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Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 23. Januar 2013 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger nach Abriss des Wohnhauses C. M.---straße 118 für die Errichtung von vier Doppelhaushälften mit je einer Garage und eines Einzelhauses mit zwei Garagen auf dem Grundstück C. M.---straße 118 und 120 (Gemarkung P. , Flur 14, Flurstücke 482 und 483), jeweils mit Zufahrt zur C. M.---straße über die vorhandene Zufahrt, keiner Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesfernstraßengesetz bedarf.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des mit zwei Wohnhäusern bebauten Grundstücks C. M.---straße 118 und 120 (Gemarkung P. , Flur 14, Flurstücke 482 und 483) in X. . Das Grundstück liegt an der Bundesstraße 70 (im Folgenden: B 70). Für das Gebiet existiert kein Bebauungsplan.
3Am 11. Oktober 2012 beantragte der Kläger bei der Stadt X. die Erteilung eines Bauvorbescheids zur Errichtung von vier Doppelhaushälften jeweils mit einer Garage und eines Einzelhauses mit zwei Garagen nach Abriss des auf dem Grundstück errichteten Wohnhauses Nr. 118. Der Kläger wies in dem Antrag darauf hin, es sei die Teilung des Grundstücks geplant. Die Erschließung des dann entstehenden Grundstücks Nr. 118 sei über die bereits bestehende Zufahrt zur B 70 vorgesehen. Die Zufahrt zum Wohnhaus Nr. 120 nebst Garage solle über die M1.--------straße erfolgen.
4Die B 70 knickt in X. an der Kreuzung der I.---------straße mit der C. M.---straße in diese ab und wird in Richtung Nordosten weitergeführt. Sie wird bis zu der auf ihrer südöstlichen Seite liegenden Einmündung des C1.------wegs und zu der auf ihrer nordwestlichen Seite liegenden Einmündung der Straße B. H. L. von beidseitiger Bebauung begleitet. Daran schließt in stadtauswärtiger Richtung im Nordwesten der Straße eine Freifläche (Der Große L. ) an. Hinter der Einmündung des N.-------wegs (Kreisstraße 19) liegen auf der nordwestlichen Straßenseite das Wohnhaus C. M.---straße 181 und im weiteren Verlauf das Anwesen C. M.---straße 221. Im Südosten der Straße, dort liegt auch das klägerische Grundstück, findet sich Bebauung von der Einmündung des C1.------wegs bis zur von dort knapp 600 m entfernten Einmündung der Feldstraße. Wenige Meter nördlich der Einmündung der Feldstraße befinden sich die Verkehrsschilder „Allgemeines Gefahrzeichen Nr. 101 ‑ Gefahrstelle“ und „Zeichen Nr. 274 - zulässige Höchstgeschwindigkeit 70“ sowie auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Ortsausgangsschild.
5Die gemäß § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG festgesetzte Ortsdurchfahrt endet in Höhe der Einmündung der Straße B. H. L. (bei km 0,250) und damit 60 m vor der Zufahrt zum klägerischen Grundstück. Die Entfernung zwischen dem Ende der festgesetzten Ortsdurchfahrt und der Einmündung der G.---straße beträgt etwa 620 m.
6Vom Stadtzentrum aus kommend befindet sich vor der Einmündung des C1.------wegs in die B 70 eine Ampelanlage. Gegenüber dieser Einmündung liegt eine Bushaltstelle. Die von dieser Einmündung ca. 30 m entfernt liegende Zufahrt von der B 70 zum Grundstück des Klägers ist gleichzeitig jene für die Häuser C. M.---straße 110 und 110a. Unmittelbar im Anschluss an diese Zufahrt ist jeweils auf beiden Straßenseiten das für den aus stadtauswärtiger Richtung kommenden Verkehr bestimmte Verkehrschild „Allgemeines Gefahrzeichen Nr. 136 - Kinder“ aufgestellt. An der Einmündung des C1.------wegs beginnend verläuft in stadtauswärtiger Richtung – unterbrochen durch die Zufahrt zum Grundstück des Klägers und zu den Grundstücken C. M.---straße 110 und 110a – entlang der B 70 zwischen dieser und dem Bürgersteig ein etwa 1,20 m breiter Grünstreifen. Dieser endet ca. acht Meter vor der Einmündung des entlang der nordöstlichen Grundstücksseite des klägerischen Grundstücks verlaufenden Rad- und Fußwegs M1.--------straße . Im Bereich der Einmündung dieses Rad- und Fußwegs in die B 70 befindet sich eine Bordsteinabsenkung. Die Entfernung zwischen der Zufahrt zum klägerischen Grundstück bis zur Einmündung der M1.--------straße , an der auch das Grundstück des Klägers endet, beträgt ca. 80 m. An diese Einmündung schließt sich im weiteren Verlauf der B 70 stadtauswärts auf einer Länge von knapp 120 m eine von Zufahrten freie Strecke an. Sodann folgt in stadtauswärtiger Richtung die Zufahrt zum Grundstück C. M.---straße 152 und dem dahinter liegenden Grundstück C. M.---straße 148 sowie die an das Grundstück C. M.---straße 152 angrenzende Zufahrt zu den Grundstücken C. M.---straße 156 und L1.--------straße 2a. Zwischen dem Grundstück C. M.---straße 156 und C. M.---straße 160 befindet sich die Einmündung der L1.--------straße . Es folgt im weiteren Verlauf der B 70 die gemeinsame Zufahrt zu den Grundstücken C. M.---straße 160 und 164, wobei letzteres nahezu auf seiner gesamten Breite von mehr als 20 m unmittelbar von der B 70 aus angefahren werden kann. An das Grundstück C. M.---straße 164 schließt sich die Erschließungsanlage Im N1. an, die die Grundstücke Im N1. 8, 10, 12, 13 und 14 nebst einer Anlage mit fünf Garagen erschließt. An die Einmündung dieser Erschließungsanlage grenzt in stadtauswärtiger Richtung das an der B 70 liegende, mehr als 40 m breite Grundstück C. M.---straße 168 und 170. Dieses Grundstück verfügt an seiner nordöstlichen Grundstückseite über eine Zufahrt zur B 70, die zu den hinter den Wohnhäusern Nr. 168 und 170 liegenden Stellplätzen und zum Grundstück Im N1. 13 bzw. einer dort errichteten Garage führt. Unmittelbar an diese Zufahrt grenzt die Zufahrt zum Grundstück C. M.---straße 172 und 174. Es folgen weiter in stadtauswärtiger Richtung die Einmündung der Birkenstraße in die B 70 und daran anschließend das etwa 80 m breite Grundstück C. M.---straße 180. Dieses verfügt über eine Zufahrt zur B 70, die eine geschotterte Stellplatzanlage erschließt. Zudem ist dieses Grundstück auf einer Breite von ca. 40 m unmittelbar von der B 70 aus befahrbar. Daran schließt sich das knapp 40 m breite Grundstück C2.-----straße 1g an, das durch diese Straße und nicht durch die B 70 erschlossen ist. Sodann folgt im weiteren Verlauf der B 70 die Einmündung der G.---straße . Im Anschluss daran endet die Bebauung.
7Der im Rahmen der Bauvoranfrage beteiligte Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 23. Oktober 2012 an und führte aus: Das Bauvorhaben sei abzulehnen, da es dem Bauverbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FStrG unterliege. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 9 Abs. 8 FStrG seien nicht gegeben. Der Kläger verwies mit Schreiben vom 11. November 2012 darauf: In den beiden auf seinem Grundstück vorhandenen Wohnhäusern wohnten jeweils zwei Parteien, sodass nach der Realisierung des Vorhabens lediglich eine weitere Partei die jetzige Zufahrt nutzen werde. Auch andere Bauvorhaben seien im Verlauf der B 70 genehmigt worden.
8Mit Bescheid vom 23. Januar 2013 erklärte der Beklagte, die straßenrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 8 FStrG werde nicht in Aussicht gestellt. Zur Begründung führte er aus: Das klägerische Bauvorhaben liege an freier Strecke der B 70. Ein straßenrechtlicher Bestandsschutz der Zufahrt zur B 70 entfalle mit dem Abriss des vorhandenen Wohnhauses und der Errichtung von Reihenhäusern mit Garagen.
9Der Kläger hat am 22. Februar 2013 Klage erhoben und geltend gemacht: Sein Bauvorhaben bedürfe keiner Ausnahme, da sich sein Grundstück an einer Ortsdurchfahrt befinde. Diese sei unabhängig von einer erfolgten Festsetzung nach allgemeinen Kriterien zu bestimmen. Sein Vorhaben solle innerhalb des in offener Bauweise zusammenhängend bebauten Ortsteils von X. -P. errichtet werden. Außerdem diene die C. M.---straße hier auch der Erschließung der angrenzenden Grundstücke. Auf dem Streckenabschnitt zwischen dem C3.------weg und der G.---straße seien die Mehrzahl der Grundstücke über unmittelbare Grundstücksauffahrten an die C. M.---straße angebunden. Noch 1999 sei auf dem Grundstück C. M.---straße 148 der Neuerrichtung von zwei Häusern sowie im Jahre 2013 Baumaßnahmen auf dem Grundstück L1.--------straße 2a zugestimmt worden, beides mit Zufahrten zur B 70. Wegen der geplanten rückwärtigen Erschließung des Hauses C. M.---straße 120 über die M1.--------straße verursache sein Bauvorhaben auch keine stärke Verkehrsbelastung der vorhandenen Zufahrt.
10Der Kläger hat beantragt,
11den Ablehnungsbescheid vom 23. Januar 2013 aufzuheben und festzustellen, dass er nach Abriss des Wohnhauses C. M.---straße 118 zur Errichtung von vier Doppelhaushälften und eines Einzelhauses mit Garagen sowie einer weiteren Garage auf dem Grundstück C. M.---straße 118 bis 120, jeweils mit Zufahrt zur C. M.---straße , (Gemarkung P. , Flur 14, Flurstücke 482 und 483) keiner Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesfernstraßengesetz bedürfe,
12hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Januar 2013 zu verpflichten, seinen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für das bezeichnete Bauvorhaben positiv zu bescheiden.
13Der Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er hat zur Begründung ausgeführt: Die B 70 habe in dem das Grundstück des Klägers betreffenden Teil keine Erschließungsfunktion. Die Grundstücke seien in diesem Bereich größtenteils rückwärtig über die Gemeindestraßen erschlossen. Es sei unerheblich, dass bestimmte Grundstücke seit alters her über eine direkte Zufahrt zur B 70 verfügten. Bei der Zustimmung zu Baumaßnahmen auf dem Grundstück L1.--------straße 2a habe es sich lediglich um einen Umbau gehandelt; eine weitere Beteiligung im Hinblick auf die Baumaßnahmen auf dem Grundstück C. M.---straße 148 sei nicht erfolgt. Einer Straße dürfe die Erschließungsfunktion auch nicht aufgedrängt werden. Die relevante Strecke stelle sich als weit einsichtige, breite und zügig befahrbare Straße dar. Fuß- und Radweg, Grünstreifen sowie Baumbepflanzung vermittelten eine deutliche räumliche Trennung zwischen Straße und Wohnbebauung.
16Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage sowohl mit ihrem Haupt- als auch ihrem Hilfsantrag abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger bedürfe für das geplante Bauvorhaben einer besonderen Erlaubnis, da der Streckenabschnitt, an dem das klägerische Grundstück liege, nicht der Erschließung der anliegenden Grundstücke diene. Aus den zur Akte gereichten Fotografien ergebe sich, dass sowohl Streckenführung als auch Gestaltung der Straße den Eindruck einer freien Strecke vermittelten. Dies ergebe sich aus den breiten Fahrstreifen und Geh- und Radwegen, die mittels Grünstreifen von der Straße getrennt würden, sowie landstraßentypischem Baumbewuchs. Eine Erschließungsfunktion könne durch lediglich acht Zufahrten auf der südöstlichen Straßenseite auf einer Strecke von 650 m nicht begründet werden. Zudem lägen in nordöstlicher Richtung zwischen der klägerischen und der darauffolgenden Zufahrt 200 m. Ferner seien die Voraussetzungen des § 9 Abs. 8 FStrG nicht gegeben, da insbesondere eine unbeabsichtigte Härte an einer Erschließungsmöglichkeit über die M1.--------straße scheitere.
17Die durch Beschluss des Senats vom 27. März 2014 zugelassene Berufung begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Die B 70 besitze jedenfalls von der Kreuzung I.---------straße kommend in Richtung Nordosten bis zur Einmündung der G.---straße als Ortsdurchfahrt Erschließungsfunktion für die südöstlich der Straße gelegenen Grundstücke. Außerdem schlössen die Häuser C. M.---straße 108 bis 120 direkt an einen Teil der Straße an, der unstreitig als Ortsdurchfahrt angesehen werde. Für den Betrachter entstehe damit der Eindruck, die Straße diene auch hier noch der Erschließung. Auf dem Streckenabschnitt C3.------weg bis C. M.---straße 180 befänden sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts 14 separate Zufahrten. Neben direkten Grundstückszufahrten gebe es außerdem mittelbar angeschlossene Häuser, z. B. in Gestalt des Privatwegs Im N1. . Ein getrennter Fuß- und Radweg sowie Grünstreifen, die vom Verwaltungsgericht als Faktor gegen eine Erschließungsfunktion gewertet worden seien, bestünden auf dem Streckenabschnitt auch nur partiell.
18Der Kläger beantragt - schriftsätzlich -,
19das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 25. Juni 2013 abzuändern, den Ablehnungsbescheid vom 23. Januar 2013 aufzuheben und festzustellen, dass er nach Abriss des Wohnhauses C. M.---straße 118 zur Errichtung von vier Doppelhaushälften mit je einer Garage und eines Einzelhauses mit zwei Garagen, jeweils mit Zufahrt zur C. M.---straße , auf dem Grundstück C. M.---straße 118 bis 120 (Gemarkung P. , Flur 14, Flurstücke 482 und 483) keiner Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesfernstraßengesetz bedarf,
20hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Januar 2013 zu verpflichten, seinen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für das bezeichnete Bauvorhaben positiv zu bescheiden.
21Die Berichterstatterin hat am 14. August 2015 einen Ortstermin durchgeführt und die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses dieser Inaugenscheinnahme wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift und die aus diesem Anlass gefertigten Lichtbilder (Gerichtsakte, Bl. 185 ff., und Beiakte 8) verwiesen.
22Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Stadt X. sowie die vom Kläger zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25A. Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
26B. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage hat mit ihrem Hauptantrag Erfolg.
27I. Die Klage ist zulässig.
281. Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft.
29a. Gemäß § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) begehrt werden. Der Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2013, mit dem die straßenrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 8 FStrG „nicht in Aussicht“ gestellt wurde, stellt einen belastenden Verwaltungsakt i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG NRW dar, der im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Für die Verwaltungsaktqualität ist unerheblich, dass der stillschweigende Ausnahmeantrag über die Baugenehmigungsbehörde zum Beklagten gelangt ist.
30Vgl. hierzu Aust, in: Kodal, Straßenrecht, Handbuch, 7. Auflage 2010, Kap. 29, Rn. 63.
31b. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage u. a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob ein Anbauverbot nach dem Fernstraßengesetz besteht und ob der Kläger berechtigt ist, die geplanten Baumaßnahmen ohne Ausnahmegenehmigung nach dem Fernstraßengesetz durchführen zu können, betrifft ein konkretes Rechtsverhältnis.
322. Die Feststellungsklage ist auch zulässig.
33a. Der Kläger besitzt das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse. Der Kläger kann sein Bauvorhaben nicht realisieren, solange der Beklagte vom Bestehen eines Anbauverbots ausgeht und die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach dem Fernstraßengesetz ablehnt.
34b. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität i. S. d. § 43 Abs. 2 VwGO entgegen. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die vom Kläger erstrebte Feststellung, sein Vorhaben unterliege nicht dem Anbauverbot, deshalb bedürfe er keiner Ausnahmegenehmigung nach dem Fernstraßengesetz, kann im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage nicht in gleicher Weise geklärt werden. Bei einer Beschränkung auf eine Anfechtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid vom 23. Januar 2013 wäre die Entscheidung über die Erlaubnisbedürftigkeit bloße Vorfrage des Aufhebungsanspruchs und erwüchse deshalb nicht in Rechtskraft. Bei einer Beschränkung auf eine Feststellungsklage würde der ablehnende Bescheid des Beklagten bestandskräftig. Die Erhebung einer Verpflichtungsklage wäre ebenfalls nicht rechtsschutzintensiver, da die Klage im Falle der Verneinung eines Anbauverbots mangels Anspruchs auf Erteilung einer Ausnahme gemäß § 9 Abs. 8 FStrG abgewiesen werden müsste.
35II. Die Klage ist begründet. Der Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger bedarf keiner Ausnahme nach § 9 Abs. 8 FStrG. Sein Vorhaben unterliegt nicht dem Anbauverbot nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FStrG.
361. Die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anbauverbots nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FStrG sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anbauverbot für die Errichtung baulicher Anlagen, die außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten über Zufahrten oder Zugänge an Bundesstraßen unmittelbar oder mittelbar angeschlossen werden sollen.
37Die vom Kläger geplante Errichtung baulicher Anlagen auf seinem Grundstück C. M.---straße 118 und 120 in X. soll nicht außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrt der B 70 erfolgen.
38a. Das Vorhaben des Klägers ist eine Errichtung baulicher Anlagen i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FStrG. Die Vorschrift untersagt nicht nur die erstmalige Herstellung, sondern auch die Wiederherstellung nach Beseitigung der ursprünglichen baulichen Anlagen.
39Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 9 Rn. 7.
40Der Kläger plant den Abriss des vorhandenen Wohnhauses C. M.---straße 118 und die Errichtung von Doppelhaushälften, eines Einzelhauses und von Garagen.
41b. Bei dem Teil der B 70, an dem das klägerische Grundstück liegt, handelt es sich um eine Ortsdurchfahrt, die in der geschlossenen Ortslage liegt.
42aa. Dass dieser Teil der B 70 nicht innerhalb der nach § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG festgesetzten Ortsdurchfahrt liegt, ist unerheblich. Der Begriff der Ortsdurchfahrt ist unabhängig von einer erfolgten Festsetzung nach § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG nach materiellen Gesichtspunkten zu ermitteln.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 1967 ‑ IV B 132.65 -, DVBl. 1967, 291 (292); Netter, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 5 Rn. 28, m. w. N.
44Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 FStrG ist eine Ortsdurchfahrt der Teil einer Bundesstraße, der innerhalb der geschlossenen Ortslage liegt und auch der Erschließung der anliegenden Grundstücke oder der mehrfachen Verknüpfung des Ortsstraßennetzes dient, wobei für die Beurteilung einer Ortsdurchfahrt i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 FStrG nur die erste Variante relevant ist, also nur die Frage der Erschließungsfunktion.
45Vgl. Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 26; Netter, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 5 Rn. 26.
46bb. Der Teil der B 70, an dem sich das Grundstück des Klägers befindet, liegt innerhalb der geschlossenen Ortslage. Als solche ist nach § 5 Abs. 4 Satz 2 FStrG der Teil des Gemeindebezirks anzusehen, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist. Einseitige Bebauung unterbricht den Zusammenhang nicht, § 5 Abs. 4 Satz 3 FStrG. Die Feststellung dieses erforderlichen Bebauungszusammenhangs ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen.
47Vgl. Netter, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 5 Rn. 25.
48Ob ein Gebiet zusammenhängend bebaut ist, lässt sich nur anhand einer weiträumigen, an objektiven Kriterien ausgerichteten Betrachtung der gesamten durch die Bebauung geprägten Situation in der Umgebung der Bundesfernstraße entscheiden. Bei einem solchen Ansatz ergibt sich die Feststellung des erforderlichen Bebauungszusammenhangs aus der einfachen Gegenüberstellung des örtlichen Bereichs baulicher oder gewerblicher Nutzung und des davon freien, zumeist der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung dienenden Geländes.
49Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. April 1981 - 4 C 41.77 -, BVerwGE 62, 142 (145) = juris, Rn. 19 f., und vom 18. März 1983 - 4 C 10.80 -, BVerwGE 67, 79 (80 und 82), = juris, Rn. 10 und 14.
50Zur geschlossenen Ortslage kann auch eine Strecke gehören, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse nur einseitig bebaut ist. Ob einseitige Bebauung zu einem Bebauungszusammenhang gehört oder nicht, lässt sich nicht anhand einer „starren Regel“ beurteilen. Einseitige Bebauung kann auch ein Anzeichen für ein Ausdünnen der Bebauung sein.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - 4 C 10.80 -, BVerwGE 67, 79 (81) = juris, Rn. 11.
52Nach diesen Grundsätzen gehört der den Kläger betreffende Teil der B 70 zur geschlossenen Ortslage. Der südöstlich der B 70 ab der Einmündung des C1.------wegs bis zur Einmündung der G.---straße gelegene Bereich ist als zusammenhängend bebaut zu qualifizieren. Er ist durchgängig überwiegend in offener und teils in geschlossener Bauweise bebaut. Der Teil nordwestlich der Straße ist bis auf zwei Häuser frei von Bebauung und stellt sich als freie Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung dar. Die nur einseitige Bebauung spricht angesichts der aus dem Kartenmaterial (s. etwa Auszug aus dem Liegenschaftskataster, Kreis X. , Katasteramt, Beiakte 1, S. 1) ersichtlichen sich in Richtung Süden fortsetzenden dichten Bebauung nicht für ein Ausdünnen der Bebauung.
53c. Der Teil der Ortsdurchfahrt der B 70, an dem das klägerische Grundstück liegt, ist auch zur Erschließung der anliegenden Grundstücke i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FStrG bestimmt. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Vorhandensein der Bundesstraße den anliegenden Grundstücken die Qualität der (verkehrlichen) Erschließung vermittelt, wenn also ihretwegen eine von der Erschließung abhängige Nutzung der anliegenden Grundstücke sowohl tatsächlich möglich als auch rechtlich zulässig ist.
54Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. April 1975 - IV C 55.74 -, BVerwGE 48, 123 (125 f.) = juris, Rn. 17, und vom 30. November 1984 - 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21, S. 7 (8) = juris, Rn. 11.
55aa. Einer Bebaubarkeit des Grundstücks des Klägers dürften keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Hinsichtlich der tatsächlichen Möglichkeit der Bebauung ergeben sich keine Bedenken. Die rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens des Klägers richtet sich mangels Bebauungsplans nach § 34 BauGB. Dass das im Rahmen der Bauvoranfrage beantragte Vorhaben nach dieser Vorschrift von vornherein unzulässig sein könnte, ist nicht ersichtlich und auch vom Beklagten nicht geltend gemacht worden.
56bb. Die Ortsdurchfahrt der B 70 vermittelt den in dem Bereich, in dem sich das klägerische Grundstück befindet, anliegenden Grundstücken die Qualität der (verkehrlichen) Erschließung.
57Die Lage des Vorhabens in einem Gebiet nach § 34 BauGB allein reicht allerdings nicht aus, um die Erschließungsfunktion einer Ortsdurchfahrt zu bejahen. Einer straßenrechtlich nicht zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Bundesfernstraße kann eine Erschließungsfunktion außerhalb einer Festsetzung nach § 9 Abs. 7 FStrG nicht durch die vorhandene oder entstehende Randbebauung „aufgedrängt“ werden.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1984 ‑ 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21, S. 7 (8 f.) = juris, Rn. 13.
59Ob die Straße zur Erschließung bestimmt ist, ist vorrangig nach straßenrechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FStrG schützt die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die durch Zufahrten und Zugänge an Bundesstraßen durch Ein- und Abbiegevorgänge beeinträchtigt werden. Mit einer Erschließungsfunktion geht eine Einschränkung der (Fern-)Verkehrsfunktion einher. Daraus folgt aber zugleich, dass, wenn die Verkehrsfunktion der Bundesfernstraße bereits erkennbar zugunsten der Erschließung der anliegenden Grundstücke faktisch eingeschränkt ist, der innere Grund entfällt, nach wie vor mit Hilfe des Anbauverbots die Sicherheit und die Leichtigkeit des Straßenverkehrs gewährleisten zu wollen. Wenn die zuständige Behörde dieser Entwicklung, welche sich gegenüber der Verkehrsfunktion der Bundesfernstraße nachteilig auswirken kann, nicht entgegentritt, erwächst der Straße auch eine Erschließungsfunktion.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1984 ‑ 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21, S. 7 (9) = juris, Rn. 14.
61Entscheidend für die Funktion der Bundesstraße sind die tatsächlichen Verhältnisse,
62vgl. Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 28,
63und die Frage, ob die vorhandene Straße den anderen Grundstücken die Qualität der verkehrlichen Erschließung vermittelt und den noch unbebauten, aber bebaubaren Grundstücken folgerichtig eine ebensolche Erschließung nicht verweigert werden kann. Tatsächliche Umstände von indizierendem Gewicht sind neben der vorhandenen Bebauung auch der Ausbauzustand der Bundesfernstraße und die Zugänglichkeit zu den anliegenden Grundstücken. Hierzu zählen etwa Zufahrten oder Zugänge. Der Ausbau von Geh- und Fahrradwegen dürfte bedeutsam sein. Andererseits können Leitplanken die Zugänglichkeit ausschließen. Ähnliches gilt für Grünstreifen, Zäune und Buschwerk,
64vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1984 ‑ 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21, S. 7 (9) = juris, Rn. 15,
65und separierende Einrichtungen wie Lärmschutzwände. Nicht getrennte Geh- und Radwege legen die Erschließungsfunktion nahe.
66Vgl. Engelbrecht, Die Errichtung von Werbeanlagen an öffentlichen Straßen, DÖV 2012, 876 (877).
67Tatsächliche Gegebenheiten können den Eindruck vermitteln, dass auch innerhalb der geschlossenen Ortslage und trotz eines Bebauungszusammenhangs i. S. v. § 34 BauGB nach wie vor eine „freie Strecke“ besteht. Indiz für eine fehlende Erschließungsfunktion kann auch sein, dass die anliegenden Grundstücke bereits rückwärtig durch andere Straßen erschlossen sind.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1984 ‑ 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21, S. 7 (9) = juris, Rn. 15; Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 29.
69Erschließungsfunktion hat die Bundesstraße allerdings auch dann, wenn der Anschluss an sie „mittelbar“ vorhanden ist, also in der Weise, dass die Bundesstraße selbst die für (rückwärtige) Grundstücke nächste öffentliche Erschließungsanlage ist und Zufahrt oder Zugang zu ihr über andere Grundstücke oder über Privatwege erfolgt.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1977 - IV C 47.75 -, BVerwGE 54, 328 (337) = juris, Rn. 34; Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 44; Grupp, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 9 Rn. 5.
71Gemessen an diesen Grundsätzen kann dem Kläger die Erschließung seines Vorhabens über die B 70 nicht verweigert werden. Angesichts der tatsächlichen Verhältnisse ist die Erschließungsfunktion der B 70 für den Bereich vom Ende der nach § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG festgesetzten Ortsdurchfahrt bis zur C. M.---straße 180 bzw. der Einmündung der G.---straße zu bejahen. Die Verkehrsfunktion der Straße ist hier zugunsten einer Erschließungsfunktion soweit eingeschränkt, dass der Grund des Anbauverbots, die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, entfallen ist.
72(1) Es kann anhand des von den Beteiligten zu den Akten gereichten und des zudem im Internet zugänglichen Kartenmaterials, den in den Akten befindlichen Lichtbildern und dem Eindruck, den die Berichterstatterin im Ortstermin gewonnen und dem Senat durch die anlässlich des Termins gefertigten Lichtbilder in Zusammenschau mit dem Kartenmaterial vermittelt hat, ohne weiteres festgestellt werden, dass die Straße im Bereich des Abschnitts C. M.---straße 152 bis 180 zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt ist. Die Verkehrsfunktion der Straße ist hier in beträchtlichem Maße zugunsten einer Erschließungsfunktion eingeschränkt. Die insgesamt 14 Grundstücke C. M.---straße 148, 152, 156, 160, 164, 168 und 170, 172 und 174, 180, L1.--------straße 2a, Im N1. 8, 10, 12, 13 und 14 sind über die B 70 erschlossen. Diese Grundstücke, die zum Teil mit mehr als einem Gebäude bebaut sind und teilweise über mehr als eine Zufahrt oder Zuwegung verfügen, sind entweder unmittelbar oder mittelbar über Zufahrten oder Zugänge an die B 70 angeschlossen. Unerheblich für diese Tatsachenfeststellung ist, ob diese Zufahrten bestandsgeschützt oder erst in jüngerer Zeit (wie etwa die Zufahrt zum Grundstück C. M.---straße 148) entstanden sind oder noch entstehen bzw. (wie etwa die Zufahrt zum Grundstück L1.--------straße 2a) erneuert werden.
73Die Erschließungsfunktion der B 70 kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht hinsichtlich der über die Erschließungsanlage Im N1. , die nach den vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben des Klägers ein Privatweg ist, angeschlossenen Grundstücke verneint werden. Denn diese Grundstücke sind i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FStrG „mittelbar“ an die B 70 angeschlossen, weil sie für diese Grundstücke die nächste öffentliche Erschließungsanlage ist.
74Aber selbst wenn die Grundstücke Im N1. 8, 10, 12, 13 und 14 unberücksichtigt blieben, hätte die Bundesstraße B 70 in diesem ca. 350 m langen Abschnitt zwischen der C. M.---straße 152 und der C. M.---straße 180 immer noch eine Erschließungsfunktion für neun, zum größten Teil mit Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke, deren Zufahrten teilweise unmittelbar aneinander angrenzen oder die über mehrere Zufahrten und Zugänge verfügen bzw. die nahezu über ihre gesamte Breite direkt von der B 70 angefahren werden können.
75Auch der Ausbauzustand dieses Abschnitts der B 70 von der C. M.---straße 152 bis zur C. M.---straße 180 bestätigt ihre Erschließungsfunktion. Die Bebauung an diesem Straßenteil ist größtenteils in geringem Abstand zur Bundesstraße errichtet. Auf der bebauten Seite ist eine optische Abtrennung des Geh- und Fahrradwegs von der B 70 durch einen Grünstreifen oder Ähnliches nicht vorhanden. Auf Höhe der C. M.---straße 164 ist der Fußgängerweg nicht vom Straßenniveau abgehoben, sondern wird nur durch die seitliche Straßenmarkierung angedeutet. Vor den Grundstücken C. M.---straße 170 und 172 sowie 180 befinden sich Zufahrten und Fußgängerweg auf Straßenniveau. Die dadurch verursachte optische Nähe zwischen Wohnhäusern, Gehwegen und Straße hindert das Entstehen des Eindrucks freier Strecke und generiert im Gegenteil eine hohe Zugänglichkeit der Straße.
76(2) Erschließungsfunktion hat die B 70 gleichermaßen im Bereich von der Einmündung des C1.------wegs bzw. dem Ende der festgesetzten Ortsdurchfahrt bis zur C. M.---straße 152, also in dem Teil der Straße, an dem der Kläger anliegt. In diesem Abschnitt erschließt die B 70 neben dem klägerischen Grundstück mit zwei vorhandenen Wohnhäusern auch noch die Grundstücke C. M.---straße 110 und 110a.
77(a) Durch die Häuser C. M.---straße 108 bis 110a wird dem stadtauswärts Fahrenden, der zuvor die Ampelanlage und die Einmündung des C1.------wegs passiert sowie die auf der anderen Straßenseite liegende Bushaltestelle wahrnimmt, nicht der Eindruck vermittelt, als beführe er nunmehr eine „freie Strecke“. Denn nur wenige Meter weiter befindet sich die Zufahrt zum Grundstück des Klägers und zu den Grundstücken C. M.---straße 110 und 110a. Diese Zufahrt ist für einen stadtauswärts fahrenden Autofahrer auch schon - wie aus den von der Berichterstatterin beim Ortstermin genommenen Lichtbildern Nr. 6 bis 9, Beiakte 8, ersichtlich ist - von der Ampelanlage aus erkennbar. Durch die Ampelanlage wird ein zügiger Verkehr ohnehin verhindert. Darüber hinaus ist der aus dem Stadtzentrum kommende Verkehr auf einen innerörtlichen Verkehr eingestellt. Diese Haltung ändert sich bis zur klägerischen Zufahrt nicht. Auch optisch deutet die Straßengestaltung trotz des vorhandenen Grünstreifens auf eine Ortsdurchfahrt mit Erschließungsfunktion hin, denn die Bebauung reicht in Form der Häuser auf den Grundstücken C. M.---straße 108 bis 110a nah an die B 70 heran und stellt sich nach dem Eindruck, den die Berichterstatterin im Ortstermin gewonnen und dem Senat anhand der Lichtbilder und des Kartenmaterials vermittelt hat, als Verlängerung bzw. Weiterführung der vor der Ampelanlage liegenden Bebauung dar.
78Auch für den stadteinwärts Fahrenden stellt sich der Bereich von der Zufahrt des Klägers bis zur Ampelanlage bzw. festgesetzten Ortsdurchfahrt nicht als „freie Strecke“ dar. Denn er nimmt, bevor er die Zufahrt zum Grundstück des Klägers auf der gegenüberliegenden Straßenseite passiert, das auf der von ihm befahrenen Straßenseite in dieser Höhe und das auf der gegenüberliegenden Straßenseite unmittelbar vor der Zufahrt jeweils aufgestellte Verkehrschild „Allgemeines Gefahrzeichen Nr. 136 - Kinder“ wahr (s. die von der Berichterstatterin anlässlich des Ortstermins gefertigten Lichtbilder Nr. 17, 18, 20, Beiakte 8); bei der Weiterfahrt erkennt er sodann die klägerische Zufahrt, die Häuser C. M.---straße 108 bis 110a (s. Lichtbild Nr. 18, Beiakte 8), die gegenüberliegende Bushaltestelle (Lichtbilder Nr. 94, 95, Beiakte 8), die dann folgende Ampelanlage und die kurz darauf auf beiden Seiten der B 70 vorhandene Bebauung (s. Lichtbilder Nr. 18, 20, Beiakte 8).
79(b) Der Streckenabschnitt zwischen der klägerischen Zufahrt und der C. M.---straße 152 begründet keine Zäsurwirkung im Hinblick auf die Erschließungsfunktion der B 70.
80In diesem Abschnitt ist die Erschließungsfunktion der B 70 zwar kurz unterbrochen. Die zwischen der Einmündung der M1.--------straße und der Zufahrt zur C. M.---straße 152 liegenden Grundstücke sind rückwärtig über die M1.--------straße erschlossen. Auf der gesamten in stadtauswärtiger Richtung in Betracht genommenen Strecke vom Ende der festgesetzten Ortsdurchfahrt an (von der I.---------straße bis hierhin ist die Erschließungsfunktion der B 70 gegeben, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist) bis zur hiervon ca. 620 m entfernten Einmündung der G.---straße misst der Abschnitt zwischen der klägerischen Zufahrt bis zur C. M.---straße 152 ca. 200 m und macht damit etwas weniger als ein Drittel dieser Strecke aus. Zu berücksichtigen ist, dass von diesen 200 m ca. 80 m auf die Frontlänge des klägerischen Grundstücks entfallen, das damit einen wesentlichen Teil dieses Abschnitts ausmacht. Zudem befindet sich zwischen dem Grundstück des Klägers und dem dann folgenden knapp 120 m langen Abschnitt der B 70 die Einmündung des Rad- und Fußwegs M1.--------straße mit einer Bordsteinabsenkung, sodass tatsächlich lediglich knapp 120 m „zufahrtsfrei“ sind.
81Zwar ist dem Verwaltungsgericht dahingehend zuzustimmen, dass etwa das vom Beklagten vorgelegte Lichtbild (Gerichtsakte, Blatt 47), das die klägerische Zufahrt in stadtauswärtiger Richtung zeigt, insofern den Eindruck einer freien Strecke nahelegt, als Geh- und Radwege auf beiden Seiten durch Grünstreifen von der Fahrbahn getrennt sind und die Straße teils von Bäumen gesäumt ist. Auch das Buschwerk auf der Straßenseite, auf der das klägerische Grundstück liegt, trägt zu diesem Eindruck bei. Es ist jedoch zu beachten, dass der an der Einmündung des C1.------wegs beginnende Grünstreifen auf der bebauten Seite der Straße - wie im von der Berichterstatterin durchgeführten Ortstermin festgestellt und protokolliert (vgl. Gerichtsakte, Blatt 186) - etwa acht Meter vor der Einmündung des entlang der nordöstlichen Grundstücksseite des klägerischen Grundstücks verlaufenden Rad- und Fußwegs M1.--------straße endet. Im weiteren Verlauf der B 70 ist auf dieser Straßenseite bis zur Einmündung der G.---straße kein Grünstreifen mehr vorhanden. Der Geh- und Fahrradweg verläuft dort vielmehr unmittelbar neben der Fahrbahn.
82Die Inaugenscheinnahme der Berichterstatterin anlässlich des Ortstermins hat zudem ergeben, dass das auf der Höhe der klägerischen Zufahrt in stadtauswärtiger Richtung genommene, oben bereits erwähnte Lichtbild (Gerichtsakte, Blatt 47) die tatsächlichen Gegebenheiten nicht richtig vermitteln kann. Denn der Betreffende, der dieses vom Beklagten zu den Akten gereichte Lichtbild gefertigt hat, hat in die Rechtskurve „hineinfotografiert“, die die B 70 auf Höhe des N.-------wegs nimmt; auf diese Weise werden nicht nur die am Kurvenbeginn liegende Zufahrt zum Grundstück C. M.---straße 152, sondern auch die sich daran anschließenden weiteren Zufahrten verdeckt bzw. schlicht nicht abgebildet, sodass mit diesem Lichtbild ein wesentlicher Teil der Erschießungsfunktion der B 70 nicht wiedergegeben wird. Zudem ist so nur der linke, unbebaute Straßenrand zu sehen, sodass der Eindruck erweckt wird, die Straße führe in die freie Fläche hinein. Wird die Strecke jedoch in stadtauswärtiger Richtung befahren, wird der zuvor gewonnene Eindruck der Erschließungsfunktion der Straße durch den rückwärtig erschlossenen Teil von 200 bzw. 120 m nicht durchbrochen. Denn bei einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ist ein solcher Teilabschnitt, ob nun 200 oder nur 120 m lang, in nur wenigen Sekunden zurückgelegt; kurz darauf folgt dann schon der Bereich der Grundstücke C. M.---straße 152 bis 180, also der Teil der B 70, in dem - wie bereits ausgeführt - diese eindeutig Erschließungsfunktion besitzt. Zeit und Strecke sind damit viel zu kurz, als dass für einen aus dem Stadtzentrum kommenden Autofahrer der Eindruck entstehen könnte, er befinde sich jetzt auf „freier Strecke“ und könne nun „Gas geben“. Dagegen sprechen im Übrigen auch die dort zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und die Tatsache, dass das Verlassen der Ortschaft bis dahin noch nicht durch eine Ortstafel angezeigt wurde. Letztere beide Faktoren sind damit selbst Indiz für eine Einschränkung der (Fern-)Verkehrsfunktion auf diesem Streckenteil.
83Abgesehen von diesen auf dem Streckenabschnitt festgestellten gegen eine Unterbrechung der Erschließungsfunktion sprechenden tatsächlichen Verhältnissen ergibt sich bereits aus den fachministeriellen Vorgaben, die vom damaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erlassen worden sind und den Beklagten binden, dass die geschlossene Ortslage trotz einseitiger Bebauung auch bei einzelnen unbebauten Grundstücken nicht unterbrochen wird.
84Vgl. Richtlinien für die rechtliche Behandlung von Ortsdurchfahrten im Zuge der Bundesstraßen ‑ Ortsdurchfahrtenrichtlinien - (ODR), Fassung vom August 2008, eingeführt durch Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 14/2008, VkBl. 2008, S. 459, Abbildung 3, S. 11.
85(c) Selbst wenn entgegen den vorgenannten Ausführungen in dem Bereich zwischen der klägerischen Zufahrt und der Zufahrt zum Grundstück C. M.---straße 152 eine Zäsur im Hinblick auf die Erschließungsfunktion der B 70 zu sehen sein sollte, so würde das Anbauverbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FStrG für das Bauvorhaben des Klägers dennoch nicht greifen. Der Anschluss an die B 70 über die vorhandene Zufahrt erfolgt dann immer noch in einem Teil der Bundesstraße, der der Erschließung der anliegenden Grundstücke dient. Dies folgt daraus, dass es für den Umfang des Erschließungsbereichs auf eine Einzelfallbetrachtung ankommt,
86vgl. Engelbrecht, Die Errichtung von Werbeanlagen an öffentlichen Straßen, DÖV 2012, 876 (877),
87und bei der Untersuchung der Erschließungsfunktion jeweils die erste und letzte Erschließungsanlage entscheidend sind.
88Vgl. Fickert, Straßenrecht in Nordrhein‑West-falen, Kommentar, 2. Auflage 1989, § 5 Rn. 20, m. w. N.
89Unterstellt, dem Abschnitt der B 70 zwischen der klägerischen und der Zufahrt zum Grundstück C. M.---straße 152 komme eine Zäsurwirkung im Hinblick auf ihre Erschließungsfunktion zu, wäre angesichts der bereits oben dargestellten tatsächlichen Verhältnisse die schon bestehende Zufahrt zum klägerischen Grundstück die „letzte Erschließungsanlage“ der Ortsdurchfahrt. Dies gilt auch, sofern die klägerische Zufahrt nach Abriss des Wohnhauses C. M.---straße 118 für die Bewertung mangels straßenrechtlichen Bestandsschutzes unberücksichtigt bleiben muss. Denn diese Zufahrt dient nicht nur dessen Erschließung, sondern ist gleichzeitig die (bestandsgeschützte) Zufahrt zu den Grundstücken C. M.---straße 110 und 110a. Warum angesichts dessen, insbesondere aber vor dem Hintergrund der bereits oben im Einzelnen dargelegten tatsächlichen Situation, vor allem den 60 m langen Streckenabschnitt vom Ende der festgesetzten Ortsdurchfahrt bis zur Zufahrt zum Grundstück des Klägers betreffend [s. hierzu die Ausführungen unter B.II.1.c.bb.(2)(a)], eine Erschließungsfunktion der B 70 mit der festgesetzten Ortsdurchfahrt bzw. an der Einmündung des C1.------wegs enden sollte, ist nicht ersichtlich.
902. Ein Anbauverbot ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG. Danach dürfen u. a. längs der Bundesstraßen Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 20 m außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten, jeweils gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn, nicht errichtet werden. Ein Anbauverbot nach dieser Vorschrift scheitert ebenfalls daran, dass das klägerische Grundstück nach den obigen Feststellungen nicht außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrt liegt. Zudem greift das Anbauverbot nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG selbst dann nicht (mehr), wenn eine Erschließungsfunktion der B 70 nur bis zur klägerischen Zufahrt anzunehmen wäre. Denn das Anbauverbot ist auf dem gesamten Abschnitt von der festgesetzten Ortsdurchfahrt bis zur Einmündung der G.---straße nicht eingehalten. Sämtliche entlang der B 70 vorhandenen Gebäude sind in einem geringeren Abstand als 20 m entfernt von dieser errichtet. Der Zweck des Anbauverbots nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch die Vermeidung von sichtbeeinträchtigenden und ablenkenden Bauten zu gewährleisten,
91vgl. Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 17,
92ist damit auf dem gesamten in Betracht zu nehmenden Abschnitt entfallen.
933. Der Ablehnungsbescheid vom 23. Januar 2013 ist rechtswidrig. Der Kläger bedarf keiner Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 8 FStrG. Denn mit Blick auf die unter B.II.1. und 2. getroffenen Feststellungen besteht für das Vorhaben des Klägers kein Anbauverbot nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FStrG.
94C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
95Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
96D. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.