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Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 2293/15

Datum:
04.11.2016
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15.Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 A 2293/15
ECLI:
ECLI:DE:OVGNRW:2016:1104.15A2293.15.00
 
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 K 1369/15
Nachinstanz:
Bundesverwaltungsgericht, 10 C 6.16
Schlagworte:
Äußerungsbefugnis eines Oberbürgermeisters „Licht-Aus“-Aktion Aufruf zu einer Gegendemonstration Neutralitätsgebot Sachlichkeitsgebot
Normen:
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1, 8 Abs. 1, 28 Abs. 2 Satz 1; LVerf NRW Art. 78; GO NRW §§ 40 Abs. 2 Satz 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1
Leitsätze:

Ein (Ober-)Bürgermeister hat im Rahmen der Aufgabenzuweisung gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 78 LVerfG NRW, § 2 GO NRW i.V.m. §§ 40 Abs. 2 Satz 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 GO NRW eine prinzipielle Äußerungsbefugnis zu allen Themen, die die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen. Dies schließt grundsätzlich die Befugnis ein, sich offensiv politisch zu positionieren.

Bei amtlichen Äußerungen unterliegt ein (Ober-)Bürgermeister nur gegenüber politischen Parteien i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG einem strikten Neutralitätsgebot, nicht hingegen im Verhältnis zu politischen Meinungsgruppen, die nicht als Partei organisiert sind, sowie im Verhältnis zu politischen Meinungsäußerungen einzelner.

Ein (Ober-)Bürgermeister hat bei allen amtlichen Äußerungen das Sachlichkeitsgebot zu beachten.

Die Aufforderung eines (Ober-)Bürgermeisters, friedlich an einer rechtmäßigen Demonstration teilzunehmen, ist nicht per se unsachlich bzw. unverhältnismäßig.

Aufrufe eines (Ober-)Bürgermeisters zu einem rechtswidrigen Handeln sowie Äußerungen, welche die Veranstalter oder Teilnehmer einer angemeldeten rechtmäßigen Versammlung verächtlich machen, verstoßen jedoch gegen das Sachlichkeitsgebot.

Die Sachlichkeit der amtlichen Äußerung eines (Ober-)Bürgermeisters ist auch dann nicht mehr gegeben, wenn seine Reaktion auf eine legale, unter dem Schutz des

Art. 8 Abs. 1 GG stehende Versammlung, in einer Form erfolgt, die die Freiheitsausübung der Veranstalter oder Teilnehmer substantiell erschwert, etwa in dem die Letzteren dadurch pauschal stigmatisiert werden, was ihre Teilnahmebereitschaft hemmt.

 
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.

Es wird festgestellt, dass die Einstellung der Erklärung „Lichter aus! E.          setzt Zeichen gegen Intoleranz“ in die Internetseite www.e.         .de vom 7. bis zum 11. Januar 2015 durch den Oberbürgermeister der Beklagten insoweit rechtswidrig war, als sie folgenden Inhalt hatte:

„Neben dem Rheinturm wird an weiteren markanten Gebäuden am Montagabend, 12. Januar, die Beleuchtung ausgeschaltet

Anlässlich der für Montagabend, 12. Januar, in E.          angemeldeten Demonstration der „E.      „-Bewegung (Anmelderin N.       E1.       ) ruft Oberbürgermeister U.      H.      alle E.            rinnen und E.            , örtliche Unternehmen und Geschäftsleute dazu auf, „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zu setzen und die Beleuchtung ihrer Gebäude (ausgenommen sicherheitsrelevante Lichter) am Montagabend ab 18.25 Uhr auszuschalten.

Oberbürgermeister U.      H.      : „Das ist das richtige Signal, dass in E.          kein Platz für das Schüren dumpfer Ängste und Ressentiments ist. E.          ist eine weltoffene Stadt, in der jeder willkommen ist.“

Neben dem Rheinturm des J.     wird aufgrund der Initiative von Oberbürgermeister U.      H.      auch die Beleuchtung von Gebäuden entlang des Altstadt-Rheinufers, zum Beispiel die des Rathauses und des Schlossturms am C.----platz , der Tonhalle, der M.               und des F.          erlöschen. Auch andere historische Gebäude wie die L1.           oder die angestrahlten Bäume der L.-----allee sind Teil der Aktion. Weiterhin werden auch die Lichter am Riesenrad von P.     C1.     um 18.25 Uhr abgeschaltet.“

Weiterhin wird festgestellt, dass das Abschalten der Beleuchtung an den öffentlichen Gebäuden der Beklagten am 12. Januar 2015, namentlich am Rathaus, am Rheinturm und am Schlossturm, in Abweichung von der üblichen Beleuchtung rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu 1/3, die Beklagte trägt diese zu 2/3.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweiligen aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 
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