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Ein (Ober-)Bürgermeister hat im Rahmen der Aufgabenzuweisung gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 78 LVerfG NRW, § 2 GO NRW i.V.m. §§ 40 Abs. 2 Satz 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 GO NRW eine prinzipielle Äußerungsbefugnis zu allen Themen, die die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen. Dies schließt grundsätzlich die Befugnis ein, sich offensiv politisch zu positionieren.
Bei amtlichen Äußerungen unterliegt ein (Ober-)Bürgermeister nur gegenüber politischen Parteien i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG einem strikten Neutralitätsgebot, nicht hingegen im Verhältnis zu politischen Meinungsgruppen, die nicht als Partei organisiert sind, sowie im Verhältnis zu politischen Meinungsäußerungen einzelner.
Ein (Ober-)Bürgermeister hat bei allen amtlichen Äußerungen das Sachlichkeitsgebot zu beachten.
Die Aufforderung eines (Ober-)Bürgermeisters, friedlich an einer rechtmäßigen Demonstration teilzunehmen, ist nicht per se unsachlich bzw. unverhältnismäßig.
Aufrufe eines (Ober-)Bürgermeisters zu einem rechtswidrigen Handeln sowie Äußerungen, welche die Veranstalter oder Teilnehmer einer angemeldeten rechtmäßigen Versammlung verächtlich machen, verstoßen jedoch gegen das Sachlichkeitsgebot.
Die Sachlichkeit der amtlichen Äußerung eines (Ober-)Bürgermeisters ist auch dann nicht mehr gegeben, wenn seine Reaktion auf eine legale, unter dem Schutz des
Art. 8 Abs. 1 GG stehende Versammlung, in einer Form erfolgt, die die Freiheitsausübung der Veranstalter oder Teilnehmer substantiell erschwert, etwa in dem die Letzteren dadurch pauschal stigmatisiert werden, was ihre Teilnahmebereitschaft hemmt.
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Es wird festgestellt, dass die Einstellung der Erklärung „Lichter aus! E. setzt Zeichen gegen Intoleranz“ in die Internetseite www.e. .de vom 7. bis zum 11. Januar 2015 durch den Oberbürgermeister der Beklagten insoweit rechtswidrig war, als sie folgenden Inhalt hatte:
„Neben dem Rheinturm wird an weiteren markanten Gebäuden am Montagabend, 12. Januar, die Beleuchtung ausgeschaltet
Anlässlich der für Montagabend, 12. Januar, in E. angemeldeten Demonstration der „E. „-Bewegung (Anmelderin N. E1. ) ruft Oberbürgermeister U. H. alle E. rinnen und E. , örtliche Unternehmen und Geschäftsleute dazu auf, „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zu setzen und die Beleuchtung ihrer Gebäude (ausgenommen sicherheitsrelevante Lichter) am Montagabend ab 18.25 Uhr auszuschalten.
Oberbürgermeister U. H. : „Das ist das richtige Signal, dass in E. kein Platz für das Schüren dumpfer Ängste und Ressentiments ist. E. ist eine weltoffene Stadt, in der jeder willkommen ist.“
Neben dem Rheinturm des J. wird aufgrund der Initiative von Oberbürgermeister U. H. auch die Beleuchtung von Gebäuden entlang des Altstadt-Rheinufers, zum Beispiel die des Rathauses und des Schlossturms am C.----platz , der Tonhalle, der M. und des F. erlöschen. Auch andere historische Gebäude wie die L1. oder die angestrahlten Bäume der L.-----allee sind Teil der Aktion. Weiterhin werden auch die Lichter am Riesenrad von P. C1. um 18.25 Uhr abgeschaltet.“
Weiterhin wird festgestellt, dass das Abschalten der Beleuchtung an den öffentlichen Gebäuden der Beklagten am 12. Januar 2015, namentlich am Rathaus, am Rheinturm und am Schlossturm, in Abweichung von der üblichen Beleuchtung rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu 1/3, die Beklagte trägt diese zu 2/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweiligen aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Am 30. Dezember 2014 meldete die Klägerin beim Polizeipräsidium E. für den 12. Januar 2015 in der Zeit von 18.45 Uhr bis 22 Uhr eine öffentliche Versammlung mit dem Motto „E. gegen die Islamisierung des Abendlandes“ an. Als Veranstalter benannte sie die Vereinigung „E. – E. gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Sie sei verantwortliche Leiterin.
3Am 7. Januar 2015 wurde auf der Internetseite der Beklagten www.e. .de folgender Text veröffentlicht:
4„Lichter aus! E. setzt Zeichen gegen Intoleranz
5„Neben dem Rheinturm wird an weiteren markanten Gebäuden am Montagabend, 12. Januar, die Beleuchtung ausgeschaltet
6Anlässlich der für Montagabend, 12. Januar, in E. angemeldeten Demonstration der „E. “-Bewegung (Anmelderin N. E1. ) ruft Oberbürgermeister U. H. alle E. rinnen und E., örtliche Unternehmen und Geschäftsleute dazu auf, „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zu setzen und die Beleuchtung ihrer Gebäude (ausgenommen sicherheitsrelevante Lichter) am Montagabend ab 18.25 Uhr auszuschalten.
7Oberbürgermeister U. H. : „Das ist das richtige Signal, dass in E. kein Platz für das Schüren dumpfer Ängste und Ressentiments ist. E. ist eine weltoffene Stadt, in der jeder willkommen ist.“
8Neben dem Rheinturm des J. wird aufgrund der Initiative von Oberbürgermeister U. H. auch die Beleuchtung von Gebäuden entlang des Altstadt-Rheinufers, zum Beispiel die des Rathauses und des Schlossturms am C.----platz , der Tonhalle, der M. und des F. erlöschen. Auch andere historische Gebäude wie die L1. oder die angestrahlten Bäume der L.-----allee sind Teil der Aktion. Weiterhin werden auch die Lichter am Riesenrad von P. C1. um 18.25 Uhr abgeschaltet.
9Zudem bittet Oberbürgermeister U. H. , sich der Gegendemonstration „E. Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt - Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass“ anzuschließen. Diese startet am Montag, 12. Januar, 17.30 Uhr an der G. -F1. -Straße 34-38 in Höhe des DGB-Hauses.“
10Mit Beschluss vom 9. Januar 2015 - 1 L 54/15 - gab das Verwaltungsgericht Düsseldorf der Beklagten auf Antrag der Klägerin im Wege der einstweiligen Anordnung auf, die vorstehende Erklärung von der städtischen Internetseite zu entfernen und keine Weisung vorzunehmen oder aufrechtzuerhalten, die auf das Ausschalten der Beleuchtung öffentlicher Gebäude in der Stadt E. am 12. Januar 2015 in Abweichung von der üblichen Beleuchtung gerichtet ist. Auf die Beschwerde der Beklagten änderte der erkennende Senat mit Beschluss vom 12. Januar 2015 - 15 B 45/15 - die verwaltungsgerichtliche Entscheidung und lehnte den Eilantrag der Klägerin ab.
11Am 11. Januar 2015 ersetzte die Beklagte die obige Erklärung auf ihrer Internetseite durch einen neuen Text mit der Überschrift „E. setzt Zeichen für Weltoffenheit“.
12Die von der Klägerin angemeldete Versammlung fand am 12. Januar 2015 statt. Während ihrer Dauer wurde die Beleuchtung des Rathauses, des Schlossturms, des Rheinturms sowie weiterer öffentlicher Gebäude der Beklagten ausgeschaltet.
13Die Klägerin hat am 23. Februar 2015 Feststellungsklage erhoben.
14Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Klage sei zulässig. Sie sei durch das Verhalten des Oberbürgermeisters der Beklagten in ihren Grundrechten aus Art. 8 und 5 GG betroffen. In mindestens zwei bekannt gewordenen Fällen hätten sich Personen aufgrund der durch den Oberbürgermeister ausgelösten Medienberichterstattung aus Angst vor Gegendemonstrationen von einer Teilnahme an der von ihr angemeldeten Versammlung abhalten lassen. Die Maßnahme habe eine diskriminierende und einschüchternde Wirkung gehabt. Außerdem bestehe eine Wiederholungsgefahr. Sie, die Klägerin, habe bis Ende 2015 weitere Kundgebungen der streitgegenständlichen Art angemeldet. Dabei könne es immer wieder zu ähnlichen Aufrufen oder symbolischen Aktionen der Beklagten kommen. Die Klage sei auch begründet. Der Oberbürgermeister der Beklagten habe seine Neutralitätspflicht verletzt. Er habe die Inhalte der Kundgebung der Klägerin bewertet. Zudem habe er zur Teilnahme an einer Gegendemonstration aufgerufen. Dieser Aufruf habe unmittelbar parteiergreifenden Charakter gehabt. Es sei nicht nur erklärtes Ziel des Oberbürgermeisters gewesen, die Kundgebung der Klägerin zu be- oder zu verhindern, sondern auch deren Wirksamkeit herabzusetzen. Dafür sei gerade die Abschaltung der Beleuchtung ein politisches Symbol gewesen, durch das sie öffentlich bloßgestellt und für alle sichtbar diskriminiert worden sei. Eine Gefahr sei von der Versammlung nicht ausgegangen.
15Die Klägerin hat beantragt,
16festzustellen, dass
17- die Einstellung der Erklärung „Lichter aus! E. setzt Zeichen gegen Intoleranz“ in die Internetseite www.e. .de vom 7. bis zum 11. Januar 2015 durch den Oberbürgermeister der Beklagten und
18- das Abschalten der Beleuchtung an den öffentlichen Gebäuden der Beklagten am 12. Januar 2015, namentlich am Rathaus, am Rheinturm und am Schlossturm, in Abweichung von der üblichen Beleuchtung
19rechtswidrig waren.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat vorgetragen, die Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Das Polizeipräsidium E. habe der Klägerin die Leitung der Folgedemonstrationen entzogen, so dass sie nicht mehr in gleicher Weise beeinträchtigt werden könne. Überdies habe sie, die Beklagte, sich zu keiner der bis heute stattfindenden Versammlungen geäußert. Auch eine Beeinträchtigung wesentlicher Grundrechtspositionen liege nicht vor. Ihr Oberbürgermeister habe sich als Repräsentant und Sprecher der Stadt von einer Veranstaltung distanziert, bei der die grundlegende Werteordnung des E. Gemeinwesens in Frage gestellt worden sei. Er sei dabei erkennbar dem Gemeinwohl verpflichtet gewesen und habe somit in zulässiger Weise einen sachlichen Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf geleistet. Die Versammlung der Klägerin habe abgehalten werden können. Art. 8 GG schütze nicht das Recht an einer von Gegenmeinungen unbehelligten Versammlung. Entsprechendes gelte für das Ausschalten der Beleuchtung am Rathaus und am Schlossturm. Diese lägen auch etwa 2 km von der Demonstration entfernt. Die Klage sei auch in der Sache unbegründet. Der Oberbürgermeister habe nicht ungerechtfertigt in die Grundrechte der Klägerin aus Art. 5 und 8 GG eingegriffen. Der Schutzbereich des Art. 8 GG sei nicht tangiert. Auch ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 GG liege nicht vor. Vielmehr sei die Meinung der Klägerin durch die Erwiderung als Teil der öffentlichen Auseinandersetzung aufgenommen und zurückgewiesen worden. Das gesamte Auftreten des Oberbürgermeisters sei darüber hinaus verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das Neutralitätsgebot entbinde einen Bürgermeister nicht von seinem Amtsauftrag und seiner Rechtsverantwortung. Neutralität meine auch Parteinahme für das Recht. Die Bewegung der Klägerin sei keine Partei, die den verfassungsrechtlichen Status des Art. 21 GG genieße. Der Oberbürgermeister habe sich nicht direkt gegen die Bewegung gewandt, sondern für Respekt und Toleranz geworben und damit die Grundwerte der staatlichen Gemeinschaft verteidigt. Zudem habe die Wahlperiode gerade erst begonnen. Deshalb würden nicht die in Wahlkampfzeiten gesteigerten Anforderungen der Zurückhaltung gelten. Der Oberbürgermeister habe sich auf rein sprachliche und symbolische Instrumente der Meinungsäußerung beschränkt. Er habe sich nicht für eine bestimmte parteipolitische Meinung eingesetzt, sondern für die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundlagen der Meinungsfreiheit. Vor- oder Nachteile in einem politischen Wahlkampf seien nicht erkennbar. Es sei von daher fraglich, ob der Neutralitätsgrundsatz überhaupt geeignet sei, Grenzen für staatliche Hoheitsträger im Hinblick auf Äußerungen zu Versammlungen zu ziehen. Unabhängig davon habe der Oberbürgermeister im Rahmen seines Aufgabenkreises gehandelt, sich an die verfassungsrechtlichen Grenzen gehalten und damit das Neutralitätsgebot nicht verletzt. Er habe auf der städtischen Internetseite für Toleranz und eine pluralistische Stadtgesellschaft geworben. Er habe einen sachlichen Beitrag zum Thema Zuwanderung, Flüchtlinge und Ausländerfeindlichkeit geleistet und auch deshalb im Rahmen seiner Aufgaben gehandelt. Von der rechtswidrigen Inanspruchnahme öffentlicher Ressourcen könne keine Rede sein. Mit seinem Aufruf zum Ausschalten der Beleuchtung und seiner Bitte zur Teilnahme an der Kundgebung für „Demokratie und Vielfalt“ habe er lediglich am allgemeinen Meinungskampf teilgenommen. Mit dem Abschalten der Beleuchtung am Rathaus habe der Oberbürgermeister eine Kommunikationsform gewählt, die die Grundrechte der Klägerin nicht tangiere. Er habe damit nur versucht, die von der Klägerin benutzte Stadtkulisse symbolisch zu entfernen und damit den Anschein zu widerlegen, dass die Stadt E. sich nach außen sichtbar mit den Ansichten der Bewegung der Klägerin identifiziere. Darüber hinaus seien die gewählten Handlungsweisen verhältnismäßig gewesen. Der Aufruf im Internet sei das mildeste Mittel gewesen, auf die Thesen der Klägerin zu erwidern. Als Repräsentant der Stadt habe er das Recht auf Religionsausübung der Moscheebesucher aus Art. 4 GG, das Recht der Geschäftsleute entlang der Route des Demonstrationszuges aus Art. 12 und 14 GG, die Meinungsäußerungsfreiheit der Gegendemonstration aus Art. 5 GG sowie deren Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG zu schützen und zur Entfaltung zu bringen gehabt. Schließlich verschiebe sich der zum Neutralitätsgebot entwickelte Maßstab, weil das Verhalten der Klägerin verfassungsfeindliche Tendenzen in die Demonstrationen der „E. “ trage. Der Oberbürgermeister habe sich nach alledem auch an die Gebote der Sachlichkeit gehalten.
23Mit Urteil vom 28. August 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da es am erforderlichen Feststellungsinteresse fehle.
24Mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 hat der Senat die Berufung der Klägerin zugelassen.
25Zu deren Begründung trägt die Klägerin wiederholend und ergänzend vor: Die Klage sei zulässig. Das Verwaltungsgericht habe an eine Wiederholungsgefahr zu hohe Anforderungen gestellt. Es genüge die Möglichkeit der erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung. Diese halte die Beklagte selbst für wahrscheinlich. Sie habe es nicht ausgeschlossen, dass in diesem Fall eine ähnliche Erklärung wieder ins Netz gestellt werde. Davon abgesehen sei der Eingriff in das Grundrecht der Klägerin aus Art. 8 GG schwerwiegend gewesen. Das Verwaltungsgericht habe den diskriminierenden Charakter der Maßnahme nicht hinreichend berücksichtigt. Aus dem vorgelegten Pressematerial sei die breite Resonanz zu erkennen. Diese habe sich auch in der Zahl der Teilnehmer der Gegendemonstration niedergeschlagen, die in der Presse mit 5.000 angegeben worden sei. Damit habe sie die Zahl der Teilnehmer an der „E. “-Versammlung um den Faktor 10 übertroffen. Die Gegendemonstration sei der Kundgebung der Klägerin auch feindlich begegnet, was Interessenten aus dem bürgerlichen Lager, zumal ältere Personen, abgeschreckt habe. Diesen Diskriminierungseffekt habe die Beklagte geschaffen. Er finde sich auch in Internetforen wieder. Die Klage sei überdies begründet. Der Oberbürgermeister der Beklagten habe seine Neutralitätspflicht und dadurch das Recht der Klägerin aus Art. 8 GG verletzt. Der Oberbürgermeister habe als staatliches - kommunalrechtliches - Organ gehandelt. Er habe die offizielle Internetseite der Beklagten benutzt. Sein Handeln sei rechtswidrig, weil es über den kommunalrechtlichen Bereich hinausgehe. Der Oberbürgermeister habe nicht nur die Inhalte der Kundgebung der Klägerin bewertet. Er habe zudem auf das Recht auf Durchführung der Versammlung zugegriffen, das keine kommunalrechtliche Angelegenheit sei. Er sei nicht Versammlungsbehörde. Des Weiteren habe er zur Teilnahme an einer Gegenkundgebung aufgerufen, wodurch er Partei ergriffen habe. Dies sei ein unmittelbarer und eklatanter Verstoß gegen die Neutralitätspflicht. Gleiches gelte für die Abschaltung des Lichts. Dies sei das eigentliche politische Symbol gewesen, das den Bürgern bildhaft habe verdeutlichen sollen, dass die Klägerin mit ihrer Versammlung sprichwörtlich in einem schlechten Licht gestanden habe und man ihr mit allen Mitteln begegnen müsse.
26Die Klägerin beantragt,
27das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass
28- die Einstellung der Erklärung „Lichter aus! E. setzt Zeichen gegen Intoleranz“ in die Internetseite www.e. .de vom 7. bis zum 11. Januar 2015 durch den Oberbürgermeister der Beklagten und
29- die Abschaltung der Beleuchtung an den öffentlichen Gebäuden der Beklagten am 12. Januar 2015, namentlich am Rathaus, am Rheinturm und am Schlossturm, in Abweichung von der üblichen Beleuchtung
30rechtswidrig waren.
31Die Beklagte beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Sie trägt wiederholend und ergänzend vor: Die Klage sei jedenfalls unzulässig geworden. Im Dezember 2015 habe die Klägerin nach eigenem Bekunden ihre Aktivitäten für „E. “ eingestellt, weshalb keine weiteren Demonstrationen stattfinden würden. In der Sache habe der Oberbürgermeister nicht in die Grundrechte der Klägerin eingegriffen bzw. er habe seine Neutralitätspflicht nicht verletzt. Seine Äußerungen hätten weder den Schutzbereich des Art. 5 GG noch denjenigen des Art. 8 GG berührt. Zumindest fehle es an einem Eingriff. Eine Beeinträchtigung der Durchführung der Versammlung durch den streitgegenständlichen Internetauftritt sei nicht zu erkennen. Der Oberbürgermeister habe durch Nutzung des Internets den Dialog mit der Klägerin aufgenommen und ihre auch dort verbreitete These widerlegt, E. stehe hinter den in ihrer Versammlung vertretenen Ansichten. Sollte ein Eingriff anzunehmen sein, sei dieser jedenfalls gerechtfertigt. Für den vom Oberbürgermeister initiierten Internetauftritt habe die allgemeine Aufgabenzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 GO NRW ausgereicht. Er habe als Repräsentant der Stadt gehandelt. Sein Verhalten sei formell rechtmäßig gewesen. Insbesondere habe er sich im Rahmen der Zuständigkeiten der Beklagten und seiner Organkompetenz geäußert. Integration und der Umgang mit ausländischen Mitbürgern und Gästen seien kommunale Aufgaben. Im Rahmen seines allgemeinen Handlungsauftrags habe der Oberbürgermeister einen weiten Spielraum für politisches Handeln, der das Eintreten für Solidarität mit Flüchtlingen und eine Willkommenskultur im Gemeindegebiet zulasse. Auch die materielle Rechtmäßigkeit sei gegeben. Die Neutralitätspflicht sei nicht verletzt. Die Bewegung der Klägerin sei keine Partei i.S.v. Art. 21 GG. Der Oberbürgermeister habe sich zu Beginn der Wahlperiode geäußert und für Toleranz und Respekt geworben. Das demokratische System der Herrschaft auf Zeit fordere vom gewählten Amtsträger keine Zurückhaltung, sondern ein Eintreten für die Werte, für die er gewählt worden sei und die dem demokratischen System zueigen seien. Er müsse in Verantwortung sowohl für seine Wähler als auch für die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat Partei ergreifen und seine eigene Position behaupten. Dies habe er getan und insofern seine Amtspflicht erfüllt. Dabei habe er nicht als Leiter der Versammlungsbehörde gehandelt und auch außerhalb eines Verwaltungsverfahrens. Es habe keine Identität zwischen Behörde und Erklärendem bestanden. Seine Erklärung sei mit seinem Namen personalisiert gewesen. Gerade einem Oberbürgermeister komme die Pflicht zu, dafür Sorge zu tragen, dass der Name und das Ansehen der Stadt nicht für Standpunkte missbraucht würden, die der Großteil der Einwohner nicht unterstütze. Seine Äußerungen unterlägen deshalb nur einer Willkürkontrolle. Im streitgegenständlichen Internetauftritt habe er sich nicht direkt gegen die Klägerin gewandt, sondern die Grundwerte der kommunalen Gemeinschaft verteidigt. Er werbe für Toleranz und Respekt. Seine Äußerungen seien weder diffamierend noch angreifend. Nur mit den Ressourcen der Stadt habe er sich effektiv gegen die These wehren können, dass die E. hinter „E. “ stünden. Seine Äußerungen seien schließlich auch verhältnismäßig gewesen. Zum Schutz der Grundrechte der ausländischen Mitbürger, die am Versammlungsort Geschäfte führten oder in der nahe gelegenen Moschee ihre Religion ausübten, könne er artikulieren, dass die öffentliche Hand die vorgebrachten Thesen nicht unterstütze.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Verfahren Verwaltungsgericht Düsseldorf - 1 L 54/15 - und - 1 M 1/15 - Bezug genommen.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
36Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
37I. Die Klage ist insgesamt zulässig. Insbesondere hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO.
38Nach dieser Vorschrift kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
39Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein.
40Vgl. BVerwG, Urteile vom 2. Dezember 2015- 10 C 18.14 -, juris Rn. 15, vom 28. Januar 2010 - 8 C 38.09 -, juris Rn. 54, und vom 26. Januar 1996 - 8 C 19.94 -, juris Rn. 20.
41Geht es - wie hier - um ein vergangenes, erledigtes Rechtsverhältnis, kommt ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse in Entsprechung zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO u. a. in Betracht bei Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr, als Rehabilitationsinteresse zur Beseitigung einer fortbestehenden Diskriminierung sowie bei - typischerweise kurzfristigen - gewichtigen Grundrechtsbeeinträchtigungen.
42Vgl. insoweit den Überblick von Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 267 ff.
43Die Annahme einer zur Bejahung des (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses führenden Wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare, hinreichende Möglichkeit voraus, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zulasten des Klägers zu erwarten ist. Dabei müssen im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie bei der erledigten Entscheidung oder Maßnahme.
44Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. April 2008- 1 WB 11.07 -, juris Rn. 21, vom 26. April 1993- 4 B 31.93 -, juris Rn. 26, und vom 16. Oktober 1989 - 7 B 108.89 -, juris Rn. 5.
45Ein Rehabilitationsinteresse ist zu bejahen, wenn von der Maßnahme eine fortwirkende diskriminierende Wirkung ausgeht. Dies ist der Fall, wenn sie auf dem Vorwurf einer strafbaren Handlung beruhte, das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beeinträchtigte oder wenn sie geeignet war, den Betroffenen in der Achtung der Öffentlichkeit herabzusetzen.
46Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004- 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 47 (speziell zur Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG); BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 15.12 -, juris Rn. 29, Beschluss vom 4. Oktober 2006- 6 B 64.06 -, juris Rn. 10, Urteil vom 15. Februar 1989 - 6 A 1.87 -, juris Rn. 16.
47Des Weiteren gebietet das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Solche Eingriffe können auch durch Beeinträchtigungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG bewirkt werden, gegen die Rechtsschutz in dem dafür verfügbaren Zeitraum typischerweise nur im Eilverfahren erreichbar ist. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt nach Maßgabe der Sachentscheidungsvoraussetzungen aber einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur auf Rechtsschutz in einem Eilverfahren.
48Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2016 - 1 BvR 1705/15 -, juris Rn. 11, Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538/06, 1 BvR 2045/06 -, juris Rn. 69, Beschlüsse vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 28 f., und vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00 -, juris Rn. 36; BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 39.12 -, juris Rn. 26 ff., und vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris Rn. 29 ff.
49Gemessen an diesen Maßstäben kommt der Klägerin jedenfalls unter den Gesichtspunkten eines Rehabilitationsinteresses (dazu 1.) sowie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (dazu 2.) ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zu. Ob daneben auch eine konkrete Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, die ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses zu begründen vermag, kann daher offen bleiben.
501. Ein Rehabilitationsinteresse der Klägerin folgt daraus, dass die Erklärung „Lichter aus! E. setzt Zeichen gegen Intoleranz“, die vom 7. bis zum 11. Januar 2015 in die Internetseite der Beklagten eingestellt war, und das nachfolgende angekündigte tatsächliche Abschalten der Beleuchtung an verschiedenen öffentlichen Gebäuden der Beklagten in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingriffen.
51Das Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt, ohne seinem Träger einen Anspruch darauf zu vermitteln, nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist, nicht nur die Ehre, sondern auch weitere Aspekte des sozialen Geltungsanspruchs. Namentlich umfasst es den Schutz vor Äußerungen, die - ohne im engeren Sinn ehrverletzend zu sein - geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken. Jedenfalls dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat verbietet es das allgemeine Persönlichkeitsrecht darüber hinaus aber auch, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung abschätzig zu kommentieren.
52Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. August 2010- 1 BvR 2585/06 -, juris Rn. 21, vom 25. Oktober 2005 - 1 BvR 1696/98 -, juris Rn. 25, und vom 11. November 1998 - 1 BvR 1531/96 -, juris Rn. 42.
53Dabei ist nicht jedes amtliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als Grundrechtseingriff zu bewerten. Maßgebend ist, ob der Schutzbereich eines Grundrechts berührt wird und ob die Beeinträchtigung einen Eingriff oder eine eingriffsgleiche Maßnahme darstellt. Dafür kann auch eine mittelbar-faktische Wirkung ausreichen.
54Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Mai 2005- 1 BvR 1072/01 -, juris Rn. 50, vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 -, juris Rn. 76, und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, juris Rn. 62.
55Eine derartige Eingriffswirkung liegt im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vor. Die streitigen Maßnahmen waren geeignet, sich abträglich auf das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit auszuwirken. In der in Rede stehenden Erklärung rief der Oberbürgermeister der Beklagten die gesamte Gemeindeöffentlichkeit („alle E. innen und E. , örtliche Unternehmen und Geschäftsleute“) dazu auf, aus Anlass der von der Klägerin für den 12. Januar 2015 angemeldeten Versammlung die Beleuchtung an ihren Gebäuden auszuschalten. Ferner kündigte er an, dass am 12. Januar 2015 neben dem Rheinturm an weiteren markanten öffentlichen Gebäuden - wie dem Rathaus, dem Schlossturm am C.----platz , der Tonhalle, der M. und dem Ehrenhof - die Beleuchtung ausgeschaltet werde, was anschließend auch tatsächlich erfolgte. Der Oberbürgermeister der Beklagten bezeichnete diese Maßnahmen in der Erklärung als „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ sowie als Signal gegen „das Schüren dumpfer Ängste und Ressentiments“. Sie richteten sich - was für eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ein daraus abzuleitendes Rehabilitationsinteresse entscheidend ist - ausdrücklich auch gegen die als Anmelderin der Versammlung in der Internetveröffentlichung der Beklagten namentlich genannte Klägerin. Insgesamt brachte der Oberbürgermeister damit zum Ausdruck, dass die Klägerin sich mit ihrer Kundgebung und deren Motto „E. gegen die Islamisierung des Abendlandes“ außerhalb der E. Stadtgesellschaft stelle und von dieser wegen der von ihr vertretenen Meinung missbilligt werde bzw. zu missbilligen sei. Die politische Symbolik des Lichtlöschens, die der Oberbürgermeister mit dem expliziten Aufruf zur Teilnahme an der Gegendemonstration „E. Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt - Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass“ verknüpfte, stellte die Klägerin in der Öffentlichkeit als Person dar, die jenseits des legitimen demokratischen politischen Diskurses anzusiedeln sei und mit der eine inhaltlich argumentative Auseinandersetzung nicht lohne.
562. Darüber hinaus ist der Klägerin ein Feststellungsinteresse mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zuzusprechen, weil es sich bei den streitbefangenen Maßnahmen um hinreichend gewichtige Grundrechtseingriffe in die Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG und die Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG handelte.
57Art. 8 Abs. 1 GG umfasst von seinem Schutzbereich her den gesamten Vorgang des Sich-Versammelns. Auch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit kann durch faktische Maßnahmen wie Boykottaufrufe eines Amtsträgers beeinträchtigt werden, wenn sie in ihrer Intensität imperativen Maßnahmen gleichstehen und eine abschreckende Wirkung entfalten.
58Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2015- 2 BvQ 39/15 -, juris Rn. 11 f.
59Daneben kommt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG zum Tragen, wenn die inmitten stehenden hoheitlichen Maßnahmen an die bei der Versammlung vertretenen Meinungen, d. h. an die Inhalte der Versammlung, anknüpfen.
60Vgl. insoweit BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 -, juris Rn. 19, vom 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 -, juris Rn. 20, und vom 13. April 1994 - 1 BvR 23/94 -, juris Rn. 25 und 38.
61Daran gemessen sind die streitigen Maßnahmen der Beklagten als hinreichend gewichtige Eingriffe in Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG zu werten, gegen die ein nachträglicher Hauptsachenrechtsschutz zu eröffnen ist. Die Erklärung „Lichter aus! E. setzt Zeichen gegen Intoleranz“ auf der Internetseite der Beklagten vom 7. bis zum 11. Januar 2015 griff mittelbar-faktisch in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit der Klägerin ein. Sie kam einem Boykottaufruf des Oberbürgermeisters gegen die von der Klägerin angemeldete Veranstaltung nahe. Der Oberbürgermeister rief zur Teilnahme an einer Gegendemonstration auf und bewertete die Kundgebung der Klägerin wenigstens implizit als „intolerant“ und „rassistisch“. Die Kundgebung und die auf ihr zu erwartenden Meinungsäußerungen seien - so der weitere Sinngehalt der Erklärung - als im politischen Meinungsstreit so ablehnungswürdig einzustufen, dass auf sie nur mit dem Symbol des kollektiven öffentlichen Lichtlöschens angemessen reagiert werden könne. Diese amtliche Äußerung und das mit ihr verbundene Ausschalten der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden, um die Versammlung der Klägerin sichtbar aus der diskursiven politischen Auseinandersetzung auszuschließen, waren geeignet, eine abschreckende Wirkung zu erzeugen und dadurch potentielle Teilnehmer von einer Teilnahme an der Versammlung der Klägerin abzuhalten.
62Ebenso Gärditz, NWVBl. 2015, 165, 166; siehe zur Eingriffsqualität in vergleichbaren Fällen außerdem VG Leipzig, Urteil vom 10. Juli 2016- 1 K 78/11 -, juris Rn. 48; VG Stuttgart, Beschluss vom 13. April 2011 - 7 K 602/11 -, juris Rn. 32 f.; VG Gera, Beschluss vom 6. Juli 2010- 2 E 465/10.Ge -, juris Rn. 35.
63Es handelte sich insofern auch nicht lediglich um einen unerheblichen Eingriff. Die Erklärung und das angekündigte Handeln des Oberbürgermeisters der Beklagten betrafen nicht nur den Versammlungszweck nicht gefährdende untergeordnete Modalitäten, unter denen die Versammlung letzten Endes im Wesentlichen uneingeschränkt hätte durchgeführt werden können,
64vgl. zu dieser Einschränkung des Feststellungsinteresses BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 38 f.,
65sondern den Kern der Versammlung der Klägerin, indem sie deren kommunikatives Anliegen quasi von Grund auf ablehnte.
66II. Die Klage ist in dem tenorierten Umfang auch begründet (dazu 1.). Im Übrigen ist sie jedoch unbegründet (dazu 2.).
671. Die vom Oberbürgermeister der Beklagten initiierte Erklärung „Lichter aus! E. setzt Zeichen gegen Intoleranz“, die vom 7. bis zum 11. Januar 2015 auf der Internetseite www.e. .de abrufbar war, war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten, soweit sie das Ausschalten der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden der Beklagten aus Anlass der von der Klägerin für den 12. Januar 2015 angemeldeten Versammlung ankündigte sowie die E. Bürger und Geschäftsleute zu einem Abschalten der Beleuchtung ihrer Gebäude aufrief. In dieser Hinsicht bildete die Erklärung einen untrennbaren Sinnkontext, der rechtlich einheitlich zu beurteilen ist. Dementsprechend war auch das nachfolgende tatsächliche Abschalten der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden der Beklagten am 12. Januar 2015 rechtswidrig und stand der Klägerin diesbezüglich ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Der Oberbürgermeister der Beklagten hatte zwar grundsätzlich die Befugnis, sich mit der streitbefangenen Erklärung „Lichter aus! E. setzt Zeichen gegen Intoleranz“ zu der von der Klägerin für den 12. Januar 2015 angemeldeten Versammlung mit dem Motto „E. gegen die Islamisierung des Abendlandes“ amtlich zu äußern (dazu a). Allerdings überschritt er die rechtlichen Grenzen dieser Äußerungsbefugnis im Hinblick auf die vorgenannten Maßnahmen (dazu b).
68a) Der Oberbürgermeister der Beklagten konnte sich für die streitgegenständliche Erklärung und das Lichtabschalten zunächst im Grundsatz auf die Aufgabenzuweisung der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 78 LVerfG NRW, § 2 GO NRW i.V.m. mit seiner Organkompetenz nach §§ 40 Abs. 2 Satz 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 GO NRW stützen.
69Die Rechtmäßigkeit amtlicher Äußerungen eines Hoheitsträgers mit - wie hier unter I. dargelegt - Grundrechtseingriffsqualität setzt zuerst voraus, dass der Hoheitsträger im Rahmen der ihm zugewiesen Aufgaben handelt.
70Vgl. speziell zum Kommunalrecht OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, juris Rn. 15 und 17.
71Staatliche - d. h. im gegebenen Zusammenhang auch kommunale - Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe der Staatsleitung als Bestandteil der Staatsaufgaben, die, ohne dass es dazu einer besonderen gesetzlichen Eingriffsermächtigung bedürfte, hoheitliches Informationshandeln legitimieren kann. Unter dieses fällt namentlich die Darlegung und Erläuterung der Politik hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit.
72Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Dezember 2014- 2 BvE 2/14 -, juris Rn. 40, Beschlüsse vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 -, juris Rn. 23, vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 -, juris Rn. 73 ff., und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, juris Rn. 53 f., Urteil vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 -, juris Rn. 64; ThürVerfGH, Urteile vom 8. Juli 2016 - VerfGH 38/15 -, juris Rn. 38, und vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris Rn. 100 und 102; VerfGH Rh.-Pf., Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris Rn. 18.
73Daraus folgt für einen kommunalen Amtsträger wie einen (Ober-)Bürgermeister im Rahmen der Aufgabenzuweisung gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 78 LVerfG NRW, § 2 GO NRW i.V.m. §§ 40 Abs. 2 Satz 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 GO NRW eine prinzipielle Befugnis zu kommunalpolitischen Stellungnahmen, d. h. eine Äußerungsbefugnis zu allen Themen, welche die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen.
74Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005- 15 B 1099/05 -, juris Rn. 17; Gärditz, NWVBl. 2015, 165, 166 f.
75Aufgrund dieser Aufgabenbeschreibung sind den Gemeinden alle Angelegenheiten zur Regelung zugewiesen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln und auf sie einen spezifischen Bezug haben, mithin den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen.
76Vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, juris Rn. 163; BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 -, juris Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, juris Rn. 17, jeweils m.w.N.
77Hiervon ausgehend hatte die streitige Erklärung des Oberbürgermeisters der Beklagten einen spezifischen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft. Sie fiel damit in seinen Kompetenzbereich, so dass sie im Ausgangspunkt von seiner grundsätzlichen Äußerungsbefugnis gedeckt war. Die Erklärung des Oberbürgermeisters richtete sich an die E. Bürger und Geschäftsleute. Sie bezog sich des Weiteren auf eine Versammlung, die nicht nur nach dem gewählten Veranstaltungsort, sondern auch nach ihrem Motto „E. gegen die Islamisierung des Abendlandes“ sowohl die Stadt selbst als auch ihre Einwohner thematisch für sich in Anspruch nahm. Zudem konnten sich das Versammlungsmotto und das Anliegen der Versammlung auch ohne weiteres auf kommunale Belange auswirken. Vor diesem Hintergrund hatte die Erklärung des Oberbürgermeisters einen spezifischen örtlichen Bezug, indem er sich als Vertreter der Gemeinde gegen die Versammlung der Klägerin und die mit dieser verbundenen politischen Aussage positionierte sowie an die E. Bürgerschaft appellierte, es ihm gleichzutun.
78Restriktiver - dabei allerdings die Reichweite des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes bei mittelbar-faktischen Eingriffen überspannend - womöglich ThürVerfGH, Urteil vom 8. Juli 2016- VerfGH 38/15 -, juris Rn. 45, wonach Eingriffe in Art. 8 Abs. 1 GG auch durch amtliche Äußerungen allein nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 VersG rechtfertigungsfähig sind.
79b) Allerdings verstieß der Oberbürgermeister der Beklagten im Hinblick auf die „Licht-Aus“-Aufrufe bzw. -Ankündigung sowie das nachfolgende tatsächliche Ausschalten der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden während und aus Anlass der Versammlung der Klägerin gegen die rechtlichen Grenzen seiner Äußerungsbefugnis. Diese Grenze ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend jedoch nicht aus dem Neutralitätsgebot (dazu aa), sondern allein aus dem Sachlichkeitsgebot (dazu bb).
80aa) In der vorliegenden Fallgestaltung traf den Oberbürgermeister der Beklagten im Verhältnis zu der Klägerin und der von ihr angemeldeten Versammlung keine strikte Neutralitätspflicht.
81Die Kompetenz staatlicher und kommunaler Amtsträger zur Öffentlichkeitsarbeit ist in mehrfacher Hinsicht rechtlich begrenzt. Bei der Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben sind die öffentlichen Stellen umfassend an die Grundrechte sowie an Gesetz und Recht gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG). Schon deshalb ist ihnen jede Äußerung untersagt, die in anderen Zusammenhängen als „Schmähkritik“ i.S.d. §§ 185 ff. StGB zu qualifizieren wäre.
82Vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - 2 BvE 2/14 -, juris Rn. 41 f.
83Darüber hinaus wird das Recht politischer Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen, verletzt, wenn Staatsorgane als solche im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken.
84Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2015- 2 BvQ 39/15 -, juris Rn. 9, Urteile vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris Rn. 25, und vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 -, juris Rn. 57 ff.; ThürVerfGH, Urteile vom 8. Juli 2016 - VerfGH 38/15 -, juris Rn. 30 und 39, und vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris Rn. 93;VerfGH Rh.-Pf., Beschluss vom 21. Mai 2014- VGH A 39/14 -, juris Rn. 19 ff.
85Diese Schranke gilt nicht nur im Wahlkampf, sondern weitergehend auch für den politischen Meinungskampf und -wettbewerb im Allgemeinen. Soweit ein Amtsinhaber am politischen Meinungskampf zwischen den politischen Parteien teilnimmt, muss zur Wahrung der Chancengleichheit dieser Parteien sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Amt verbundenen Mittel und Möglichkeiten unterbleibt. Nimmt der Amtsinhaber für sein Handeln die Autorität des Amtes oder die damit verbundenen Ressourcen in spezifischer Weise in Anspruch, ist es im Verhältnis zu den politischen Parteien dem Neutralitätsgebot unterworfen.
86Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2015- 2 BvQ 39/15 -, juris Rn. 9, Urteil vom 16. Dezember 2014 - 2 BvE 2/14 -, juris Rn. 45; ThürVerfGH, Urteil vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris Rn. 94; VerfGH Rh.-Pf., Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris Rn. 19 ff.
87Amtsautorität wird dabei in Anspruch genommen, wenn der Amtsinhaber sich durch amtliche Verlautbarungen etwa in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen oder auf offiziellen Internetseiten seines Geschäftsbereichs erklärt.
88Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Dezember 2014- 2 BvE 2/14 -, juris Rn. 57; ThürVerfGH, Urteil vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris Rn. 86; VerfGH Rh.-Pf., Beschluss vom 21. Mai 2014- VGH A 39/14 -, juris Rn. 25.
89Dass der Amtsinhaber außerhalb seiner amtlichen Funktionen am politischen Meinungskampf teilnimmt und in den Wahlkampf eingreift, ist dagegen nicht ausgeschlossen. Ob die Äußerung unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität des Regierungsamtes oder der mit ihm verbundenen Ressourcen stattgefunden hat, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen.
90Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Dezember 2014- 2 BvE 2/14 -, juris Rn. 50 ff.; ThürVerfGH, Urteil vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris Rn. 86; VerfGH Rh.-Pf., Beschluss vom 21. Mai 2014- VGH A 39/14 -, juris Rn. 22 und 25.
91Bei der Prüfung, ob das Neutralitätsgebot gegenüber politischen Parteien gewahrt ist, ist auch in Rechnung zu stellen, dass eine Beschränkung von Freiheitsrechten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zulässig sein kann, weil das Grundgesetz sich für eine streitbare Demokratie entschieden hat. Verfassungsfeinde sollen nicht unter Berufung auf Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören dürfen. Dabei ist das Prinzip der streitbaren Demokratie jedoch nicht als unspezifische, pauschale Eingriffsermächtigung zu verstehen. Ob ein Eingriff mit dem Zweck des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt werden kann, ist vielmehr im jeweiligen Einzelfall anhand der Auslegung der konkreten „streitbaren“ Verfassungsbestimmungen zu klären.
92Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 - 2 BvE 6/08, 2 BvR 2436/10 -, juris Rn. 112 und 114; ThürVerfGH, Urteile vom 8. Juli 2016- VerfGH 38/15 -, juris Rn. 47 f., und vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris Rn. 107.
93Insofern ist die Wertentscheidung des Grundgesetzes zu berücksichtigen, dass sich die Auseinandersetzung auch mit möglicherweise radikalen Parteien entsprechend dem demokratischen Prinzip im politischen Wettbewerb vollziehen soll.
94Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975- 2 BvE 1/75 -, juris Rn. 17; ThürVerfGH, Urteile vom 8. Juli 2016 - VerfGH 38/15 -, juris Rn. 48, und vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris Rn. 107.
95Das zum Schutz der politischen Chancengleichheit erforderliche Neutralitätsgebot, dem grundsätzlich auch Amtsträger auf kommunaler Ebene unterworfen sind, band den Oberbürgermeister der Beklagten nach alledem deshalb nicht, weil er sich nicht gegen eine politische Partei i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG wandte, der gegenüber ein striktes Neutralitätsgebot allein eingreifen kann. Die von der Klägerin (mit-)getragene „E. “-Bewegung, die hinter der Versammlung am 12. Januar 2015 stand, ist keine politische Partei. Sie ist vielmehr eine Vereinigung ohne feste Struktur mit einem in personeller wie sächlicher Hinsicht lediglich niedrigschwelligen Organisationsgrad. Das Neutralitätsgebot hinderte den Oberbürgermeister der Beklagten aufgrund dessen nicht, sich in der gewählten Form gegen sie zu positionieren und die von ihr vertretenen Auffassungen öffentlich als von ihm als tendenziell verfassungsfeindlich eingestuft zu verurteilen.
96Der Auffassung, dass ein (Ober-)Bürgermeister auch im Verhältnis zu politischen Meinungsgruppen, die nicht als Partei organisiert sind und daher nicht den privilegierten Schutz des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG genießen, bzw. im Verhältnis zu politischen Meinungsäußerungen einzelner, einem strikten Neutralitätsgebot unterliegt,
97so Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1019,
98folgt der Senat somit nicht.
99Auch im Übrigen traf den Oberbürgermeister der Beklagten nicht ausnahmsweise eine Neutralitätspflicht im Verhältnis zu der Klägerin. Insbesondere war er nicht aufgrund einer Zuständigkeit als Versammlungsbehörde zu einem neutralen Verhalten gegenüber der von der Klägerin angemeldeten Versammlung verpflichtet. Versammlungsbehörde ist in Nordrhein-Westfalen gemäß § 1 VersGZustVO die Kreispolizeibehörde.
100Vgl. zu diesem Aspekt des Neutralitätsgebots Hess. VGH, Beschlüsse vom 24. November 2014 - 8 A 1605/14 -, juris Rn. 23 f., und vom 3. Mai 2013 - 8 A 772/13.Z -, juris Rn. 4; VG Berlin, Urteil vom 23. September 2013 - 1 K 280.12 -, juris Rn. 25; VG Gera, Beschluss vom 6. Juli 2010- 2 E 465/10.Ge -, juris Rn. 38.
101bb) Allerdings verletzten die Ankündigung des Abschaltens der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden anlässlich der Versammlung der Klägerin am 12. Januar 2015, der gleichzeitige Aufruf an die E. Bürger und Geschäftsleute, gleichfalls aus diesem Grund die Beleuchtung ihrer Gebäude auszuschalten sowie das nachfolgende tatsächliche Lichtlöschen an öffentlichen Gebäuden der Beklagten selbst das Sachlichkeitsgebot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
102Wie schon oben gesagt, sind amtliche Äußerungen eines (Ober-)Bürgermeisters, die in Grundrechte eingreifen, gerechtfertigt, wenn er sich dabei im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben bewegt und die rechtsstaatlichen Anforderungen an hoheitliche Äußerungen in Form des Sachlichkeitsgebotes gewahrt sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein (Ober-)Bürgermeister kraft seines Amtes als Vertreter der Gemeinde (vgl. §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 2 Satz 1 GO NRW) eine besondere Repräsentations- und Integrationsfunktion hat; er ist kein „politisches Neutrum“. Dies schließt auch die Befugnis ein, sich offensiv - zumal gegen als verfassungsfeindlich einzustufende Strömungen - politisch zu positionieren. Er darf Missstände in seiner Gemeinde anprangern, Lösungen vorschlagen, verfassungsrechtlich sanktionierte Wertungen verteidigen und/oder an diese appellieren. Die diesbezüglichen spezifischen Grenzen der amtlichen Äußerungsbefugnis eines (Ober-)Bürgermeisters im politischen Meinungskampf ergeben sich dabei im Hinblick auf allgemeine politische Entwicklungen regelmäßig nur aus den - oben bereits behandelten - einschlägigen Kompetenznormen, den fachgesetzlichen Normen des betroffenen Rechtskreises und insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip in der Form des Sachlichkeitgebots als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
103Vgl. zu alledem OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, juris Rn. 15 ff., und vom 16. Dezember 2003 - 15 B 2455/03 -, juris Rn. 16 ff.; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 14. September 2012 - OVG 1 S 127.12 -, juris Rn. 8 f.; speziell im Hinblick auf „Licht aus“-Fälle wie den vorliegenden: zu Hohenlohe, VerwArch 2016, 62, 67, 79 ff.; Gärditz, NWVBl. 2015, 165, 168 ff.; Gusy, NVwZ 2015, 700, 701 f.; Bender, NWVBl. 2016, 143, 147 ff.; Putzer, DÖV 2015, 417, 425 f.; zur besonderen Neutralitätspflicht eines (Ober-)Bürgermeisters im Wahlkampf siehe BVerfG, Beschluss vom 19. März 2014 - 2 BvQ 9/14 -, juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 19. April 1997 - 8 C 5.96 -, juris Rn. 16; Hess. VGH, Beschluss vom 24. November 2014 - 8 A 1605/14 -, juris Rn. 18 ff.; OVG Saarl., Beschluss vom 21. Februar 2014 - 2 B 24/14 -, juris Rn. 10.
104Das Sachlichkeitsgebot erfordert im Einzelnen, dass mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden und Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen, dass sie den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten sowie auf einem im Wesentlichen zutreffenden und zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen. Außerdem dürfen die Äußerungen im Hinblick auf das mit der Äußerung verfolgte sachliche Ziel im Verhältnis zu den Grundrechtspositionen, in die eingegriffen wird, nicht unverhältnismäßig sein.
105Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juli 2005- 15 B 1099/05 -, juris Rn. 15, und vom 16. Dezember 2003 - 15 B 2455/03 -, juris Rn. 27; Bay. VGH, Beschluss vom 24. Mai 2006 - 4 CE 06.1217 -, juris Rn. 29; VG Berlin, Urteil vom 23. September 2013 - 1 K 280.12 -, juris Rn. 19; VG Stuttgart, Beschluss vom 13. April 2011- 7 K 602/11 -, juris Rn. 34; VG Gera, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 E 465/10.Ge -, juris Rn. 36; zum Gebot der Richtigkeit und Sachlichkeit amtlicher Informationen siehe im Übrigen BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, juris Rn. 71 ff.
106Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit werden durch den Rang des vom Hoheitsträger zu schützenden Rechtsgutes und die Intensität seiner Gefährdung einerseits und durch die Art und Schwere der Beeinträchtigung des Freiheitsrechts des nachteilig Betroffenen andererseits geprägt.
107Vgl. im gegebenen Zusammenhang OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, juris Rn. 23, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 -, juris Rn. 66.
108Ausgehend von diesen Maßstäben überschritt der Oberbürgermeister der Beklagten den Rahmen des sachlich Gebotenen mit seiner Ankündigung des Abschaltens der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden anlässlich der Versammlung der Klägerin am 12. Januar 2015, mit dem parallelen Aufruf an die E. Bürger und Geschäftsleute, ebenfalls aus diesem Grund die Beleuchtung ihrer Gebäude auszuschalten sowie mit dem darauffolgenden tatsächlichen - irregulären, d. h. von der üblichen Beleuchtung abweichenden - Lichtlöschen an öffentlichen Gebäuden der Beklagten. Denn damit verließ der Oberbürgermeister der Beklagten den auf die geistige, diskursive Auseinandersetzung beschränkten Bereich kommunalpolitischer Kommunikation. Er zweckentfremdete kommunale Einrichtungen, die zu einem bestimmten (anderen) öffentlichen Zweck gewidmet sind, zu einer politischen Symbolsetzung,
109so auch Gärditz, NWVBl. 2015, 165, 171; zu Hohenlohe, VerwArch 2016, 62, 84,
110die der Klägerin als davon Betroffener die Möglichkeit nahm, auf die damit verbundene politische Aussage der Missbilligung in diskursiver Form zu reagieren. Der Oberbürgermeister der Beklagten wählte ein Instrument der symbolisch-politischen Kommunikation, das in der gegebenen Situation lediglich ihm zur Verfügung stand. An die negative politische Symbolik durch öffentliches Lichtabschalten konnte die Klägerin indes nicht kommunikativ anschließen, so dass eine inhaltlich-sachbezogene Debatte auf diese Weise weder angestoßen noch fortgeführt werden konnte. Ein derartiger Einsatz öffentlicher Kommunikationsressourcen ist mit dem Sachlichkeitsgebot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Ansehung des Grundrechtsschutzes des Art. 8 Abs. 1 GG sowie des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG nicht vereinbar.
111Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr Oberbürgermeister habe sich als Repräsentant und Sprecher der Stadt lediglich in einer dem Gemeinwohl verpflichteten Weise von einer Veranstaltung distanziert, bei der die grundlegende Werteordnung des E. Gemeinwesens in Frage gestellt worden sei. Mit der Ankündigung des Abschaltens der Beleuchtung, dem Aufruf an private Dritte, diesem Beispiel der Beklagten zu folgen, und dem Lichtausschalten selbst, hat der Oberbürgermeister gerade nicht die argumentative Auseinandersetzung mit der Klägerin und ihrer Gruppierung gesucht. Das symbolhafte Verdunkeln der Stadt gibt für sich genommen keinen Aufschluss darüber, aus welchen inhaltlich-politischen Gründen genau die von der Klägerin auf ihrer Versammlung vertretenen Positionen zu missbilligen seien, etwa weil sie verfassungsfeindliche Tendenzen zeigten und auch sonst den Grundwerten der staatlichen bzw. örtlichen Gemeinschaft widersprächen. Es hat für den politischen Diskurs aus sich heraus - wie ausgeführt - keinen diskursiv-informatorischen Mehrwert. Ein sachlicher Beitrag auf der städtischen Internetseite für Toleranz und zugunsten einer pluralistischen Stadtgesellschaft sowie zum Thema Zuwanderung, Flüchtlinge und Ausländerfeindlichkeit lässt sich unschwer auch auf andere Weise bewerkstelligen. Dem etwaigen Eindruck, dass die Stadt E. sich nach außen sichtbar mit den Ansichten der Bewegung der Klägerin identifiziere, konnte der Oberbürgermeister der Beklagten durch entsprechende - verbal-diskursive - Verlautbarungen und eben auch mittels der nach den oben aufgeführten Maßstäben hier zulässigen Bitte zur Teilnahme an der Gegendemonstration „E. Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt - Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass“ am 12. Januar 2015 - entgegenwirken.
112Erneut ebenso Gärditz, NWVBl. 2015, 165, 171; zu Hohenlohe, VerwArch 2016, 62, 83.
113Des Lichtlöschens bedurfte es schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, um Grundrechte der Moscheebesucher aus Art. 4 GG, von Geschäftsleuten entlang des Demonstrationszuges aus Art. 12 und 14 GG sowie der Gegendemonstranten aus Art. 8 und 5 GG zu schützen und zur Entfaltung zu bringen. Diese Grundrechte wurden durch die Versammlung der Klägerin zum einen nicht berührt. Zum anderen konnte der Oberbürgermeister der Beklagten durch entsprechende positive, sich zu diesen Werten bekennende Erklärungen auf der Internetseite der Stadt und - wie sogleich auszuführen sein wird - durch den Aufruf zur Teilnahme an einer friedlichen Gegendemonstration für die genannten Grundrechte eintreten.
1142. Rechtmäßig war die streitige Erklärung hingegen insoweit und ein Unterlassungsanspruch der Klägerin zu verneinen, als der Oberbürgermeister der Beklagten in ihr zur Teilnahme an der Gegendemonstration „E. Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt - Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass“ ebenfalls am 12. Januar 2015 aufrief.
115In dem oben unter II. 1. b) bb) abgesteckten rechtlichen Rahmen des Sachlichkeitsgebots sind konkret eine Aufforderung eines (Ober-)Bürgermeisters, friedlich an einer bestimmten rechtmäßigen Gegendemonstration teilzunehmen, und eine negative, aber nicht diffamierende Äußerung über Ziele bzw. Inhalte einer von ihm als abzulehnen charakterisierten politischen Veranstaltung jedenfalls dann regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn der (Ober-)Bürgermeister nicht selbst Versammlungsbehörde ist.
116Vgl. in diesem Zusammenhang wiederum auch OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, juris Rn. 25; VG Berlin, Urteil vom 23. September 2013 - 1 K 280.12 -, juris Rn. 23 f.; VG Stuttgart, Beschluss vom 13. April 2011- 7 K 602/11 -, juris Rn. 37; VG Gera, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 E 465/10.Ge -, juris Rn. 38; Gärditz, NWVBl. 2015, 165, 169 f.; zu Hohenlohe, VerwArch 2016, 62, 82; Putzer, DÖV 2015, 417, 425; Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1019, der im Übrigen aber eine amtliche Aufforderung zu einer Teilnahme an einer Protestkundgebung generell nicht für eine rechtlich zulässige Öffentlichkeitsarbeit des Staates erachtet.
117Dagegen sind auch unter dieser Prämisse Aufrufe eines (Ober-)Bürgermeisters zu einem rechtswidrigen Handeln sowie Äußerungen, welche die Veranstalter oder Teilnehmer einer angemeldeten rechtmäßigen Versammlung verächtlich machen, ohne Weiteres - als unsachlich bzw. unverhältnismäßig - unzulässig.
118Vgl. dazu OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 14. September 2012 - OVG 1 S 127.12 -, juris Rn. 10; VG Stuttgart, Beschluss vom 13. April 2011 - 7 K 602/11 -, juris Rn. 39; Gärditz, NWVBl. 2015, 165, 170; zu Hohenlohe, VerwArch 2016, 62, 82.
119Ferner ist die Sachlichkeit respektive die Verhältnismäßigkeit der amtlichen Äußerung eines (Ober-)Bürgermeisters nicht mehr gegeben, wenn seine Reaktion auf eine legale, unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG stehende Versammlung, in einer Form erfolgt, welche die Freiheitsausübung der Veranstalter oder Teilnehmer substantiell erschwert, etwa in dem die Letzteren dadurch pauschal stigmatisiert werden, was ihre Teilnahmebereitschaft hemmt.
120Vgl. Gärditz, NWVBl. 2015, 165, 171; zu Hohenlohe, VerwArch 2016, 62, 82 f.
121Legt man diese Maßgaben zugrunde, sieht sich der - für sich betrachtete - Aufruf des Oberbürgermeisters der Beklagten zur Teilnahme an der Gegendemonstration in seiner konkreten Gestalt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Er stand positiv für das legitime Ziel einer offenen und toleranten Stadtgesellschaft ein. Die Gegendemonstration sollte friedlich verlaufen und auch keine Blockadewirkung erzeugen. Auch blieb er - anders als die streitbefangene „Licht-Aus“-Aktion - auf der Ebene diskursiver politischer Kommunikation. Mit dem Aufruf wollte der Oberbürgermeister gewissermaßen eine ad-hoc-Abstimmung der E. Bürgerschaft herbeiführen, die durch ihr Erscheinen bei der Gegendemonstration zum Ausdruck bringen möge, dass die Stadtgesellschaft mit ganz überwiegender Mehrheit hinter dem Motto der Gegendemonstration stehe und damit der Versammlung der Klägerin inhaltlich entgegentrete. Der Oberbürgermeister der Beklagten war im Übrigen auch weder Initiator der Gegendemonstration noch nahm er für die Demonstration - über den Internet-Aufruf hinaus - staatliche bzw. amtliche Lenkungsmittel in Anspruch, weswegen die Gegendemonstration sich frei und ihrerseits von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt konstituieren und ihren eigenen kommunikativen Zweck verfolgen kann.
122Vgl. zu dem diesbezüglichen grundrechtlichen Kontext auch BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2005 - 1 BvR 961/05 -, juris Rn. 16 ff.
123Der Aufruf zur Teilnahme an der Gegendemonstration betraf die Klägerin auch darüber hinaus nicht in unverhältnismäßiger Weise. Sie konnte ihre Versammlung dessen ungeachtet wie von ihr beabsichtigt durchführen. Die Kommunikation ihres Versammlungszwecks wurde durch den Aufruf zur Gegendemonstration als solchen nicht substantiell erschwert.
124Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
125Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, Nr. 11, 711 ZPO.
126Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Im vorliegenden Fall stellen sich grundlegende Fragen hinsichtlich des Inhalts und der Grenzen der - nicht zuletzt mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 GG - grundrechtsrelevanten Äußerungsbefugnisse eines Oberbürgermeisters gegenüber politischen Bewegungen, die keine politischen Parteien i.S.v. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG sind.