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Ist ein Körperschaden als Dienstunfallfolge zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bereits ausgeheilt, ist die Behörde zu verpflichten, den Körperschaden für den Zeitraum vom Eintritt des Schadens bis zum Zeitpunkt der Heilung als Dienstunfallfolge anzuerkennen.
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung wie folgt neu gefasst wird: Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 1. Oktober 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2011 verpflichtet, als Folge des Dienstunfalls vom 19. Oktober 2009 auch die Verletzung am linken Auge, nämlich die Perforation des Sickerkissens, für die Zeit bis zu der am 26. Oktober 2009 festgestellten Spontanheilung anzuerkennen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Der Kläger steht als Fernmeldehauptsekretär im Dienst der Beklagten. Er ist praktisch blind. Sein rechter Augapfel ist entfernt. Das linke Auge wurde wegen einer Glaukomerkrankung im Jahre 1967 in einer Operation mit einem sog. Sickerkissen versehen. Dabei wurde die Augenlederhaut an einer Stelle durchbohrt, damit Kammerwasser aus dem Augeninneren zwischen die Leder- und die normalerweise auf der Lederhaut anliegende Bindehaut fließen kann. Über die Bindehaut wird das Augenwasser vom Körper absorbiert. Auf diese Weise stabilisiert sich der Augeninnendruck. Durch das Kammerwasser wird die Bindehaut über dem Sickerkissen stark gedehnt.
3Am 19. Oktober 2009 knickte der Kläger auf dem Weg zum Dienst beim Gang zur Bushaltestelle an der Bordsteinkante um und stürzte. Dabei fiel er mit der linken Hand und der linken Wange/Schläfe auf die Straße und nahm einen blauen Blitz wahr. Ein Mittelhandknochen der linken Hand brach. Mit Unfallanzeige vom 28. Oktober 2009 teilte der Kläger der Unfallkasse Post und Telekom (im Folgenden: Unfallkasse) dieses Ereignis mit.
4Der Augenarzt Dr. I. stellte am 22. Oktober 2009 einen ungewöhnlich niedrigen Augendruck im linken Auge des Klägers (um 0 bis 2 mmHg) fest. Im Klinikum E. wurde am 23. Oktober 2009 ein Augeninnendruck von 2 mmHG festgestellt. In der Aufnahme- und Entlassungsanzeige desselben Klinikums jeweils vom 26. Oktober 2009 ist als Diagnose „Rissverletzung des Auges ohne Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes“ angegeben. Der Arztbericht des Klinikums E. vom 26. Oktober 2009 nennt als Indikation/Diagnose „Z. n. Nahtinsuffizienz bei Z. n. Glaukom OP“.
5Der von der Beklagten beauftragte Augenarzt Dr. A. erklärte mit Schreiben vom 28. September 2010 u. a., das linke Auge des Klägers sei nach einer Operation eines Sickerkissens besonders empfindlich. Da nach den Unterlagen direkte Krankheitszeichen am Augapfel fehlten, sei die Augeninnendrucksenkung wahrscheinlich schicksalhaft und krankheitsbedingt, nicht aber unfallbedingt.
6Mit Bescheid vom 1. Oktober 2010 erkannte die Unfallkasse das Ereignis vom 19. Oktober 2009 als Dienstunfall und eine Fraktur des linken Handgelenks als Unfallfolge an. Sie hielt das Unfallereignis jedoch nicht für eine wesentliche Ursache der Krankheitsproblematik am linken Auge des Klägers. Die Beklagte lehnte es außerdem ab, dem Kläger einen Unfallausgleich zu gewähren.
7Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 Widerspruch ein. Er wies u. a. darauf hin, seit seiner Operation im Jahre 1967 einen konstanten Augeninnendruck von 18 bis 24 mmHg gehabt zu haben. Seit dem Unfall steige der Druck nicht höher als 2 bis 7 mmHg. Außerdem habe er einen Gesichtsfeldausfall im unteren Bereich, der seine Orientierung weiter einschränke.
8Die Ärzte des Klinikums E. teilten der Unfallkasse auf Nachfrage mit Schreiben vom 10. November 2010 mit, am 23. Oktober 2009 habe sich am linken Auge im Bereich der alten OP-Narbe bei leichtem Druck eine offene Stelle gezeigt, die den niedrigen Augendruck erklärte habe. Dies erkläre auch den vermehrten Tränenfluss beim Kläger nach dem Sturz. Es sei davon auszugehen, dass die offene Wunde am linken Auge unmittelbare Folge des Sturzes vom 19. Oktober 2009 sei. Der Kläger sei am 26. Oktober 2009 zu einer geplanten Fadennachlegung zur Schließung dieser Wunde aufgenommen worden. Bei einer erneuten Kontrolle unmittelbar präoperativ habe sich gezeigt, dass die Wunde spontan verheilt gewesen sei, so dass ein operativer Eingriff nicht mehr notwendig gewesen sei.
9Dr. A. erklärte mit Schreiben vom 23. Dezember 2010, es bleibe auch unter Berücksichtigung des eben genannten Schreibens des Klinikums E. bei seiner vorherigen Stellungnahme.
10Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem in Rede stehenden Gesundheitsschaden am linken Auge und dem Dienstunfall sei nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen.
11Der Kläger hat am 28. Juli 2011 Klage erhoben.
12Der Kläger hat beantragt,
13die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1. Oktober 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2011 zu verurteilen, als Folge des Dienstunfalls vom 19. Oktober 2009 auch die Verletzung am linken Auge, nämlich die Perforation des Sickerkissens, anzuerkennen und wegen der Folgen des Dienstunfalls vom 19. Oktober 2009 einen Unfallausgleich in Höhe von wenigstens 25 v. H. festzusetzen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat den Sturz zumindest im Rechtssinne nicht für ursächlich gehalten. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass das linke Auge zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr gesundheitlich beeinträchtigt gewesen sei.
17Das Verwaltungsgericht hat ein augenärztliches Gutachten des Sachverständigen Dr. med. Q. eingeholt. In seinem Gutachten vom 7. März 2012 und einem ergänzenden Schreiben vom 29. August 2012 hat dieser u. a. ausgeführt, beim vorgeschädigten Auge des Klägers reiche ein relativ leichtes stumpfes Trauma aus, um zur Perforation der Bindehaut zu führen. Dieses Trauma sei mit größter Wahrscheinlichkeit bei dem Unfall eingetreten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten und das genannte Schreiben des Gutachters verwiesen.
18Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, die Perforation des Sickerkissens als Folge des Dienstunfalls des Klägers vom 19. Oktober 2009 anzuerkennen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt: Der Unfall des Klägers sei wesentliche Ursache für die Perforation des Sickerkissens. Dies ergebe sich aus den Ausführungen von Dr. Q. . Der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass die Beklagte diesen Körperschaden als Dienstunfall für die Zeit bis zur Spontanheilung anerkenne.
19Hiergegen haben die Beklagte und zunächst auch der Kläger jeweils im Umfang ihres Unterliegens die Zulassung der Berufung beantragt. Bereits mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2012 hat der Kläger seinen Antrag auf Zulassung der Berufung wieder zurückgenommen.
20Der Senat hat die Berufung der Beklagten durch Beschluss vom 21. August 2014 zugelassen. Zu deren Begründung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die verwaltungsgerichtliche Anerkennung eines Körperschadens als Dienstunfallfolge setze voraus, dass der Schaden im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts fortbestehe. Dies sei hier nicht der Fall. Die Perforation des Sickerkissens sei schon vor Klageerhebung verheilt gewesen. Der Unfall sei außerdem nicht kausal für die Perforation.
21Mit Beschluss vom 12. September 2014 hat der Senat das vorliegende, von der Beklagten geführte Berufungsverfahren vom Verfahren 1 A 2513/12 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 1 A 1860/14 fortgeführt.
22Die Beklagte beantragt,
23das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg abzuändern und die Klage abzuweisen.
24Der Kläger beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Der Sachverständige Dr. Q. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sein Gutachten weiter erläutert. Bezüglich des Inhalts dieser Erläuterungen wird auf das Protokoll über die Verhandlung vor dem Senat verwiesen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der Akte im Verfahren 1 A 2513/12 sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die ausgeheilte Perforation des Sickerkissens für die Zeit bis zur Spontanheilung Folge des Dienstunfalls vom 19. Oktober 2009 ist.
30I. Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Insbesondere liegt das allgemeine Rechtsschutzinteresse vor.
31Ein Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn wie hier ein entsprechender ablehnender Bescheid ergangen ist, dessen (der Bestandskraft fähige) Regelungen der Betroffene nicht akzeptiert.
32Vgl. Senatsurteil vom 23. Mai 2014 – 1 A1988/11 –, juris, Rn. 43 f. m. w. N.
33Dem allgemeinen Rechtsschutzinteresse steht nicht entgegen, dass die Perforation des Sickerkissens schon vor Klageerhebung verheilt war. Denn schon die Frage, aus welchen Mitteln die Kosten für die Untersuchung der Verletzung nach dem Sturz finanziert werden (entweder durch Beihilfemittel und private Krankenversicherung/gesetzliche Krankenkasse oder durch Mittel der Unfallfürsorge nach § 33 BeamtVG), lässt sich nur beantworten, wenn geklärt ist, ob es sich beim Riss am Sickerkissen um eine Dienstunfallfolge handelt.
34Unabhängig davon besteht ein Rechtsschutzinteresse auch aus folgendem Grund: Es kann möglich sein, dass ein zunächst ausgeheilter Körperschaden später zu Folgeerkrankungen führt. Der Betroffene kann aus Gründen der Beweissicherung ein Interesse daran haben, mit Blick auf eine etwaige solche Folge die Ursache der Ausgangserkrankung zeitnah und nicht erst bei einem späteren bzw. erneuten Auftreten einer Krankheit feststellen zu lassen.
35Vgl. OVG Saarl., Urteil vom 22. April 2009 – 1 A 155/08 –, juris, Rn. 24, und VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. April 2010 – 12 K 206/08 –, juris, Rn. 16, 19, jeweils zu einem Zeckenbiss, der noch keine Folgeerkrankungen verursacht hat.
36Das Rechtsschutzinteresse des Klägers lässt sich auch nicht im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. März 2011 – 2 B 37.10 – verneinen. Dort heißt es (juris, Rn. 35): „Die verwaltungsgerichtliche Verpflichtung zur Anerkennung eines Körperschadens als Folge eines Dienstunfalls setzt notwendig voraus, dass der entsprechende körperliche Zustand fortbesteht.“ Dieser Satz betrifft der Sache nach (allein) die Frage, wie lange ein verwaltungsgerichtliches Verpflichtungsurteil wirkt, also den zeitlichen Umfang der Rechtskraft. Dies ergibt sich aus dem Prozesszusammenhang und den übrigen Entscheidungsgründen des Beschlusses:
37Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich unter Ziffer 4, ab Randnummer 30 (juris) der Entscheidung mit der Rüge auseinander, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Spruchreife angenommen. Dem liegt folgende Prozessgeschichte zugrunde: Im Berufungsurteil hatte das Berufungsgericht die Behörde verpflichtet, eine Erkrankung auch für die Zeit nach einem bestimmten Datum als Dienstunfallfolge anzuerkennen (Urteil des Senats vom 19. Februar 2010 – 1 A 15/08 – (n. v.)). Dagegen hatte die Behörde, damals ebenfalls vertreten durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten des vorliegenden Verfahrens, Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision mit der Begründung eingelegt, eine zeitlich unbeschränkte Anerkennung als Dienstunfallfolge dürfe nur erfolgen, wenn es sich um einen irreversiblen Dauerschaden handele. Ein solcher sei aber nicht festgestellt worden. Bei einer nur vorübergehenden Schädigung sei die Anerkennung als Dienstunfallfolge zeitlich zu begrenzen. Dieser Vortrag ergibt sich aus dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 8. Mai 2010 im Verfahren 1 A 15/08 vor dem Senat (dort Seite 13 f.). Darauf hat der Senat in der vorliegenden Sache in der mündlichen Verhandlung am 28. November 2014 hingewiesen.
38Zu dem genannten Vorbringen stellt das Bundesverwaltungsgericht in Randnummer 34 (juris) seines Beschlusses klar, dass es damit um die Frage gehe, ob eine „zeitliche Beschränkung der Verpflichtung zur Anerkennung“ im Berufungsurteil geboten gewesen wäre. Nur darauf beziehen sich die folgenden Ausführungen, also auch der oben zitierte Satz in Randnummer 35. Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, das Berufungsgericht hätte die Verpflichtung der Behörde, einen Schaden als Dienstunfallfolge anzuerkennen, allenfalls dann zeitlich begrenzen dürfen, wenn bereits ein Zeitpunkt, zu dem der Körperschaden als ausgeheilt anzusehen gewesen wäre, festgestanden hätte oder zumindest konkret absehbar gewesen wäre (Rn. 34 bei juris). Ende dieser Zustand, sei also der Körperschaden geheilt, so ändere sich die zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich erheblich. Damit ende die Rechtskraftwirkung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 121 VwGO. Die Behörde sei im Falle einer Ausheilung des Unfallschadens nach Ergehen eines rechtskräftigen Urteils nicht durch die Rechtskraft dieses Urteils gehindert, etwa den Abschluss der unfallbedingten Heilbehandlung festzustellen oder den Zeitraum der dienstunfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit - gegebenenfalls auch auf einen zurückliegenden Zeitpunkt - zu beschränken.
39Damit hat das Bundesverwaltungsgericht der Sache nach entschieden, dass ein Gericht dann eine Behörde verpflichten darf, einen Körperschaden als Dienstunfallfolge mit zeitlicher Begrenzung anzuerkennen, wenn der Körperschaden im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits ausgeheilt ist.
40Vgl. z. B. Bay. VGH, Beschluss vom 15. Oktober 2008 – 14 B 04.3029 –, juris, Rn. 23, und VG Ansbach, Urteil vom 9. Mai 2001 – AN 12 K 97.02157 und AN 12 K 98.00986 –, juris, Rn. 59 f.
41Dies ist auch sachgerecht: § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist nicht zu entnehmen, dass ein Körperschaden im Rahmen eines Dienstunfalls noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht vorliegen muss. Entscheidend ist vielmehr, dass überhaupt ein Körperschaden (aufgrund eines Dienstunfalls) vorgelegen hat. Andernfalls wäre die Anerkennung eines Körperschadens als Dienstunfallfolge von zeitlichen Zufälligkeiten (Dauer der Heilung sowie Dauer des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens) abhängig, die nichts mit einer sachgerechten Risikoverteilung zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten zu tun haben.
42II. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gemäß den §§ 45 Abs. 3 Satz 2, 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG einen Anspruch (dazu 1.) gegen die Beklagte, dass diese die Perforation des Sickerkissens im linken Auge des Klägers als Folge des Dienstunfalls (dazu 2.) vom 19. Oktober 2009 für die Zeit bis zu der am 26. Oktober 2009 festgestellten Spontanheilung anerkennt. Die Beklagte ist daher verpflichtet, den Bescheid vom 1. Oktober 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2011 entsprechend abzuändern (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
431. Nach § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG entscheidet die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle u. a. darüber, ob ein Dienstunfall im Sinne des § 31 BeamtVG vorliegt. Die daraus abzuleitende Entscheidungsbefugnis umfasst auch die Entscheidung darüber, ob bestimmte Leiden (und ggf. welche) Folge eines als Dienstunfall anerkannten bzw. anzuerkennenden Ereignisses sind. Hierüber kann bereits in dem Anerkennungsbescheid oder durch gesonderten Verwaltungsakt entschieden werden. Der betroffene Beamte hat gegenüber seinem Dienstherrn auch einen Anspruch auf eine solche Entscheidung. Das gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - Streit darüber besteht, ob ein bestimmter Körperschaden Dienstunfallfolge ist, und der Dienstherr insoweit eine Anerkennung bereits abgelehnt hat.
44Vgl. Senatsurteil vom 23. Mai 2014 – 1 A 1988/11 –, juris, Rn. 47 f.
452. Die ausgeheilte Perforation des Sickerkissens im linken Auge des Klägers ist für die Zeit bis zur Spontanheilung eine Dienstunfallfolge.
46Ein Dienstunfall ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Ein Körperschaden in diesem Sinne liegt vor, wenn der physische oder psychische Zustand eines Menschen für eine bestimmte Mindestzeit ungünstig verändert ist. Auf die Schwere des Körperschadens kommt es nicht an. Kleinere Körperschäden sind rechtserheblich, wenn der Schaden aus medizinischer Sicht Krankheitswert besitzt.
47Vgl. OVG Saarl., Urteil vom 22. April 2009 – 1 A 155/08 –, juris, Rn. 27; Bauer, in: Stegmüller u. a., BeamtVG, Stand: Aug. 2014, Erl. 4 zu § 31 unter 1.
48Im Dienstunfallrecht der Beamten sind als Ursache im Rechtssinne nur solche für den eingetretenen Schaden ursächliche Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt mitgewirkt haben, die also insofern als „wesentlich“ anzusehen sind (Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache). Dies zielt auf eine sachgerechte Risikoverteilung. Dem Dienstherrn sollen nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit oder die nach der Lebenserfahrung auf sie zurückführbaren, für den Schaden wesentlichen Risiken aufgebürdet werden. Diejenigen Risiken, die sich aus persönlichen, von der Norm abweichenden Anlagen oder aus anderen als dienstlich gesetzten Gründen ergeben, sollen hingegen bei dem Beamten belassen werden. Dementsprechend ist der Dienstunfall dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt. Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht kann auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (nur) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen – zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene Veranlagung gehört – eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtung allein als maßgeblich anzusehen sind. Nicht Ursachen im Rechtssinne sind demnach sog. Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienstunfall eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Haben hieran gemessen mehrere Bedingungen im Rechtssinne einen bestimmten Erfolg (Körperschaden) herbeigeführt, so sind sie jeweils als wesentliche (Mit‑)Ursachen einzustufen. Die materielle Beweislast für den Nachweis des geforderten Kausalzusammenhangs trägt der (anspruchstellende) Beamte. Grundsätzlich bedarf es insoweit des vollen Beweises im Sinne „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“.
49Ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2009 – 2 C 134.07 –, BVerwGE 135, 176 = juris, Rn. 26 f., vom 1. März 2007– 2 A 9.04 –, juris, Rn. 8, und vom 18. April 2002 – 2 C 22.01 –, DÖD 2002, 314 = juris, Rn. 10, sowie Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 2 B 34.12 –, juris, Rn. 6; ferner aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats zuletzt das Urteil vom 23. Mai 2014 – 1 A 1988/11 –, juris, Rn. 50 ff., m. w. N.
50Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Perforation des Sickerkissens im linken Auge des Klägers Folge des von der Beklagten als Dienstunfall anerkannten Unfallgeschehens vom 19. Oktober 2009. Es handelt sich bei der Perforation des Sickerkissens um einen Körperschaden (dazu a)), für den der Unfall kausal im Sinne des Dienstunfallrechts war (dazu b)).
51a) Die Perforation des Sickerkissens ist ein Körperschaden im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Der physische Zustand des Klägers war ungünstig verändert: Gewebe im linken Auge des Klägers ist eingerissen mit der Folge, dass Augenflüssigkeit unkontrolliert abfloss und der Augeninnendruck stark abfiel. Dieser Zustand dauerte zumindest einige Tage an: Der Unfall erfolgte am 19. Oktober 2009; am 23. Oktober 2009 war im Klinikum E. der Riss noch festzustellen. Dieser war auch behandlungsbedürftig: Die Augenärzte am Klinikum E. hielten es medizinisch für erforderlich, den Riss operativ zu schließen. Zur Operation kam es nur deswegen nicht, weil er vor der am 26. Oktober 2009 geplanten Operation von allein verheilte.
52b) Der Dienstunfall am 19. Oktober 2009 war im dienstunfallrechtlichen Sinne kausal für die Perforation des Sickerkissens. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus einer Gesamtwürdigung des Akteninhalts, insbesondere aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Q. , und zwar mit dem erforderlichen Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Soweit das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 7. März 2012 und seine ergänzende schriftliche Erläuterung vom 29. August 2012 in bestimmten Zusammenhängen noch Unklarheiten bzw. Begründungsdefizite enthielten, hat der Sachverständige alle bedeutsamen Punkte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überzeugend und nachvollziehbar erläutert. Es sind nicht ansatzweise Bedenken hinsichtlich der fachlichen Kompetenz oder der Unparteilichkeit des Sachverständigen erkennbar oder geltend gemacht worden. Weiter hat der Sachverständige keine Unsicherheiten erkennen lassen oder sich mit seinen Angaben in Widersprüche verwickelt. Daraus ergibt sich für den Senat insgesamt eine taugliche und hinreichend fundierte Grundlage, um die Frage des hier streitigen Ursachenzusammenhangs auf einer ausreichenden Tatsachenbasis beurteilen zu können.
53Der Sachverständige hat zunächst plausibel und überzeugend begründet, dass zwischen dem Unfall des Klägers und der Perforation, also dem Riss der Bindehaut ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass ohne den Unfall die Bindehaut nicht gerissen wäre (dazu aa)). Unter Berücksichtigung der Erläuterungen des Sachverständigen ist der Unfall darüber hinaus auch wesentliche Ursache im dienstunfallrechtlichen Sinne und nicht bloße Gelegenheitsursache (dazu bb)).
54aa) In seinem schriftlichen augenärztlichen Gutachten vom 7. März 2012 hat der Sachverständige ausgeführt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei ein (naturwissenschaftlicher) Zusammenhang der Bindehautverletzung mit dem Unfall anzunehmen. Dies hat er damit begründet, dass das Auge des Klägers wegen des Sickerkissens vorgeschädigt gewesen sei und unter diesen Umständen ein relativ leichtes stumpfes Trauma ausreiche, um zur Perforation der Bindehaut zu führen. Wenn durch ein solches Trauma der Augendruck zu sehr ansteige, fließe vermehrt Flüssigkeit aus dem Augeninneren durch das Loch in der Lederhaut in das Sickerkissen und die Hülle des Sickerkissens, die stark überdehnte Augenbindehaut, könne einreißen. Der vom Kläger nach dem Sturz angegebene vermehrte Tränenfluss am linken Auge passe zur Perforation der Bindehaut. Eine spontane Perforation des Sickerkissens 42 Jahre nach der Operation mit anschließender Selbstheilung komme so gut wie nie vor und könne daher ausgeschlossen werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er den Grund für seine letzte Annahme erläutert: Wenn die Bindehaut im Auge des Klägers so viele Jahre nach der Operation spontan gerissen wäre, wäre dies nur bei einem maroden Bindegewebe geschehen. Ein solch marodes Bindegewebe hätte jedoch anschließend nicht von allein verheilen können. Diese Ausführungen des Sachverständigen zum naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang sind nachvollziehbar und plausibel. Soweit der Sachverständige ausgeführt hat, auch eine starke Entzündung des Sickerkissens hätte die Bindehaut reißen lassen können, ist dies als Ursache des Risses beim Kläger auszuschließen. Denn eine solche Entzündung ist den ärztlichen Berichten des Dr. I. und des Klinikums E. über den Zustand des linken Auges in den Tagen nach dem Sturz nicht ansatzweise dokumentiert.
55Die Ausführungen des Sachverständigen werden nicht durch die schriftlichen Stellungnahmen des von der Beklagten vorprozessual eingeschalteten Augenarztes Dr. A. vom 28. September 2010 und vom 23. Dezember 2010 durchgreifend in Frage gestellt. Beide sind nach Aktenlage ohne eine Untersuchung des Klägers ergangen. Seine Thesen sind kaum begründet und er setzt sich nicht hinreichend mit Gegenargumenten (z. B. den von Dr. Q. benannten Gründen, warum die Bindehaut über dem Sickerkissen nicht spontan gerissen sein kann) und möglichen anderen Ursachen auseinander. In seiner ersten Stellungnahme hat Dr. A. ausgeführt, das Sickerkissen des Klägers sei besonders empfindlich. Da keine Verletzungszeichen am Augapfel dokumentiert seien, müsse der Riss eine andere Ursache als den Sturz haben. Dieser Ansatz stimmt insoweit mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Q. überein, als beide Augenärzte davon ausgehen, dass die Bindehaut über dem Sickerkissen nur dann reißt, wenn es eine direkte Einwirkung auf den Augapfel gegeben hat. Dr. Q. hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weitergehend erläutert, dass die Bindehaut am Sickerkissen nur reißen konnte bei einem direkten Druck auf den Augapfel oder einer starken Entzündung, wobei es für Letztere, wie ausgeführt, keinerlei Anhaltspunkte gibt. Soweit Dr. A. das Fehlen dokumentierter Verletzungszeichen am Augapfel augenscheinlich als Beweiszeichen dafür deutet, dass es keine äußere Einwirkung auf den Augapfel gegeben habe, ist ihm nicht zu folgen. Denn nach den Angaben des Sachverständigen Dr. Q. genügt angesichts der durch das Sickerkissen stark gedehnten Bindehaut bereits ein leichtes stumpfes Trauma, um die beim Kläger festgestellte Augenverletzung herbeizuführen. Dass es zu einer entsprechenden mechanischen Beanspruchung des Augapfels gekommen ist, hat der Sachverständige auf die unmittelbar nach dem Unfallereignis feststellte Rötung der Bindehaut zurückgeführt. Damit hat er zugleich zu erkennen gegeben, dass er andere Ursachen für die Rötung (spontaner Riss, starke Entzündung) ausschließt, für die auch sonst keine Anhaltspunkte bestehen. Außerdem hat Dr. Q. darauf hingewiesen, dass auch der vom Kläger beschriebene vermehrte Tränenfluss nach dem Unfall zur Perforation der Bindehaut passe. Vor dem Hintergrund der auch insoweit nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen bedarf es keiner Festlegung, wodurch genau das Trauma des Augapfels herbeigeführt wurde. Die zweite Stellungnahme von Dr. A. vom 23. Dezember 2010 kann die Ausführungen von Dr. Q. im Übrigen schon deswegen nicht erschüttern, weil Dr. A. darin in unzutreffender Weise davon ausging, dass die offene Stelle in der Bindehaut operativ verschlossen worden sei. Dies war jedoch unstreitig nicht der Fall. Dementsprechend hat Dr. A. nicht berücksichtigt, ob und ggf. welche Folgerungen aus der Spontanheilung der Bindehaut zu ziehen sind.
56Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. November 2011 vorgetragen hat, aus dem vom Klinikum E. verwendeten Begriff „Nahtinsuffizienz“ sei zu folgern, dass die offene Stelle in der Bindehaut zumindest latent schon vor dem Unfall bestanden habe, ist dies vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen spekulativ. In den Berichten des Klinikums E. finden sich zwar verschiedene Bezeichnungen für die Verletzung am linken Auge des Klägers: So ist einerseits von „Rissverletzung des Auges ohne Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes“ (Aufnahme- und Entlassungsanzeige des Klinikums E. jeweils vom 26. Oktober 2009), andererseits von „Z. n. Nahtinsuffizienz bei Z. n. Glaukom OP“ (Bericht vom 26. Oktober 2009) die Rede. Nach einem ausführlicheren Schreiben des Klinikums vom 10. November 2010 hat sich „am linken Auge im Bereich der alten OP-Narbe bei leichtem Druck eine offene Stelle“ gezeigt. Dieser Formulierung zufolge kann der Riss sowohl direkt an der Naht gewesen sein als auch in der Nähe der Naht („Bereich“). Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, aus den ärztlichen Unterlagen im Verwaltungsvorgang, die ihm bei der Erstellung seines Gutachtens vorlagen, sei nicht sicher zu entnehmen gewesen, an welcher exakten Stelle die Bindehaut gerissen sei. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwar weiter bestätigt, dass Nahtinsuffizienz und Perforation grundsätzlich verschiedene Dinge seien. Er hat im gleichen Zusammenhang aber die Formulierung „Nahtinsuffizienz“ bezogen auf den vorliegenden Fall für unglücklich gehalten. Zur Frage der Empfindlichkeit der Bindehaut über dem Sickerkissen hat der Sachverständige erläutert, die Bindehaut sei dort sehr dünn gewesen, im Bereich der alten OP-Narbe jedoch wulstiger und damit dicker. Dass sie gerade an der dickeren Stelle gerissen sei, sei wegen der Dicke sehr unwahrscheinlich. Aber unabhängig davon, an welcher Stelle des Sickerkissens die Bindehaut gerissen sein mag, hat der Sachverständige – wie oben dargestellt – keinen Zweifel daran gelassen, dass Auslöser für den Riss in der Bindehaut über dem Sickerkissen allein das hier in Rede stehende Unfallereignis gewesen sein kann. Das schließt es zur Überzeugung des Senats aus, dass vorher im Bereich der Naht oder an einer anderen Stelle bereits ein Loch in der Bindehaut über dem Sickerkissen vorhanden gewesen sein könnte. Dann hätte nämlich bereits vorher das Augenwasser durch das Loch in der überdehnten Bindehaut abfließen und der Augeninnendruck merklich sinken müssen. Dies war nach Aktenlage nicht der Fall. Im Gegenteil war der Augeninnendruck des Klägers nach den Feststellungen des Augenarztes Dr. I. in seinem Schreiben vom 23. Oktober 2009 bei der letzten Kontrolle am 3. August 2009 deutlich höher als nach dem Sturz (15 mmHg statt 0 bis 2 mmHg). Nachdem die Bindehaut eingerissen war, sank der Augeninnendruck im linken Auge des Klägers nach den Feststellungen des Klinikums E. am 23. Oktober 2009 auf 2 mmHg. Dieses Absinken des Augeninnendrucks ist nach den Ausführungen des Sachverständigen medizinisch nur durch den Riss in der Bindehaut zu erklären. Zudem hätte es bei einer Vorschädigung des Auges schon vor dem Unfall vermehrten, vom Kläger auch ohne Weiteres zu bemerkenden Tränenfluss geben müssen, wofür jedoch keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger nach seinen Angaben bis zum Unfall 42 Jahre mit dem Sickerkissen gelebt hat, ohne dass er vergleichbare Augenbeschwerden wie nach dem Sturz gehabt hätte, ist weder substantiiert vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich, vielmehr rein spekulativ, dass vor dem Sturz ein Ereignis stattgefunden haben könnte, dass zu einem unerkannten Riss im Sickerkissen geführt hätte.
57bb) Neben der hier vorliegenden naturwissenschaftlichen Kausalität ist der Unfall des Klägers auch im dienstunfallrechtlichen Sinne wesentliche Ursache für die Perforation der Bindehaut.
58Diese Frage ist keine rein medizinische. Ihre Beurteilung hängt auch von einer juristischen Bewertung ab. Nach den oben dargelegten Vorgaben der Rechtsprechung zum Kausalzusammenhang kommt es in einem Fall, in dem ein anlagebedingtes Leiden ausgelöst oder beschleunigt wird, nicht darauf an, ob eine gesunde Person durch dasselbe Ereignis in gleicher Weise geschädigt worden wäre. Entscheidend ist hier vielmehr, ob es bei einem derart vorgeschädigten Menschen, hier also einer Person mit einem Sickerkissen wie beim Kläger, zum Reißen der Bindehaut über dem Sickerkissen einer besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkung bedurfte oder ob auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte.
59Ein alltägliches Ereignis hätte beim Kläger nicht zu einem Riss in der Bindehaut geführt. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anschaulich geschildert, welche Kraft an welcher Stelle einwirken muss, damit die Bindehaut eines Sickerkissens, wie es beim Kläger vorhanden ist, einreißt. Vor allem hat er präzisiert, dass es eines mechanischen Eingriffs in die Augenhöhle mit Druck auf den Augapfel bedarf, um den Druck im Auge so weit zu erhöhen, dass das Augenwasser durch das Loch in der Lederhaut in das Sickerkissen gedrückt wird, so dass der Druck im Sickerkissen steigt und die das Sickerkissen begrenzende Bindehaut schließlich reißt. Ereignisse, die einen solchen Druck auf den Augapfel ausüben, sind nicht alltäglich. Der Sachverständige hat erläutert, dass ein Reiben mit dem Finger oder ein leichtes Anstoßen z. B. an der Brille nicht genügen, ebenso wenig ein Insekt, das ins Auge fliege. Da das Auge in der Augenhöhle gut geschützt liege, reiche es auch nicht aus, wenn nicht der Augapfel direkt, sondern nur der Kopf in einer Weise anstoße, wie es im Alltag etwa an einem Schrank oder im Gedränge einer Menschenmenge geschehen könne. Ein Stolpern mit anschließendem Auffangen des Körpers hätte die Bindehaut des Klägers ebenfalls nicht einreißen lassen. Geschehnisse, bei denen der Druck auf den Augapfel eine so dünne Bindehaut wie beim Kläger reißen lassen kann, sind dagegen trotz der Empfindlichkeit dieser Bindehaut nicht alltäglich. Dazu müsste der Augapfel nach Aussagen des Sachverständigen z. B. am Schlüssel einer Schranktür anstoßen oder eine Hand müsste ins Auge gedrückt werden. All dies kommt typischerweise nicht im Alltag vor, sondern nur in Ausnahmefällen.
60Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung war zur Klarstellung neu zu fassen, um deutlich zu machen, dass der Kläger die Feststellung als Dienstunfallfolge nur für den im Tenor genannten Zeitraum beanspruchen kann. Der Sache nach hat dies auch das Verwaltungsgericht bereits so entschieden. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem erstinstanzlichen Tenor, aber aus den zur Auslegung des Tenors heranzuziehenden Entscheidungsgründen. Auf Seite 10 unten des Urteilsabdrucks heißt es: „Denn zur Überzeugung des erkennenden Gerichts war der genannte Körperschaden – solange er bestand – Folge des Dienstunfalls.“ Dies wird ergänzt am Ende des ersten Absatzes auf Seite 11 des Urteilsabdrucks: „Geht es hingegen – wie hier – darum, dass ein dienstunfallbedingter Körperschaden einmal gegeben war und sodann infolge einer Spontanheilung entfiel, ist die Behörde verpflichtet, diesen Körperschaden für den Zeitraum ab dem Unfallereignis bis zur (Spontan-)Heilung als Dienstunfallfolge anzuerkennen.“
61Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
62Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
63Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht gegeben sind.