche beinahe fließend Deutsch mit einigen grammatikalischen Fehlern und leicht englischem Akzent.
4Durch Bescheid vom 26. September 2006 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Aufnahmeantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab: Es bestünden bereits Zweifel an der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen. Die vorgelegte Geburtsurkunde sei zum Nachweis nicht geeignet, da sie nach 1990 ausgestellt worden sei. Damals sei es möglich geworden, Nationalitätseintragungen wunschgemäß ändern zu lassen. Gründe, weshalb eine neue Geburtsurkunde ausgestellt worden sei, seien nicht schlüssig und substantiiert dargetan. Mangels beweisgeeigneter Dokumente könne die deutsche Abstammung somit nicht festgestellt werden. Der Kläger habe auch nicht glaubhaft machen können, dass er sich durchgehend zum deutschen Volkstum bekannt habe, da sein Inlandspass ohne Nationalitätseintrag neu ausgestellt worden und nicht ersichtlich sei, mit welcher Nationalität er in seinem ersten Inlandspass geführt worden sei.
5Widerspruch erhob der Kläger gegen diesen Bescheid nicht.
6Am 6. November 2014 beantragte der Kläger unter Verweis auf das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz die Wiederaufnahme seines Verfahrens und die Erteilung eines Aufnahmebescheids.
7Durch Bescheid vom 30. März 2015 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf Wiederaufgreifen mit der Begründung ab: Die Rechtslage habe sich durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz nicht zugunsten des Klägers geändert. Denn hinsichtlich des Abstammungserfordernisses habe sich für ihn keine Besserstellung ergeben. Insoweit habe lediglich eine Änderung der Rechtsprechung stattgefunden, die kein Wiederaufgreifen erlaube.
8Mit dem dagegen am 20. April 2015 erhobenen und am 22. Mai 2015 begründeten Widerspruch machte der Kläger geltend: Hinsichtlich der Abstammung könne auf die Großeltern abgestellt werden. Seine Großmutter sei als Spätaussiedlerin in Deutschland aufgenommen und anerkannt worden. Hinsichtlich des fehlenden Bekenntnisses seien die Voraussetzungen zugunsten des Klägers geändert worden. Er müsse sich nunmehr nicht mehr durchgehend zum deutschen Volkstum bekannt haben und könne das Bekenntnis auch auf andere Weise, zum Beispiel durch Vorlage eines B1 Sprachzertifikats, erbringen.
9Durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2015 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch des Klägers zurück und verwies abermals darauf, die Rechtslage habe sich nicht zu seinen Gunsten geändert. Hinsichtlich des die Ablehnung begründenden Abstammungserfordernisses habe sich keine Besserstellung des Klägers durch die Gesetzesänderung ergeben. Die Feststellung der fehlenden deutschen Abstammung sei in Bestandskraft erwachsen und stehe einer erneuten Sachprüfung entgegen.
10Am 29. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Zwar habe sich das Tatbestandsmerkmal der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen oder Staatsangehörigen durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz nicht geändert. Gleichwohl liege eine Änderung der Rechtslage zu seinen Gunsten vor. Das Tatbestandsmerkmal der Abstammung könne ihm schon deswegen nicht entgegen gehalten werden, weil das Bundesverwaltungsamt damals lediglich Zweifel an dem Vorliegen dieser Voraussetzung geäußert habe. Es sei letztlich aber nicht rechtserheblich verneint worden. Jedenfalls das Merkmal des Bekenntnisses habe sich zugunsten des Klägers geändert. Erst die Gesetzesänderung ermögliche nun die Erteilung eines Aufnahmebescheids. Die Beklagte könne das Wiederaufgreifen nicht verweigern, wenn nur irgendein Tatbestandsmerkmal, auf dem die Ablehnung beruhte, unverändert geblieben sei. Maßgeblich sei die gesamte Rechtslage, die Grundlage für den Erlass des Verwaltungsakts gewesen sei. Rechtlich müsse ein Antragsteller alle Voraussetzungen für eine Aufnahme erfüllen, weshalb auch grundsätzlich alle Änderungen herangezogen werden dürften. Nach der neuen Rechtslage sei dem Kläger ein Aufnahmebescheid zu erteilen.
11Der Kläger hat beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 30. März 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2015 zu verpflichten, ihm einen Aufnahmebescheid zu erteilen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Eine Änderung der Rechtslage liege nur bei einem Wandel der normativen Bestimmung und nicht bei einer Änderung der Norminterpretation vor. Die Voraussetzungen an das Vorliegen der deutschen Abstammung seien im Verhältnis zur Rechtslage im Zeitpunkt der Ablehnung des Aufnahmeantrags unverändert geblieben. Der Ablehnungsbescheid sei auch auf das Fehlen eines Tatbestandsmerkmals gestützt, hinsichtlich dessen sich die Rechtslage nicht geändert habe.
16Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. Dezember 2016 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Rechtsänderung zugunsten des Klägers habe sich durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz nicht ergeben. Hänge das Bestehen eines gesetzlichen Anspruchs – hier des Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids – von mehreren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen ab, sei eine Änderung zugunsten des Betroffenen nur eingetreten, wenn nach der Änderung alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt seien. Nur in diesem Fall vermöge der Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sein Ziel, nämlich die Durchbrechung der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung im Interesse der materiellen Gerechtigkeit, zu erreichen. In diesem Sinne bedeute im Fall strikter Rechtsansprüche die Entscheidung über das Wiederaufgreifen auch stets eine Entscheidung über den Anspruch selbst. Denn ein Wiederaufgreifen mit dem Ergebnis neuerlicher Ablehnung in der Sache wäre für den Betroffenen sinnlos. Im Falle einer gebundenen Entscheidung – wie hier – fielen Wiederaufgreifens- und Anspruchsvoraussetzungen zusammen. Denn nur dann seien für den Betroffenen objektiv günstigere Umstände eingetreten. Ein Anspruch des Klägers auf ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens mit der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufnahmebescheids bestehe damit nur dann, wenn sich auch dasjenige Tatbestandsmerkmal nachträglich zu seinen Gunsten geändert habe, das bei der Entscheidung zur Ablehnung des Anspruchs geführt habe. Das sei in Bezug auf das Merkmal der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nicht der Fall. Der ursprüngliche Ablehnungsbescheid habe maßgeblich auf die fehlende Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen in Person der Eltern abgestellt und habe damit ein Tatbestandsmerkmal angesprochen, welches durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz unberührt geblieben sein.
17Die vom Senat zugelassene Berufung begründet der Kläger im Wesentlichen damit: Das Abstammungserfordernis sei nicht rechtserheblich verneint worden. Das Bundesverwaltungsamt habe diese Voraussetzung nur aus verfahrens- und beweisrechtlichen Gründen nicht als erfüllt angesehen. Der bestandskräftige Bescheid sei im Ergebnis allein auf das angeblich fehlende durchgehende Bekenntnis gestützt worden. Unbeschadet dessen lege die Beklagte einen verkürzten Wiederaufgreifensbegriff zugrunde. Maßgeblich sei die gesamte Rechtslage, im Falle des Klägers also § 6 Abs. 2 BVFG mit allen Tatbestandsmerkmalen. Es könne nicht sein, dass einem Betroffenen die Berufung auf Änderungen verwehrt sei, nur weil die Behörde die Ablehnung nur auf ein Merkmal stütze und die anderen unerwähnt lasse. Der Kläger erfülle nach heutiger Rechtslage die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufnahmebescheids. Insbesondere habe er ein Bekenntnis durch Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B1 abgegeben. Seine im Sprachtest nachgewiesenen Sprachkenntnisse entsprächen diesem Niveau. Bereits im Vorfeld dieses Sprachtests habe er einen Sprachkurs für die Stufe A2 besucht und im Februar 2005 die Prüfung für ein höheres Niveau mit sehr gutem Erfolg bestanden. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung sowie der Systematik der Vorschrift ergebe sich, dass auch bei dem Bekenntnisersatz nur mündliche, aber keine schriftlichen Deutschkenntnisse verlangt würden. Seit Inkrafttreten des BVFG seien für den Vertriebenen- bzw. Spätaussiedlerstatus stets mündliche Sprachkenntnisse ausreichend gewesen. Außerdem liege ein Bekenntnis durch Nationalitätenerklärung vor. In der Geburtsurkunde seines Sohnes werde der Kläger mit deutscher Nationalität geführt. Zum Nachweis legt der Kläger die am 20. Dezember 2012 ausgestellte Geburtsurkunde seines Sohnes nebst deutscher Übersetzung vor.
18Der Kläger beantragt,
19das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 30. März 2015 und seines Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2015 zu verpflichten, dem Kläger einen Aufnahmebescheid zu erteilen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie nimmt zur Begründung Bezug auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil und bekräftigt ihre Rechtsauffassung, dass ein Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen Änderung der Rechtslage zugunsten des Klägers nur in Betracht komme, wenn sich die Rechtslage hinsichtlich sämtlicher den angefochtenen Verwaltungsakt tragenden Rechtsgründe geändert habe.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die zulässige Berufung ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 30. März 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids im Wege des Wiederaufgreifens des Aufnahmeverfahrens.
26A. Der Kläger hat einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens.
27I. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn einer der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG abschließend aufgeführten Wiederaufgreifensgründe gegeben ist. Das bedeutet, dass auf der ersten Stufe des Verfahrens nur über die Frage zu entscheiden ist, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG, nämlich die Zulässigkeit und Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags, und damit für die Wiedereröffnung des Verfahrens zur Sache erfüllt sind. Ist danach ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zulässig und begründet, steht der Behörde kein Ermessen zu, sie muss vielmehr auf der zweiten Stufe auf der Grundlage des materiellen Rechts erneut in der Sache selbst entscheiden.
28Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Auflage 2016, § 51 Rn. 12a ff., m. w. N.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 28, m. w. N.
291. Der Antrag des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ist zulässig und begründet.
30a. Für die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags genügt es, dass die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe einen anderen Ausgang des Hauptsacheverfahrens möglich erscheinen lassen, die Behörde also auf Grund des geltend gemachten Wiederaufgreifensgrunds in der Hauptsache zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis kommen könnte.
31Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Auflage 2016, § 51 Rn. 14, m. w. N.
32Diese Voraussetzungen sind in Ansehung des vom Kläger geltend gemachten Wiederaufgreifensgrunds nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG gegeben. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat.
33aa. Eine nachträgliche Änderung der Rechtslage in diesem Sinne ist gegeben. Eine solche Änderung erfasst (nur) einen Wandel der normativen Bestimmung, nicht aber eine Änderung der Norminterpretation.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9.11 -, BayVBl 2012, 478 (479) = juris, Rn. 27.
35Dagegen kann bei unveränderter Rechtslage die aus einem bestandskräftig festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge nicht erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht und einer erneuten Sachprüfung zugeführt werden.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9.11 -, BayVBl 2012, 478 (479) = juris, Rn. 20, m. w. N.
37Die Rechtslage ist nicht unverändert geblieben. Ein Wandel der normativen Bestimmung liegt vor. Die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage hat sich durch das am 14. September 2013 in Kraft getretene Zehnte BVFG-Änderungsgesetz, BGBl. I. S. 3554, im Vergleich zu der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den ursprünglichen Aufnahmeantrag des Klägers mit Ablehnungsbescheid vom 26. September 2006 geltenden Fassung des Bundesvertriebenengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. August 2001, BGBl. I. S. 2266 (BVFG a. F.), geändert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. war u. a. Voraussetzung, dass sich der Spätaussiedlerbewerber bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt hat. Dieses Bekenntnis musste bestätigt werden durch die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG a. F.). Diese war nur festgestellt, wenn jemand im Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund dieser Vermittlung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen konnte (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG a. F.). Letztere Tatbestandsvoraussetzung enthält § 6 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes nicht mehr, d. h. die Notwendigkeit der familiären Vermittlung der deutschen Sprache sieht das Gesetz nicht mehr vor. Auch an das Erbringen eines Bekenntnisses sind seit dem Zehnten BVFG-Änderungsgesetz geänderte Anforderungen gestellt. Nach der geltenden Fassung kann das Bekenntnis auf andere Weise insbesondere durch den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG) .
38bb. Die Fallkonstellation des Klägers, der noch nicht in die Bundesrepublik übergesiedelt ist und weiterhin seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet hat, ist nicht von der Anwendung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes ausgenommen.
39Für den auf eine Änderung der Rechtslage gestützten Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sind grundsätzlich nur solche Rechtsänderungen relevant, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auswirken können. Die nachträglich ergangene Rechtsvorschrift muss die für den Erlass des Verwaltungsakts maßgeblichen Rechtsnormen mit Wirkung für den erlassenen Verwaltungsakt ändern. Es entspricht einem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, dass sich die rechtlichen Wirkungen, die sich aus einem bestimmten Sachverhalt ergeben, nach denjenigen Rechtsvorschriften beurteilen, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts gegolten haben. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme zu machen, wenn eine nachträglich ergangene Rechtsvorschrift rückwirkend in Kraft tritt, eine nachträglich ergangene Rechtsvorschrift einen „Dauersachverhalt“ betrifft, der in einem sog. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung geregelt worden ist oder wenn eine nachträglich ergangene Rechtsvorschrift, ohne rückwirkend in Kraft zu treten, auch bereits vorher verwirklichte Sachverhalte erfasst.
40Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. November 1979 - 3 C 103.79 -, BVerwGE 59, 148 (159 f.) = juris, Rn. 72 ff., und vom 28. Februar 1997 - 1 C 29.95 -, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 37, S. 12 (16) = juris, Rn. 23; Beschluss vom 13. Juni 1995 - 6 B 15.95 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 351, S. 81 = juris, Rn. 4, m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 30. August 1999 - 21 A 2945/96 -, NVwZ 2000, 89; Peuker, in: Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar, 10. Auflage 2014, § 51 Rn. 36; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 99; Ziekow, VwVfG, Kommentar, § 51 Rn. 11.
41Unberücksichtigt bleiben Rechtsänderungen, die für den einschlägigen Fall noch nicht oder nicht mehr eingreifen.
42Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 99.
43Erforderlich ist danach eine Rechtsänderung, die - jedenfalls auch - für den Zeitraum nach Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts Wirkung entfaltet. Für die Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist demgegenüber kein Raum, wenn Rechtsänderungen abschließend getroffene Verwaltungsentscheidungen gezielt unberührt lassen.
44Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. August 1995 ‑ 7 B 296.95 -, Buchholz 482.2 § 2 VZOG Nr. 3, S. 5 (7 f.) = juris, Rn. 5; Peuker, in: Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar, 10. Auflage 2014, § 51 Rn. 36; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 99.
45Gemessen daran erfasst das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz (auch) jene Aufnahmebewerber, die weiterhin im Aussiedlungsgebiet wohnen und über deren Aufnahmeantrag in einem früheren Verfahren bereits bestandskräftig entschieden worden ist. Dies folgt bereits aus § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG. Die mit dem Neunten BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011, BGBl. I. S. 2426 (BVFG 2011), eingefügte, zunächst nur für die Einbeziehung geltende Regelung (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 3 BVFG 2011), die der Gesetzgeber mit dem Zehnten BVFG-Änderungsgesetz auch auf den Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbaren Aufnahmeverfahrens erweitert hat, soll nach dem Willen des Gesetzgebers für die in den Aussiedlungsgebieten verbliebenen Aufnahmebewerber und deren Familienangehörige Geltung haben. Der Gesetzgeber hatte bei der Einfügung dieser Regelung durch das Neunte BVFG-Änderungsgesetz die im Aussiedlungsgebiet noch verbliebenen Familienangehörigen vor Augen. Die Regelung sollte nach der Gesetzesbegründung „die betroffenen Personen von der Verpflichtung“ befreien, „zeitnah nach Kenntnis von der Rechtsänderung darüber zu entscheiden, ob sie ausreisen“.
46Vgl. BT-Drucks. 17/5515, S. 7 f.
47Bei der mit dem Zehnten BVFG-Änderungsgesetz vorgenommenen Erweiterung der Regelung auch auf Anträge auf Wiederaufgreifen unanfechtbar abgeschlossener (eigener) Aufnahmeverfahren hat der Gesetzgeber wiederum die im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Aufnahmebewerber in den Blick genommen und (nur) diese von der Bindung an Fristen befreien wollen. Denn nach der Gesetzesbegründung „geht“ diese Vorschrift „zurück auf den bisherigen § 27 Abs. 3 Satz 3 BVFG“,
48vgl. BT-Drucks. 17/13937, S. 13,
49der die Familienangehörigen in Bezug genommen hatte, die noch eine Entscheidung über eine Ausreise zu treffen hatten, also noch in den Aussiedlungsgebieten lebten.
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. März 2014 - 11 A 1966/13 -, juris, Rn. 68 ff.
51Inwieweit sich die Rechtsänderungen des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes auf solche bestandskräftig beschiedenen Antragsteller auswirken, die bereits vor dessen Inkrafttreten in die Bundesrepublik übergesiedelt waren, bedarf hier keiner Entscheidung. Allerdings spricht vieles dafür, dass nach endgültigem Abschluss des Aussiedlungsvorgangs eine Aufnahme im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr möglich ist.
52Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 5 C 23.11 -, Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 18, S. 1 (4) = juris, Rn. 16, und vom 6. November 2014 - 1 C 12.14 -, Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 19, S. 9 (11) = juris, Rn. 13.
53cc. Diese Änderung der normativen Bestimmung lässt auch einen anderen Ausgang des bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens möglich erscheinen. Die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit ist seither an geringere Voraussetzungen geknüpft. Denn zum einen ist - anders als zum Zeitpunkt des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens - die familiäre Vermittlung des bestätigenden Merkmals der deutschen Sprache nicht mehr nachzuweisen. Zum anderen kann das Bekenntnis zum deutschen Volkstum auf andere Weise allein schon durch den Nachweis eines Sprachzertifikats entsprechend dem Niveau B1 oder den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden.
54b. Der Antrag auf Wiederaufgreifen ist auch begründet. Der vom Kläger in seinem Wiederaufnahmeantrag dargelegte Wiederaufgreifensgrund liegt vor. Die Begründetheit des Antrags hängt vom Vorliegen des im Antrag dargelegten Wiederaufgreifensgrunds ab.
55Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Auflage 2016, § 51 Rn. 16
56Der auf die Änderung der Rechtslage gestützte Antrag hat Erfolg, wenn der Betreffende geltend machen kann, die Änderung sei zu seinen Gunsten erfolgt, d. h. sie muss für den fraglichen Verwaltungsakt entscheidungserhebliche Voraussetzungen betreffen, sodass die Änderung eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung erfordert oder doch ermöglicht. Änderung der Rechtslage ist eine entscheidungserhebliche Veränderung der rechtlichen Voraussetzungen, die dem Verwaltungsakt bei Erlass zugrunde gelegen haben. Es ist notwendig, dass es sich um eine Änderung des materiellen Rechts handelt.
57Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 92, 98, m. w. N.
58aa. Die oben dargestellte Änderung der Rechtslage bewirkt eine für die bestandskräftige Ablehnung entscheidungserhebliche Veränderung der rechtlichen Voraussetzungen und ermöglichte eine für den Kläger günstigere Entscheidung. Der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufnahmebescheids war durch Bescheid vom 26. September 2006 auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. mit der Begründung abgelehnt worden, er habe seine deutsche Volkszugehörigkeit nicht glaubhaft gemacht, weil seine deutsche Abstammung nicht festgestellt werden könne und er sich nicht durchgehend zum deutschen Volkstum bekannt habe. Eine Feststellung betreffend die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 BVFG, insbesondere dem Erfordernis der familiären Vermittlung der deutschen Sprache, enthält der Bescheid nicht. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des Klägers, das Merkmal der Abstammung sei nicht „rechtserheblich“ verneint worden. Auch wenn das Bundesverwaltungsamt eingangs des Ablehnungsbescheids von „Zweifeln an einer deutschen Abstammung“ spricht, lässt sich der Entscheidung insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es in Bezug auf den Kläger aus Sicht des Bundesverwaltungsamts an dieser Voraussetzung fehlt, mithin deren Fehlen der Erteilung eines Aufnahmebescheids entgegenstand und deshalb einen Ablehnungsgrund darstellte. Ein solcher ist auch in dem fehlenden durchgängigen Bekenntnis des Klägers zum deutschen Volkstum zu sehen. Nach der seit der Rechtsänderung geltenden Fassung des § 6 Abs. 2 BVFG wäre der Umstand nicht mehr entscheidungserheblich, ob der Kläger sich durchgängig zum deutschen Volkstum bekannt hat. Darüber hinaus müsste der Kläger auf der Grundlage des seit der Rechtsänderung geltenden § 6 Abs. 2 BVFG auch nicht den Nachweis führen, dass ihm seine anlässlich des Sprachtests am 31. August 2006 festgestellten Deutschkenntnisse durch die Familie vermittelt worden sind.
59bb. Es ist auch unschädlich, dass die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz das Merkmal der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen oder einem deutschen Staatsangehörigen unberührt gelassen hat und in dem bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom 26. September 2006 die Ablehnung des Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids auch auf das Fehlen dieser Anspruchsvoraussetzung gestützt worden ist. Die gesetzlichen Änderungen durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz entfalten Wirkung für die (gesamte) damalige ablehnende Feststellung, der Kläger sei kein deutscher Volkszugehöriger.
60Gegenstand des ursprünglichen Aufnahmeverfahrens war die Rechtsbehauptung des Klägers, er habe einen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids. Über diesen (gesamten) Gegenstand ist bestandskräftig entschieden worden und nicht lediglich über die Frage der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen oder deutschen Staatsangehörigen.
61Der Gegenstand des Verwaltungsverfahrens ist die konkrete zu regelnde Verwaltungsstreitsache und entspricht dem Streitgegenstand im Prozessrecht.
62Vgl. Gerstner-Heck, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, Kommentar, 2010, § 9 Rn. 26; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Auflage 2016, § 9 Rn. 24.
63Die Reichweite der Bindungswirkung von bestandskräftigen Verwaltungsakten entspricht im Wesentlichen der von gerichtlichen Urteilen.
64Vgl. hierzu Peuker, in: Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar, 10. Auflage 2014, vor § 43 Rn. 33, m. w. N.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 43 Rn. 45 ff.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Auflage 2016, § 43 Rn. 22, m. w. N.
65Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage ist die Rechtsbehauptung des Klägers, er habe einen Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts. Ein die Verpflichtungsklage abweisendes Urteil enthält dementsprechend die Feststellung, dass zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der behauptete Rechtsanspruch nicht besteht. Diese Feststellung ist von der Bindungswirkung des § 121 VwGO erfasst. Mit dieser Bestimmung soll auch verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch Sachurteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut ‑ mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9.11 -, BayVBl. 2012, 478 (479) = juris, Rn. 20, m. w. N.
67Bloße Elemente eines Anspruchs können nicht abtrennbarer (oder selbstständiger) Teil eines Streitgegenstands sein.
68Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Auflage 2017, § 110 Rn. 4.
69(Selbst) Unterschiedliche oder unterschiedlich weitgehende Anspruchsgrundlagen für ein und dasselbe Begehren sind nicht abtrennbare Teile eines Streitgegenstands.
70Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 1994 ‑ 3 C 30.93 -, Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 2, S. 15 = juris, Rn. 30, und vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9.11 -, BayVBl. 2012, 478 (479) = juris, Rn. 20, m. w. N.
71Bloße Anspruchselemente können mangels Abtrennbarkeit vom Streitgegenstand weder Gegenstand eines Teilurteils sein,
72vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Auflage 2017, § 110 Rn. 1 ff,
73noch könnte über solche unselbstständigen Teile oder Vorfragen von Rechtsverhältnissen, die nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründen, im Wege der Feststellungsklage entschieden werden.
74Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Auflage 2017, § 43 Rn. 13.
75Ausgehend hiervon war Gegenstand des Ablehnungsbescheids vom 26. September 2006 die bestandskräftige Feststellung, der Kläger habe auf der Grundlage des damals geltenden Rechts keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten Aufnahmebescheids und nicht die allein in rechtlicher Hinsicht getroffene Feststellung, er sei nicht deutscher Abstammung. Bei der Anspruchsvoraussetzung, ob der Kläger deutscher Abstammung ist, handelt es sich (nur) um ein Element des ursprünglich behaupteten Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids, sodass die Feststellung des Fehlens dieser Anspruchsvoraussetzung nicht isoliert in Bestandskraft erwachsen kann. Denn sind nur unterschiedliche und unterschiedlich weitgehende Anspruchsgrundlagen für ein und dasselbe Begehren nicht trennbare Teile des Streitgegenstands, gilt dies auch oder erst recht für bloße Anspruchselemente einer Anspruchsgrundlage für ein und dasselbe Begehren. Abgesehen davon könnte mangels Trennbarkeit vom Streitgegenstand weder ein zulässiges Teilurteil mit Bindungswirkung über dieses An-spruchselement erlassen werden noch hätte der Kläger die Frage der deutschen Abstammung isoliert im Wege einer Feststellungsklage klären können; denn diese Anspruchsvoraussetzung ist allein nicht feststellungsfähig.
76cc. Von einer anspruchsbezogenen Betrachtungsweise im Zusammenhang mit einer bestands- oder rechtskräftigen Ablehnung eines Aufnahmeantrags geht im Übrigen auch der Gesetzgeber aus. In der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I. S. 1950), mit dem der Gesetzgeber § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG eingefügt hat, heißt es ausdrücklich, dass mit der bestands- oder rechtskräftigen Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufnahmebescheids feststehe, „dass der Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids nicht besteht“.
77Vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 119.
78dd. Der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, eine Änderung der Rechtslage i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erfordere, dass sich bei einem mehrgliederigen Tatbestand gerade das ablehnungsrelevante Tatbestandsmerkmal geändert haben muss, kann auch mit Blick auf den in der zivilprozessualen Rechtsprechung zur Rechtskrafterstreckung klageabweisender Urteile entwickelten Begriff des „ausschlaggebenden Abweisungsgrunds“ nicht gefolgt werden.
79Was als maßgebliche Veränderung der Sach- und Rechtslage anzusehen ist, bestimmt sich nach dem „ausschlaggebenden Ablehnungsgrund“.
80Vgl. Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S. 535, unter Hinweis auf die Rechtsprechung betreffend die Rechtskraft im Zivilprozess.
81Der ausschlagende Ablehnungsgrund hat maßgeblichen Einfluss auf die Reichweite der Bindungswirkung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts. Die Rechtskraft eines Urteils, der die Bindungswirkung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts im Wesentlichen entspricht, beschränkt sich auf die Rechtsfolge, die den Entscheidungssatz bildet, den das Gericht aus dem Sachverhalt durch dessen Subsumtion unter das objektive Recht erschlossen hat. Bei einer klageabweisenden Entscheidung ist jedoch der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung. So erwächst im Falle der Abweisung eines Zahlungsanspruchs danach in Rechtskraft, dass der Kläger am Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess gegen den Beklagten keinen Zahlungsanspruch hatte. Diese Feststellung ist auch bindend, wenn in einem neuen Prozess der Parteien die Entscheidung über einen anderen Anspruch von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs abhängt.
82Vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - III ZR 43/92 -, NJW 1993, 3204 (3205) = juris, Rn. 16, m. w. N., und hierzu auch BGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - V ZR 109/08 -, juris, Rn. 9, m. w. N.
83Hiervon ausgehend erstreckt sich die Bindungswirkung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheids nicht auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale des geltend gemachten Anspruchs des Klägers, der die Rechtsfolge bestimmende „ausschlagende Ablehnungsgrund“ für den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid war vielmehr die Ablehnung eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids „nach § 27 Abs. 2 BVFG“. (Allein) Dieser aus der Begründung zu ermittelnde Ablehnungsgrund, also die Feststellung, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids zu, ist Teil des in Bestandskraft erwachsenden Entscheidungssatzes, „Ihr Aufnahmeantrag, eingegangen am 31.10.2003, wird abgelehnt“.
84ee. Etwas im Ergebnis anderes ergibt sich im Übrigen auch nicht, wenn mit dem Verwaltungsgericht bei einem von mehreren Tatbestandsmerkmalen abhängenden „strikten Rechtsanspruch“ eine Änderung der Rechtslage zugunsten des Betroffenen nur dann als gegeben erachtet wird, wenn „nach der Änderung alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind“, weil anderenfalls ein Wiederaufgreifen mit dem Ergebnis neuerlicher Ablehnung in der Sache sinnlos wäre. Denn dies gälte dann auch für den - hier in Betracht kommenden - Fall, dass einzelne Tatbestandsmerkmale bereits von vornherein gegeben oder nachträglich auf anderweitige Art (wie hier durch Änderung der Rechtsprechung) erfüllt wären, und lediglich die als nicht gegeben verbleibenden Tatbestandsmerkmale von der Rechtsänderung zugunsten des Betroffenen erfasst würden. Für die weitergehende Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass gerade dasjenige Tatbestandsmerkmal, welches bei der Erstentscheidung zur Ablehnung des Antrags geführt habe, von der Rechtsänderung betroffen sein müsse, gibt dieser Ansatz im Übrigen nichts her. Im Gegenteil macht gerade der Fall des Klägers deutlich, dass sich eine nachträgliche Rechtsänderung auch unter Zugrundelegung des Ansatzes des Verwaltungsgerichts zugunsten des Betroffenen auswirken kann, wenn sie das Tatbestandsmerkmal der Abstammung nicht erfasst. Schließlich erfüllt der Kläger „nach der Änderung alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale“, wie unter B. noch auszuführen sein wird.
85ff. Abgesehen hiervon hätte diese weitergehende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zufällige Ergebnisse zur Folge. Hätte die Behörde nämlich ihrem Ablehnungsbescheid seinerzeit das Fehlen eines anderes Tatbestandsmerkmals zugrunde gelegt, etwa den fehlenden Nachweis der familiären Vermittlung der deutschen Sprache oder nur das fehlende Bekenntnis, so hätte der Kläger entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Auffassung einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens; denn die Ablehnung wäre dann nicht entscheidungserheblich auf das von der Änderung der Rechtslage nicht berührte Tatbestandsmerkmal der deutschen Abstammung bezogen gewesen. Insofern hinge das Wiederaufgreifen von der Zufälligkeit ab, auf welches der in Betracht kommenden Tatbestandsmerkmale der damalige Bescheid entscheidungserheblich gestützt worden wäre. Eine derartige Zufälligkeit widerspricht aber bereits dem Zweck der Bestandskraft, der aus dem verfassungsrechtlich geschützten Prinzip der Rechtssicherheit folgt, und zudem dem Zweck der durch § 51 Abs. 1 VwVfG geschaffenen Möglichkeit, abgeschlossene Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen, die dem Konflikt zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit Rechnung tragen soll.
86Vgl. zum Zweck des Wiederaufgreifensverfahrens Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Auflage 2016, § 51 Rn. 2.
872. Das Verfahren ist wiederaufzugreifen und eine Entscheidung in der Sache aufgrund der aktuellen Rechtslage zu treffen. Denn ist der Antrag auf Wiederaufgreifen zulässig und begründet, muss die Behörde erneut in der Sache entscheiden, die Gegenstand des Verwaltungsakts war. Für die Frage, welche Entscheidung in der Sache zu treffen ist, kommt es ausschließlich auf das in der Sache anzuwendende aktuelle materielle Recht im Zeitpunkt der nunmehr zu treffenden Entscheidung an.
88Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Auflage 2016, § 51 Rn. 18, m. w. N.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 32, m. w. N.
89a. Der Umfang der erneuten Prüfung ist nicht durch die im Ablehnungsbescheid vom 26. September 2006 enthaltene Feststellung beschränkt, der Kläger sei kein deutscher Volkszugehöriger, weil er nicht deutscher Abstammung sei.
90Grundsätzlich ist die erneute Sachprüfung auf die in zulässiger Weise geltend gemachten Gründe für ein Wiederaufgreifen beschränkt.
91Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. August 1987 - 9 B 318.86 -, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG (a. F.) Nr. 6, S. 1 (2 f.) = juris, Rn. 3, zum Umfang der erneuten Sachprüfung im Falle eines Asylfolgeantrags, und vom 15. September 1992 ‑ 9 B 18.92 -, NVwZ-RR 1993, 667 = juris, Rn. 3, zu einem vertriebenenrechtlichen Verfahren; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 34, m. w. N.
92Die Hauptsache ist nur insoweit von Neuem zu verhandeln, als sie von dem Anfechtungsgrund betroffen ist, wobei allerdings die Abgrenzung des so „betroffenen“ Teils problematisch und sehr differenziert ist.
93Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 34, unter Bezugnahme auf die „prozessrechtl. Vorbilder der Wiederaufnahmeverfahren“ nach § 590 ZPO und § 153 VwGO.
94Nicht betroffen kann etwa ein selbständiger oder zeitlich klar abgrenzbarer Teil sein.
95Vgl. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, Kommentar, 37. Auflage 2016, § 590 Rn. 4.
96Zudem ist im wiederaufgenommenen Verfahren der gesamte bis dahin entstandene Verfahrensstoff zu berücksichtigen, jedenfalls soweit er noch nicht durch die bestandskräftige Verbescheidung erledigt ist.
97Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1992 ‑ 9 B 18.92 -, NVwZ-RR 1993, 667 = juris, Rn. 3; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 36; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Auflage 2017, § 153 Rn. 13.
98Die Feststellung in der bestandskräftigen Ablehnung des Aufnahmeantrags, der Kläger stamme nicht von einem deutschen Volkszugehörigen oder Staatsangehörigen ab, schränkt die erneute Sachprüfung nicht ein. Diese allein in rechtlicher Hinsicht und seither auf unveränderter Tatsachengrundlage getroffene Feststellung ist ‑ wie oben aufgeführt - nicht als selbständiger, vom Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht betroffener Teil mit der Folge anzusehen, dass sie nicht mehr Gegenstand einer erneuten Sachprüfung werden könnte.
99b. Etwas anderes gälte nur dann, wenn sich die Feststellung betreffend die Anspruchsvoraussetzung der deutschen Abstammung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. durch Verbescheidung in tatsächlicher Hinsicht schon erledigt hätte. Denn das Verwaltungsverfahren wird (nur) insoweit in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung befand, soweit über den Verfahrensstoff nicht schon bestands- oder rechtskräftig entschieden worden ist.
100Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1992 ‑ 9 B 18.92 -, NVwZ-RR 1993, 667 = juris, Rn. 3.
101Streitgegenstand (bzw. Verfahrensstoff) sind nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff der - bereits unter A.I.1.b. beschriebene - prozessuale Anspruch und der Lebenssachverhalt, aufgrund dessen sich der Kläger mit seinem Begehren an das Gericht richtet.
102Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Auflage 2017, § 90 Rn. 7.
103Enthielte der Ablehnungsbescheid vom 26. September 2006 hinsichtlich der Frage der deutschen Abstammung eine bestandskräftige Tatsachenfeststellung, etwa seine Mutter sei nicht Frau W. L. (mit der Folge, dass eine Abstammung von seiner Großmutter S. T. ausgeschlossen wäre), so wäre die Sachprüfung in dem wiederaufzugreifenden Verfahren durch diese Feststellung eingeschränkt. Die Bestandskraft dieser Feststellung wäre nur mit Hilfe der erfolgreichen Geltendmachung eines weiteren Wiederaufgreifensgrunds (etwa einem neuen Beweismittel nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG zu durchbrechen.
104Eine solche Fallgestaltung liegt aber gerade nicht vor. In dem ursprünglichen Ablehnungsbescheid sind keine Tatsachen festgestellt worden, die einer von der Großmutter hergeleiteten deutschen Abstammung entgegenstünden.
105II. Der Wiederaufgreifensantrag ist auch nicht nach § 51 Abs. 2 VwVfG unzulässig. Der Kläger konnte die erst sieben Jahre nach Bestandskraft eingetretene Rechtsänderung offensichtlich nicht in dem früheren Verfahren geltend machen.
106III. Die Antragsfrist von drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufgreifengrunds nach § 51 Abs. 3 VwVfG steht einem Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens nicht entgegen. Denn nach § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG ist der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheids nicht an eine Frist gebunden.
107B. Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufnahmebescheids gemäß den §§ 26 und 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I. S. 2010).
108Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler aus dem hier in Rede stehenden Aussiedlungsgebiet der ehemaligen Sowjetunion kann nach § 4 Abs. 1 BVFG nur sein, wer deutscher Volkszugehöriger ist, die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen hat und zuvor zu bestimmten Zeiten, die hier nicht im Streit stehen, seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte. Deutscher Volkszugehöriger ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können (§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG).
109I. Der Kläger ist deutscher Abstammung. Der in § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG verwendete Begriff der Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen weist auf einen generationsübergreifenden Abstammungsbegriff hin.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 -, BVerwGE 130, 197 (199 f.) = juris, Rn. 13 ff.
111Die Großmutter des Klägers mütterlicherseits besitzt ausweislich der vorgelegten Spätaussiedlerbescheinigung vom 24. Februar 2003 die Spätaussiedlereigenschaft, was u. a. ihre deutsche Volkszugehörigkeit voraussetzt.
112II. Der Kläger hat ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum i. S. d. § 6 Abs. 2 BVFG abgegeben.
1131. Er hat sich durch eine Nationalitätenerklärung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG zur deutschen Volkszugehörigkeit bekannt. Zwar weist sein 2003 ausgestellter Inlandspass keinen Nationalitäteneintrag auf. Allerdings wird der Kläger in der am 20. Dezember 2012 ausgestellten Geburtsurkunde seines Sohnes mit deutscher Nationalität geführt. Damit hat sich der Kläger nach außen hin in einem amtlichen Dokument im Aussiedlungsgebiet gegenüber den dortigen Behörden als Bürger mit deutscher Nationalität erklärt.
1142. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob der Kläger - wie er meint - Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen besitzt und so ein Bekenntnis auf andere Weise im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG erbracht hat.
115III. Der Kläger kann auch ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen. Beim Sprachtest am 31. August 2006 ist festgestellt worden, dass mit dem Kläger ein Gespräch in deutscher Sprache trotz gelegentlicher Mängel möglich ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die ihm dort attestierte Sprachfähigkeit (Kläger sprach beinahe fließend Deutsch) zwischenzeitlich verloren hätte, sind nicht ersichtlich. Einer Wiederholung des Sprachtests bedarf es daher im Falle des Klägers nicht. Ob etwas anderes gelten könnte, wenn der Sprachtest (noch) länger zurückliegt und/oder die seinerzeit nachgewiesenen Sprachkenntnisse für ein einfaches Gespräch auf Deutsch gerade ausreichend waren (Kategorie III), bedarf hier keiner Entscheidung.
116Vgl. zu einem solchen Fall: VG Köln, Urteil vom 23. Mai 2017 - 7 K 2550/15 -, juris, Rn. 80.
117Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
118Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
119Die Revision wird zugelassen, weil die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob eine Änderung der Rechtslage i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vorliegt, wenn sich bei einer Anspruchsgrundlage nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen ändern und der bestandskräftige Ablehnungsbescheid auf eine unverändert gebliebene Tatbestandsvoraussetzung gestützt worden ist.