Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der am xx. Februar 1963 geborene Kläger stand als Polizeibeamter im Dienst des beklagten Landes und war beim Polizeipräsidium P. tätig.
3Am 9. Februar 2006 war er an einem Einsatz beteiligt, bei dem eine gerichtlich angeordnete Wohnungsdurchsuchung durchgesetzt werden sollte. Der Wohnungsinhaber leistete Widerstand und übergoss den Kläger mit einer brennenden Flüssigkeit. Der Kläger gab dabei einen Schuss aus seiner Dienstwaffe ab, durch den niemand verletzt wurde.
4Am 1. Dezember 2006 nahm er an einem Einsatz gegen einen mutmaßlich geistig verwirrten Mann teil, in dessen Verlauf dieser sich durch einen Kopfschuss selbst tötete.
5Mit Schreiben vom 15. November 2007 beantragte der Kläger beim Polizeipräsidium P. die Anerkennung des Vorfalls vom 9. Februar 2006 als Dienstunfall.
6Ab dem 15. November 2007 war er dienstunfähig erkrankt. In der Zeit vom 20. November 2007 bis zum 6. Februar 2008 wurde er stationär und vom 6. Februar 2008 bis zum 20. Februar 2008 teilstationär im St. W. -Hospital in E. wegen einer schweren depressiven Episode und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) behandelt. In der Zeit vom 8. Mai 2008 bis zum 19. Juni 2008 befand er sich zur stationären Behandlung in der Klinik G. in C. T. . Dort wurden eine mittelgradige depressive Episode und die Teilsymptomatik einer PTBS diagnostiziert.
7Mit Schreiben vom 21. Juli 2008 bat das Polizeipräsidium P. den polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums C1. um Untersuchung und Begutachtung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Vorfalls vom 9. Februar 2006 als Dienstunfall (§ 31 BeamtVG) und für die Gewährung von Unfallausgleich (§ 35 BeamtVG) gegeben seien.
8Der polizeiärztliche Dienst des Polizeipräsidiums C1. holte daraufhin ein nervenfachärztlich-psychotherapeutisches Fachgutachten der Psychosomatischen Fachklinik C. Q. ein. Der Kläger wurde vom 4. November 2008 bis zum 6. November 2008 stationär in die dortige Fachklinik aufgenommen. Nach dem von Dr. med. U. erstellten und von Prof. Dr. N. als Gesamtverantwortlichem gezeichneten Gutachten vom 2. Dezember 2008 leidet der Kläger an einer mittelgradigen depressiven Episode und einer durch das Unfallereignis vom 9. Februar 2006 ausgelösten PTBS. Eine Polizeidienstfähigkeit sei derzeit ebenso wenig gegeben wie eine allgemeine Dienstfähigkeit. Nach einer ergänzenden Stellungnahme vom 29. Januar 2009 liegt beim Kläger unter Berücksichtigung der Vorbefunde, der ausführlichen Anamnese und Verhaltensbeobachtung während des stationären Aufenthalts in C. Q. sowie aller Besonderheiten des vorliegenden Falles eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert vor. Diese Einschätzung erfolge analog den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ sowie unter Berücksichtigung der „C. Q1. Klassifikation psychischer Traumafolgen“. Oberregierungsmedizinalrat Dr. L. vom polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums C1. schloss sich den gutachterlichen Feststellungen mit polizeiärztlichen Gutachten vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 an.
9Mit Bescheid vom 13. März 2009, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, erkannte das Polizeipräsidium P. den Vorfall vom 9. Februar 2006 als Dienstunfall an und teilte dem Kläger mit, dass ab dem 15. November 2007 eine MdE von 30 vom Hundert gegeben sei; damit habe er einen Anspruch auf Unfallausgleich gemäß § 35 BeamtVG, über dessen genaue Höhe ihn das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) benachrichtigen werde.
10Der Kläger wurde mit Ablauf des 31. Mai 2009 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Seither erhält er Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung eines Unfallruhegehalts nach § 36 BeamtVG sowie einen Unfallausgleich nach § 35 BeamtVG.
11Am 30. Juni 2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. März 2009 und führte aus: Es sei lediglich eine MdE von 30 vom Hundert festgestellt worden, was zu einem monatlichen Unfallausgleich von 120,- Euro führe. Die MdE sei jedoch zu niedrig angesetzt worden, da er angesichts des gegebenen Beschwerdebilds keine Möglichkeit habe, einer Erwerbsarbeit nachzugehen und somit zu 100 % erwerbsgemindert sei. Ferner legte der Kläger eine ärztliche Stellungnahme der ihn behandelnden Fachärztin Dr. F. (Opferschutzambulanz des Klinikums E1. ) vom 8. Juni 2009 vor, in der diese zwar der durch Prof. Dr. N. gestellten Diagnose zustimmte, die von diesem festgestellte MdE jedoch mit der Begründung kritisierte, dass der Kläger angesichts der gegebenen Symptomatik derzeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe.
12Mit Schreiben vom 29. September 2009 gab das Polizeipräsidium P. den Vorgang unter Hinweis auf die Versorgungszuständigkeitsverordnung an das LBV ab. Dieses beauftragte mit Schreiben vom 20. Januar 2010 das Institut für ärztliche Begutachtung in E2. mit der Erstellung eines Zweitgutachtens zu der beim Kläger vorliegenden MdE. Das beauftragte Institut teilte mit gutachterlicher Stellungnahme vom 28. Januar 2010 mit, dass die vorliegenden Gutachten des Prof. Dr. N. und des Dr. L. nach Auswertung der Akten schlüssig seien.
13Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wies das LBV den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13. März 2009 als unbegründet zurück.
14Der Kläger hat am 2. März 2010 Klage erhoben. Die Festsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 30 vom Hundert sei angesichts der bestehenden Beeinträchtigungen nicht nachvollziehbar.
15Der Kläger hat beantragt,
16das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums P. vom 13. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 8. Februar 2010 zu verpflichten, dem Kläger einen Unfallausgleich aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v.H. ab dem 15. November 2007 in Höhe von 624,- Euro, ab dem 1. Juli 2008 in Höhe von 631,- Euro, ab dem 1. Juli 2009 in Höhe von 646,- Euro und ab dem 1. Juli 2011 in Höhe von derzeit 652,- Euro zu gewähren und den Nachzahlungsbetrag ab dem 2. März 2010 mit 5 v.H. über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
17Der Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Das Verwaltungsgericht hat das beklagte Land mit dem angefochtenen Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses unter Aufhebung des Bescheids vom 13. März 2009 und des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2010 verpflichtet, dem Kläger einen Unfallausgleich aufgrund einer MdE von 60 vom Hundert ab dem 15 November 2007 in Höhe von 276,- Euro, ab dem 1. Juli 2008 in Höhe von 279,- Euro, ab dem 1. Juli 2009 in Höhe von 286,- Euro und ab dem 1. Juli 2011 in Höhe von 289,- Euro zu gewähren und den Nachzahlungsbetrag zu verzinsen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die durch Prof. Dr. N. gestellte Diagnose einer PTBS sei zwar überzeugend. Es verbiete sich aber angesichts der gravierenden Folgen der Erkrankung des Klägers, eine MdE von lediglich 30 vom Hundert anzusetzen. Die MdE des Klägers sei mit 60 vom Hundert anzusetzen. Für diese Feststellung böten die vorliegenden ärztlichen Gutachten eine hinreichende Grundlage. Die gegenteilige Auffassung des Prof. Dr. N. könne nicht überzeugen, denn die von ihm herangezogenen „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ seien mittlerweile überholt. Die aktuellen Richtlinien für die Begutachtung sähen für entsprechende Krankheitsbilder eine MdE von mindestens 30 vom Hundert vor. Auch unter Heranziehung der von Prof. Dr. N. selbst mitentwickelten „C. Q1. Klassifikation“ sei es kaum sachgerecht, dass bei Feststellung der MdE nicht von einem Rahmen zwischen 50 und 70 vom Hundert ausgegangen worden sei, da der Gutachter auch mittelgradige soziale Anpassungsstörungen festgestellt habe. Eine Neubegutachtung sei gleichwohl nicht veranlasst. Das Gericht könne die MdE aufgrund der „C. Q1. Klassifikation“ selbst festsetzen. Dabei sei angesichts der von Prof. Dr. N. ermittelten Symptomatik von einem Rahmen zwischen 50 und 70 vom Hundert auszugehen. Die festgestellten Symptome lägen dabei im mittleren Bereich, so dass seitens des Gerichts eine MdE von 60 vom Hundert anzunehmen sei.
20Der Beklagte hat gegen das ihm am 17. Februar 2012 zugestellte (berichtigte) Urteil am 22. Februar 2012 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Der Senat hat mit Beschluss vom 28. Februar 2013 die Berufung zugelassen und mit Beschluss vom 3. April 2013 Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden medizinischen Gutachtens zu der Frage, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die in dem Gutachten vom 2. Dezember 2008 und der ergänzenden Stellungnahme vom 29. Januar 2009 bezeichneten dienstunfallbedingten gesundheitlichen Störungen während des Zeitraums vom 15. November 2007 bis zum 28. Februar 2010 gemindert und wie hoch während dieses Zeitraums der entsprechende Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit war. Auf das daraufhin erstellte Gutachten vom 17. Juni 2013 wird Bezug genommen.
21Der Kläger trägt im Wesentlichen vor: Es sei angesichts seines gesundheitlichen Zustandes nicht nachvollziehbar, dass seine Erkrankung im Bereich von Nr. 3.7 der Versorgungsmedizin-Verordnung nur in die Kategorie „stärker behindernde Störungen“ und nicht in die Kategorie „schwere Störungen“ eingeordnet worden sei. Der Gutachter sei entgegen den gerichtlichen Vorgaben davon ausgegangen, einige Symptome seien nicht dienstunfallbedingt. Zudem würden die Vorbehandlungen verharmlosend dargestellt. Insgesamt sei er der Auffassung, das vorhandene Gutachten könne verwertet werden. Die Feststellung der MdE sei keine medizinische Frage, sondern eine Rechtsfrage, die durch das Gericht zu entscheiden sei.
22Der Kläger beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Der Beklagte beantragt,
25das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
26Er trägt vor: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Unfallausgleichs auf der Grundlage einer MdE von 100. Dies ergebe sich aus den vorliegenden Gutachten. Der beweispflichtige Kläger habe keinen Nachweis für eine höhere MdE erbracht. Die Mitwirkung an einer weiteren Aufklärung habe er verweigert.
27Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Gutachter Dr. med. U. gehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der durch den Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) und der über den Kläger geführten Personalakte (5 Hefte) Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Die zulässige Berufung, über die im Einverständnis mit den Beteiligten der Berichterstatter anstelle des Senats (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO) entscheidet, hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben.
31Die Klage ist als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Jedoch ist die Klage unbegründet. Die Ablehnung eines höheren Unfallausgleichs ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Unfallausgleich auf Grund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von mehr als 30 vom Hundert.
32Für die Unfallfürsorge ist grundsätzlich das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2013 – 2 C 9.12 – m.w.N., juris; OVG NRW, Urteil vom 22. April 2010 – 3 A 258/08 -.
34Zum Unfallzeitpunkt im Februar 2006 war hiernach das Beamtenversorgungsgesetz des Bundes in der damals geltenden Fassung
35Bekanntmachung der Neufassung des Beamtenversorgungsgesetzes vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818).
36anzuwenden (nachfolgend: BeamtVG a.F.). Nach § 35 Abs. 1 BeamtVG a.F. erhält der infolge eines Dienstunfalls verletzte Beamte, der in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, einen Unfallausgleich, der in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1 bis 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) gewährt wird. Wesentlich im Sinne dieser Vorschrift ist eine Erwerbsbeschränkung, wenn sie mindestens 25 vom Hundert beträgt.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2013 ‑ 3 A 613/12 -; Urteil vom 22. April 2010 – 3 A 258/08 -.
38Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG a.F. nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Der Begriff „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ ist für die beamtenrechtliche Dienstunfallfürsorge auch nach Neufassung des Bundesversorgungsgesetzes mit dem Vomhundertsatz in Höhe des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 31 Abs. 1 BVG weiter zu verwenden.
39Bayerischer VGH, Urteil vom 29. Juli 2010 – 3 B 09.659 –, juris; Brockhaus, in: Schutz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 35 BeamtVG, Rn. 25, 26.
40Der versorgungsrechtliche Begriff der „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ stellt auf die Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben ab. Maßstab ist damit die Fähigkeit, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich im gesamten Bereich des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen.
41BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2013 – 2 B 57.12 –, juris; Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 27.99 -, BVerwGE 112, 92.
42Auf den bisherigen Beruf oder die bisherige Tätigkeit wird dabei nicht abgestellt.
43OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Januar 2011 – OVG 4 B 32.10 –, juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 29. Juli 2010 – 3 B 09.659 –, juris.
44Entgegen der Ansicht des Klägers ist bei der Feststellung der MdE nicht gesondert zu berücksichtigen, dass er den Beruf verloren hat. § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG a.F. verweist hinsichtlich der Höhe der Grundrente auf § 31 Abs. 1 bis 4 BVG, nicht hingegen auf § 30 Abs. 2 BVG.
45Der Grad der MdE ist aufgrund eines ärztlichen Gutachtens festzustellen. Dabei bilden allgemeine Erfahrungssätze, in Tabellen und Empfehlungen enthaltene Richtwerte, also antizipierte Sachverständigengutachten, in der Regel die Basis für die Bewertung der MdE durch den Sachverständigen. Bei allen Richtwerten handelt es sich um Orientierungshilfen. Der Sachverständige kann sich an der Versorgungsmedizin-Verordnung ebenso wie an Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung oder an Nr. 35.2.4 der Verwaltungsvorschrift zu § 35 BeamtVG orientieren. Die konkrete Bewertung muss jedoch stets auf die Besonderheiten der MdE des betroffenen Beamten abstellen. Entscheidend ist, dass der Sachverständige bei seiner dienstunfallrechtlichen Bewertung als Maßstab die körperliche Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu Grunde legt.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2011 - 3 A 3339/08 -; Bayerischer VGH, Beschluss vom 1. Februar 2013 – 3 ZB 11.1166 -, juris; Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, § 35, Erl. 7.1; Plog/Wiedow, BeamtVG, § 35, Rn. 50 ff.
47In Anwendung dieser Maßstäbe ist der Senat auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 15. November 2007 bis zum 28. Februar 2010 eine MdE von 30 vorlag. Dies ergibt sich aus dem nervenfachärztlich-psychotherapeutischen Gutachten vom 2. Dezember 2008, der zusätzlichen Stellungnahme vom 29. Januar 2009 sowie dem nervenfachärztlich-psychotherapeutischen Gutachten nach Aktenlage vom 17. Juni 2013.
48Das erstgenannte Gutachten beruht auf einer Auswertung der Vorbefunde, einer Anamneseerhebung und Verhaltensbeobachtung des Klägers während eines stationären Aufenthalts vom 4. bis 6. November 2008, einer körperlichen Untersuchung, EKG- und EEG-Untersuchungen sowie der Testpsychologie. Es stellt die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F 43.1) sowie einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10: F 32.1).
49In der ergänzenden Stellungnahme gelangt der Gutachter unter Berücksichtigung von Nr. 26.3 der (seinerzeit geltenden) „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“
50abrufbar beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Rundschreiben-SE/Anhaltspunkte-aerztliche-Gutachtertaetigkeit.pdf;jsessionid=AFDC218DC7149F3BEE11D30294A3E551?__blob=publicationFile
51zu dem Ergebnis, dass die Kriterien zur Einstufung in „stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ erfüllt sind und dafür eine Einstufung in eine MdE von 30 bis 40 vorgesehen ist.
52Auch unter Berücksichtigung der „C. Q1. Klassifikation psychischer Traumafolgen“
53- N. /Okon/U. /Tödt/Heuft,
54Empfehlungen zur Diagnostik und sozialmedizinischen Bewertung von dienstlich verursachten Psychotraumata bei Polizeibeamten, in: Der medizinische Sachverständige 2008, Seite 224 ff. -
55sei eine Einschätzung in Höhe von 30 vom Hundert vorzunehmen.
56Der generelle Einschätzungsrahmen ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht überholt. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im November 2008 vielmehr beschlossen, dass ein Grad der Schädigung von wenigstens 30 gerechtfertigt ist, wenn alle Kriterien der PTBS erfüllt sind.
57Tagung vom 6. bis 7. November 2008, Beschluss zu posttraumatischer Belastungsstörung - Klinik und Begutachtung zu Punkt 1.1 der Sitzung der Sektion „Versorgungsmedizin“ des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMA am 12./13. November 1997 - Az.: 65-50122-2/38;
58abrufbar ebenfalls beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter
59http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Rundschreiben-SE/rundschreiben-soziale-entschaedigung-IVc-3-46052-2-60.pdf;jsessionid=AFDC218DC7149F3BEE11D30294A3E551?__blob=publicationFile.
60Das Verwaltungsgericht war nicht berechtigt, die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf der Grundlage des Gutachtens vom 2. Dezember 2008 und der ergänzenden Stellungnahme vom 29. Januar 2009 selbst festzusetzen. Sollte es angesichts der recht knappen Begründung für das Vorliegen einer MdE von 30 in der ergänzenden Stellungnahme Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung gehabt haben, so hätte eine (schriftliche oder mündliche) Erläuterung durch den Gutachter zum Zwecke einer Substantiierung bzw. einer erneuten Überprüfung nahe gelegen.
61Der erkennende Senat hat den Gutachter um ein ergänzendes Gutachten gebeten, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die dienstunfallbedingten gesundheitlichen Störungen während des Zeitraums vom 15. November 2007 bis zum 28. Februar 2010 gemindert und wie hoch während dieses Zeitraums der entsprechende Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit war.
62Der Gutachter führt in seinem Gutachten vom 17. Juni 2013 aus, in den psychischen Befunden aller stationären Aufenthalte wie auch der stationären Begutachtung seien die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung und der Depression geschildert worden. Darüber hinausgehende schwere Einschränkungen der Alltagsfähigkeit würden jedoch nicht beschrieben. Auch fänden sich in den ärztlichen Berichten keine Hinweise auf höhergradige Einschränkungen der Alltagsfähigkeit während der Behandlungen. Zur Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit sei es erforderlich, die besonderen Einzelheiten des Falles zu bewerten. Einen Anhaltspunkt lieferten die Tabellen der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV).
63Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I Seite 2412), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 11. Oktober 2012 (BGBl. I Seite 2122).
64Nr. 3.7 der GdS-Tabelle in Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV verhalte sich zu Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen. Bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) werde ein Rahmen von 30 bis 40 vom Hundert vorgesehen. Bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) sei eine Einstufung von 50 bis 70 vom Hundert vorgesehen, wenn es sich um mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten handele; bei schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten gelte ein Rahmen von 80 bis 100 vom Hundert.
65Es sei unter Würdigung aller ärztlicher Berichte und unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizin-Verordnung auch aus heutiger Sicht die Einschätzung einer (damaligen) MdE von 30 angemessen. Eine höhere MdE sei hingegen nicht gerechtfertigt. Es gebe keine Hinweise auf derart starke Einschränkungen, dass der Kläger etwa nicht mehr in der Lage gewesen wäre, seinen Tagesablauf eigenständig zu gestalten, oder nicht an therapeutischen Maßnahmen hätte teilnehmen können, wie dies etwa bei schwereren Störungen der Fall sei. Im Hinblick auf die „C. Q1. Klassifikation psychischer Traumafolgen“ seien alle Faktoren im Rahmen von 30 bis 40 erfüllt. Zwar bestünden auch Teilaspekte, die im Rahmen von 50 bis 70 aufgeführt seien, aber nicht in dem Maße, dass eine Einschätzung in diesem Rahmen gerechtfertigt sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits in den Jahren 2000 bis 2002 Schlafstörungen entwickelt habe und es im Jahr 2005 zu Eheproblemen gekommen sei.
66Der Senat macht sich diese umfassenden und überzeugenden Erwägungen des Gutachters, die dieser in der mündlichen Verhandlung ausführlich und nachvollziehbar erläutert hat, zu eigen. Hiernach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in dem hier in Rede stehenden Zeitraum bei dem Kläger eine MdE von 30 vom Hundert vorlag.
67Ein weiteres Gutachten musste nicht eingeholt werden, so dass der hierauf bezogene Beweisantrag des Klägers abgelehnt werden konnte (§ 86 Abs. 2 VwGO). Die vorhandenen Gutachten reichen aus, um dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen.
68Es besteht keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Feststellungen des Gutachters zu zweifeln. An seiner Sachkunde und Unparteilichkeit bestehen keine Zweifel. Der Gutachter hat in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, er habe als Oberarzt in der Psychosomatischen Klinik in C. Q. langjährige Erfahrung in der Bewertung einer posttraumatischen Belastungsstörung. Beispielhaft nannte er Fälle von Polizeibeamten mit traumatischen Erlebnissen, von Soldaten nach Rückkehr von Auslandseinsätzen sowie von Überfallopfern.
69Der Gutachter ist von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen und hat seinen Gutachten einen vollständigen Sachverhalt zu Grunde gelegt. Er hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, er habe den Kläger selbst untersucht und mit ihm Gespräche geführt. Er habe die vorliegenden ärztlichen Berichte und Therapieverläufe ausgewertet. Des Weiteren habe er die Alltagsfähigkeit des Klägers unter Klinikbedingungen sowie die Beschreibung des Klägers über seinen Alltag und seinen Tagesablauf zu Hause ausgewertet, um zu bewerten, welche Ressourcen der Kläger habe. Schließlich habe er den Leitenden Psychologen P1. zur Untersuchung herangezogen und es habe ein Abschlussgespräch mit dem Chefarzt, Herrn Prof. Dr. N. , stattgefunden. Dies wird vom Kläger nicht durchgreifend in Frage gestellt. Soweit er sich dahingehend geäußert hat, der Gutachter habe ihm im Abschlussgespräch geraten, sich in stationäre Therapie zu begeben, weil er sonst als Alkoholiker ende, gilt nichts anderes. Zwar hat er dies mithilfe eines Schreibens an den Polizeiarzt Dr. L. mittelbar substantiiert. Der Gutachter hat dies jedoch in Abrede gestellt und ausgeführt, er erinnere sich an das Abschlussgespräch, in dem er dem Kläger geraten habe, die psychopharmakologische Therapie und die verhaltenstherapeutische Behandlung weiterzuführen. Eine Alkoholproblematik sei bei dem Kläger nie ein Thema gewesen. Hierfür ergeben sich auch aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte. Unabhängig davon würde eine solche Äußerung – sollte sie so gefallen sein – die vollständige Auswertung der Berichte und Therapieverläufe nicht infrage stellen.
70Die Kritik des Klägers, die ärztlichen Berichte und Therapieergebnisse seien unzutreffend, weil es ihm schlechter als dargestellt gegangen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat bereits nicht substantiiert vorgetragen, welche Berichte in welcher Hinsicht unrichtig sein sollten. Hinzu kommt, dass auch die vom Kläger vorgelegte ärztliche Stellungnahme der ihn behandelnden Fachärztin Dr. F. von der Opferschutzambulanz des Klinikums E1. vom 8. Juni 2009 der Diagnose zustimmte und lediglich die festgestellte MdE kritisierte. Unabhängig davon kann der Gutachter nur die vorliegenden ärztlichen Unterlagen auswerten. Zudem hat er sich – wie oben dargestellt – auch ein eigenes umfassendes Bild von dem Kläger und dessen Ressourcen gemacht.
71Die Gutachten weisen auch keine erkennbaren Mängel oder unlösbaren Widersprüche auf. Es besteht kein Widerspruch zwischen dem ersten Gutachten vom 2. Dezember 2008 und der ergänzenden Stellungnahme vom 29. Januar 2009 einerseits und dem Gutachten vom 17. Juni 2013 andererseits. Der Gutachter hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass das erste Gutachten eine andere Zielrichtung hatte. Es sollte diagnostiziert werden, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei dem Kläger gegeben sind, insbesondere ob eine PTBS vorliegt. Das zweite Gutachten sollte hingegen ausdrücklich den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit für den streitgegenständlichen Zeitraum nochmals begutachten und begründen. Deshalb habe er in diesem Gutachten auch berücksichtigt, dass bereits vor dem Unfallereignis gewisse gesundheitliche Einschränkungen beim Kläger bestanden. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Schlafstörungen in den Jahren 2000 bis 2002 und die Eheprobleme im Jahr 2005 hätten keine Berücksichtigung finden dürfen. Denn die darauf beruhenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wirkten nach dem Unfallereignis im Jahr 2006 fort, auch wenn sich die familiäre Situation des Klägers – wie er vorträgt – danach nochmals verschärft hat.
72Entgegen der Ansicht des Klägers sind die vorliegenden Gutachten auch plausibel. Es ist zur Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit schwerpunktmäßig auf das Gutachten vom 17. Juni 2013 abzustellen, da das Gutachten vom 2. Dezember 2008 vorrangig unter dem Blickwinkel der Feststellung der Erkrankung des Klägers verfasst wurde und die ergänzende Stellungnahme vom 29. Januar 2009 sich nur recht knapp mit der Minderung der Erwerbsfähigkeit beschäftigt. Der Gutachter hat zutreffend die seit dem 1. Januar 2009 geltende Versorgungsmedizin-Verordnung herangezogen. Er hat im Gutachten und in der mündlichen Verhandlung ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass bei dem Kläger eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne von Nr. 3.7 der GdS-Tabelle in Teil B der Anlage zu § 2 VersMedV vorliege und dafür ein Rahmen von 30 bis 40 vom Hundert vorgesehen sei. Dies ergebe sich aus den herangezogenen ärztlichen Berichten und aus dem Ergebnis der stationären Begutachtung. Dieser Einordnung steht nicht entgegen, dass bei dem Kläger – wie der Gutachter selbst anführt – Teilaspekte bestanden, die in dem Rahmen von 50 bis 70 aufgeführt sind. Der Gutachter begründet dies damit, dass sich an keiner Stelle Hinweise auf derart starke Einschränkungen fänden, dass der Kläger etwa nicht mehr in der Lage gewesen wäre, seinen Tagesablauf eigenständig zu gestalten oder nicht mehr an therapeutischen Maßnahmen hätte teilnehmen können, wie dies bei schwereren Störungen (zum Beispiel einer schweren Zwangskrankheit) der Fall sei. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar. Dem steht nicht der Vortrag des Klägers entgegen, er habe in seinem Alltag zu Hause „irgendetwas“ gemacht, um beschäftigt zu sein. Denn dies steht nicht der gutachterlichen Einschätzung entgegen, dass er in der Lage war, seinen Tagesablauf (im Alltag und in der Klinik) eigenständig zu gestalten. Der Gutachter hat auch zutreffend in die Bewertung einbezogen, dass der Kläger zwar den Kontakt zu Kollegen abgebrochen hat, aber in ein familiäres Umfeld eingebunden war. Er hatte nach eigenem Bekunden über seine eigene Familie hinaus Kontakt zu seinen Eltern und ein gutes Verhältnis zu seinem Bruder. Der Gutachter weist hinsichtlich einer Einordnung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in den Rahmen von 30 bis 40 vom Hundert auch darauf hin, dass man keineswegs anhand von Tabellen und nach Aktenlage wie in einer Checkliste Symptome abhaken könne. Dies widerspreche den Grundsätzen der Versorgungsmedizin-Verordnung, wonach stets der Einzelfall mit seinen Besonderheiten zu berücksichtigen sei.
73Vgl. Teil B, Nr. 1 der Anlage zu § 2 VersMedV.
74Vor diesem Hintergrund liegt auch keine Abweichung von der „C. Q1. Klassifikation psychischer Traumafolgen“ vor, die der Gutachter auf der Grundlage seiner umfangreichen beruflichen Erfahrung selbst mit entwickelt hat. Unabhängig davon mag diese eine fachliche Arbeitshilfe darstellen; rechtlich verbindlich ist sie nicht.
75Die Gutachten sind auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 6./7. November 2008 nicht zu beanstanden, wonach bei Vorliegen aller Kriterien einer PTBS ein Grad der Schädigung von wenigstens 30 gerechtfertigt sei. Der Kläger kann daraus nicht mit Erfolg ableiten, dass ihm nicht nur eine „Mindest-MdE“ zuerkannt werden dürfe. Es wurde oben bereits ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen eine Einordnung in den Rahmen von 30 bis 40 vom Hundert nicht zu beanstanden ist.
76Innerhalb dieses Rahmens hat der Gutachter nachvollziehbar dargelegt, dass in einer notwendigerweise vergleichenden Betrachtung einer Vielzahl von Fällen vorliegend eine MdE von 30 vom Hundert angemessen ist. Soweit er bei der Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung auch eine MdE von 40 als annehmbar bezeichnet hat, ergibt sich nichts anderes. Der Gutachter hat dies nur als Möglichkeit erwogen, so dass sich das Gericht nicht die hierfür notwendige volle Überzeugungsgewissheit verschaffen konnte. Der beweispflichtige Kläger hat den notwendigen Beweis hierfür nicht erbracht.
77Vgl. zu den im Dienstunfallrecht geltenden allgemeinen Beweisgrundsätzen BVerwG, Urteil vom 28. April 2011 – 2 C 55.09 -, ZBR 2012, 38; Beschluss vom 11. März 1997 – 2 B 127.96 –, juris; Urteil vom 22. Oktober 1981 – 2 C 17.81 –, NJW 1982, 1893.
78Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Gutachter hätte seine Einschätzung revidiert und die Einholung einer anderen Meinung empfohlen. Dies trifft nicht zu. Abgesehen davon, dass der Kläger im gesamten Verfahren die Gutachten ausdrücklich als ausreichende Grundlage angesehen hat, war dieser Passus auf Seite 28 des Gutachtens während der Anwesenheit des Gutachters nicht Thema in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger hat diese Behauptung erst aufgestellt, nachdem der Gutachter im allseitigen Einverständnis entlassen worden war und hierzu nicht mehr befragt werden konnte. Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang bleiben, dass der Kläger eine vom LBV seinerzeit erwogene erneute Begutachtung vehement abgelehnt hatte, wie sich aus seiner Email vom 22. Januar 2010 mehr als deutlich ergibt. Dies alles kann jedoch dahin stehen. Tragend sind allein folgende Erwägungen: Der in Rede stehende Satz, dass es für den Gutachter nicht nachvollziehbar sei, dass bei strittiger Höhe der MdE nicht eine erneute Begutachtung erfolgte, kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Unmittelbar danach legt der Gutachter nämlich dar, dass eine erneute Begutachtung ohnehin wegen eines eventuell veränderten Gesundheitszustandes für das Jahr 2010 empfohlen wurde. Zudem hat der Gutachter nicht im Ansatz dargelegt, dass er – etwa aufgrund einer zu dünnen Tatsachengrundlage oder wegen fehlender Fachkenntnisse – die Einholung einer weiteren Meinung anregt. Das Gegenteil ist nach dem Gutachten und den ausführlichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung der Fall. Hier haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass der Gutachter sich von seinem Gutachten distanzieren würde. Unabhängig davon steht nicht dem Gutachter, sondern allein dem Gericht die Entscheidung über die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens zu. Es ist vor diesem Hintergrund widerspruchsfrei und plausibel, dass beim Kläger eine MdE von 30 vom Hundert vorlag.
79Nicht tragend pflichtet der Senat dem Gutachter bei, der bereits in seinem Gutachten vom 2. Dezember 2008 eine Nachuntersuchung des Klägers nach etwa zwei Jahren und damit im Jahr 2010 empfohlen hat. Dieser Empfehlung wurde – bis heute – nicht Rechnung getragen. Weder der Kläger noch der Beklagte haben die Entwicklung der MdE im Zeitraum seit dem Jahr 2010 untersuchen lassen. Der Beklagte hat damit den Gesundheitszustand des Klägers nicht „unter Kontrolle“ gehalten. Der (anwaltlich vertretene) Kläger hat keinen erneuten Antrag unter Hinweis auf einen (möglicherweise) veränderten Gesundheitszustand gestellt.
80Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 8. Februar 1994 – 6 A 2089/91 -, RiA 1995, 298.
81Da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren Unfallausgleichs hat, besteht auch kein Anspruch auf die von ihm geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen.
82Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
83Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
84Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, § 127 BRRG nicht vorliegen.